Amyotrophe Lateralsklerose
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- Liese Egger
- vor 7 Jahren
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1 Priv.-Doz. Dr. med. Johanna Anneser Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dienst Palliativmedizin bei Amyotropher Lateralsklerose Journées Nationales des Soins Palliatifs Nationale Palliative Care Fachtagung 2011 Giornate Nazionali delle Cure Palliative 1 Häufigste Neuromuskuläre Erkrankung des Erwachsenenalters Inzidenz: 1,5-2 / Amyotrophe Lateralsklerose fortschreitende Lähmungen, Muskelatrophien, Spastik durchschnittliche Krankheitsdauer 3-5 Jahre Tod meist durch terminale Ateminsuffizienz Die Krankheit wird in der Regel bei völliger geistiger Klarheit erlebt medikamentös nur geringe Verzögerung der Krankheitsprogression möglich 1
2 Die ALS- eine prominente Erkrankung in aktuellen Debatten Jörg Immendorff (+) Die ALS- eine prominente Erkrankung in aktuellen Debatten Stephen Hawking 2
3 Palliativmedizin bei ALS Wenn ich dem Patienten die Wahrheit sage, nehme ich ihm da nicht jede Hoffnung? Das Aufklärungsgespräch Ich möchte auf jeden Fall einen Luftröhrenschnitt. So kann ich wenigstens meine Kinder heranwachsen sehen! Symptomkontrolle- PEG und Beatmung Ich möchte in Würde sterben dürfen Terminalphase Das Aufklärungsgespräch Wenn ich dem Patienten die Wahrheit sage, nehme ich ihm da nicht jede Hoffnung? 3
4 Zufriedenheit der ALS-Patienten mit dem Aufklärungsgespräch >50% nicht oder unzureichend aufgeklärt Gründe für Unzufriedenheit: unverständliche Erklärung der Diagnose keine ehrlichen Aussagen über den Krankheitsverlauf keine Information über Hilfsmöglichkeiten Mangel an Empathie Zufriedenheit der Tumorpatienten mit der Aufklärung (Spiegel et al. 2009) Wie wurde Ihnen die Diagnose Krebs von Ihrem Arzt mitgeteilt? Sehr empathisch 8,1% Empathisch 29,6 % Nicht so empathisch 42,5% Überhaupt nicht empathisch 19,8 % Hatten Sie ausreichend Gelegenheit, Fragen zu stellen, die Ihnen wichtig waren? Ja 39% Nein 61% Medizinische Aufklärung im Lauf der Zeit. Treffe die nötigen Anweisungen freundlich und heiter ( ) ohne etwas vom zukünftigen oder gegenwärtigen Zustand zu enthüllen. Viele Patienten haben einen schlechteren Verlauf genommen ( ) durch die Vorhersage dessen, was geschehen wird. (Hippocrates: Decorum, XVI, v. Chr.) 1961: Umfrage bei amerikanischen Ärzten: 88% teilen die Diagnose Krebs ihren Patienten routinemäßig zunächst nicht mit (Oken et al. JAMA 1961) und heute? 4
5 Arzt und heute? über 96% der Patienten möchten mitgeteilt bekommen, dass sie Krebs haben 79% wollten so viel Information wie möglich über ihre Krankheit bekommen 66-85% wollen realistische Einschätzung über die verbleibende Zeit (Morris 1982, Meredith et al. BMJ 1996, Alifrangis 2011) Ich weiß, dass ich eines Tages sterben werde, aber ich lebe so, als ob das nicht geschehen wird Ich werde mir bewusst, dass ich eines Tages sterben werde Patient Ich erkenne, dass ich an dieser konkreten Krankheit sterben könnte ALS Ich erkenne, dass ich an dieser konkreten Krankheit sterben werde aber noch nicht jetzt Ich sterbe jetzt 5
