Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten zu Psalm 72,13.14
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- Horst Melsbach
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1 Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten zu Psalm 72,13.14 gehalten in Herrliberg am 27. Dezember 2015 Pfr. Andreas Schneiter Der König erbarmt sich des Schwachen und Armen, das Leben der Armen rettet er. Aus Bedrückung und Gewalttat erlöst er ihr Leben, und kostbar ist ihr Blut in seinen Augen. (Psalm 72, 13.14) Liebe Gemeinde Wo ist der neugeborene König der Juden? so fragten die drei Sterndeuter König Herodes in Jerusalem. Sie wurden nach Bethlehem geschickt, wo sie das Kind mit Maria und Josef in einem Stall fanden. Bestimmt verstanden die Sterndeuter nicht, weshalb ein König an einem solch ungewöhnlichen Ort zur Welt kommt. Trotzdem: Sie vertrauten dem Stern und wurden mit der Gewissheit erfüllt, am richtigen Ort zu sein. Deshalb liessen sie ihre Geschenke dort. 2 Was in aller Welt hat das arme Kind in der Krippe mit dem Gold angefangen, das ihm einer der Sterndeuter dargebracht hat? Nun liegt es da, im Stroh, das Gold, und es will so wenig passen zur Heiligen Familie in ihrer Armut. Was hat das Kind mit dem Gold angefangen? Oder darf ich das nicht fragen? Bringe ich damit die ganze Weihnachtsgeschichte durcheinander? Vielleicht ist es einfacher zu fragen, was wir mit dem Gold angefangen haben. Zweifellos haben wir viel damit gemacht. Wir haben ja gleichsam das ganze Weihnachsfest vergoldet. Es glitzert und glänzt, es leuchtet und strahlt, dass es vielen eine Freude ist
2 Und der goldne Überfluss der Welt hat sich in den letzten Wochen über die Tische der Kaufhäuser ergossen, dass man nur zuzugreifen brauchte. Geld ist noch da, und die Ladenstrassen wirken wie ein Schlaraffenland. Weihnachten, ein goldenes Fest, und viele sind in den Überfluss eingetaucht haben sich gegenseitig damit beschenkt. Wir haben zweifellos etwas angefangen mit dem Gold. 3 Im Gegensatz zu uns die Sterndeuter: Sie haben sich ihre Schätze nicht gegenseitig geschenkt. Nein, sie haben ihre Schätze dem Kinde dargebracht, dem Kinde, diesem Kinde und nicht einander. Das ist eine bewegende Vorstellung, wenn der goldene Überfluss der Welt in diesen Tagen nicht in unsere Stuben, sondern zu den Geknechteten und Rechtlosen dieser Erde flösse. Wahrlich eine bewegende Vorstellung. 4 Aber nochmals die Frage, was hat das Jesuskind mit dem Gold und den anderen Geschenken gemacht? Wir können die Frage nur indirekt beantworten. Es ist von Bedeutung, dass die alte Kirche die Worte des 72. Psalms auf Christus bezog. Hören wir nochmals auf dieses Wort: Der König erbarmt sich des Schwachen und Armen, das Leben der Armen rettet er. Aus Bedrückung und Gewalttat erlöst er ihr Leben, und kostbar ist ihr Blut in seinen Augen. (Psalm 72, 13.14) Das Kind wurde als werdender König identifiziert, als barmherziger König, der sich der Geringen annimmt und das Leben der Armen rettet. Vergessen wir nicht: Die Vorstellung des barmherzigen Königs stammt aus einem Psalm der hebräischen Bibel
3 Sie ist also um Jahrhunderte älter als Jesu Geburt und sein Wirken auf Erden. Jesus selber kannte diesen Psalm, davon ist auszugehen aber er bezog die Worte nicht auf seine eigene Person. Dies geschah später. 5 Was steckt dahinter, dass das Bild des Königs, der sich der Armen und Schwachen erbarmt, von der Kirche auf Jesus bezogen wurde? Das Kind soll ein König werden so strahlend und gerecht, so hilfreich und stark, dass die fremden Könige kommen und ihm ihr Gold bringen. Das war eine Vorstellung, an der sich ein ganzes Volk seit Jahrhunderten berauschen konnte: Ihr König so gerecht und strahlend, dass von den Enden der Erde die Mächtigen kommen und ihm ihren Tribut entrichten. Und mir scheint, dass auch die Menschen der Kirche über Jahrhunderte sich berauschten an solchen Träumen: Ihr Seelenkönig, so reich und so gerecht, dass von den Enden der Erde alle kommen und ihm huldigen. Christus Pantokrator, Christus der Weltenherrscher. Diese biblischen Vorstellungen gingen ein, tief ein in den Glauben der Kirche. 