Erfahrungsbericht. Auslandssemester an der Universität Stellenbosch, Südafrika. Januar Juni 2011
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- Kurt Sachs
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1 Erfahrungsbericht Auslandssemester an der Universität Stellenbosch, Südafrika Januar Juni 2011 Im Folgenden möchte ich von meinen Erfahrungen während meines Auslandssemesters von Januar bis Juni 2011 an der Universität Stellenbosch berichten. Der Bericht soll ergänzende Informationen zu den anderen Erfahrungsberichten geben; sei es um bei der Entscheidung zu helfen, ob ein Semester an der Uni Stellenbosch das Richtige ist, oder sei es, weil schon eine Zusage vorliegt und weitere Informationen benötigt werden. Die Stadt Das überschaubare Stellenbosch liegt in malerischer Lage im Herzen des südafrikanischen Weinlands rund 50 km östlich von Kapstadt. Die Universitätsstadt hat bis heute eine bedeutende Rolle in der Kultur der Afrikaans sprechenden Bevölkerung und ist ein Anziehungspunkt für viele Touristen. Hinter der schönen Fassade historischer Kolonialhäuser verbirgt sich jedoch auch einer der größten Gegensätze zwischen Arm und Reich in ganz Südafrika. Von dem Township Kayamandi oberhalb der Innenstadt gelegen, in dem die Menschen in teilweise einfachsten Blechhütten leben, hat man einen unglaublichen Blick über die schönen weißen Häuser und Villen in der Stellenboscher Innenstadt, in denen vor der Apartheid auch viele Farbige und Schwarze gelebt haben. Auch heute nach fast 20 Jahren seit Ende der Apartheid lebt man getrennt voneinander. Leben und Lebensräume überschneiden sich kaum. Inoffiziell gibt es beispielsweise noch heute Clubs für Schwarze und welche für Weiße. Nirgendwo in Südafrika habe ich diese Trennung noch so stark erlebt wie in Stellenbosch was sehr bedrückend sein kann. 1
2 Vorbereitungen Visum Die Studienplatzzusage aus Stellenbosch erhält man erst recht spät. Vor Ende Oktober ist damit nicht zu rechnen, so dass die verbleibende Zeit für die Beantragung des Visums und der damit verbundenen Beschaffung aller Unterlagen bis zur Abreise knapp ist. Eine aktuelle Übersicht über die einzureichenden Unterlagen für das Visum findet man auf der Homepage der Südafrikanischen Botschaft. Hier kurz ein paar Anmerkungen: Man kann entweder einen Study Permit oder einen Exchange Permit beantragen. Da ein Partnerschaftsabkommen zwischen den Universitäten Marburg und Stellenbosch besteht, kann prinzipiell letzterer beantragt werden. Allerdings rät die Stellenbosch University hiervon aus guten Gründen ab: Eine Wiedereinreise nach Südafrika für längere Zeit nicht möglich; mehrfache Ein- und Ausreise innerhalb der Aufenthaltszeit nicht garantiert, etc. Früher soll es so gewesen sein, dass auf die Kaution von 767, die bei der Botschaft zu hinterlegen ist, bei einem Exchange Permit verzichtet wurde. Dies soll heute nicht mehr der Fall sein. Das Führungszeugnis ist sehr zeitig anzufordern! Es kann eine ganze Weile dauern, bis man es erhält. Für Studierende mit erstem Wohnsitz in Marburg erfolgt dies beim Stadtbüro in Marburg. Die Bescheinigung über die finanzielle Absicherung kann beispielsweise durch eine formlose Bescheinigung der Eltern / Angehörige ausgestellt werden, die angeben euch finanziell zu unterstützen. Weitere Möglichkeiten sind Kontoauszüge, Bafög- Bescheinigungen, etc. Das Konsulat in München (in welchen Zuständigkeitsbereich man gehört, hängt vom Erstwohnsitz ab) soll deutlich sensibler die eingereichten Unterlagen durchgehen und es kam wohl auch vermehrt zu Nachforderungen von zusätzlichen Unterlagen also Zeit und Nerven einplanen. Und das allerwichtigste: Kümmert euch frühzeitig um das Visum! Während ich mein Visum innerhalb von einer Woche bekommen