Motorische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Motorische Hauptbeanspruchungsform Koordinative Fähigkeiten
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- Paula Meinhardt
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1 Motorische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Motorische Hauptbeanspruchungsform Koordinative Fähigkeiten Begriffsbestimmung Die Koordinativen Fähigkeiten sind Fähigkeiten, die primär koordinativ, d.h. durch die Prozesse der Bewegungssteuerung und -regelung bestimmt werden. Sie befähigen den Sportler, motorische Aktionen in vorhersehbaren Situationen sicher und ökonomisch zu beherrschen und sportliche Bewegungen relativ schnell zu erlernen (Hirtz, 1981). Die wichtigsten Komponenten der Koordinativen Fähigkeiten sind die: Gleichgewichtsfähigkeit den Körper im Gleichgewichtszustand halten, bzw. diesen wiederherzustellen. Orientierungsfähigkeit Bestimmung der Lage des Körpers in Raum und Zeit. Differenzierungsfähigkeit fein abgestimmte und dosierte Bewegungen und Teilkörperbewegungen mit großer Bewegungsgenauigkeit und Bewegungsökonomie. Rhythmisierungsfähigkeit einen von außen vorgegebenen Rhythmus erfassen und motorisch zu reproduzieren. Reaktionsfähigkeit schnelle Einleitung und Ausführung zweckmäßiger motorischer Aktionen auf ein Signal hin. Umstellungsfähigkeit während einer sportlichen Handlung aufgrund von Situationsveränderungen das Handlungsprogramm den neuen Gegebenheiten anpassen. 1
2 Kopplungsfähigkeit Teilkörperbewegungen der Extremitäten, des Rumpfes und des Kopfes untereinander und in Beziehung setzen. Die unterschiedlichen Anforderungsklassen von typischen koordinativen Aufgabenstellungen sind in folgender Tabelle dargestellt. In der linken Spalte sind die fünf für die Bewegungskoordination führenden Sinnesorgane angeführt, die rechte Spalte differenziert zwischen sechs Druckbedingungen, die jeweils auf kleinmotorische oder großmotorische Aufgaben bezogen sein können. Tab. 1: Koordiantive Anforderungs- und Aufgabenklassen (nach Neumaier, 2006). Perzeptive Anforderungsklassen optische Anforderungen akustische Anforderungen kinästhetische Anforderungen vestibuläre Anforderungen taktile Anforderungen Motorische Anforderungsklassen Kleinmotorisch/großmotorisch Zeitdruck Präzisionsdruck Komplexitätsdruck Organisationsdruck Variabilitätsdruck Belastungsdruck Messgrößen der Koordination Motorische Tests für eine einzelne Koordinative Fähigkeit sind in der Sportpraxis selten. Meist werden alle Koordinativen Fähigkeiten als Konstrukt in einem komplexen Test ermittelt. Typische Einzeltests für einzelne Koordinative Fähigkeiten sind beispielsweise das Balancieren Rückwärts oder das seitliche Hin- und Herspringen. Komplextests für die Koordination sind beispielsweise der Hindernislauf, der Kastenbumerang-Test oder der Ballwurftest Ball-Beine-Wand. Eine Übersicht über gängige Tests zur Diagnose der Koordination für unterschiedliche Zielgruppen finden Sie im Kapitel Motorische Tests. Kinder und Koordination Schon die biologische Entwicklung des Kindes begünstigt die Schulung und das Training der Bewegungskoordination und der koordinativen Fähigkeiten vor dem 2
3 Training der konditionellen und physischen Fähigkeiten (Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit). Die neuromuskuläre und sensomotorische Steuerung und Regelung von Bewegungen gehört zu elementaren Funktionsbereichen, deren Aneignung und Entwicklung sehr früh erfolgt und deshalb entsprechend gefördert werden sollte. Die Plastizität (Trainierbarkeit) der Koordinativen Fähigkeiten bei Kindern ist sehr hoch. Mangelhafte koordinative Fähigkeiten sind meistens nicht auf unzureichende Anlagen, sondern auf unzureichende Förderung und Training zurück zu führen. Die großen Unterschiede in der Koordination zwischen trainierten und untrainierten Kindern lassen vermuten, dass erstens die Trainierbarkeit der Koordination sehr hoch ist und zweitens die Entwicklungsmöglichkeiten im Vorschulalter nicht ausgeschöpft wurden. Es wird