Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 02. Einheit
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- Lisa Althaus
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1 Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 02. Einheit Institut für Recht der Wirtschaft
2 Einführung: Rechtsgeschäfte Arten der Rechtsgeschäfte nach Form u. Inhalt Form Inhalt Einseitig (Willenserklärung, z.b. Testament) Zweiseitig (Vertrag) Verpflichtungsgeschäft: Begründet Anspruch auf Durchführung des Verfügungsgeschäfts) Verfügungsgeschäft: Verändert bestehende Rechte (z.b. Eigentumsübertragg) Institut für Recht der Wirtschaft 2 /9
3 Einführung Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen Begründung v. Rechtsbeziehungen: 1. Durch Rechtsgeschäfte (vor allem durch zweiseitige Rechtsgeschäfte: Verträge! 2. Durch tatsächliches Handeln (z.b. Verursachen eines Schadens) Institut für Recht der Wirtschaft 3
4 Einführung Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen Verträge bestehen aus mindestens zwei Willenserklärungen (auch genannt: Angebot und Annahme) Die Elemente der Willenserklärung Objektiver Tatbestand Subjektiver Tatbestand Äußerlich erkennbares Verhalten Wille des Erklärenden Institut für Recht der Wirtschaft 4 /10
5 Die Auslegung von Willenserklärungen Die Auslegung von Willenserklärungen Durch Auslegung wird ermittelt: a) Ob eine Willenserklärung vorliegt (also ob ein rechtlicher Bindungswille besteht). b) Mit welchem Inhalt die WE abgegeben wurde Objektive Auslegung, 157 BGB Grundsatz: Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont Subjektive Auslegung, 133 BGB Ausnahme: Auslegung nach d. tatsächlichen Willen (b. einseitg. WE) Institut für Recht der Wirtschaft 5 /11
6 Die Auslegung von Willenserklärungen Objektive Auslegung, 157 BGB: Willenserklärungen und insbes. Verträge werden nach dem objektiven Empfängerhorizont danach ausgelegt, was: - ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers - bei vernünftiger Würdigung aller erkennbaren Umstände - unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte. verstanden hätte. Institut für Recht der Wirtschaft 6 /11
7 Die Auslegung von Willenserklärungen Subjektive Auslegung, 133 BGB: Ermittlung des tatsächlichen Willens des Erklärenden: - Gilt bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.b. Testament) - Gilt b. trotz objektiv falscher Bezeichnung übereinstimmendem Willen der Parteien ( falsa demonstratio non nocet ). Institut für Recht der Wirtschaft 7 /11
8 Die Bestandteile einer Willenserklärung Der subjektive Tatbestand einer WE: 1. Handlungswille 2. Erklärungsbewusstsein 3. Geschäftswille Institut für Recht der Wirtschaft 8 /12
9 Die Bestandteile einer Willenserklärung Der subjektive Tatbestand einer WE: 1. Handlungswille: - Der Wille, überhaupt zu handeln - Fehlt bei Reflexen oder absoluter Gewalt - Fehlerfolge: Keine Willenserklärung Institut für Recht der Wirtschaft 9 /12
10 Die Bestandteile einer Willenserklärung Der subjektive Tatbestand einer WE: 2. Erklärungsbewusstsein - Das Bewusstsein, sich rechtserheblich zu verhalten - Fehlt etwa bei der Vorstellung, eine rein gesellschaftliche Erklärung abzugeben (Fall 5) - Fehlerfolge: Potentielles Erklärungsbewußtsein ist ausreichend, d.h. eine WE liegt vor, wenn bei sorgfaltsgerechtem Verhalten Rechtserheblichkeit erkennbar war (aber ggf. Anfechtbarkeit der WE) Institut für Recht der Wirtschaft 10 /12
11 Die Bestandteile einer Willenserklärung Der subjektive Tatbestand einer WE: 3. Geschäftswille - Wille, die objektiv erklärten Rechtsfolgen herbeizuführen. - Fehlt bei Irrtümern über den Erklärungsinhalt - Fehlerfolge: Regelmäßig wird eine WE angenommen, ist aber ggf. anfechtbar. Institut für Recht der Wirtschaft 11 /12
12 Fall 3 (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) A bittet seinen Freund B, ihm am folgenden Tag dessen Auto zur Verfügung zu stellen, da er um Uhr ein wichtiges Vorstellungsgespräch in Hannover hat. B willigt ein. Als A am folgenden Tag um 8.00 Uhr bei B erscheint, verweigert dieser die Herausgabe des Autos. Zu Recht? Institut für Recht der Wirtschaft 12
