Hoher Stellenwert in S3-Leitlinien für Psychotherapie und Peerarbeit Wie umsetzen?
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- Herta Bachmeier
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1 Hoher Stellenwert in S3-Leitlinien für Psychotherapie und Peerarbeit Wie umsetzen? Prof. Dr. Thomas Bock, Uniklinik Hamburg-Eppendorf Greifswald
2 Gliederung 1. Empfehlungen für Psychotherapie (Bipo-Leitlinie) 2. Hierarchie der Hilfen, Verschiedene Settings 3. Stellenwert von Peerarbeit (Leitlinie Psychosoziale Therapien) 4. Verhältnis von Psychotherapie und Peerarbeit 5. Umsetzung
3 (1) Argumente für Psychotherapie Diskussion i.r. der S3-Leitlinien Vielfältige Evidenz für Psychotherapie Plus bei Einbeziehung der Angehörigen Prophylaxe o. Akutbehandlung? - abhängig von jeweiligen Zielen Am besten Struktur- u. Phasenübergreifend Bipolarität nicht monopolhaft behandeln - Methoden integrieren Beziehung entscheidet
4 Empfehlungen Bipo-LL Hohe Evidenzen bzgl. Psychotherapie Psychoedukative Therapie (Colom: mehr als Information!) Kognitive Verhaltenstherapie (Meyer&Hautzinger) Soziale Rhythmus-Therapie (Frank u.a.) Familien-Fokussierte Therapie (Miklowitz, Salomon) Kunst- / Bewegungstherapie (vgl. LL Psychosoz.Ther) Notwendig, zu verschiedenen Zeitpunkten, phasenübergreifend, i.d.r. ergänzend zu Medikation
5 Wirkfaktoren der Psychotherapie nach GRAWE Therapeutische Beziehung Ressourcenaktivierung Problemaktualisierung Motivationale Klärung (Bewußtsein der Zusammenhänge) Problembewältigung
6 Ziele zu Beginn der Behandlung Anfang der S3 LL Bipo Aufbau einer therapeutischen Beziehung Einbeziehung von Angehörigen und Bezugspersonen (siehe Kapitel Trialog) Gegenseitige Aufklärung über Krankheits- und Behandlungskonzepte Verhinderung und Behandlung von Selbst- und Fremdgefährdung Zielvereinbarung Partizipative Entscheidungsfindung (s. Kap.Trialog)
7 Effiziente Psychotherapie umfaßt Psychoedukation mindestens : Förderung Selbstbeobachtung / -management von Stimmungsveränderungen, Ereignissen, Frühwarnzeichen Reflexionen von Erwartungen und Maßstäben Stabilisierung Schlaf-Wach- und sozialem Lebensrhythmus Streß- und Aktivitätenmanagement Steigerung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung Einbezug der Angehörigen Vorbereitung auf Krisen
8 Weitere Statements zur Psychotherapie Eine phasenübergreifende tragfähige therapeutische Beziehung trägt wesentlich zum Behandlungserfolg in der Akut- und prophylaktischen Therapie bei. Dauer und Frequenz psychotherapeutischer Behandlungen Bipolarer Störungen müssen sich am aktuellen Zustand und den Bedürfnissen der Betroffenen sowie den Zielen der Behandlung orientieren.
9 Psychotherapie und/oder Medikation Gibt es ein Primat? Psychotherapie nur mit Medikation oder gerade dann wenn Compliance nicht reicht? Was ermöglicht was? Ringen um Kooperation (Vgl. Diskusion um aktuelle S3 Leitlinie Schizophrenie)
10 (2) Hierarchie der Hilfen Themen und Voraussetzung von Psychotherapie Lebenssicherung - Suizidalität, Leichtsinn Grundbedürfnisse - Essen, Trinken, Schlafen,... Soziale Kontakte - überhaupt noch? regelmäßig? Zeitstruktur - Rhythmen, Unterbrechungen? Aufgabe und Sinn - Blick für andere (z.b. Haustier, Blumen) Aneignung der Erfahrung - Zugang zu Konflikten/Gefühlen Soziale Rhytmen/Aufgaben - Bezug zu Gruppen Konsequenz: Netzwerk Ambulanz, Facharzt, Psychotherapeut
11 Gründe für Psychotherapie aus subjektiver Perspektive Neues Selbstkonzept Selbst-wert-Problematik aus Phasen lernen Ängste, Wünsche, Fähigkeiten... Überanpassung überwinden aus Phasen lernen... Eigene Maßstäbe finden für Werte und Leistung Sinnlosigkeit überwinden Koop. Sozialpsychiatrie Konzept biologische Narbe differenzierte Sicht erleichtert Kooperation
12 Gründe für Gruppensetting Zeitwahrnehmungsstörung Sich vollständiger wahrnehmen - im Spiegel der anderen nichts hilft so wie helfen Gruppe erlaubt mehrere Rollen Gemeinsam erste Schritte aus Depression so klein, dass Erfolg unvermeidlich wird Gemeinsam Selbstkontrolle ausweiten nicht jede Hypomanie muss zur Manie werden...
