Irrational gleich unvorhersehbar? Erkenntnisse aus Behavioural Economics und Psychologie für das Marketing
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- Manuela Sabine Linden
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1 Irrational gleich unvorhersehbar? Erkenntnisse aus Behavioural Economics und Psychologie für das Marketing Building Competence. Crossing Borders. Dr. oec. HSG Linda Miesler Symposium der Ernst Schmidheiny Stiftung
2 Agenda Wieso brauchen wir Behavioural Economics (bzw. Behavioural Insights) im Marketing? Anwendungen im Marketing anhand von Beispielen Kritische Reflexion der Chancen und Grenzen 2
3 Wieso brauchen wir Behavioural Economics (bzw. Behavioural Insights) im Marketing? 3
4 Relevanz von Behavioural Economics fürs Marketing Wie sieht die Umwelt aus, in der Konsumenten heutzutage Entscheidungen treffen? Auswahl nimmt zu Produkte und Services werden komplexer Konsequenzen werden komplexer 4
5 Relevanz von Behavioural Economics fürs Marketing Merkmale der tatsächlichen Konsumentscheidungen Tatsächliche Konsumentscheidungen «Irrationalität» von Konsumentscheidungen sind kein rationales Kosten-/Nutzen-Kalkül finden häufig nicht durch eine Abwägung von Produkt- Attributen statt sind nicht unabhängig vom Kontext sind geprägt durch Zeitdruck, Informationsüberflutung und begrenzte kognitive oder motivationale Ressourcen werden basierend auf Bauchgefühl und Heuristiken gefällt lassen sich stark durch den situativen und sozialen Kontext beeinflussen, auch unbewusst «Diskrepanz zwischen tatsächlichen (ökonomischen) Entscheiden und Vorhersagen von normativen Modellen der Standardökonomie oder Statistik (z.b. Erwartungsnutzentheorie, Preiselastizität, Bayes-Theorem)» «Diskrepanz zwischen tatsächlichen Entscheiden (Behavior) und der Absicht (Intention) einer Person (sog. Intention-Behavior-Gap)» Popularität: «Nudging» (Sunstein & Thaler, 2005); «Predictably irrational» (Ariely, 2008); «Thinking, fast and slow» (Kahneman, 2011) + - Konsumenten sind schnelle und effiziente Entscheider Konsumenten treffen ggf. nachteilige Entscheidungen (z.b. Entscheidungsaufschub; Urteilsfehler bzw. Biases) Erkenntnisse aus BE können im Marketing helfen, den Prozess, wie Konsumenten tatsächlich Entscheidungen treffen, besser zu analysieren, zu verstehen und vorherzusagen Vgl. Soman, D. (2015). The last mile. University of Toronto Press, S. 12; Beck, H. (2014). Behavioral Economics. SpringerGabler, S. 1ff 5
6 Relevanz von Behavioural Economics fürs Marketing Beispiel für eine «Urteilsverzerrung» 99 % 1 % Konsumenten wurden zwei Arten von Fleisch präsentiert. Obwohl beide Fleischarten identisch waren, wurde das erste Stück Fleisch von den Befragten als gesünder eingestuft. Auch bei der Auswahl von 98% fettfrei und 1% fetthaltig entschieden sich die meisten Teilnehmenden für die erste Variante, obwohl diese rund doppelt so viel Fett enthielt. 6
7 Konsumentscheidungen vorhersagen, beeinflussen und unterstützen Irrational, aber vorhersagbar? Breite Wissensbasis über systematische Urteils- und Entscheidungsmuster: «Irrational» muss nicht unsystematisch bzw. unvorhersehbar bedeuten! Hier besteht ein wichtiger Unterschied zur Standardökonomie, die «Irrtümer» als unsystematisch beschreibt und annimmt, dass diese nur vorübergehend auftreten und nicht alle Menschen betreffen. Bekannte Effekte bzw. Heuristiken: Framing (Rahmungseffekt, sh. Bild) Decoy - Effekt Default - Effekt und Status-Quo-Bias Verlustaversion Social Proof (Soziale Bewährtheit) Anchoring (Verankerungseffekt) 99 % 1 % Adaptiert von: Levin & Gaeth, 1988; Donovan & Jalleh, 1999 Als Treiber von Konsumentscheidungen Als Barrieren von Konsumentscheidungen Vgl. Beck, H. (2014). Behavioral Economics. SpringerGabler, S
8 Anwendungen im Marketing 8
9 Entscheidungen beeinflussen: Produktoptionen präsentieren Decoy - Effekt Decoy-Effekt: Abonnemente «The Economist» So genannte Lockvogel- Produkte können unsere Präferenzen für andere Produkte im Web Abo (59 $) 1-Jahres-Abo für Economist.com Online-Zugang zu allen Artikeln seit % 68% Angebot verschieben. Print Abo (125 $) 1-Jahres-Abo für Print-Version. Vgl. Asymmetrischer Dominanz-Effekt; Huber, J. et al (1982). Adding asymmetrically dominated alternatives: Violations of regularity and the similarity hypothesis. The Journal of Consumer Research, 9 (1), 90ff. Kombi Abo (125 $) 1-Jahres-Abo für Print-Version und Online- Zugang zu allen Artikeln seit % 84% Quelle: Dan Ariely in Dan Ariely (2010): Predictably Irrational 9
