Lernen und Lernverhalten
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- Anneliese Falk
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Lernen und Lernverhalten Grundlagen des Lernens sowie Verbesserung des eigenen Lernverhaltens Autor: Stud. BWL UniBE, Mike Suter, August 2016.
2 Irrtümer und Fehlvorstellungen (I) Für eine bevorstehende Prüfung möglichst viel ins Kurzzeitgedächtnis stopfen Das Kurzzeitgedächtnis speichert Informationen lediglich für einige Sekunden. Selbst bei kurzfristigem Lernen werden die Informationen ins Langzeitgedächtnis transferiert. Ob ich frühzeitig zu lernen beginne oder aber kurz vor der Prüfung eine Nachtsession einlege spielt keine Rolle, Hauptsache das Resultat stimmt! Levels of Processing: Je tiefer ich (deklarative) Informationen verarbeite, desto besser die Gedächtnisleistung Für kurzfristigen Abruf mag diese Strategie aufgehen, bezüglich nachhaltigem Lernen ist sie jedoch höchst ineffektiv! Konsolidierung im Schlaf: zeitnaher Slow-Wave-Sleep ist für die Konsolidierung von deklarativen Inhalten wichtig! Nachtschichten sind demnach für ein nachhaltiges Lernen nicht zu empfehlen!
3 Irrtümer und Fehlvorstellungen (II) Was ich einmal gelernt habe, vergesse ich nicht mehr! Unterschätzung von Prozessen wie Vergessen oder die Anfälligkeit von aktivierten Gedächtnisspuren Ich optimiere meinen Lernerfolg, wenn ich das zu lernende Kapitel mehrmals durchlese! Viel effektiver ist ein aktiver Abruf (Retrieval Practice) des gerade Gelesenen (z.b. Karpicke; 2012) Retrieval Practice produziert langfristiges Behalten und steigert Flexibilität Notizen mit Laptop sind Handnotizen überlegen! Handnotizen führen zu einer elaborierteren Kodierung, was vor allem beim Konzept- Anwendungswissen einen Vorteil bringt (Mueller & Oppenheimer; 2014) Karpicke, J.D. (2012). Retrieval-Based Learning: Active Retrieval Promotes Meaningful Learning. Current Directions in Psychological Science, 21(3), Mueller, P.A. & Oppenheimer, D.M. (2014). The pen is mightier than the keyboard: Advantages of longhand over laptop note taking. Psychological Science, 25(6),
4 Strukturierung des Gedächtnisses (I) Sensorisches Gedächtnis nach Sperling (1960) Ultrakurzspeicher für Sinnesinformationen (iconic, echoic, haptic) Schneller Zerfall ohne Transfer ins Kurzzeitgedächtnis Arbeits-/Kurzzeitgedächtnis (Multikomponentenmodell nach Baddeley & Hitch; 1974) Spanne von 7 +/-2 Items (durch Chunking erweiterbar) Bestehend aus phonologischer, visuell-räumlicher und exekutiver Komponente Speicherung von Informationen für wenige Sekunden, Übertragung ins Langzeitgedächtnis nötig! Sperling, G. (1960). The information available in brief visual presentations. Psychological Monographs: General and Applied, 74, 1-29 Baddeley, A.D. & Hitch, G.J. (1974). Working memory. In G.A. Bower (Hrsg.), The psychology of learning and motivation: Advances in research and theory (S ). New York: Academic Press.
5 Strukturierung des Gedächtnisses (II) Langzeitgedächtnis nach Squire (1992) Explizites (deklaratives) Langzeitgedächtnis für semantische und episodische Infos Implizites (nichtdeklaratives) Langzeitgedächtnis für unbewusstes Lernen (z.b. für Erlernen von Velo- oder Autofahren, Instrumente, etc.) Squire, L.R. (1992). Declarative and nondeclarative memoy: Multiple brain systems supporting learning an d memory. Journal of Cognitive Neuroscience, 4,
6 Vergessen ein natürliches Phänomen Bereits frühe Experimente von Ebbinghaus (1885) haben gezeigt, dass Vergessen (von expliziten Inhalten) ein natürlicher, unumgänglicher Prozess ist! Je länger das Behaltensintervall, desto schlechter die Erinnerungsleistung Klarer (aber nichtlinearer!) Zusammenhang zwischen Lernaufwand am Tag X und Lernerfolg am darauffolgenden Tag ( You get what you pay for ) Ebbinghaus, H. (1885). Über das Gedächtnis. Leipzig: Dunker.
