HD Dr. Elmar Mand Juniorprof. für Zivil- und Gesundheitsrecht Examensrepetitorium Schuldrecht BT 1. Das Tulpenbeet

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1 Das Tulpenbeet A. S kann gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß 437 Nr. 2, 346 I haben. I. Kaufvertrag zwischen S und B gemäß 433 (+) II. Wirksamer Rücktritt der S 1. Rücktrittserklärung der S gemäß 349 (+) 2. Rücktrittsgrund, 437 Nr. 2, 323 a) Sachmangel bei Gefahrübergang aa) Die 500 weißen Tulpenzwiebeln waren verfault und entsprachen nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Sie waren somit gemäß 434 I 1 mangelhaft. bb) Vereinbart war die Lieferung von Papageientulpen; geliefert wurde die Tulpensorte Alte Witwe. Es liegt demnach eine aliud-lieferung vor, die einem Sachmangel gleichsteht, 434 III. b) Nachfristsetzung aa) Grundsätzlich gemäß 437 Nr. 2, 323 I erforderlich; sie ist aber nicht erfolgt. bb) Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung, 437 Nr. 2, 323 II Nr. 2 (+), bei dem Kaufvertrag handelt es sich um eine relatives Fixgeschäft: es ist eine Leistungszeit genau bestimmt worden (15. März) und die Stadt hat ihr Leistungsinteresse an die Einhaltung der Lieferzeit gebunden. Diese Zeit ist inzwischen abgelaufen. c) Ausschluss des Sachmängelgewährleistungsrechts wegen verspäteter Rüge der S gemäß 377 II HGB? Die Rügeobliegenheit besteht nur, wenn gemäß 343, 344 HGB ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt. S ist kein Kaufmann, so dass sie keine Rügeobliegenheit trifft. Allein aus der Tatsache, dass G direkt an S geliefert hat, B daher die Tulpenzwiebeln nicht selbst untersuchen konnte, ergibt sich für S keine Rügeobliegenheit (Baumbach/Hopt, 377 HGB, Rn. 23); 377 II HGB (-) d) Der Rücktritt könnte aber gemäß 323 V 2 ausgeschlossen sein, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Zwar blühen bei S vor dem Rathausplatz

2 die Tulpen in dunkelrot, jedoch ist für jeden erkennbar, dass es sich um eine günstige Sorte Tulpen handelt, die nicht sehr teuer war. Zu bedenken ist zudem, dass der Gesamteindruck des Tulpenbeetes aufgrund der vergammelten weißen Tulpenzwiebeln erheblich gestört ist. Die Pflichtverletzung ist somit erheblich, so dass der Rücktritt nicht gemäß 323 V 2 ausgeschlossen ist. e) Der Rücktritt wäre unwirksam, wenn der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt wäre, 438 IV 1, 218. Der Anspruch auf Nacherfüllung wäre erst nach zwei Jahren verjährt, 438 I Nr.3 ; S erklärt den Rücktritt aber bereits nach zwei Monaten. => S ist wirksam vom Vertrag zurückgetreten. => S hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. III. Durchsetzbarkeit Möglicherweise könnte B ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht gem. 348, 320 geltend machen und dadurch die Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs der S hemmen. Hierzu muss B durch den Rücktritt einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen S erlangt haben. 1. In Betracht kommt ein Anspruch auf Herausgabe der gelieferten Tulpenzwiebeln gem. 346 I. a) Grundsätzlich sind nach einem Rücktritt die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. b) Allerdings kann der Anspruch durch das Einpflanzen und Sprossen der Tulpenzwiebeln gemäß 346 II 1 Nr. 2 Var. 4 wegen Verarbeitung der Sache ausgeschlossen sein. Anm: Für das Erlöschen der Herausgabepflicht braucht in den Fällen des 346 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 nicht auf eine eventuelle Leistungsbefreiung gemäß 275 eingegangen zu werden. Das Entfallen der Leistungspflicht ergibt sich bereits aus 326 II 1 ( statt der Rückgewähr ) Der Begriff der Verarbeitung in 346 II Nr. 2 ist mit dem des 950 I 1 identisch und setzt eine bewusste menschliche oder menschlich gesteuerte Arbeitsleistung voraus [Palandt/Heinrichs, 346, Rn. 8; /Bassenge, 950, Rn. 4]. Die Verarbeitung der Sache muss dabei nicht unmittelbar durch die Arbeitsleistung geschehen. So wurde z.b. im Falle des Ausbrüten-Lassens

