Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

Transkript

1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 2015 Die Roratemesse im Brauchtum Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 Die Roratemesse im Brauchtum Florian Leppert in: Schweiz. Katholisches Sonntagsblatt vom 20. Dezember Seite 16. Die Roratemesse im liturgienahen Brauchtum des katholischen Volkes von Kaplan Florian Leppert Wohl kein liturgischer Brauch im Advent wird im katholischen Volk mit solcher Inbrunst und Andacht begangen wie die Roratemesse. Bei der Roratemesse handelt es sich um eine Votivmesse zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria. Vor der Liturgiereform wurde die Roratemesse nach dem Formular «Rorate caeli» der Votivmessen der Seligen Jungfrau Maria für den Advent gefeiert. Im Messbuch von 1970 finden sich wiederum marianische Votivmessen für die unterschiedlichen Zeiten des Kirchenjahres. Die Votivmesse der Muttergottes im Advent ist jetzt die Marienmesse Nr. 4 im Römischen Messbuch für das deutsche Sprachgebiet. Sie hat zwei Introitusverse zur Auswahl. Der erste beginnt mit den nämlichen Worten «Rorate caeli». Die römische Liturgie fügt ein marianisches Moment dem messianischen Charakter der Adventszeit hinzu.

3 - 3 - Der römische Advent sah sich immer als eine herausragende Zeit des Mariengedenkens und der Marienverehrung, erwartete man doch mit der jungfräulichen Gottesmutter auch die Geburt Jesu. Neben den Heiligen Johannes des Täufer, Nikolaus, Barbara und Luzia ist Maria eine typische adventliche Heilige, nicht bloss weil das Fest ihrer Unbefleckten Empfängnis in der Zeit des Advents gefeiert wird, sondern auch, weil sie diejenige ist, die den gebären wird, der von Israel mit heissem Verlangen herbeigesehnt wird. Eine besondere Form der Roratemesse ist die sogenannte «Goldene Messe» oder auch «Missa aurea». Hierunter versteht man zwei gottesdienstliche Feiern zu Ehren Mariens. Zum Ersten eine im späten Mittelalter gebräuchliche Notmesse und zum Zweiten die Messe am Quatembermittwoch des Advent. Diese beiden als «Missa aurea» bekannten Messen sind für die Entwicklung der Roratemesse von grosser Bedeutung. Unter der Betrachtung der «Missa aurea» als Notmesse fällt auf, dass die Gottesmutter um Gnade und Schutz angerufen wird, welche man sich von ihrer Fürbitte erhofft. Die Volksfrömmigkeit im Mittelalter war beseelt vom unverbrüchlichen Vertrauen, dass die Feier von heiligen Messen, die auf eine bestimmte besondere Situation eingerichtet waren, besonders und vor allen Dingen wirksame Hilfe bringen würden. Der Gläubige war gewiss, dass ihn das ganze Jahr kein Unglück ereilen wird, wenn er sie besucht hat. Die Intentionen, in denen man an der «Missa aurea» teilnahm oder sie feiern liess, waren unter anderem der Schutz von Ackern, Tieren, Wiesen und Feldern. Der zweite Gebrauch dieser Feierform war die Feier der heiligen Messe am Quatembermittwoch im Advent. Die Angabe der Stationskirche an diesem Tag lässt den Inhalt der gottesdienstlichen Feier schon erahnen: Sancta Maria maior. Die Marienkirche auf dem römischen Esquilinhügel, auch «Santa Maria Maggiore» oder «Gross Sankt Marien» genannt, war die Basilika, in der seit alter Zeit die Kirche von Rom die liturgische Feier dieses Tages vornahm. Die Texte der Quatembermesse, die ein sehr hohes Alter besitzen, sind sehr marianisch geprägt. Sie verweisen auf das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes, dessen baldiges Erscheinen in unserem Fleisch das Thema der «Missa aurea» bereits andeutet.

4 - 4 - Warum nannte man aber diese Messe «Missa aurea»? Ein Erklärungsversuch war der grosse Aufwand, mit dem man diese besondere Messe zu feiern gewohnt war: Prachtvolle Paramente, üppiger Kerzenschein, verschwenderisch gebrauchter Weihrauch, symphonaler Gebrauch der Kirchenmusik und feierlichster Gesang. Man sah auch im Thema der hl. Messe, nämlich in der Menschwerdung des Gottessohnes, den Umstand, der zu diesem Namen «Missa aurea» führte. Der Name «Golden» dürfte aber mehr in der ihr zugeschriebenen Wirkmächtigkeit begründet liegen. Die Roratemessen sind von dieser Missa aurea inspiriert. Beide haben eine theologische und inhaltliche Verwandtschaft. In früheren Zeiten war es Brauch, dass von jeder Familie wenigstens ein Familienmitglied zur Kirche ging und am Rorateamt teilnahm. Dies war noch bis in die 1950er Jahre in einigen bayrischen Gemeinden Brauch. In früherer Zeit war es üblich, die Roratemessen sehr zeitig am Morgen zu zelebrieren. Die Ursache dafür dürfte der Umstand gewesen sein, dass die vor Sonnenaufgang oder in der Morgendämmerung gefeierte Votivmesse an Maria erinnern soll, die vom gläubigen Volk als die Morgenröte der Erlösung geehrt wird. Diese Symbolik ist sehr aussagekräftig. Wie am Ende der Nacht die Morgenröte vor dem Tage leuchtet, so leuchtet am Ende der Nacht des Harrens auf den Erlöser Maria vor der Sonne der Gerechtigkeit, Christus, dem Retter der Welt auf. Die Feier der adventlichen Marienmesse in der dunklen, nur durch Kerzen erhellten Kirche ist wohl das markanteste Moment, das man heute mit ihr in Verbindung bringt. Dabei ist dieses Brauchtum keine neue Entwicklung, sondern alter Brauch, der schon vor Jahrhunderten gepflegt wurde. Nur war der Gebrauch in früherer Zeit mehr praktischer als symbolischer Natur. Da das elektrische Licht noch nicht bekannt war, zündeten Gläubige in den Frühmessen Lichter an. Das geschah selbstredend auch in den Rorateämtern, zu denen im alpenländischen Raum die sogenannten «Wachsstöcke» entfacht wurden. Dies waren dicke, aufgerollte Wachsdochte.

5 - 5 - Die nur von Kerzen erleuchtete Kirche entfaltet einen ganz besonders sinnfälligen Eindruck und soll zu einer tieferen Durchdringung des Geheimnisses der Erlösung, welches ja insbesondere Kernbestandteil der liturgischen Ausprägung der Rorateämter ist, durch die Gläubigen beitragen. Besonders eignet sich für diese Betrachtung ein Wort beim Propheten Jesaja: «Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht» (Jes. 9,1f) Dieser Vers lässt sich mit dem Inhalt der Roratemesse, dem Warten auf den Erlöser und mit der Menschwerdung des Gottessohnes, aufs Beste verbinden. Ein neuerer Brauch, der sich in den letzten Jahren gebildet hat, stellt das Treffen nach der Roratemesse am Morgen zu einer Agape oder einem Frühstück dar. Damit soll die in der heiligen Messe erlebte Gemeinschaft fortgeführt werden. So schafft es die altehrwürdige Roratemesse, auch ihren Beitrag zum zwischen menschlichen Begegnen der Gläubigen zu bringen Internet-Bearbeitung: K. J. Version 12/