Zum Umgang mit Wohnsiedlungen der 50er bis 70er-Jahre. Ziele und Handlungsempfehlungen Arbeitsgruppe Wohnen und Innenstadt des Netzwerk Innenstadt NRW
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- Gregor Frank
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1 1 Zum Umgang mit Wohnsiedlungen der 50er bis 70er-Jahre Ziele und Handlungsempfehlungen Arbeitsgruppe Wohnen und Innenstadt des Netzwerk Innenstadt NRW
2 2 Wohnsiedlungen / 50er bis 70er Jahre Zum Hintergrund Nahezu jede größere Stadt in Deutschland verfügt über einen Wohnungsbestand an Siedlungen aus den 1950er bis 1970er Jahren. Gerade diese Siedlungen erfüllen einen wertvollen wie unerlässlichen Beitrag in der Quartiers- und Immobilienentwicklung wenn auch in struktureller, energetischer oder optischer Hinsicht vielfach Qualifizierungsbedarf besteht. Insbesondere ihre oftmals zentrale Lage im Siedlungsgefüge ist bedeutsam und für die stadtentwicklungspolitische Strategie der Kommunen von größter Wichtigkeit. Die Perspektiven von Quartieren mit Immobilienbeständen aus den 50er bis 70er Jahren stehen im Zusammenhang mit der seitens der jeweiligen Kommune verfolgten strategischen Ausrichtung in der Innenentwicklung. Die jeweiligen raumfunktionalen Zielstellungen in den Quartieren mit Beständen aus den 50er bis 70er Jahren können erheblich variieren. Siedlungen mit Nähe zur Innenstadt bzw. in der Nachbarschaft eines Versorgungszentrums verfügen über grundsätzlich andere Zukunftsperspektiven als Siedlungen in der Peripherie. Bei Siedlungen der 1950er bis 1970er Jahre mit günstiger raumfunktionaler Lage muss es vorrangige Aufgabe der Stadtentwicklungspolitik sein, die Wohnstandorte sowie kommunale Infrastrukturinvestitionen nachhaltig und entsprechend der Stadtentwicklungsziele in ihrer Marktfähigkeit und ihrem Wert zu sichern. Die Entwicklungsaufgaben in den Quartieren mit Beständen aus der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre unterscheiden sich sehr stark und erfordern damit auch durchaus verschiedene Handlungsansätze. In vielen Städten ist der Wohnungsbestand der 1950er bis 1970 Jahre von zum Teil schwerwiegenden Mängeln begleitet. Hier sind allen voran die Fassadengestaltung, die bauphysikalischen Verhältnisse oder auch die energetische Ausstattung der Gebäude wie etwa die Wärmedämmung zu nennen, die den heutigen Wohnstandards nicht mehr angemessen sind. Darüber hinaus sind bei diesen Gebäudebeständen die durchschnittlichen Wohneinheiten und Grundrisse der Wohnungen für die inzwischen gewandelten Lebensstile und Familiengrößen oftmals nicht mehr adäquat. Häufig können die Maßstäbe des familien- und altengerechten Wohnens nicht erfüllt werden. Die Modernisierung von 1950er bis 1970-Wohnungsbeständen ist technisch machbar und wird vielerorts auch bereits praktiziert. Die Arbeitsgruppe Wohnen und Innenstadt hat im Rahmen von drei Arbeitsgruppensitzungen Ziele und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Wohnsiedlungen aus den 50er bis 70er Jahren zusammengestellt. Nachfolgend sind die wesentlichen Zielsetzungen zu den Themenbereichen Stadtentwicklungspolitische Einbindung, Nutzungen und Wohnansprüche sowie Wohnumfeld und Klima in Form von kurzen Skizzen wiedergegeben.