habe, dauerte es bei anderen zwei Monate. Es macht wenig Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen, wo diese unterschiedliche Bearbeitungszeit herrührt. Aber um sich unnötigen Ärger und Stress zu ersparen, ist es am besten, sich unmittelbar nach Studienplatzzusage aus Südafrika darum zu kümmern. Bafög Auch wenn man in Deutschland kein Bafög bezieht, lohnt es sich, Auslands-Bafög zu beantragen, da die Bewilligung von Auslands-Bafög anderen Kriterien unterliegt. Auch hier empfiehlt es sich, sich rechtzeitig um die Einreichung der Unterlagen zu bemühen. Die Bestätigung der Uni Stellenbosch (eines der Bafög-Formblätter) füllt das dortige International Office auch vor der Immatrikulation aus, so dass man alle Unterlagen frühzeitig einreichen kann. Die Bearbeitung kann einige Monate in Anspruch nehmen. 2
3 Kreditkarte Ich habe in Südafrika ein Konto der Internet-Bank DKB genutzt. Der große und unschlagbare Vorteil dieses Kontos ist, dass man weltweit kostenlos Geld abheben kann. Auch für die Einrichtung bzw. Kontoführung fallen keine Kosten an. Voraussetzung ist, dass der Geldautomat vor Ort das VISA -Zeichen trägt. Dies ist in Südafrika bei praktisch jeder Bank der Fall. Mit der Nutzung von EC-Karten, anderen Kreditkarten, etc. bezahlt man häufig hohe Gebühren. Vorteil ist auch, dass man, so oft man will, kleine Beträge abheben kann, und nicht einmal im Monat große Summen mit sich tragen muss. Auch hier gilt: Die Einrichtung des Kontos braucht ein wenig Zeit, also auch hier rechtzeitig damit beginnen. Flug Die Flugpreise steigen leider von Jahr zu Jahr, daher rechnet man am besten zu den Angaben in den Erfahrungsberichten hinzu. Die Preise für Anfang Januar 2011 lagen bei ca. 780 (kein Direktflug). Ärgerlich ist, dass empfohlen wird, den Flug erst nach Zusage aus Stellenbosch zu buchen. Im Prinzip bekommt jeder nominierte Austauschstudent einen Platz an der Uni in Stellenbosch. Würde man den Flug bereits im August buchen, kann einiges gespart werden. Es muss jedoch jeder für sich abwägen, ob er bereit ist, den Flug bereits vorher zu buchen. Die Preisunterschiede bei den Airlines nach Südafrika sind groß. Direktflüge aus Deutschland sind deutlich teurer als Umwege über die Türkei oder über die arabische Halbinsel. Der Umweg bedeutet jedoch eine erheblich längere Flugzeit. Beim Ticketkauf ist es wichtig darauf zu achten, wie die Konditionen z.b. bei einer Flugumbuchung (bei einigen Airlines z.b. gar nicht möglich; bei anderen kostet es ca. 100 ) und hinsichtlich des Gepäcks sind. 20 kg Freigepäck sind nicht viel für ein halbes Jahr. Kostet der Flug bei einer Airline 30 mehr, die aber dafür 10 kg mehr Gepäck erlaubt, werdet ihr vor allem beim Rückflug dankbar sein, die Preisdifferenz bezahlt zu haben Ich habe den Flug über ein Reisebüro gebucht und kann nur empfehlen, sich dort zu erkundigen. Mein Flug war dort deutlich günstiger als im Internet und auch gab es Konditionen für Studenten (z.b. günstigere Gebühren bei Umbuchung), die es im Internet nicht gab. Nachfragen ist unverbindlich und kostet nichts. Kosten Die Kosten, die für das Auslandssemester angefallen sind, lagen deutlich über dem, was ich erwartet hatte. Neben den zu kalkulierenden Flug- und Visakosten (Gebühren für das Visum: ca Kaution; für Führungszeugnis und ärztliche Bescheinigungen fallen weitere Kosten an) sowie den Studiengebühren in Südafrika (ca. 420 ) und der Ausgleichzahlung von 770 an die Marburger Uni hatte ich mit deutlich geringeren Lebenshaltungskosten in Südafrika gerechnet. Vor allem die Mieten sind hoch (dazu mehr im Punkt Unterkunft ) und manche Lebensmittel sind teilweise sogar teurer als in Deutschland (Milchprodukte). Hinzu kommen Kosten, die für die Anschaffung von Hausrat (s. den Punkt Unterkunft ) anfallen können. Berücksichtigt werden sollte auch, dass während eines Auslandssemester auch vermehrt Kosten für Ausflüge, etc. anfallen. 3
