1. Einleitung. Überblick. Darstellung. Aufbau. LPS LINDE Praktiker Skripten Basic
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- Timo Bayer
- vor 7 Jahren
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1 Überblick Darstellung Aufbau 1. Einleitung Dieses Skriptum soll (insbesondere für Studierende an wirtschaftlichen Studiengängen) einen kurzen Überblick über die Europäische Union (im Folgenden kurz: EU) und ihr Recht geben. Dabei wird kein vollständiges nach einer dogmatischen Gliederung strukturiertes Bild gezeichnet. Vielmehr erfolgt die schwerpunktmäßige Darstellung nach den für diese Studien bzw für Praktiker notwendigen Inhalten. Dessen ungeachtet wird an ausgewählten Stellen (Kapitel 3.1. bzw ) ein Überblick gegeben, um die behandelten Bereiche in den Gesamtkontext stellen zu können. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt dabei auf der sogenannten 1. Säule des EU-Tempels (zu diesen Begriffen sogleich in Kapitel 3.1.). In einem ersten Schritt soll anhand einiger Fakten kurz ein Bild von der EU gezeichnet werden (Kapitel 2.), bevor die handelnden Akteure (Kapitel 3.) dargestellt werden. Im 4. Kapitel wird die Frage behandelt, 2 LPS LINDE Praktiker Skripten Basic
2 Grundlagen des Rechts der Europäischen Union wann auf europäischer Ebene überhaupt gehandelt werden darf und in welchen Bereichen (sogenannte sektorielle Politiken) bis dato europäisches Recht vorliegt. Auch diese Darstellung erfolgt anhand anschaulicher Beispiele und somit nicht vollständig. Dabei wird auch auf die Frage eingegangen, wie durch das Zusammenspiel der Organe Recht entsteht, wobei auch das Thema Lobbying behandelt wird. Daran schließt sich eine Darstellung der wesentlichen Prinzipien (Kapitel 5.) an, bevor auf die in der Praxis wichtigen Grundfreiheiten (Kapitel 6.) eingegangen wird. Die Darstellung dieser Themengebiete erfolgt primär anhand der jeweiligen Dokumente bzw was das Kapitel Grundfreiheiten betrifft, anhand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (im Folgenden kurz: EuGH). Da die Recherche dieser Dokumente auf europäischer Ebene relativ einfach möglich ist, wird im 7. Kapitel kurz dargestellt, wie zb die in diesem Skriptum erwähnten Quellen auf der Homepage der EU recherchiert werden können. Gewisse Redundanzen sollen wichtige Aspekte nochmals hervorheben (zb in Kapitel 6.8. und 6.9.), Querverweise das Gesamtverständnis erleichtern. Alle Formulierungen in diesem Skriptum sind geschlechtsneutral zu verstehen. 2. Fakten und geschichtliche Entwicklung 2.1. Geschichtliche Entwicklungen Idee Schuman-Plan Am Anfang der europäischen Einigung stand der Plan des damaligen französischen Außenministers, Robert Schuman, eine dauerhafte Aussöhnung zwischen den beiden langjährigen Rivalen Frankreich und Deutschland zu schaffen. Er schlug vor, die gesamte französisch-deutsche Kohle- und Stahlproduktion (als damals wichtige Rüstungsgüter) einer Einrichtung zu unterstellen, die vom Willen der Mitgliedstaaten unabhängig (das heißt supranational ) ist. Damit sollten weitere Kriege verhindern werden. Diese supranationale Behörde war die sogenannte Hohe Behörde, die heutige Europäische Kommission. In Gedenken an diesen am von Schuman präsentierten Plan wird am 9. Mai eines jeden Jahres der Europatag gefeiert. Bereits bei der Gründung dieser Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951 waren neben Frankreich und Deutschland Recherche Gesamtverständnis Schuman- Plan Gründungsmitglieder LPS LINDE Praktiker Skripten Basic 3
