8. Energie, Impuls und Drehimpuls des elektromagnetischen
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- Fritzi Brauer
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1 8. Energie, Impuls und Drehimpuls des elektromagnetischen Feldes 8.1 Energie In Abschnitt 2.5 hatten wir dem elektrostatischen Feld eine Energie zugeordnet, charakterisiert durch die Energiedichte ω el = ɛ 0 2 E2. (8.1) Analog kann man dem magnetostatischen Feld eine Energie zuordnen. Wir wollen diesen Schritt überspringen und direkt die Energiebilanz für ein beliebiges elektromagnetisches Feld aufstellen. Wir betrachten dazu zunächst eine Punktladung q, die sich mit der Geschwindigkeit v in einem elektromagnetischen Feld { E, B} bewegt. Die an dieser Ladung vom Feld geleistete Arbeit ist gegeben durch die Leistung: dw M = K v = q [ E + ( v B) ] v = qe v, (8.2) Nur der elektrische Anteil der Kraft ist am Energieaustausch zwischen Teilchen und Feld beteiligt; das Magnetfeld leistet keine Arbeit, da der magnetische Anteil der Kraft immer senkrecht auf der Geschwindigkeit steht. Entsprechend gilt für einen Strom der Stromdichte j: dw M = d 3 x E j. (8.3) Der Index M steht dafür, dass es sich hier um mechanische Arbeit handelt, die an den geladenen Teilchen geleistet wird. Die an den bewegten Punktladungen vom Feld geleistete Arbeit geht auf Kosten des elektromagnetischen Feldes; die explizite Form davon soll im folgenden hergeleitet werden. Wir eliminieren in Gl. (8.3) zunächst die auf die bewegten Massenpunkte bezogene Stromdichte j mit Hilfe des Ampère-Maxwell schen Gesetzes 90
2 (6.33), j = B µ0 ɛ 0 E: ( d 3 x E 1 j = d 3 x E ( B) ) E ɛ 0E. (8.4) Diesen Ausdruck, der nur noch die Felder E und B enthält, können wir bzgl. E und B symmetrisieren. Wir verwenden ( E B) = α ɛ αβγ E β B γ = ɛ αβγ ( α E β ) Bγ + ɛ αβγ E β ( α B γ ) = B ( E ) E ( B ) (8.5) sowie das Induktionsgesetz E = B und finden: E ( B) = B ( E) ( E B) = B B E B) ( (8.6) Setzen wir nun Gl. (8.6) in (8.4) ein, so erhalten wir: d 3 x E j = Interpretation Fall 1 : d 3 x ( 1 B ɛ 0 E ( E B) ). (8.7) Aus Gl. (8.3) und (8.7) folgt für die Feldenergie ( 1 W F = d 3 x B 2 + ɛ ) E2, (8.8) falls die Felder asymptotisch schnell genug abfallen, so dass der Divergenz- Term in Gl. (8.7) verschwindet. Mit Hilfe des Gaußschen Gesetzes, d 3 x ( E B ) = df ( E B ) (8.9) mit als Oberfläche des (zunächst als endlich angenommenen) olumens, findet man, dass die Felder E und B stärker als 1/R abfallen müssen, da df mit R 2 anwächst (vgl. Abschnitt 2.5 ). Für statische Felder ist die obige oraussetzung erfüllt, nicht dagegen für Strahlungsfelder (vgl. Kap. 11). In Gl. (8.8) können wir nun die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes ω F = 1 2 B 2 + ɛ 0 2 E2 (8.10) 91
3 einführen, die sich aus einem elektrischen Anteil (vgl. (8.1)) ω el = ɛ 0 2 E2 (8.11) und einem magnetischen Anteil ω mag = 1 2 B 2 (8.12) zusammensetzt. Fall 2 : endlich Wir behalten die Interpretation von Gl. (8.10) bei und schreiben, da beliebig wählbar ist, Gl. (8.7) als (differentielle) Energiebilanz: E j + ω F + S = 0. (8.13) mit dem Poynting-ektor S = 1 ( E B). (8.14) Interpretation: Die Feldenergie in einem olumen kann sich via Gl. (8.13) dadurch ändern, (a) dass Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung (Kap. 11) hinein-(hinaus-)strömt, beschrieben durch den Term S, und/oder (b) dass an Punktladungen Arbeit geleistet wird, beschrieben durch E j. In Analogie zur Ladungserhaltung (Abschnitt 4.1 ) nennen wir S die Energiestromdichte, bzw. den Poynting-ektor. Die Energiebilanz zeigt, dass die Energie des abgeschlossenen Systems (Punktladungen plus elektromagnetisches Feld) eine Erhaltungsgröße ist. 8.2 Impuls Dem elektromagnetischen Feld kann man außer Energie auch Impuls zuordnen. Wir beginnen wieder mit der Impulsbilanz für eine Punktladung q mit der Geschwindigkeit v. Nach Newton gilt dann für die Änderung des Impulses p M der Punktladung: d p M = q [ E + ( v B) ]. (8.15) 92