13 Spannungsfelder aller Beteiligten Patienten: zwischen Höhen und Tiefen, Aktionismus und Lähmung Angehörige: zwischen Nähe und Distanz Therapeuten: zwischen Macht und Ohnmacht Mit beidem verantwortlich umgehen Konsequenz: Angehörige einbeziehen Therapeutische Kontinuität
14 Empfehlungen zum Trialog Statements / KKP Partizipative Entscheidungen möglichst inkl. Angehörige Zugang zu angemessenen trialogischen Infos Selbstmanagement fördern Ermutigung zum Besuch / Unterstützung von Selbsthilfe- / Angehörigengruppen Peerberatung erproben Angehörige von Anfang an und über alle Phasen einbeziehen
15 (3) Entwicklungsgeschichte Peerberatung - Trialog / Ex-In Psychoseseminar, Begegnung als Experten Antistigmaarbeit Lebenslehrer Irre menschlich Hamburg Trialogische Fortbildung, Lehre, Tagungen, Verbände Beschwerdestellen, Qualitätssicherung Trialogische Forschung, z.b. SuSi-Projekt Experienced-INvolvement Curriculum EU- Förderung Erprobung in Bremen und Hamburg Train the trainer-kurse, Multiplikation in 20 Orte Qualitätssicherung durch Dachverband, internat. Evaluation Psychenet-TP Peer-Beratung in Hamburg
16 Wirkung Peerberatung bei Patienten internat. Metastudien / LL Psychosoz. Therapien Hohe Therapiezufriedenheit Steigerung der Lebensqualität und sozialer Einbindung Verbesserung der Symptomatik weniger Substanzmissbrauch häufiger in Selbsthilfe Steigerung der Adhärenz (Behandlungstreue) Reduktion stationärer Aufenthalte, stationärer Tage, Notaufnahmen und Krisenintervention Reduktion der Kosten Davidson, L., Bellamy, C., Guy, K., & Miller, R. (2012). World Psychiatry, 11(2), 123. Doughty, C., & Tse, S. (2011). Community mental health Journal, 47(3),
17 Wirkung Peerberatung internat. Metastudien / LL Psychosoz. Therapien Bei Angehörigen geringere Belastung der Angehörigen Bessere Frühbehandlung durch Einbindung von Angehörigen (Bipolare Störungen) Verbesserter Krankheitsverlauf durch Einbindung von Angehörigen (Bipolare Störungen, Psychosen) bei Mitarbeitern Positivere Einstellung gegenüber psychisch Kranken Weniger stigmatisierende Einstellungen Davidson, L., Bellamy, C., Guy, K., & Miller, R. (2012). World Psychiatry, 11(2), 123. Doughty, C., & Tse, S. (2011). Community mental health Journal, 47(3),
18 Orte für Peer-Beratung Klinik, Ambulanzen Betreutes Wohnen Integrierte Versorgung (Krisenwohnung) Psychosoziale Kontaktstellen Beratungsstellen (Erstberatung)
19 Zwei Modelle, die sich ergänzen Bremerhafen Peerberater integriert auf Station Prägen Atmosphäre Bindeglied Zusätzliche Hilfe Hamburg Eigenständige Peerberatung An der Schnittstelle Genesungsbegleitung Trialog
20 Peer-Beratungs-Projekt Hamburger Modell Überzeugungsarbeit, Infrastruktur Schulung, Coaching: Betroffene, Angehörige Eigenständige Peer-Beratung in allen Hamb.Kliniken UKE, Nord, Albertinen, Alsterdorf, West-Rissen/Altona, Harburg, Bergedorf, Eilbek, Wandsbek (10) - je ca. 2 Jahre Betroffene beraten Betroffene i.d.r. bis 1/2 Jahr Angehörige beraten Angehörige i.d.r. bis 1/2 Jahr Alle Diagnosen mit Chron.Risiko F20, 30, 31, 60 + Comorb. Schnittstelle zw. Station und Ambulanz
21 Ziele aus Versorgungssicht Betroffenen Wege nach hause bahnen Ermutigen, Selbstwirksamkeit stärken Eigenständigkeit stützen, In Selbsthilfe begleiten Orientierung im Hilfesystem, Gesundheitslotsen Angehörige entlasten, informieren, Bei Selbst-Besinnung helfen In Angehörigengruppen vermitteln
22 Erste Ergebnisse Teilauswertung der randomisierten Studie Mehr Selbstwirksamkeit Mehr Lebensqualität Mehr Zufriedenheit Mehr Kontinuität Weniger Rehospitalisierung Weniger Krankenhaustage (vgl. nachher-vorher)
23 (4) Beziehung Psychotherapie- Peerberatung Ergänzend? Konkurrierend? Gegenseitig zuweisend? Alternativ?