3 3 Ziele und Handlungsempfehlungen Stadtentwicklungspolitische Einbindung Wohnquartiere der 1950er bis 1970er Jahre symbolisieren im gesamtstädtischen Kontext der Städte und Gemeinden einen wichtigen Part integrierter Innenstadtentwicklung. Die Wohnquartiere können einerseits durch Ihre spezifischen Qualitäten im Bestand wertvolle positive Effekte auf die Gesamtstadt abstrahlen erfordern aber auf der anderen Seite durch zum Teil problematische strukturelle Ausgangslagen einen hohen Modernisierungs- und Aufwertungsaufwand. Übergeordnetes Ziel sollte es sein, die Quartiere aus den 1950er bis 1970er Jahren durch eine integrierte Herangehensweise in die stadtentwicklungspolitischen Zielsetzungen der Kommune einzugliedern, um dadurch eine qualitätvolle Entwicklung der Areale garantieren zu können. a. Betrachtung der Wohnstandorte als wesentlicher Bestandteil einer integrierten Innenstadtentwicklung und Einbindung in gesamtstädtisch angelegte Wohnkonzepte Zur Entwicklung von Wohnstandorten in den Städten und Gemeinden ist eine ganzheitliche und integrierte Betrachtung aller wohnungspolitischen Planungen, Maßnahmen und Strategien der Kommune in den Prozess einzubringen. Es gilt, bereits im Vorhinein alle Planungen der Kommune abzuwägen und zu differenzieren. Ein kommunales, integriertes Wohnkonzept kann dabei die Einzelplanungen darstellen und in den gesamtstädtischen Kontext einordnen. b. Aufwertung von Innenstadtlagen mit positiven Effekten für die Gesamtstadt durch die Schaffung von attraktivem neuen Wohnen mit hohen städtebaulichen und architektonischen Ansprüchen Die Quartiere der 50er bis 70er Jahre heben sich vielerorts durch eine hohe Lagegunst in Innenstadtnähe heraus. Insbesondere die Immobilien aus den 1950er-Jahren liegen in den Kommunen oftmals in innenstadtnahen Lagen und entwickeln damit ein großes Potential für die Quartiersentwicklung. Durch neue Planungen, Modernisierungen oder Umstrukturierungen in den Arealen der 50er bis 70er-Jahre können die Kommunen eine qualitätvolle Innenentwicklung erreichen und zentrumsnah Wohnraum anbieten. Durch die Schaffung von modernen Grundrissen und hohen städtebaulichen und architektonischen Ansprüchen können sich attraktive innerstädtische Wohnquartiere herausbilden die positive Effekte auf andere Gebiete oder die Gesamtstadt entwickeln. c. Verdeutlichung des Denkmalwertes und des geschichtlichen Symbolwertes der Stadtquartiere für die Gesamtstadt Immobilien aus den 1950er bis 1970er-Jahren treten häufig im Stadtbild als unterdurchschnittlich bewertete Bausubstanz in Erscheinung. Es gilt die baulichen und planerischen Werte dieser Architekturepoche und die Geschichte der Immobilien im Stadtbild hervorzuheben. Die Bedeutung der Siedlungen für die Denkmal- und Ortsbildpflege muss gewährleitet sein - dabei kann auch eine Abwägung von Denkmalschutz und Sanierungs-und Modernisierungsmöglichkeiten der Immobilien notwendig werden.