13 Fall 3 Lösung (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) A kann von B Überlassung des Wagens gemäß 598 BGB verlangen, wenn zwischen beiden ein wirksamer Leihvertrag über die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung über d. Kfz geschlossen worden ist. Ein Leihvertrag setzt voraus, dass die beiden inhaltlich übereinstimmenden Erklärungen von A und B verbindliche Willenserklärungen darstellen. Institut für Recht der Wirtschaft 13
14 Fall 3 Lösung (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) Dies ist der Fall, wenn aus dem objektiven Erklärungsinhalt auf einen entsprechenden Geschäftswillen, insbesondere auf den Willen, sich rechtlich verbindlich zu verpflichten, geschlossen werden kann. Es darf also nicht nur eine bloße Gefälligkeit vorliegen. Institut für Recht der Wirtschaft 14
15 Fall 3 Lösung (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) Der Inhalt einer Willenserklärung ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei, was ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände verstanden hätte ( 133, 157 BGB). Institut für Recht der Wirtschaft 15
16 Fall 3 Lösung (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) Zwar sollte die Überlassung des Fahrzeugs unentgeltlich sein, für beide Parteien war aber ersichtlich, dass die Benutzung des Kfz für A wegen des Vorstellungsgespräches von besonderer Bedeutung war. Deshalb ist trotz der zwischen den beiden bestehenden Freundschaft von einem rechtlich verbindlichen Leihvertrag auszugehen. Institut für Recht der Wirtschaft 16
17 Fall 3 Lösung (Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag) Damit ist ein wirksamer Leihvertrag geschlossen worden. A kann von B somit die Überlassung des Wagens gemäß 598 BGB verlangen. Institut für Recht der Wirtschaft 17
18 Fall 4 (Willenserklärung, Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Die B-GmbH plant eine erhebliche Erweiterung ihres Betriebsgeländes. Das zu erwartende Bauvolumen beträgt Euro 5 Mio. Um sich einen Überblick über die technischen und planerischen Möglichkeiten zu verschaffen, bittet die B den Architekten A, ein Plankonzept vorzustellen. Dies geschieht. Als die Baumaßnahmen durchgeführt werden, beauftragt die B-GmbH mit den dazugehörigen Architekten- und Ingenieurleistungen den Architekten X. A ist verärgert und verlangt für die Plankonzeption das ihm nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zustehende Honorar. Zu Recht? Institut für Recht der Wirtschaft 18
19 Fall 4 Lösung (Willenserkl., Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Der geforderte Honoraranspruch könnte sich allein aus 631 BGB ergeben, da der Architektenvertrag ein Werkvertrag ist. Institut für Recht der Wirtschaft 19
20 Fall 4 Lösung (Willenserkl., Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Die Abgrenzung zum Dienstvertrag gemäß 611 BGB erfolgt dadurch, dass der Werkvertrag über die bloße Tätigkeit des Verpflichteten hinaus die Herbeiführung eines Erfolges beinhaltet. Dieser liegt beim Architektenvertrag in der Planung als geistig abgeschlossenen Werk. Die Vergütung ergibt sich grundsätzlich aus der Vereinbarung. Liegt eine Vereinbarung über die Vergütung nicht vor, richtet sich die Vergütung gemäß 632 Abs. 2 BGB nach einer bestehenden Taxe (gesetzliche Gebührenordnung), hier also der HOAI. Institut für Recht der Wirtschaft 20
21 Fall 4 Lösung (Willenserkl., Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Zwischen B und A ist aber kein verbindlicher Vertrag über die Erbringung von entgeltlichen Architektenleistungen geschlossen worden. Die Erklärungen enthalten ausdrücklich zu dieser Frage nichts. Die Erklärungen sind daher nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Institut für Recht der Wirtschaft 21
22 Fall 4 Lösung (Willenserkl., Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Eine konkrete Bauentscheidung war bei der B- GmbH ersichtlich noch nicht gefallen. A handelte im Hinblick auf eine mögliche lukrative Gesamtbeauftragung. Es ist üblich und erforderlich, dass vor dem Vertragsschluss bereits Kontakte zwischen Bauherr und Architekt stattfinden und die planerische Grundkonzeption von maßgeblicher Bedeutung f. d. Beauftragungsentscheidung ist. Für den Architekten stellt dies eine Akquisitionsphase dar. Institut für Recht der Wirtschaft 22