7 Vergessen ein natürliches Phänomen
8 Optimales Lernen (I) Verteiltes Lernen (Distribution Practice Effect) Optimales Lernintervall für eine Prüfungsvorbereitung beträgt 10-20% des Gesamtintervalls (bis zur Prüfung) Organisation und Strukturierung des Lernmaterials (Levels of processing nach Craik & Lockhart; 1972) Je besser/tiefer die Verarbeitung, desto besser die Erinnerungsleistung Dies impliziert die aktive Verknüpfung von neugelerntem Material mit bestehendem Wissen (Integration in bestehende Schemata durch Assoziationen, hierarchische Struktur, Verknüpfungen zu einer Geschichte, etc.) sowie dessen Elaborierung (schafft mehr Abrufcues) Je mehr potenzielle Abrufcues vorhanden sind, desto leichter fällt ein Abruf Für langfristigen Lernerfolg nicht zu empfehlen (aber häufig angewendet) ist das kurzfristige Auswendiglernen von Lernmaterial (phonologische Verarbeitung) Craik, F.I.M. & Lockhart, R.S. (1972). Levels of processing. A framework for memory research. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 11,
9 Optimales Lernen (II) Expanding Retrieval Practice (Landauer & Bjork; 1978): Kombination aus Verteiltem Lernen (siehe vorherige Folie) Aktivem Abruftraining mit Variablem Intervall: Ein Lerneffekt ist am grössten, wenn die zu erinnernde Information selber abgerufen (= generiert) wird! Es empfiehlt sich daher, Informationen selber aktiv aus dem Gedächtnis abzurufen (oder dies zumindest zu versuchen!) und nicht nachzuschlagen! Gelingt ein unabhängiger Abruf, so sollte das Intervall bis zum nächsten Abruf kontinuierlich gesteigert werden. Als Faustregel sollte ein Zielitem 3x korrekt abgerufen werden Feedback: empfehlenswert ist ein zeitnahes Feedback über die Korrektheit eines Abrufs Motivation Motivation besitzt einen indirekten Einfluss auf den Lernerfolge, indem Motivation dazu führt, dass mehr geübt wird und den Aufmerksamkeitsfokus lenkt! Landauer, T.K. & Bjork, R.A. (1978). Optimum rehearsal patterns and name learning. In M.M. Gruneberg, P.E. Morris & R.N. Sykes (Hrsg.), Practical aspects of memory (S ). London: Academic Press.
10 Gedächtnisabruf zentrale Rolle von Cues Zentrale Rolle von Abrufcues beim Gedächtnisabruf: Abrufcues dienen als Abrufhilfen für die zu erinnernde Information. Sie helfen durch Aktivierung des semantischen Netzwerkes (Spreading Activation nach Collins & Loftus; 1975) dabei, die richtige Gedächtnisspur zu finden und können in verschiedenen Formen bestehen Internale Abrufcues wie Worthäufigkeit, Vertrautheit, Assoziationen mit anderen Begriffen/Ideen Externale Abrufcues wie erster Buchstabe, Wortanfang, Kategorie Collins, A.M. & Loftus, E.F. (1975). A spreading-activation theory of semantic processing. Psychological Review, 82,
11 Gedächtnisabruf Verbesserung Verschiedene Faktoren können dazu führen, dass eine im Gedächtnis abgespeicherte Information besser abgerufen werden kann Anzahl von Abrufcues: Je mehr Abrufcues desto einfacher der Abruf Assoziationsstärke von Cues und Zielinformation: je stärker die Assoziationsstärke, desto schneller breitet sich die Aktivierung im semantischen Netzwerk aus Kodierspezifität: Je besser ein Zielitem verarbeitet wurde, desto einfacher fällt auch ein Abruf ( levels of processing) Abrufstrategie: Einnehmen einer anderen Perspektive beim Abruf. So kann ein Abruf z.b. erleichtert werden, wenn von der Unternehmenssicht auf die Kundensicht gewechselt wird Kontextabhängiges Gedächtnis: Ein Abruf gelingt umso besser, je ähnlicher sich die Lern- und Abrufsituation bezüglich Umwelt, eigenem Zustand und Stimmung sind. Es empfiehlt sich daher in Umgebungen/Situationen zu lernen, welche der Prüfungssituation ähnlich sind!
