Crash-Kurs Fall 8. PD Dr. A. Schall. Universität zu Köln Großer Examens- und Klausurenkurs

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1 Crash-Kurs Fall 8 PD Dr. A. Schall

2 Der Pfandbonklau zur arbeitsrechtlichen Relevanz des wichtigen Falles s. BAG NJW 2011, 167 (Anm. Stoffels, ibid, S. 118) K ist mit seiner Freundin F im Supermarkt des S einkaufen. Er gibt am Leergutautomaten seine Pfandflaschen ab. Den dafür erhaltenen Pfandbon über 5 verliert er beim Einstecken. D, der nach ihm eine Reihe aufgesammelter Flaschen abgibt, nimmt auch den Bon des K an sich und lässt sich an der Kasse alles in bar auszahlen. Welche Ansprüche hat K gegen S bzw. D?

3 Ansprüche gegen S A. Anspruch aus 433 II BGB I. Anspruch entstanden Rechtsnatur des Flaschenpfandes umstritten (Sosnitza, BeckOK 1204 Rn 24). Nach h.m. ist zumindest Pfandleihsystem mit Standardflaschen als Kauf-/Rückkauf ausgestaltet ME muss dies sogar immer so sein, da man das Eigentum an der Flasche nicht anders behandeln kann als das am Inhalt und deshalb nicht das eine verkaufen, das andere aber nur vermieten kann. Arg: 93 BGB: nimmt man die Flasche weg, ist der Inhalt zerstört.

4 Abschluss des Kaufvertrags Zwei übereinstimmende WE ( 145 ff) Angebot des S durch Aufstellung des Pfandautomaten ( ad incertas personas ) Annahme durch K durch Betätigung des Automaten (Einstellung der Flaschen) Zw.-Ergebnis: Anspruch des K entstanden

5 II. Anspruch durchsetzbar? Kann K tatsächlich ohne Bon den Kaufpreis fordern? Praktisch ist das kaum vorstellbar Aber ist es ein rechtliches Erfordernis oder eine bloße Beweisfrage (Vgl. den Fall der Rückgabe mangelhafter Ware gegen Geld ohne Kassenbon das ist rechtlich möglich, wennauch schwierig durchzusetzen. Hier könnte etwa die F Zeugin sein

6 Der Pfandbon als kleines Inhaberpapier Schlüssel zur Lösung: 807 i.v.m. 793 Pfandbons sind kleine Inhaberpapiere (vgl. Schall, RdA 2010, 225 ff zum Fall Barbara Emme) Aussteller erlaubt Geltendmachung nur dem Inhaber ( 93 I 1 a.e.) Unterschied zu echter Schuldverschreibung liegt lediglich in Unvollständigkeit (Aussteller wird nicht genannt) Abgrenzung zu Beweiszeichen: Garderobenmarke als Gegenbeispiel: man kann seinen Mantel auch ohne Marke zurückbekommen, wenn man sein Eigentum anders beweisen kann)

7 Ergebnis zu 433 II Folgen des 807: S muss nur gegen Urkunde leisten ( 797 S. 1) Forderung des K gegen S durch Leistung an D sogar erloschen ( 793 I 2) Kein Anspruch des K gegen V aus 433 II

8 Anspruch K gegen S auf Herausgabe des Pfandbons aus 985 BGB Allg. Voraussetzung: Besitz des S Eigentum des K Kein Besitzrecht des S S ist Besitzer des Pfandbons Besitz wurde erworben durch Übergabe des Pfandbons von D an Kassiererin, die als Besitzdienerin nach 855 BGB die Sachherrschaft für S ausübt.

9 Eigentum des K? Wer hatte ursprünglich das Eigentum an Pfandbon? Antwort ergibt sich aus 952 I: Eigentum an Urkunde folgt dem Eigentum an Forderung Forderung aus 433 II steht dem K zu Also ist ursprünglich K auch Eigentümer des Pfandbons

10 Verlust des ET des K? Verlust des Pfandbons führt nicht zu Verlust des Eigentums (vgl. 965 ff) Ebensowenig Ansichnahme durch D, da keine Übertragung der Forderung von K and D stattfindet Aber: Verlust des ET des K nach 797 Satz 2 durch Aushändigung des Bons von D an der Kasse Sperrt 935 I (analog)? Nein (Wortlaut, Wertung der 794 I, 935 II) Damit hat K das ET verloren und keinen Anspruch aus 985 BGB

11 Anspruch K gegen S auf SE aus 831 I/ 823 I ET-Verletzung durch Annahme des Pfandbons? Grundsätzlich (+), da ET des K verloren geht Unerlaubte Handlung der Kassiererin? Rechtmäßigkeit des Verhaltens wegen 797 BGB oder Parallelwertung zu 932 ff. (Gut- /Bösgläubigkeit) siehe dazu 793 I 2 I.E. hier keinesfalls Haftung des S

12 Ansprüche K - D I. Aus 985 BGB auf HG des Besitzes an Pfandbon (-) K ist nicht mehr ET (s.o.) II. Aus 985 BGB auf HG des Besitzes an erhaltenem Bargeld (-) Übereignung des Geldes erfolgt von S an D. Keine dingliche Surrogation (vgl. dagegen 1287, 1288 I, II)

13 III. Aus 989, 990 auf SE 1. Ursprüngliches Bestehen eines E-B-V zwischen K und D: (+) K war Eigentümer, D zunächst Besitzer ohne Besitzrecht 2. Bösgläubigkeit des D: (+) IV. Aus 992, 823 I (+) D ist Deliktsbesitzer V. Aus 816 II auf HG des Erlangten (+) da Leistung an D wegen 793 I 2 wirksam VI. Aus 687 II, 681 Satz 2, 667 auf HG des Erlangten (+) Einziehung der fremden Forderung ist objektiv fremdes Geschäft, das sich der bösgl. D angemaßt hat. Rechtfolge: HG des Erlangten

14 Abwandlung D löst den Pfandbon nicht selbst ein, sondern gibt ihn an den gutgläubigen X, um eine bestehende Schuld zu begleichen. X löst den Bon bei S ein. Kann K gegen X vorgehen?

15 Lösung Mangels Bösgläubigkeit entfallen Ansprüche aus ( 989, 990; 992, 823 I; 687 II, 667) Möglich bleibt 816 II Leistung an NB X evt. berechtigt, da Pfandbon gutgl. von D erworben? Aber: Erwerb nicht nach 932 ff (wegen 952 I) Stattdessen: Erwerb des ET an Pfandbon durch Abtretung der Forderung

16 X hat Forderung aber nicht erworben, da D nicht Forderungsinhaber. Kein gutgläubiger Forderungserwerb möglich Leistung erfolgt also wiederum an NB Wirksamkeit der Leistung: (+) Möglichkeit der Entreicherung ( 818 III)? Nein: X hat Forderung gegen D nicht verloren (vgl. 364 II)