6 Etwas will nicht aufgehen, liebe Gemeinde. In der Weihnachtsgeschichte ist es kein siegreicher, gerechter, barmherziger König, der aus fernen Ländern Gold und andere Geschenke empfängt. Nein, es ist kein König, es ist ein Kind. Ein Kind! Und auch später, als das Kind erwachsen war, stand da kein starker König. Das arme Kind wurde kein reicher Mann es machte keine Tellerwäscher
4 karriere. Und ich wüsste keine Geschichte, wo dem erwachsenen Jesus Gold dargebracht wurde. Da hat nun die Weihnachsgeschichte die Bibel ein wenig durcheinandergebracht. Sie nimmt die Sehnsucht nach einem gerechten, barmherzigen König auf, sie lässt die Sterndeuter aus dem Morgenland kommen, aber sie legt ein Kind in die Krippe, und das Gold verschwindet im Stroh. Da ist keiner, der mit Kraft die Gewaltigen von den Thronen stösst, keiner, der Gold in dieser Welt verteilt, keiner der sich der Mittellosen erbarmt, dass ihre materielle Armut ein Ende nähme. Die tiefen Sehnsüchte der Menschen bleiben ungestillt, und die Völker harren des starken und barmherzigen Königs. 7 Weshalb hat das Kind mit dem Gold nicht die Not gelindert, was hat das Kind mit dem Gold angefangen? Das Kind hat unsere Sehnsüchte durcheinander gebracht. Da fliesst der goldne Überfluss der Welt, und er fliesst an der Weihnachtsgeschichte vorbei. Und mancher wendet sich ab mit leerem Herzen. Und das Herz spürt eine Sehnsucht nach Armut und Einfachheit, nach Ruhe und Stille und flieht dabei vor der Not der Welt. Was soll man sich wünschen, und was der Welt? Wonach sollten wir uns sehnen, wir armen reichen Menschen? Der König erbarmt sich des Schwachen und Armen. So lässt sich das spätere Leben dieses Königs beschreiben. Aber nicht wie ein grosszügig schenkender Mäzen erbarmte er sich der Armen, indem er ihnen materielle Güter schenkte
5 Er ist arm geblieben wie einer, der nichts schenken kann. Und er ist arm gestorben wie einer, der nichts verlieren kann. Doch wie kein anderer steht er für die Wahrheit, dass ein Armer sich ganz und gar von Gott beschenken lassen kann. Gott ist ein eigener Reichtum, kein Gold, nein, ein Reichtum, der in die armen Herzen zieht. Ist es das, was die Sterndeuter erkannten, als sie ihr Gold darbrachten? Wollten sie arm werden vor diesem Kinde, damit Gott in ihr Herz einzöge? 8 Und was hat das Kind mit dem Gold der Welt angefangen? Nichts hat es angefangen damit. Jedenfalls wird nichts davon erzählt. Doch was wir wissen: Der erwachsene Jesus hat nie irgendwelchen Reichtum des Goldes besessen, den er dann den Armen verteilt hätte. Es ist, wie wenn das Gold im Stroh verschwunden wäre. Das Gold bleibt dort verschwunden, auch wenn das die Menschen durcheinander bringt, die Menschen und ihre Kirchen. Sie hätten lieber einen König, der sein Gold vermehrt, der stark und selbstbewusst ist. 9 Ja, vom Himmel hat sich ein anderer Reichtum ergossen. Und dieser alternative Reichtum ergiesst sich bis heute. Es ist ein Reichtum, den wir nicht mit den Händen, sondern mit dem Herzen erfassen. Und es gibt soviel davon, dass sich jeder und jede nach Herzenslust bedienen kann. Himmlischer Reichtum im Überfluss. Himmlischer Reichtum sind mannigfache Gaben und Talente, die in jedem - 5 -
6 Menschen angelegt sind. Himmlischer Reichtum ist die Liebe Gottes, welche uns allen zuteil wird. Wir sind dazu bestimmt, die Liebe sowie Gaben und Talente nicht brach liegen zu lassen, sondern zur Entfaltung zu bringen. Gut dran der Mensch, der solchem Reichtum lebenslang auf der Spur bleibt. Glücklich der Mensch, der mit himmlischen Schätzen verschwenderisch umgeht. Amen
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