6 Empfehlungen für das Aufklärungsgespräch bei Diagnose einer ALS Überbringen der Diagnose durch den betreuenden Arzt Eröffnungsfrage: Was weiß/vermutet der Patient bzgl. seiner Erkrankung? Zeitrahmen: mindestens 60 min., Anwesenheit von Angehörigen Inhalt: ehrliche Information über den progressiven Verlauf, aber auch Hinweis auf variable Prognose, Information über Behandlungsmöglichkeiten und Hilfen Information schrittweise übermitteln: Reaktionen und Bedürfnisse des Patienten beachten Vereinbarungen für die Zukunft; Zusage weiterer Unterstützung/Begleitung Die PEG Ich schiebe es so lange hinaus wie möglich. So schnell gebe ich nicht auf 6
7 Patientensorgen Die PEG Die Evidenz Gefühl des Kontrollverlustes: künstliche Ernährung Sichtbarer Indikator für den Krankheitsprogress PEG Anlage ist bei FVC < 50% (wohl) mit höherem Risiko verbunden verlängert (wahrscheinlich) das Überleben verhindert in vielen Fällen Hunger, soziale Isolation oder Beschämung wegen langen Mahlzeiten Die PEG Wie können wir dem Patient bei dieser Entscheidung helfen? erläutern, dass eine orale Nahrungsaufnahme weiter möglich ist Alltagsaktivitäten durch PEG nicht behindert frühzeitiges Ansprechen dieser Behandlungsoption prophylaktischen Charakter der Maßnahme betonen 7
8 Beatmung : Die Nicht-invasive Heimbeatmung Die nicht-invasive Heimbeatmung (NIV) Patientensorgen Die Evidenz Abhängigkeit von der Maschine Fragen nach dem Lebensende und Beendigung der Beatmung Verbesserung der Lebensqualität Überlebensverlängerung Wie können wir dem Patient bei dieser Entscheidung helfen? Frage nach der Beendigung der Beatmung und Behandlungsmöglichkeiten in diesem Fall ansprechen aber auch auf Progredienz der Erkrankung trotz Heimbeatmung eingehen 8
9 Die invasive Beatmung: Pat. S.B. bei Erkrankungsbeginn 34 J, verh., 2 Töchter (5 und 8 Jahre) 2004 Erkrankung an ALS, Beginn mit Gangstörung 2005 auf Rollator angewiesen, Mitbeteiligung der Hände 2006 Scheidung, erhält Sorgerecht für Kinder 2007 zunehmende Lähmungen, beginnende Ateminsuffizienz, Einleitung einer nicht-invasiven Heimbeatmung 2008 Pat. entschließt sich nach mehrfachen ausführlichen Beratungsgesprächen, ein Tracheostoma anlegen zu lassen 2009 Gebrauchsunfähigkeit der Hände (benötigt jede Nacht mehrfach Hilfe der Tochter) Pat. S.B Organisation einer 24-h Pflege, intensive kinderpsycholog. Mitbetreuung der Töchter Seit 2009 Zunehmende Konflikte mit dem Pflegedienst ( fehlende Privatsphäre ) seit 2010:- mehrfache Notfall-Termine mit dem dringenden Wunsch die Beatmung zu beenden - wechselnde Phasen von relativer Zufriedenheit aber auch Niedergeschlagenheit mit dem Wunsch zu sterben - PV: Beatmung soll beendet werden, sobald keine Kopfbewegungen mehr möglich sind 9
10 Die invasive Beatmung (TIV) Ich möchte auf jeden Fall einen Luftröhrenschnitt. So kann ich wenigstens meine Kinder heranwachsen sehen! Die Evidenz: Patienten mit TIV beurteilen ihre Lebensqualität nicht wesentlich schlechter als Patienten mit NIV aber: hohe Belastung für Angehörigen (30% der pflegenden Angehörigen beurteilen ihre Lebensqualität schlechter als die des Patienten ) Die invasive Beatmung (TIV) Wie können wir dem Patient bei dieser Entscheidung helfen? Tracheotomie in einer Notfall-Situation ist eine denkbar schlechte Ausgangslage: rechtzeitig Patientenverfügung ansprechen! Möglichkeit des kompletten locked in besprechen Möglichkeit einer zusätzlichen Demenz besprechen Umstände und emotionale Schwierigkeiten der Beendigung der Beatmung besprechen 10