12 Gedächtnisoptimierung Verschiedene Faktoren mit Einfluss auf kognitive Leistungen Ernährung Aktiver Lebensstil (z.b. Stine-Morrow et al.; 2008) Sport: Erhöht Aufmerksamkeit und Schulleistungen bei Kindern, verbessert räumliches Vorstellungsvermögen Stine-Morrow, E.A.L, Parisi, J.M., Morrow, D.G. & Park, D.C. (2008). The effects of an engaged lifestyle on cognitive vitality: A field experiment. Psychology and Aging, 23(4),
13 Nachhaltiges Lernen Vielfach wird erst in den letzten Tagen vor einer Prüfung sehr viel Material reingestopft. Diese Strategie mag zwar kurzfristig aufgehen, für ein nachhaltiges Lernen ist sie jedoch höchst ineffektiv! Oft stellen wir fest, dass wir durch diese Art gelernte Materialien bereits nach wenige Tagen wieder vergessen haben! Ziel von Lernen sollte darin bestehen, Informationen nachhaltig verfügbar zu machen und auch zu späteren Zeitpunkten abrufen zu können. Verschiedene Lernstrategien helfen dabei, dieses Ziel zu erreichen (siehe Folien optimales Lernen ): Verteiltes Lernen Organisation, Strukturierung und Elaboration des Lernmaterials Expanding Retrieval Practice Aktiver Abruf
14 Prüfungsvorbereitung optimieren Aufbauend auf den Ausführungen eines optimalen Lernens empfehlen sich folgende Strategien und Vorgehensweisen für eine Prüfungsvorbereitung Grafiken und Tabellen gut studieren: zwingt zu einer elaborierteren Verarbeitung, generiert Fragen und Abrufcues Erstellen von Lernkarten und Glossar: Lernkarten sind anderen Formaten überlegen, jedoch sollten diese selber erstellt werden (im Optimalfall durch eigenen, aktiven Abruf!) Organisation bzgl. Zeitplan und Inhalt: Wichtig für ein nachhaltiges Lernen ist verteiltes Lernen. So sollte frühzeitig mit dem Lernen begonnen werden, das optimale Lernintervall beträgt dabei 10-20% des Gesamtintervalls bis zur Prüfung Mindmaps: das Erstellen von Mindmaps führt zu einer Strukturierung und Elaboration des Lernmaterials.
15 Kompetenter Lerner... Besitzt Grundverständnis über die kognitiven Grundlagen Mensch mit prinzipiell unendlichem (!) Speicher Informationsspeicherung durch Verknüpfung mit bestehendem Wissen (kein Recorder ) Informationsspeicherung durch Interpretation, Elaboration, Organisation, Verdichtung Jeder Abruf ist konstruktiv und eine eigene Lernepisode: Einmal Gelerntes kann auch wieder vergessen werden Kennt Aktivitäten und Strategien zur langfristig überlegenen Informationsspeicherung Lernen verteilen (Distribution Practice Effect) vor massiertem Lernen Inhalte mischen: 2 Stunden Fach X, 2 Stunden Fach Y, etc. Lernkontext variieren Aktiver Abruf (zumindest Versuch!) vor Nachschlagen
16 Kompetenter Lerner... Kann seinen Lernprozess überwachen Metakognitives Monitoring: Beurteilung des aktuellen Zustandes Metakognitive Kontrolle: Richtige Konsequenzen ziehen Besitzt Bewusstsein über die eigene Anfälligkeit auf Fehleinschätzungen Übervertrauen Hindsight Bias (Rückschaufehler): Annahme, man habe etwas sowieso bereits gewusst, wenn die Antwort vorliegt (z.b. beim Lesen eines Textes) Foresight Bias (Vorschaufehler): Annahme, man werde etwas in der Prüfungssituation dann schon wissen Stabilitätsfehler: Annahme, die eigene Erinnerungsfähigkeit verändere sich nicht. Vernachlässigung von Prozessen wie Vergessen und Interferenzanfälligkeit
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