4 Unterkunft Ich hatte mir vor der Abreise vorgenommen, nicht im Studentenwohnheim Academia oder Concordia zu wohnen und bin deswegen in meinen Augen zeitig am 1. Januar bereits nach Stellenbosch geflogen, um mir vor Ort ein Zimmer zu suchen. Dies hat sich allerdings als deutlich schwieriger herausgestellt als erwartet. Weder über private Anzeigen (die südafrikanische Internetseite Gumtree, lokale Zeitungen, Aushänge an der Uni oder in Supermärkten, ) noch über die auch in anderen Erfahrungsberichten genannten Agenturen habe ich etwas gefunden, was preislich realistisch war oder sich in einer für mich akzeptablen Lage (hinsichtlich Sicherheit, Nähe zur Uni etc.) befand. Daher musste ich in eines der Studentenwohnheime ziehen. Die Wohnheime sind in meinen Augen maßlos überteuert: 1 Zimmer (ca. 8 m²) in einer Zweier-WG kostet ca. 370 pro Monat für Austauschstudenten (Südafrikanische Studenten zahlen die Hälfte). Da nur Tisch, Schrank, Bett, Küchenzeile mit Tisch und Stühlen enthalten sind, fallen zahlreiche weitere Kosten an: Bettwäsche, Handtücher, Töpfe, Besteck, Teller, Tassen, Putzzeug, etc. Außerdem liegen die Wohnheime ein gutes Stück von der Innenstadt entfernt. Mir hat es dort aus zahlreichen Gründen überhaupt nicht gefallen, so dass ich nach drei Monaten ausgezogen bin, als sich der Wohnungsmarkt in Stellenbosch etwas entspannt hatte. Auszuziehen war allerdings nicht so leicht, da die Mietverträge für 6 Monate abgeschlossen werden (was generell üblich ist in Stellenbosch). Im Anschluss habe ich deutlich näher an der Innenstadt und an der Uni zur Untermiete gewohnt. In einem normalen Wohnviertel habe ich mich sehr viel wohler gefühlt. Nach meiner Erfahrung in Academia und trotz der äußerst frustrierenden Wohnungssuche zu Beginn des Semesters würde ich immer wieder dazu raten, sich eine private Unterkunft zu suchen. Schaut überall, sprecht Leute in Geschäften an, etc. Die Südafrikaner sind sehr hilfsbereit und auch wenn es zumindest bei mir am Anfang des Semesters nicht geklappt hat, haben mir viele Menschen sehr geholfen. Auf diese Weise habe ich letztlich auch meine private Unterkunft für die zweite Hälfte des Semesters gefunden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Kontaktaufnahme mit anderen Marburger Studenten, die sich derzeit in Stellenbosch befinden. Evtl. ist eine Zimmerübernahme möglich oder weiterhelfende Kontakte können hergestellt werden. Uni Einführungswoche Die Einführungswoche, die Mitte Januar stattfindet, empfand ich als ausgesprochen hilfreich und würde empfehlen, sie nicht zu verpassen. Das International Office organisiert interessante Vorträge: Viele Uni-Prozesse, Kurswahl, etc. werden erläutert. Auch gibt es viele Informationen zu Stellenbosch und dem Uni-Leben wie Studenten-Organisationen oder zum Uni-Sport. Neben einem Willkommensfest wurde auch ein Ausflug nach Kapstadt organisiert. 4
5 Impressionen von der Einführungswoche Kurse Ich hatte einige Probleme, Kurse für Master-Studierende zu finden, da diese in der Regel nicht im Internet veröffentlicht sind, bzw. sehr allgemeine Titel tragen. Problematisch war hier auch, dass der südafrikanische Master anders strukturiert ist. Es geht primär darum, die Thesis anzufertigen, je nach Studiengang werden nur sehr wenige weitere Kurse belegt, so dass es dementsprechend schwierig war, überhaupt Kurse zu finden. War diese Hürde genommen, stellte sich die nächste: Für diese Kurse zugelassen zu werden. Dafür waren am Anfang des Semesters viele, viele Gänge zum International Office notwendig. Andere Master-Studenten hatten ähnliche Probleme. Also Geduld und Gelassenheit mitbringen 5