3 von Eiern das Merkmal der Verarbeitung bejaht [Palandt/Bassenge, 950, Rn. 4]. Auch das Einpflanzen der Tulpenzwiebeln und das anschließende Sprossen der Tulpen sind deshalb als Verarbeitung anzusehen. Durch das Einpflanzen der Tulpenzwiebeln wurden diese i.s.d. 346 II 1 Nr. 2 Var. 4 verarbeitet. Somit ist ein Herausgabeanspruch ausgeschlossen. 2. B könnte jedoch einen Anspruch auf Wertersatz gem. 346 II 1 Nr. 2 Var. 4 haben. - Die Voraussetzungen des 346 II 1 Nr. 2 Var. 4 sind erfüllt. - Die Verpflichtung zum Wertersatz dürfte weiterhin nicht gem. 346 III ausgeschlossen sein. Vorliegend zeigte sich erst an den blühenden Tulpen und damit nach der Verarbeitung, dass es sich um eine andere Sorte handelt. Mithin entfällt die Pflicht zum Wertersatz gemäß 346 II 1 Nr. 1, 950 I Ein Anspruch des B gegen S gemäß 346 IV, 280, 283 scheidet schon deshalb aus, weil S beim Einpflanzen der Tulpenzwiebeln keine Kenntnis von dem Mangel haben konnte. Das Verarbeiten war daher jedenfalls nicht sorgfaltswidrig. Anm.: In Fällen der Beschädigung, Verschlechterung oder des Untergangs ist neben einer etwaigen Pflicht zum Wertersatz stets an einen Schadensersatzpflicht gemäß 346 IV i,v.m. 280 ff. zu denken. Die Schuldnerpflicht kann dabei entweder aus dem Rückgewährschuldverhältnis gemäß 346 I stammen oder aber auch aus dem zugrunde liegenden Vertrag selbst. 4. S hat wegen des äußerst unschönen Gesamtbildes des Tulpenbeets auch keine Nutzungen aus den Tulpenzwiebeln gezogen. B hat deshalb gegen S auch insoweit keinen Herausgabeanspruch gegen S aus 346 I. 5. B könnte jedoch einen Anspruch auf Herausgabe der verbleibenden Bereicherung gem. 346 III 2 haben. Bei 346 III 2 handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung [MüKo/Gaier, 346, Rn. 60], so dass die Tatbestandsmerkmale des 812 nicht vorliegen müssen. Es genügt eine faktisch vorhandene Bereicherung. S hat Eigentum und Besitz an den nun erblühten Tulpen, ohne dafür Wertersatz leisten zu müssen. Hierin liegt eine verbleibende Bereicherung.

4 Die Herausgabe der aufgeblühten Tulpen ist nicht nach 818 II ausgeschlossen oder eingeschränkt, so dass B einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Herausgabe der Tulpen hat. Diesen Anspruch kann er dem Anspruch der S auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß 348, 320 entgegenhalten. Anm.: Ein Rückgewährschuldverhältnis gem. 346 ist ein Rechtsgrund i.s.d. 812, der eine Anwendung des Kondiktionsrechts im Übrigen ausschließt. Nur durch die Verweisung des 346 III 2 gelangt man deshalb zu den Rechtsfolgen des 812, 818 Ergebnis: S hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe der erblühten Tulpen. B. B kann gegen G einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß 437 Nr. 2, 346 I haben. I. Kaufvertrag zwischen B und G gemäß 433 (+) II. Wirksamer Rücktritt des B 1. Rücktrittserklärung der B gemäß 349 (+) 2. Rücktrittsgrund a) Sachmangel bei Gefahrübergang (+) Die dunkelroten Tulpen sind gemäß 434 III mangelhaft, die weißen gemäß 434 I 1. b) Nachfristsetzung aa) Grundsätzlich gemäß 437 Nr. 2, 323 I erforderlich; sie ist aber nicht erfolgt. bb) Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach 478 I (-), 478 I gilt nur beim Verbrauchsgüterkauf; die Stadt ist als juristische Person des öffentlichen Rechts jedoch kein Verbraucher i.s.d. 13 Anm.: Der so genannte Unternehmerregress gem. 478 führt neben dem Aufwendungsersatz gem. 478 II nur zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung, so dass der jeweilige Lieferant den Anspruch nicht durch eine Ersatzlieferung abwehren kann. Bei Mängeln ist der Vertrag zwischen Unternehmer und Lieferant nach den zwischen diesen getroffenen Vereinbarungen abzuwickeln.