4 Für N Punktladungen, charakterisiert durch eine Stromdichte j und Ladungsdichte ρ erhalten wir entsprechend für den Gesamtimpuls P M der Ladungen: d P M = d 3 x [ ρ E + ( j B) ]. (8.16) Analog zu Abschnitt 8.1 versuchen wir, ρ und j zu eliminieren, so dass die rechte Seite in Gl. (8.16) nur noch die Felder E und B enthält. Wir benutzen dazu und ρ = ɛ 0 E (8.17) 1 j = E B ɛ 0. (8.18) Das Resultat dp M = d 3 x [ ( )] 1 ɛ 0E ( E) + ( B) B E ɛ 0 B (8.19) können wir bzgl. E und B symmetrisieren, indem wir in (8.19) den (verschwindenden) Term 1 B ( B) hinzufügen und in ( ) E ɛ 0 B das Induktionsgesetz ( ) = ɛ 0 ( E B) + ɛ 0 E B (8.20) (8.21) E = B ausnutzen. Ergebnis: dp { M = d 3 1 x ɛ 0E ( E) + B ( B) + 1 ( B) B } ɛ 0E ( E) ɛ0 ( E B). (8.22) (8.23) 93
5 Wir verwenden die Abkürzung α / x α und fassen für die Interpretation von (8.23) einige Terme wie folgt zusammen: [ ] E ( E) E ( E) α = E α µ E µ ɛ αβγ ɛ γλµ E β λ E µ = = E α µ E µ (δ αλ δ βµ δ αµ δ βλ ) E β λ E µ = E α µ E µ E µ α E µ + E µ µ E α = αe 2 µ + µ E µ E α = (E α E µ 12 ) x E2 δ αµ. µ m=1 (8.24) Für das erjüngen der Levi-Civitá-Tensoren haben wir folgende allgemeine Beziehung benutzt: δ αλ δ αµ δ αν ɛ αβγ ɛ λµν = δ βλ δ βµ δ βν (8.25) δ γλ δ γµ δ γν Diese zeigen wir, indem wir prüfen, ob beide Seiten dieselben Symmetrieen bezüglich der Indizes aufweisen, und indem wir dann die Identität fuer einen Spezialfall zeigen. Beim ertauschen zweier Indizes ändern beide Seiten ihr orzeichen (rechts, weil ertauschen von Indizes zum ertauschen eines Zeilen- oder Spaltenpaars führt, d.h. zum orzeichenwechsel der Determinante); bei Gleichheit zweiter Indizes werden beide Seiten null (rechts, weil das zu zwei gleichen Zeilen/Spalten führt, d.h. verschwindender Determinante). Für den Spezialfall α = λ = 1, β = µ = 2, γ = ν = 3 ist das Ergebnis links ɛ 123 ɛ 123 = 1, rechts = 1 Mit der Wahl α = λ folgt aus Gl. (8.25) ɛ αβγ ɛ λµν = δ βµ δ βν = δ βµδ γν δ βν δ γµ δ γµ δ γν mit derselben Diskussion oder durch Entwickeln der Determinante aus Gl. (8.25). Entsprechend der E-Terme erhalten wir für die B-Terme [ B ( B) B ( B) ]α = 3 94 m=1 x µ (B α B µ 12 B2 δ αµ ). (8.26)
6 Damit ist das Ergebnis für die Impulsänderung: d ( P M + P F ) α + d 3 x 3 µ=1 x µ T αµ = 0, (8.27) wobei der Maxwellsche Spannungstensor T im durch ( ) ( ) E 2 T αµ = ɛ 0 2 δ αµ E α E µ + 1µ0 B 2 2 δ αµ B α B µ (8.28) gegeben ist. Die Divergenz des Spannungstensors ist so zu verstehen: T α = T αµ e µ T α = e µ µ T αµ e µ = µ T αµ T αµ ist also die µ-komponente eines ektors T α beziehungsweise eine Komponente des Tensors 2. Stufe T. Dieser Tensor ist symmetrisch: T αµ = T µα, sodass wir die Summe in Gl. (8.27) als α-komponente von T auffassen können, denn T = 1 T 11 T 12 T 13 1 T 11 2 T 12 3 T 13 2 T 21 T 22 T 23 = 1 T 21 2 T 22 3 T 23 3 T 31 T 32 T 33 1 T 31 2 T 32 3 T 33 = 1T 11 2 T 21 3 T 31 1 T 12 2 T 22 3 T 32 1 T 13 2 T 23 3 T 33 Der Gesamtimpuls P F des elektromagnetischen Feldes ist P F = d3 x π F mit der Impulsdichte π F = ɛ 0 ( E B) (8.29) Interpretation Fall 1 : Wie unter Abschnitt 8.1 überzeugt man sich, dass der dritte Term in (8.27) verschwindet, falls die Felder E und B schneller als 1/R abfallen. Dann lautet die Impulsbilanz P M + P F = const. (8.30) 95