3 Markus Frischhut auch Italien und die drei Beneluxstaaten, Belgien, Niederlande und Luxemburg, beteiligt. Erste Beitritte Beitritt Österreichs Osterweiterung Letzte Beitritte Beitrittskandidaten Kopen- hagener- Kriterien Änderungen Gründungsverträge Beitritte Im Jahr 1973 traten sodann Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland bei folgte Griechenland und 1986 Spanien und Portugal. Die ehemalige DDR trat nicht offiziell bei, sondern wurde 1990 in die BRD eingegliedert. Am traten sodann Österreich, Schweden und Finnland bei. Österreich war bereits seit Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (im Folgenden kurz: EWR), weshalb wesentliche Bereich des Gemeinschaftsrechts bereits in diesem Zeitpunkt in Österreich Anwendung fanden. Norwegen sollte an sich ebenfalls 1995 beitreten, in einem Referendum sprach sich die Bevölkerung jedoch dagegen aus traten dann die zehn mittel- und osteuropäischen Länder (im Folgenden kurz: MOEL), Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Slowenien, Ungarn sowie Zypern und Malta der EU bei (zu den Übergangsbestimmungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit siehe Kapitel 6.5.) 2007 erfolgten die letzten Beitritte durch Rumänien und Bulgarien. Derzeit stehen weitere Länder vor der Türe der EU, so zb Albanien, Island, Kroatien, Mazedonien und die Türkei. Die von diesen Kandidatenstaaten zu erfüllenden Voraussetzungen (sogenannte Kopenhagener-Kriterien) sind: Politische Kriterien: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte etc, Wirtschaftliche Kriterien: funktionierende Marktwirtschaft etc, Rechtliche Kriterien: Übernahme sämtlicher Rechtsvorschriften (sogenannter gemeinschaftlicher Besitzstand, oder acquis communautaire) bzw die Aufnahmefähigkeit der EU Vertragsänderungen Nicht nur im Wege der Beitritte erfolgten wichtige Änderungen der Gründungsverträge, wie zb die Festlegung der Sitze im Parlament, die Stimmengewichtung im Rat (siehe dazu Kapitel ) etc. Im Rah- 4 LPS LINDE Praktiker Skripten Basic
4 Grundlagen des Rechts der Europäischen Union men von sogenannten Regierungskonferenzen wurden die Verträge immer wieder an zwischenzeitlich aufgetretene Notwendigkeiten (wie zb neue Tätigkeitsfelder) angepasst. Im institutionellen Bereich wurde dabei schrittweise das Europäische Parlament gestärkt (insbesondere Einführung und Ausweitung des Anwendungsbereiches des Mitentscheidungsverfahrens; siehe Kapitel 4.3.1) und bei der Abstimmung im Rat die Einstimmigkeit zugunsten der qualifizierten Mehrheit zurückgedrängt (siehe Kapitel ) erfolgte die erste Revision im Wege der Einheitlichen Europäischen Akte. Diese führte das Binnenmarktkonzept (Raum ohne Binnengrenzen, in dem die Grundfreiheiten gewährleistet sind; siehe Kapitel 6.) ein und ergänzte den Tätigkeitsbereich auf europäischer Ebene beispielsweise um die Umweltpolitik (zu diesen sektoriellen Politiken siehe Kapitel 4.2.) errichtete der Maastricht (die Verträge werden üblicherweise nach dem Ort der Unterzeichnung benannt) die Europäische Union und mit ihr das Konzept der Unionsbürgerschaft (diese tritt neben die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt diese jedoch nicht). Daneben wurde die Wirtschafts- und Währungsunion (Euro) eingeführt und beispielsweise folgende neue sektorielle Politiken ergänzt: Transeuropäische Netze (im Folgenden kurz: TEN), Industriepolitik, Verbraucherschutz, Bildungspolitik erfolgten durch den Amsterdam dann primär Änderungen im institutionellen Gefüge der EU, um die mittlerweile gestiegene Anzahl von (damals 15) Mitgliedstaaten zu berücksichtigen bzw die EU auf künftige Herausforderungen vorzubereiten versuchte der Nizza die EU auf die anstehende Erweiterung vorzubereiten. Dies insbesondere durch Ausdehnung der qualifizierten Mehrheit und die Einführung der doppelten Mehrheit im Rat (siehe Kapitel ). Den Versuch, den mittlerweile ins Stocken geratenen Integrationsprozess auf eine neue Stufe zu heben unternahm der 2004 unterzeichnete Verfassungsvertrag. Dieser wurde insbesondere wegen seines Namens ( Verfassung ) bzw den Vorbehalten einiger Staaten vor einem europäischen Superstaat abgelehnt und scheiterte letztlich in zwei Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Die überarbeitet, insbesondere um gewisse heikle Bereiche (staatsähnliche Symbole wie Flagge, Hymne etc; Grundrechtecharta als Institutionelle Entwicklungen Einheitliche Europäische Akte Maastricht Amsterdam Nizza Verfassungsvertrag Lissabon LPS LINDE Praktiker Skripten Basic 5