11 Terminalphase: Ich möchte in Würde sterben dürfen Patient A.D. 67 Jahre 11
12 Patient A.D. 67 Jahre Seit 3,5 Jahren Symptome einer ALS Aktuell: Tetraparese, Dysphagie, Dysarthrie, deutliche Symptome einer respiratorischen Insuffizienz, respiratorischer Infekt Wunsch zu sterben (Suizidversuch 5 Tage vor Aufnahme) psychopathologisch keine weiteren Auffälligkeiten im Anamnesegespräch Patient A.D., 67 Jahre Patient möchte so schnell wie möglich sterben Er beschließt (bei bereits bestehender schwerer Dysphagie), keine Flüssigkeit und Nahrung mehr zu sich nehmen Er wünscht sich, auf der Palliativstation sterben zu dürfen Er möchte nicht ersticken und nicht leiden möchte am Ende am liebsten schlafen 12
13 Aus Sicht des Patienten (bereits bestehende schwere Schluckstörung!): - Suizid? - Verweigerung der Zustimmung zu einem Eingriffs? Beendigung der Nahrungs- Und Flüssigkeitsaufnahme Aus Sicht des Arztes: - Unterlassen einer Behandlungsmaßnahme ( passive Sterbehilfe?) - assistierter Suizid? - Tötung auf Verlangen? - Palliative Sedierung? - assistierter Suizid? Gabe von Sedativa bei subjektiv unerträglichem Leiden Palliative Sedierung medizinisch indizierte Therapieoption am Lebensende, die darauf abzielt, durch den Einsatz sedierend wirkender Medikamente unerträgliches Leiden bei sonst therapierefraktären Symptomen durch eine Bewusstseinsminderung zu lindern. 13
14 Palliative Sedierung Befragung der Mitglieder Ethics Section of the American Academy of Neurology (AAN) Terminale Tumorerkrankung Hoher Querschnitt ALS- Lebensqualität unakzeptabel Hoher Querschnitt Ersatz für Suizid ALS- Keine Nahrungs oder Flüssigkeitsaufnahme Neurology, April 2010 Gründe für diese Unterschiede in der Einschätzung? Relative Todesnähe als Kriterium für palliative Sedierung (?) Art der Symptome (Physische Symptome v.a. Schmerzen wird als gravierender bewertet als existenzielles Leid ) 14
15 ALS ist ein häufiger Grund für den Wunsch nach Lebensbeendigung Niederlande: Ca. 20% der ALS-Patienten entscheiden sich für Lebensbeendigung durch aktive Sterbehilfe 15% der ALS-Patienten versterben unter palliativer Sedierung Aktive Sterbehilfe bei terminalen Tumorerkrankungen: 5-8% der Patienten Oregon/USA: Häufigste Diagnose: Tumorerkrankung (77%) an zweiter Stelle: ALS (11%), (ALS ist nur für 0.2 % der Todesfälle verantwortlich!) Hauptgründe für den Wunsch nach Lebensbeendigung: Hoffnungslosigkeit Abhängigkeit von anderen Verlust der Würde Fatigue Angst zu ersticken Existenzielles Leid! Verlauf der Terminalphase bei der ALS Untersuchung zur Terminalphase der ALS 171 Patienten (München 121, Rochester 50) Todesursachen: Respiratorische Insuffizienz 86%, Herzversagen 6%, Pneumonie 5% Friedliches Versterben 91% Kein Patient kam durch Ersticken zu Tode 15
16 Die wichtigsten Medikamente in der Terminalphase: Unruhe, Atemnot: Morphin (2,5-5 mg oral) 1-2 mg s.c. oder i.v. alle 4 h Angst: Lorazepam s.l. 1-2,5mg oder Midazolam (beginnend mit 1-2 mg) Patient A.D. 67 Jahre 16
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