7 Gleichung (8.30) legt nahe, P F als Impuls des elektromagnetischen Feldes zu interpretieren. Für das abgeschlossene System (Punktladungen plus Felder) ist dann der Gesamtimpuls, der sich additiv aus Teilchenund Feldimpuls zusammensetzt, eine Erhaltungsgröße. Fall 2 : Allgemeines olumen Da das olumen in (8.27) beliebig ist, finden wir für ( T ) im T im die differentielle Impulserhaltung π M + π F + T = 0, (8.31) wobei wir Gl. (8.16) für die mechanische Impulsdichte π M = ρ E + j B verwendet haben. Fall 3 : endlich Wir formen die rechte Seite in (8.27) mit dem Gaußschen Gesetz um: d ( P M + P F ) α = d 3 x [ T ] α = [ ] df T α 3 = T αµ df µ = df [ n T ] (8.32) α, µ=1 wobei d f = ndf das gerichtete Oberflächen-Element und die die Oberfläche von sind. Da auf der linken Seite von (8.32) nach Newton eine Kraft steht, können wir n T als Druck des Feldes (Strahlungsdruck) interpretieren. Das elektromagnetische Feld überträgt auf einen Absorber also nicht nur Energie, sondern auch Impuls. Der Strahlungsdruck des Lichts wurde von Lebedev und Hull direkt an einer Drehwaage nachgewiesen. An den Balkenenden angebrachte Metallplättchen wurden im Takt der Eigenschwingung jeweils belichtet; es wurden in Resonanz gut beobachtbare Ausschläge erhalten. Der Strahlungsdruck wird auch bei den Sonnensegeln der Satelliten ausgenutzt; die Solarkonstante beträgt 1370 W/m 2 ; das entspricht einem Solar-Strahlungsdruck von 4.6 µpa bei Absorption bzw. dem doppelten Wert bei Totalreflexion. Mit diesem Druck auf die Sonnensegel lässt sich die Lage von Satelliten stabilisieren. 96
8 Bemerkung Die Tatsache, dass die sich die Impulsdichte π F und die Energiestromdichte S nur um einen konstanten Faktor unterscheiden, 1 π F = ɛ 0 S = c 2 S, (8.33) ist kein Zufall, sondern ergibt sich zwangsläufig im Rahmen der relativistischen Formulierung. 8.3 Drehimpuls Die Änderung des Drehimpulses einer Punktladung q im elektromagnetischen Feld ist durch d l M = p [ x d M E ] = q x + ( v B) (8.34) gegeben. Entsprechend gilt für N Punktladungen, die durch ρ und j charakterisiert seien, im olumen : d L [ ] M = d 3 x x ρ E + ( j B). (8.35) Eliminiert man ρ und j und symmetrisiert man das Resultat bzgl. E und B, so erhält man analog Abschnitt 8.2 d L M = Interpretation Fall 1 : d 3 x x { ɛ 0 E( E) + 1 ɛ 0 ( E ( E) ɛ 0 ( E B) B( B) + 1 ( B) B µ } 0 Fallen die Felder asymptotisch rasch genug ab, d.h. stärker als 1/R, so bleibt für : d L ( M + L F ) = 0, (8.36) mit LF = ɛ 0 d 3 x x ( E B ) (8.37) 97.
9 als Drehimpuls des Feldes. Die Summe aus dem mechanischen Drehimpuls L M und dem des Feldes L F ist eine Erhaltungsgröße: LM + L F = const. (8.38) Fall 2 : Allgemeines olumen Für ein beliebiges olumen finden wir auch eine differentielle Form der Drehimpulserhaltung: λf λ M + + x ( T ) = 0, (8.39) wobei die Drehimpulsdichten [ ] λm = x ρ E + ( j B) verwendet sind. 8.4 Zusammenfassung und λf = ɛ 0 x ( E B ) Bei Abwesenheit anderer Kräfte gelten für das abgeschlossene System (Punktladungen plus Feld) die Erhaltungssätze für Energie, Impuls und Drehimpuls. Da sich Energie, Impuls und Drehimpuls der Punktladungen zeitlich ändern, müssen wir dem Feld selbst Energie, Impuls und Drehimpuls zuordnen, um die Erhaltungssätze für das Gesamtsystem zu garantieren. Die Grundgrößen Energiedichte ω F = ɛ 0 2 E B 2, (8.40) Impulsdichte π F = ɛ 0 ( E B) (8.41) und Drehimpulsdichte λf = ɛ 0 x ( E B) = x π F (8.42) findet man aus den jeweiligen Bilanzen unter erwendung der Maxwell- Gleichungen. Die Tatsache, dass man dem Maxwell-Feld mechanische Größen wie Energie, Impuls und Drehimpuls zuordnen kann, bietet die Grundlage für die im atomaren Bereich benutzte Beschreibung elektromagnetischer Phänomene durch Teilchen, die als Photonen bezeichnet werden. 98
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