4 4 d. Entwicklung der Quartiere zu einem wirtschaftlich tragfähigen Marktsegment mit spezifischen Qualitäten Durch die sukzessive und nachhaltige Erhöhung von baulichen, strukturellen oder auch energetischen Qualitäten in Quartieren der 1950er bis 1970er Jahre kann eine dauerhafte Steigerung der wirtschaftlichen Rentabilität erreicht werden. Dabei können Maßnahmen und Projekte unterschiedlicher Akteure in die Quartiersentwicklung einfließen. Zur zielgenauen Positionierung im Standortwettbewerb ist eine Analyse der spezifischen Qualitäten und Potentiale des Quartiers einzukalkulieren. e. Vorbereitung der Quartiere für neue Wohnnutzungen Rückbau, Abriss und Neubau als Möglichkeiten der Quartiersentwicklung Rückbau, Abriss und Neubau können in der Entwicklung von 1950er bis 1970er Jahre Quartieren eine wichtige Rolle spielen. Infolge von zum Teil problematischen Ausgangslagen bei Bausubstanz oder energetischen Belangen ist für die Eigentümer der Abriss der Bausubstanz als Möglichkeit der Quartiersentwicklung einzukalkulieren. Strategien zum Abriss / Neubau sind im Vorhinein auf alle Belange zu prüfen und abzuwägen. Es gilt dabei allen voran zu prüfen, welche Bedeutung die Siedlung für die Stadtstruktur oder das Ortsbild und welche Effekte der Erhalt der Bausubstanz für das Quartier hat. Ferner ist abzuklären, welchen Einfluss und Effekt Neubauten auf die historische städtebauliche Figur erzielen. Aus Rentabilitätsgründen ist zu analysieren, inwiefern Abriss und Neubau einer Sanierung und Modernisierung der alten Bausubstanz wirtschaftlich und planerisch gegenüberstehen. Der Abriss alter Bausubstanz ist als realistische Strategie in den Quartieren einzubeziehen. Eine Entdichtung der Quartiere durch Abriss kann als Ziel einer strategischen Innenentwicklung den Wohnungsbestand qualitativ aufwerten. f. Kommunikation und Informationsaustausch unter den Akteuren Abstimmung der Stadtplanung mit der Wohnungswirtschaft gegenseitiger Austausch und Positionsbestimmung Die Kommunikation und der partnerschaftlicher Austausch zu Zielen, Maßnahmen und geplanten Aktivitäten in den Wohnquartieren zwischen der kommunalen Stadtplanung und der Wohnungswirtschaft kann den Prozess und die Zielerreichung in den Quartieren deutlich beschleunigen und entschärfen. Eine gemeinsame Strategieentwicklung sowie die Abstimmung von gemeinsamen Ziel- und Handlungsfeldern gilt als Basis für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung.
5 5 Nutzungen und WOhnansprüche In urbanen Wohnquartieren ist die ständige Anpassung an sich verändernde Nutzungen und Wohnansprüche ein wichtiges Thema. Dabei spielen familiengerechtes Wohnen, Barrierefreiheit oder die Herausforderungen der Schaffung neuer Wohnformen eine wichtige Rolle. Qualitätvolles urbanes und innenstadtnahes Wohnen in den Quartieren der 1950er bis 1970er Jahren rückt dabei stetig mehr in den Fokus. a. Weiterentwicklung der Quartiere für ein qualitätvolles familiengerechtes Wohnen in der Nähe der Innenstadt als Alternative zum Reihenhaus im Umland Für die Quartiere aus den 1950er bis 1970er Jahren gilt es die Vorteile einer innenstadtnahen Lage in den Kommunen zu nutzen, sich darüber zu positionieren und als Wettbewerbsvorteil einzusetzen. Innerstädtische Quartiere bieten auch für Familien Möglichkeiten und Strukturen innenstadtnah Eigentum zu erwerben und familiengerecht zu nutzen. Aufgelockerte und durchgrünte Bereiche im Umfeld oder Gartennutzung auch im Geschossbau können das Angebot ergänzen. Für die Kommunen gilt es, in den Quartieren ein qualitätvolles familiengerechtes Wohnen zu ermöglichen und auszubauen und damit eine attraktive Alternative zum Wohnen in der Peripherie anzubieten. b. Ermöglichung von attraktiven und vielfältigen Wohnverhältnissen in den Quar tieren für durchaus verschiedene Einwohnermilieus und Nachfragegruppen angepasst an eine sich wandelnde Stadtgesellschaft Die Stadtgesellschaft in den Städten und Gemeinden ist insbesondere im Kontext des demographischen Wandels permanenten Veränderungen unterworfen. Für die Wohnquartiere aus den 1950er und 1970er Jahren ist eine strategische Anpassung an aktuelle, moderne Wohn- und Lebensverhältnisse essentiell. Es gilt, sich neuen Wohnformen anzunähern, diese zu prüfen und in den Quartieren/Immobilien anzubieten. Dabei kann die Diversifizierung und Nutzungsmischung der Wohnverhältnisse einen wichtigen Baustein darstellen um die Quartiere auf lange Frist für Mieter mit unterschiedlichsten Ansprüchen und Erfordernissen attraktiv zu halten. c. Nutzung der Möglichkeiten einer barrierefreien Gestaltung der Wohnquartiere sowie der Immobilien angepasst an die Wohn- und Betreuungsbedürfnisse älterer oder behinderter Personen Die barrierefreie Gestaltung von Immobilien nimmt eine immer größere Wichtigkeit für Eigentümer oder Vermieter ein. Barrierefreiheit gilt als eines der wesentlichen Themen einer modernen Quartiers- und Immobilienentwicklung. Die Immobilien (sowie das Umfeld) sind an die Bedürfnisse älterer oder behinderter Personen anzupassen. Für den Bestand der 1950er bis 1970er Jahre steht dabei die Sanierung und Modernisierung im Bestand im Vordergrund. Maßnahmen sind beispielsweise das Nachrüsten von Aufzügen oder barrierefreien Treppenaufgängen in den Immobilien.