6 Das Semester in Stellenbosch bedeutete für mich sehr viel Arbeit, von der ich jedoch auch sehr viel mitnehmen konnte. Generell habe ich es so empfunden, dass quantitativ deutlich mehr gefordert wird als in Deutschland: Zahlreiche Hausarbeiten waren während des laufenden Semesters einzureichen, für manche bekam man nur wenige Tage Zeit. Auch wenn ich einige Bachelor-Seminare belegt habe, habe ich sie wegen des südafrikanischen Blickwinkels aber auch wegen der Lehrweise als große Bereicherung empfunden. Die Seminare und auch Vorlesungen waren sehr interaktiv und die zahlreichen Diskussionen lebendig und vielschichtig. Sprachkurse Südafrikas kulturelle Vielfalt spiegelt sich auch in den zahlreichen Sprachen wider. Rund um Stellenbosch werden drei der offiziellen Amtssprachen des Landes gesprochen: Afrikaans, Englisch und Xhosa. Vor Semesterbeginn habe ich einen Afrikaans-Kurs belegt, da ich dachte, dass könne in Stellenbosch nützlich sein. Ich fand den Kurs allerdings recht enttäuschend und habe sehr wenig von dem Kurs mitgenommen. Während des Semesters habe ich einen Xhosa-Kurs belegt. Xhosa ist eine Bantusprache und zeichnet sich durch die vielen Klick-Laute aus. Letztere stellten meine Zunge auch vor eine extreme Herausforderung!! Und auch wenn das Schnalzen und Klicken auch heute nur manchmal klappt, hat der sehr lebendige Kurs unglaublich viel Spaß gemacht und ermöglichte und erleichterte ein tieferes Eintauchen in einen Teil der südafrikanischen Kultur. Im Xhosa-Unterricht: Unjani? Ndiphilile / Wie geht es dir? Mir geht es gut. 6
7 Freie Zeit Südafrika ist ein wunderschönes und sehr vielfältiges Land, das es lohnt, zu entdecken! Von Stellenbosch aus kann man sehr schöne Ausflüge unternehmen. Sei es nach Kapstadt, Kap der Guten Hoffnung, Cederberge, ans Meer, auf ein Weingut, Richtung Garden Route; es gibt zahlreiche Ziele. Berücksichtigt, dass man für viele Orte ein Auto benötigt, da es in Südafrika kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt. Die Autoanmietung ist überall möglich (das sollte ein paar Tage im Voraus erfolgen; vor allem bei langen Wochenenden kann es ansonsten schwierig sein, ein Auto zu bekommen). Die Kosten sind überschaubar, wenn man sie mit ein paar Mitfahrern teilt. Nach Kapstadt bin ich tagsüber häufiger mit dem Zug gefahren. Es gibt einige Sicherheitsbedenken, was die Züge rund um Kapstadt angeht. Zwar habe ich nie schlechte Erfahrungen gemacht auch nicht, wenn ich allein gefahren bin, aber das sollte jeder für sich selbst abwägen. Für die Wochenendgestaltung kann auch ein Reiseführer sehr nützlich sein, wobei ich an dieser Stelle deutlich vom Lonely Planet Südafrika" abraten möchte: Neben völlig veralteten Preisen (trotz aktuellster Auflage) stimmten einfach zu viele Angaben nicht, z.b. wurde manch ein Hostel im Lonely Planet in ein 60 km entferntes Örtchen gelegt, so dass dieser Reiseführer manche Nerven gekostet hat. Es besteht auch die Möglichkeit, in der Freizeit Freiwilligenarbeit zu leisten. Zahlreiche NGOs, die in Kayamandi aktiv sind oder die Internationale Studenten-Society ISOS (die sich auch direkt in der Einführungswoche vorstellen) bieten hierzu Möglichkeiten. Südafrika ist ein unglaublich spannendes Land mit einer sehr bewegenden Geschichte. Neben seinen Naturschönheiten wird es ganz besonders durch seine Menschen geprägt, die trotz vieler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme sehr optimistisch und herzlich durchs Leben gehen. Auch wenn die Zeit während des Auslandssemesters nicht immer ganz einfach war, bin ich sehr froh, dass ich die Gelegenheit hatte, in Südafrika zu studieren und zu leben. 1. Juli
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