5 cc) Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung gemäß 437 Nr. 2, 323 II Nr. 2 (-); auch wenn es sich beim Tulpenkauf um ein Saisongeschäft handelt, kann daraus noch nicht auf ein Fixgeschäft geschlossen werden. Es fehlt bereits an der Festlegung einer genauen Lieferzeit oder Lieferfrist. Zudem kann wohl allein aus dem Tatsache, dass es sich um einen Saisonartikel handelt, nicht geschlossen werden, dass der Kaufvertrag mit dem Ablauf der Saison für das Einpflanzen der Tulpen stehen und fallen soll [vgl. zum fehlenden Fixschuldcharakter bei der Vereinbarung Liefertermin-Ernte auch OLG Hamm, NJW-RR 1995, 350, 351] dd) Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung gemäß 437 Nr. 2, 323 II Nr. 3 (+); ein Interessenfortfall ist in der Regel anzunehmen, wenn Saisonartikel wegen Zeitablaufs unverkäuflich geworden sind [Palandt-Heinrichs, 323 Rn. 20]. Anm.: Der so genannte Unternehmerregress gem. 478 führt neben dem Aufwendungsersatz gem. 478 II nur zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung, so dass der jeweilige Lieferant den Anspruch nicht durch eine Ersatzlieferung abwehren kann. Bei Mängeln ist der Vertrag zwischen Unternehmer und Lieferant nach den zwischen diesen getroffenen Vereinbarungen abzuwickeln. c) Ausschluss des Rücktritts Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn B den Mangel gemäß 377 I HGB nicht rechtzeitig gerügt hat. aa) Sowohl B als auch G sind Kaufleute gemäß 1 HGB, so dass ein beiderseitiges Handelsgeschäft gemäß 343, 344 HGB gegeben ist. bb) Ablieferung ist die tatsächliche Handlung, durch die der Käufer in die Lage versetzt wird, die Ware zu überprüfen. Bei einem Streckengeschäft liefert der Verkäufer direkt auf Anweisung des Käufers die Kaufsache an den Abkäufer. In diesem Fall liegt die Ablieferung vor, wenn die Ware beim Abkäufer ankommt. => Ablieferung (+) bei Übergabe der Zwiebeln an S. cc) Die gelieferten Tulpen sind sämtlich mangelhaft. B hätte daher die mangelhafte Lieferung unverzüglich rügen müssen. (1) B teilte G die mangelhafte Lieferung sofort mit, nachdem S ihn informiert hatte. => Rüge (+) (2) Fraglich ist, ob dies auch unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern i.s.v. 121 I 1 erfolgte. Die Mängelrüge soll im Handelsverkehr zu einer

6 schnellen Abwicklung der Verträge führen, so dass an die Unverzüglichkeit strenge Maßstäbe zu stellen sind. B teilte G zwar, sobald er Kenntnis hatte, die Mängel mit. S jedoch stellte den Mangel erst zwei Monate nach Lieferung fest, so dass die Mängel an sich nicht unverzüglich gerügt wurden. (3) Etwas anderes könnte sich nur daraus ergeben, dass hier ein Streckengeschäft vorliegt, B also gar nicht die Möglichkeit hatte, die Tulpenzwiebeln zu untersuchen und G dies auch wusste. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Rüge im Verhältnis des Lieferanten zum Verkäufer noch rechtzeitig ist, wenn der Verkäufer eine Rüge des Abnehmers unverzüglich an den Lieferanten weiterleitet, selbst wenn dies zeitlich deutlich nach der Auslieferung geschieht. Die Direktlieferung beim Streckengeschäft dient den Interessen des Verkäufers. Folglich muss auch er das Risiko tragen, dass sein Abnehmer den Mangel erst verspätet feststellt und er daher seinerseits erst später gegenüber dem Lieferanten rügen kann [RGZ 102, 91 f.; K. Schmidt, HandelsR, 29 III 4]. Die Rügefrist beim Streckengeschäft verlängert sich insoweit nur um die Zeit, die der Verkäufer benötigt, um eine unverzügliche Rüge des Abnehmers an den Lieferanten weiterzuleiten [zur Unverzüglichkeit der Rüge beim Streckengeschäft vgl. RGZ 96, 13 (15); K. Schmidt, HandelsR, 29 III 4; Baumbach/Hopt, HGB-Komm., 377, Rn. 37]. S informierte B jedoch erst nach zwei Monaten. B hat daher nicht rechtzeitig gerügt. Die Tulpenzwiebeln gelten gemäß 377 II HGB als genehmigt. Die Gewährleistungsansprüche des B gegenüber G sind demnach ausgeschlossen. B kann nicht von dem Vertrag mit G zurücktreten. Ergebnis: B hat gegen G keinen Anspruch aus 346 I auf Rückzahlung des Kaufpreises.

7 Abwandlung 1: A. S kann gegen B einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß 437 Nr. 1, 439 I haben. I. Kaufvertrag zwischen B und S gemäß 433 (+) II. Mangel bei Gefahrübergang, 434 I 1. B hat S eine teurere Tulpenzwiebelsorte geliefert und somit ein aliud. Dieses wird gemäß 434 III einem Mangel gleichgestellt. III. Ein Ausschluss der Gewährleistung ist nicht ersichtlich. IV. Die Tulpenzwiebeln können noch eingepflanzt werden. Der Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Lieferung der vereinbarten Tulpenzwiebelsorte ist somit nicht unmöglich. V. Möglicherweise könnte B ein ihm gem. 348, 320 zustehendes Zurückbehaltungsrecht geltend machen und dadurch die Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs der S hemmen. Der Anspruch auf Herausgabe der mangelhaften Sache gem. 439 IV, 346 I entsteht allerdings erst, wenn der Verkäufer die zur Nacherfüllung bestimmte mangelfreie Sache geliefert hat [Palandt/Putzo, 439, Rn. 24 ff.]. Er ist in soweit vorleistungspflichtig. B kann dem Anspruch der S auf Nacherfüllung also nicht einen ihm zustehenden fälligen Anspruch im Rahmen des 320 entgegenhalten.