24 Arbeitsteilung / Verbindung Peerberatung Genesungshelfer Gesundheitslotse Weg zur Selbsthilfe Vermittlung Psychotherapie Überleitung nach Psychotherapie Psychotherapie Krisenintervention Episodisches Lernfeld Kontinuierl. Begleitung Vorbereitung Selbsthilfe u. Peerberatung Alternative dazu
25 (5) Umsetzung / Perspektiven Psychotherapie Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit Erweiterte Fortbildung Aufklärung Kammer Veränderung Zulassung Multifamily-Ansatz z.b. in Institutsambulanzen (Forschungsnetz) Peerarbeit Innovativ in BRD; besonders wichtig bei Bipolaren Anerkennung Beruf Peer- Berater/Genesungsbegleiter Finanzierung Ausbildung über ARGE Konzeption eines Peer- Forschungsnetz
26 Peerarbeit stärkt Selbsthilfe und Selbstwirksamkeit und kann den Weg zur Psychotherapie bahnen sowie deren Umsetzung in den Alltag untersützen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
27 Entwicklungsgeschichte Peerberatung - EX-IN EU-Projekt Ex-In-Curriculum Leonardo da Vinci-Topf Erprobung in Bremen und Hamburg Train the trainer (dialogisch!) Qualitätssicherung durch Dachverband DACh: internat. Maßstäbe für Evaluation Psychenet-TP Peer-Beratung in Hamburg
28 Hintergrund UN-Menschenrechtskonvention Leitlinie Psychosoziale Therapie Recovery-Konzept Legitimationskrise der Psychiatrie
29 (2) Subjektive Bedeutung Depression Gegenteil von Trauer Schutzmechanismus, Auszeit der Seele Totstell-Reflex Gegen sich selbst gerichtete Aggression Selbstlähmung (gg Suizidalität) Fenster zur Seele (Verletzung) Manie Nicht gleich Glück Flucht nach vorne, Abwehrstrategie Unsicheres Selbstkonzept Nach Aussen gewendete Depression überbordende Kreativität Fenster zur Seele (Wünsche)
30 Anthropologische Sicht beider Phasen Zeitwahrnehmungsstörung: Phasen ewig, Verzweiflung / Leichtsinn umso größer Überanpassungsstörung: Erschlagen von Ansprüchen anderer, Ausweg nur in Manie Selbstwert-Krise und SinnLosigkeit: nie in sich allein zu lösen, Verantwortung Mehrfache Eigendynamik Therapeutische Konsequenzen...
31 SuSi-Ergebnisse übertragbar? Trialog. Frschung zum Subjektiven Sinn (Bock/Klapheck) Sinn-Bedürfnis: Lebens-Zusammenhang? Symptomerleben differenziert erfragen Konstruktive Auswirkungen v. Krisen? Je mehr Kohärenz / Aneignung, desto konstruktiver / hoffnungsvoller Therapeutische Konsequenzen Themen für Psychotherapie Vorteil Gruppensetting
32 Medizinischer Hilfen erfordern Beziehung Grenzen medizinischer Hilfen: Risiko Suizidalität Risiko Switch Bis 50% Rückfälle trotz Medikation Noncompliance (Nebenwirkungen, Chemie der Beziehung) Antidepressiva im Vergleich mit Placebos Konsequenz: Therapeutische Beziehung - Voraussetzung von Medikation (nicht umgekehrt)
33 Die Möglichkeit zu Depression und Manie gehört zum Menschsein Menschen müssen im Unterscheid zu anderen Lebewesen um ihr Selbstverständnis ringen. Es gehört zu unseren Möglichkeiten, an uns zu zweifeln und dabei auch zu verzweifeln, über uns hinaus zu denken und uns dabei auch zu verlieren...wer darüber depressiv, in einer Flucht nach vorne manisch oder auch psychotisch wird, ist also kein Wesen vom anderen Stern, sondern zutiefst menschlich.... (trialogische blaue Broschüre: Es ist normal, verschieden zu sein ) Konsequenz: Krankheit nicht verharmlosen, aber entstigmatisieren Bescheidenheit, statt Größenwahn
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