23 Fall 4 Lösung (Willenserkl., Auslegung, obj. Empfängerhorizont, Werkvertrag) Daher ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu dieser Zeit noch nicht von einer entgeltlichen Beauftragung auszugehen. Zwar sieht 632 Abs. 1 BGB im Zweifel eine stillschweigende Vergütungsvereinbarung vor, dies gilt aber nur, wenn die Leistung, hier das erste Plankonzept, nur gegen Entgelt zu erwarten ist. Aufgrund der oben stehenden Ausführungen ist dies nicht der Fall. A hat somit keinen Honoraranspruch gegen B. Institut für Recht der Wirtschaft 23
24 Fall 5 - (Vertragsschluss, subjektiver Tatbestand der Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Unternehmer U plant eine große Feier zum 50-jährigen Betriebsjubiläum. Seine Sekretärin legt ihm in einer Unterschriftenmappe d. dazugehörigen Einladungsschreiben für besonders bedeutende Gäste vor. U unterschreibt schnell alle in der Mappe befindlichen Schreiben, ohne sich diese näher anzusehen. Es stellt sich sodann heraus, dass sich in der Unterschriftenmappe auch eine Warenbestellung an die K- AG befand, die U zwar geplant hatte, letztendlich aber doch nicht durchführen wollte. Die K-AG nimmt das Angebot erfreut an und verlangt den Kaufpreis. Die Rechnung lässt U zunächst einige Wochen ohne Reaktion liegen. Muss er auf die Mahnung der K den Kaufpreis zahlen? Institut für Recht der Wirtschaft 24
25 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Die K-AG könnte gegen U einen Anspruch auf Zahlung eines Kaufpreises gemäß 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung dafür ist das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages. Dies setzt gemäß 145 ff BGB zwei übereinstimmende, im Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus. Institut für Recht der Wirtschaft 25
26 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Das Problem liegt hier allein bei dem Angebot des U in Form des Bestellschreibens. Fraglich ist, ob dieses die Anforderungen an eine Willenserklärung erfüllt. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt vor, da ein objektiver Dritter in der Person d. Erklärungsempfängers von einer verbindlichen Warenbestellung ausgehen musste. Institut für Recht der Wirtschaft 26
27 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) In subjektiver Sicht hatte d. U auch Handlungswillen, als er das Schreiben unterzeichnete. Ihm fehlte allerdings das Erklärungsbewusstsein, da er nicht davon ausging, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben, sondern glaubte, lediglich ein Einladungsschreiben zu unterzeichnen. Institut für Recht der Wirtschaft 27
28 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Das Interesse des Erklärenden liegt in derartigen Fällen darin, dass keine Willenserklärung angenommen wird. Der Verkehrsschutz / das Interesse des Erklärungsempfängers spricht dagegen für die Annahme einer Willenserklärung. Institut für Recht der Wirtschaft 28
29 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Nach herrschender Meinung kommt es für die Willenserklärung lediglich auf ein potentielles Erklärungsbewusstsein an. Es reicht danach aus, wenn der Erklärende bei Beachtung d. im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass er sich im rechtserheblichen Bereich bewegt. Institut für Recht der Wirtschaft 29
30 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Da U sich die Schreiben in der Unterschriftenmappe nicht ansah, sondern die Schreiben quasi mechanisch unterzeichnete, liegt ein Sorgfaltsverstoß vor, so dass e. Willenserklärung vorliegt. Eine mögliche Anfechtung der Erklärung gem. 142, 119 BGB scheidet bereits wegen der Versäumung der Frist gemäß 121 BGB aus. Institut für Recht der Wirtschaft 30
31 Fall 5 Lösung (Vertragsschluss, subjekt. Tatbestand d. Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag) Die K-AG hat gegen U einen Anspruch auf Zahlung eines Kaufpreises gemäß 433 Abs. 2 BGB. Institut für Recht der Wirtschaft 31
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