Julian Müller / Ludwig-Maximilians-Universität / Institut für Soziologie / SS Vorlesung Soziologische Theorien. 12. Mai 2014.
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1 Julian Müller / Ludwig-Maximilians-Universität / Institut für Soziologie / SS 2014 Vorlesung Soziologische Theorien 12. Mai 2014 Erving Goffman
2 Mein Grundinteresse gilt der Untersuchung der persönlichen Interaktion als eines sich natürlich abgrenzenden, analytisch einheitlichen Teilgebiets der Soziologie. (Strategische Interaktion. München 1981: 9) 2
3 Die Gesichtspunkte, die in diesem Bericht angewandt wurden, sind die einer Theatervorstellung, das heißt, sie sind von der Dramaturgie abgeleitet. Ich werde darauf eingehen, wie in normalen Arbeitssituationen der Einzelne sich selbst und seine Tätigkeit anderen darstellt, mit welchen Mitteln er den Eindruck, den er auf jene macht, kontrolliert und lenkt, welche Dinge er tun und nicht tun darf, wenn er sich in seiner Selbstdarstellung vor ihnen behaupten will. (Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 2003: 3) 3
4 Unser Bericht hat es nicht mit Aspekten des Theaters zu tun, die ins Alltagsleben eindringen. Er hat mit der Struktur sozialer Begegnungen zu tun mit der Struktur der Einheiten im sozialen Leben, die entstehen, wann immer Personen anderen Personen unmittelbar physisch gegenwärtig werden. (Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 2003: 232f.) 4
5 In dieser Arbeit wurde das dargestellte Selbst als eine Art von Bild, meist ein glaubwürdiges Bild, gesehen, das durch die Bemühungen des Darstellers auf der Bühne und in seiner Rolle den anderen nahegebracht wird. Insofern man dieses Bild von dem Einzelnen gemacht und ihm somit ein Selbst zugeschrieben hat, entspringt dieses Selbst nicht seinem Besitzer, sondern der Gesamtszene seiner Handlungen [...]. Eine richtig inszenierte und gespielte Szene veranlaßt das Publikum, der dargestellten Rolle ein Selbst zuzuschreiben, aber dieses zugeschriebene Selbst ist ein Produkt einer erfolgreichen Szene, und nicht ihre Ursache. Das Selbst als dargestellte Rolle ist also kein organisches Ding [...,] es ist eine dramatische Wirkung, die sich aus einer dargestellten Szene entfaltet [...]. (Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 2003: 231) 5
6 Ich setze voraus, daß der eigentliche Gegenstand der Interaktion nicht das Individuum und seine Psychologie ist, sondern eher die syntaktischen Beziehungen zwischen den Handlungen verschiedener gleichzeitig anwesender Personen. [...] Es geht hier also nicht um Menschen und ihre Situationen, sondern eher um Situationen und ihre Menschen. (Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a.m. 1996: 8f.) 6
7 In der heutigen Gesellschaft sind überall Rituale gegenüber Repräsentanten übernatürlicher Entitäten ebenso im Niedergang begriffen wie extensive zeremonielle Agenden, die lange Ketten obligatorischer Riten implizieren. Übriggeblieben sind kurze, von einem Individuum gegenüber einem anderen vollzogene Rituale [...], interpersonelle Rituale. Diese kleinen Pietäten sind nur eine armselige Variante dessen, wonach Anthropologen in ihrem Reich suchen. Aber es lohnt sich, sie zu untersuchen. Nur unsere weltliche Sicht der Gesellschaft hindert uns daran, ihre Allgegenwart, ihre Position und ihre Rolle in der sozialen Organisation richtig zu beurteilen. (Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt a.m. 1974: 97f.) 7
8 Wenn der einzelne in unserer westlichen Gesellschaft ein bestimmtes Ereignis erkennt, neigt er dazu was immer er sonst tut, seine Reaktion faktisch von einem oder mehreren Rahmen oder Interpretationsschemata bestimmen zu lassen, und zwar von solchen, die man primäre nennen könnte [...]; ein primärer Rahmen wird eben so gesehen, daß er einen sonst sinnlosen Aspekt der Szene zu etwas Sinnvollem macht. (Rahmen-Analyse. Frankfurt a.m. 1980: 31) 8
9 Doch der Rahmen schafft mehr als nur Sinn; er schafft auch Engagement. Bei jeder Aktivität machen sich die Beteiligten gewöhnlich nicht nur ein Bild davon, was vor sich geht, sondern sie werden (bis zu einem gewissen Grade) auch spontan gefangengenommen, in Bann geschlagen. (Rahmen-Analyse. Frankfurt a.m. 1980: 376) 9
10 Diese Bemerkungen über das Spiel bei Tieren leiten zwanglos zu einem Hauptbegriff der Rahmen-Analyse über: dem des Moduls (key). Darunter verstehe ich das System von Konventionen, wodurch eine bestimmte Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären Rahmens sinnvoll ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird. Den entsprechenden Vorgang nennen wir Modulation. Eine gewisse Analogie zur Musik ist beabsichtigt. (Rahmen-Analyse. Frankfurt a.m. 1980: 55f.) 10
11 Weiterführende Literatur Jürgen Raab: Erving Goffman. Konstanz Stefan Hirschauer:»Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt«. In: Soziale Welt 3 (1999), Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a.m
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