5 Markus Frischhut Konsolidierung Bestandteil des Vertrages; Ersetzung versus Änderung der Gründungsverträge; Bezeichnung als Verfassung) entschärfte Version findet sich nun im 2007 unterzeichneten Lissabon (ABl 2007 C 306/1), der jedoch insbesondere aufgrund eines negativen Referendums in Irland noch nicht in Kraft getreten ist. Beachte: Diese Änderungsverträge ersetzen die Gründungsverträge Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und Vertrag zur Gründung der Europäischen Union (im Folgenden kurz: EUV) nicht, sondern ändern sie inhaltlich (der Verfassungsverträge hingegen hätte, wie erwähnt, die Gründungsverträge ersetzt). Deshalb finden sich die Regelungen zb nicht im Nizza, sondern im EGV in der Fassung des Vertrages von Nizza. Da, wie erwähnt, auch die Beitrittsverträge die Gründungsverträge modifizieren, ist die derzeit aktuelle Version der EGV bzw der EUV in der Fassung des Beitrittsvertrages Um sich eine mühsame Zusammenstückelung der Gründungsverträge in der Fassung sämtlicher Änderungen zu ersparen, werden im Amtsblatt immer wieder konsolidierte (das heißt nicht offizielle; das Gegenstück wären offizielle kodifizierte) Versionen des EGV und EUV veröffentlicht (siehe dazu auch Frage 8 im Kapitel 7. betreffend die praktische Recherche). Fläche Bevölkerung Bruttoinlandsprodukt 2.2. Bedeutung der heutigen EU Die EU umfasst derzeit 27 Mitgliedstaaten. Insgesamt ergibt sich daraus eine Fläche von circa 4,2 Millionen km 2. Damit ist die EU circa halb so groß wie die Vereinigten Staaten von Amerika (im Folgenden kurz: USA) bzw die Volksrepublik China (jeweils circa 9,6 Millionen km 2 ), jedoch größer als Indien (circa 3,3 Millionen km 2 ) oder Japan (circa 0,4 Millionen km 2 ). Die Bevölkerung der EU umfasst circa 495 Millionen Menschen. Damit hat die EU nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung der Volksrepublik China (circa Millionen) bzw Indiens (circa Millionen), übertrifft jedoch die USA (circa 301 Millionen) und Japan (circa 127 Millionen). In Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt schaut ein Ranking (Stand 2007) der EU und der erwähnten Länder (in Milliarden Euro) wie folgt aus: EU (circa ), vor den USA (circa ), gefolgt von Japan (circa 3.197; Stand 2005) und China (circa 1.787; Stand 2005). In wirtschaftlicher Hinsicht bildet dieser Zusammenschluss von 27 Mitgliedstaaten somit durchaus eine bedeutende Wirtschaftskraft (in außenpo- 6 LPS LINDE Praktiker Skripten Basic
6 Grundlagen des Rechts der Europäischen Union litischer Hinsicht hingegen weniger). Quelle für all diese Daten: (Abfragedatum ). Eine Herausforderung, die sich bei 27 Mitgliedstaaten ergibt, ist die Tatsache, dass in der EU 23 gleichwertige Amtssprachen vereinigt sind. Die Schriftstücke von allgemeiner Geltung wie das Amtsblatt (im Folgenden kurz: ABl) der EU oder die die Urteile des EuGH enthaltende Sammlung werden in all diesen 23 Sprachen herausgegeben. Auch die auf der Homepage der EU enthaltenen Informationen und Dokumente sind (großteils) in diesen 23 Sprachen erhältlich. Beachte: Je spezieller eine Thematik ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte nur auf Englisch, Französisch und/oder Deutsch verfügbar sind (zur Recherche siehe Kapitel 7.). Auch vor dem EuGH finden diese 23 Sprachen (man spricht in diesem Zusammenhang von Verfahrenssprachen) Anwendung. Wenn ein nationales Gericht dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung (siehe dazu Kapitel 3.5.) vorlegt, so richtet sich die Verfahrenssprache beispielsweise nach der Sprache des vorlegenden Gerichts. Die in den Organen verwendeten Arbeitssprachen sind hingegen meist nur Englisch und Französisch. Ein Unionsbürger (zur Unionsbürgerschaft siehe in Kapitel 5.6.) hat jedoch gemäß Artikel (im Folgenden kurz: Art) 23 Absatz (im Folgenden kurz: Abs) 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden kurz: EGV) das Recht, sich in einer der 23 Amtssprachen an die europäischen Institutionen zu wenden und in dieser Sprache eine Antwort zu bekommen. Amtssprachen Verfahrenssprachen Arbeitssprachen Unionsbürger
Grundlagen des Rechts der Europäischen Union
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