daher in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen dass eine möglichst frühzeitige Entwicklung möglich und nötig ist. Bei der Schulung der Koordinativen Fähigkeiten gibt es kein zu früh, sondern lediglich unzulängliche und dem Entwicklungsstand der Kinder nicht ausreichend angepasste Methoden und Inhalte. Bereits im Kindesalter ist das Lernen von perfekten Bewegungsabläufen möglich. Motorische Fertigkeiten sollten sofort korrekt erlernt werden. Später erfordert das Umlernen eines falsch erlernten Bewegungsablaufes oder einer falsch erlernten Technik unproportional mehr Zeit. Bei gezielter Erweiterung des Bewegungsschatzes ist eine vielseitige und variationsreiche Aufgabenstellung mit genügend hoher Übungshäufigkeit von großer Bedeutung. In Bezug auf das Koordinationstraining lautet der wichtigste Grundsatz im langfristigen Trainingsprozess mit Kindern demnach: Koordinationstraining vor Konditionstraining. Entwicklung der Koordination in der Lebensspanne Vorschulalter: Die Trainierbarkeit der koordinativen Fähigkeiten ist im Vorschulalter sehr hoch. Vorschulkinder sollten eine Vielzahl von relativ einfachen Bewegungsfertigkeiten erwerben, um für die optimalen Lernphasen in den darauf folgenden Altersabschnitten eine große und vielseitige Ausgangsbasis zu bilden um damit später die Lerneffektivität zu steigern. Frühes Schulkindalter: Die hohe Plastizität der Hirnrinde ermöglicht in diesem Alter in ausgeprägtem Maße die Entwicklung der Koordinativen Fähigkeiten. Doch aufgrund der noch ungenügend ausgebildeten Differenzierungshemmung erfährt die Genauigkeit der Bewegungen Einbußen in der Qualität der räumlich-zeitlichen Strukturmerkmale. In diesem Altersabschnitt ist ein mehrfaches und 3
4 Wiederholdendes Üben über das Erlernen der Zielbewegung hinaus nötig. Es führt zu einer ausreichend präzisen und gleichzeitig stabilen Bewegung. Spätes Schulkindalter: Der Abschluss der motorischen Hirnreife ermöglicht ein gutes Zusammenspiel unwillkürlicher, stammhirngebundener und willkürlicher, kortikaler Motorik. Die Plastizität der Hirnrinde ist weiterhin hoch und die verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit und Informationsverarbeitung ermöglicht es den Kindern, neue Bewegungserfahrungen schnell zu erlernen. In dieser Phase erfolgen die größten Zuwachsraten der Koordinativen Fähigkeiten, ganz besonders die der Differenzierungs-, Reaktions-, Gleichgewichts- und Rythmisierungsfähigkeit. Somit sind folgende Aspekte in diesem Altersabschnitt besonders wichtig: eine Vielseitige sportliche Ausbildung mit gezielter Erweiterung des Bewegungsschatzes, verstärktes Erlernen sportlicher Grundtechniken, variable Gestaltung der Übungsanforderungen und ausreichende Lernvertiefung der Inhalte. Pubeszenz: Der Gestaltwandel mit der starken Größenzunahme kann individuell zu Beeinträchtigung der Koordinativen Fähigkeiten führen. Gerade bei komplexen Bewegungen mit hohen Anforderungen an Genauigkeit und Feinsteuerung kommt es zu Qualitätsverlusten. Über den gesamten Altersabschnitt gesehen steigt mit zunehmendem Alter die Fähigkeit neue Bewegungen schneller und besser zu lernen. Abb. 1: Veränderung der Koordination in den Lebensabschnitten (nach Roth & Roth, 2009). I = Vorschulalter, II = frühes Schulkindalter, III = spätes Schulkindalter, IV = Pubeszenz, V = Adoleszenz, VI = VI = frühes Erwachsenenalter, VII = mittleres Erwachsenenalter, VIII = spätes Erwachsenenalter. Weiterführende Literatur zu diesem Thema: Martin, D., Nicolaus, J., Ostrowski, Ch., & Rost, K. (1999). Handbuch Kinder und Jugendtraining. Schorndorf: Hofmann. Moosmann, K. (2008). Erfolgreiche Koordinationsspiele. Übungsformen für Schule und Verein. Wiebelsheim: Limpert. Neumaier, A. (2009) Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Grundlagen, Analyse, Methode. Köln: Sportverlag Strauß. Weineck, J. (2007). Optimales Training. Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder-und Jugendtrainings (S ). Balingen: Spitta. 4
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