10 Entscheidungen beeinflussen: Produktoptionen präsentieren Default - Effekt Standard (Default): Wir bevorzugen den momentanen Zustand und tendieren dazu, Standardvorgaben oder - optionen zu akzeptieren. Kahneman, D., Knetsch, J. L., & Thaler, R. H. (1991). Anomalies: The endowment effect, loss aversion, and status quo bias. The Journal of Economic Perspectives, Quelle: ewz, Präsentation «Sechs Jahre «Green Default» Erfahrungen und neue Herausforderungen» (11. Mai 2012). 10
11 Entscheidungen beeinflussen: Marketingkommunikation Verlustaversion Verlustaversion: Verluste wiegen in unseren Augen schwerer als Gewinne. Wir haben eine angeborene Tendenz, Verluste zu vermeiden. Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decisions under risk. Econometrica, 47(2), Quelle: Generali Versicherung 11
12 Entscheidungen beeinflussen: Marketingkommunikation Social proof (Soziale Bewährtheit) Social proof: Wir neigen dazu, uns am Verhalten anderer, die uns ähnlich sind, zu orientieren. Cialdini, R. B. (1987). Influence. A. Michel. Quelle: Eigene Darstellung 12
13 Gezielte Gestaltung des Entscheidungskontexts In making decisions, conscious or unconscious, big or small, about our lives and what we buy and do, the context, framework, decision interface, medium and pathways through which we reach decisions may have a greater influence on the decisions we take than the long-term consequences of the decision. z.b. Preisdarstellung Menü: Zürcher Geschnetzeltes CHF Menü: Zürcher Geschnetzeltes Menü: Zürcher Geschnetzeltes Zwanzig Franken Quelle: Barden, P. (2013). Decoded: The science behind why we buy. Wiley (S. 135 und S. 139). 13
14 Gezielte Gestaltung des Entscheidungskontexts Quelle: Eigene Darstellung 20. November 2015 Irrational gleich unvorhersehbar? 14
15 Kritische Reflexion der Chancen und Grenzen 15
16 Schmaler Grat: Unterstützung, Beeinflussung, Manipulation? Denkimpulse Behavioral Economics als Mittel, um Können sich Konsumenten Prinzipien Konsumenten bei Entscheidungen zu «widersetzen», die automatisch oder unterstützen: unbewusst ablaufen (z.b. Opt-Out)? Konsumenten helfen, Urteilsfehler zu Wann beginnt Bevormundung des vermeiden, motivationale Barrieren zu überwinden (z.b. Altersvorsorge, Sparen) Informationen zu Produkten und Services den Denk- und Urteilsmustern entsprechend darstellen (z.b. Gestaltung von Webseiten oder Interfaces, AGBs) Wenn Entscheidungen beeinflusst werden, dann im Sinne der Interessen und Ziele der Konsumenten Kunden? Wie umgehen mit Entscheiden, bei denen es keine wünschenswerte Option gibt (z.b. Defaults)? Transparenz der Verwendung der Prinzipien als wichtiger Einflussfaktor, doch zeigen Prinzipien den gewünschten Effekt, wenn sie transparent gemacht werden? Balance herstellen zwischen Unternehmensziele erreichen (z.b. Absatz) vs. Kundennutzen bieten (z.b. Entscheide erleichtern) 16
17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Linda Miesler, Dr. oec. HSG Marketing Dozentin Leiterin Fachstelle Behavioral ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften School of Management and Law Stadthausstrasse 14 CH-8400 Winterthur Web: Blog: Twitter: blog.zhaw.ch/marketingmanagement Irrational gleich unvorhersehbar?
18 Wie stark Konsumenten durch unbewusste oder automatische Prozesse beeinflusst werden, wird schon lang diskutiert jedoch getrieben durch unterschiedliche Disziplinen. 1920er Jahre: Verborgene Wünsche bei Konsumenten ansprechen (z.b. Edward Bernays, Neffe Freuds) 1950er Jahre: Unterschwellige Werbung Popcorn-Studie von Vicary Buch «Die geheimen Verführer»/»The hidden persuaders» (Vance Packard, 1957) 1970/ 80er Jahre: Impulse aus der Mikroökonomie Heuristics & Bias Paradigma von Kahnemann/Tversky (1979, Prospect Theory, 1981 Framing of Decisions) Mental Accounting von Thaler (1985) 1990er Jahre: Automatisierte Prozesse und unbewusste Verarbeitung, z.b. Priming Eigene Darstellung er Jahre: «Nudging» (Sunstein & Thaler, 2005) Predictably Irrational (Ariely, 2008) System 1 vs. System 2 (Kahneman, 2011)
19 Relevanz von Behavioural Economics fürs Marketing Beispiel für eine Heuristik 19
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