6 6 d. Schaffung von Angeboten neuer Wohnformen beispielsweise Mehrgenerationen wohnen In den Quartieren und Immobilien der 1950er bis 1970er Jahre sind vielfältige neue Wohnstrategien denkbar. Es gilt, neue, moderne und von Mietern nachgefragte Angebote zu schaffen. Die Strukturierung der Immobilien mit einem Nutzermix (Starterwohnungen, preiswerte Großwohnungen, Wohngemeinschaften, familiengerechtes Wohnen und qualitativ hochwertiges Immobilien, etc.) kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Es gilt zu analysieren welcher Typ Wohnform aktuell (in der Kommune, in der Region etc.) nachgefragt wird dabei spielen strukturellen, gesellschaftliche und demographische Fragestellungen eine mitentscheidende Rolle. Wohnumfeld und Klima Die klimatischen Verhältnisse in urbanen Quartieren nehmen einen stetig steigenden Stellenwert ein ebenso wird für die entsprechenden Immobilien die Erfüllung von energetischen und klimatischen Standards immer wichtiger. Auch ein attraktives und grünes Umfeld, Freiräume oder öffentliche Flächen spielen dabei zur Schaffung eines attraktiven Umfeldes eine wichtige Rolle. Für die Immobilien aus den 1950er bis 1970er Jahren steht eine sowohl klimatisch/ökologische Verbesserung als auch die Entwicklung von Potentialen im Wohnumfeld im Zentrum. a. Schaffung von attraktivem Wohnumfeld durch Gestaltung von Grünflächen, Freiräumen oder neuen Platzgestaltungen Öffnung der Areale für Freiräume zur individuellen Nutzung des direkten Wohnumfeldes Die Freiräume in Siedlungen der 1950er bis 1970er Jahre sind ein elementarer Bestandteil der städtebaulichen Figur der Quartiere. Das direkte Wohnumfeld symbolisiert dabei oft einen wesentlichen Faktor der Attraktivität eines Wohnquartiers. Bei der Entwicklung der Quartiere ist bezüglich der Freiräume die Beachtung der städtebaulichen Leitidee der historischen Siedlungen notwendig. Es gilt diese behutsam an die heutigen Anforderungen anzupassen beispielsweise unter den Gesichtspunkten Verkehr, Parken, Gärten oder Spielplätze. Die Wohnquartiere aus den 1950er bis 1970er Jahre sind oftmals durch ausgeprägte Grünflächen, Freiflächen oder Gartenanlagen im direkten Umfeld der Immobilien geprägt. Zur Attraktivierung des Umfeldes gilt, es die vorliegenden Strukturen auszubauen und auch für eine private Nutzung durch die Mieter oder Eigentümer nutzbar zu machen. Die Gestaltung und Gliederung von halböffentlichen oder öffentlichen Räumen im Umfeld (bspw. Hinterhöfe, Gärten, Plätze etc.) bieten eine große Bandbreite an nutzbaren Freiflächen. Neben den Einzelimmobilien kann das gesamte Wohnquartier im Sinne einer ganzheitlichen Quartierentwicklung von derartigen Maßnahmen profitieren.
7 7 b. Entwicklung und Aufwertung der Quartiere nach aktuellen Standards eines energetisch nachhaltigen und zukunftsfähigen Wohnens Die Sanierung und Modernisierung der veralteten energetischen und klimatischen Verhältnisse in den Immobilien nach aktuellen Standards symbolisiert eine essentielle Zielsetzung für Bausubstanz der 1950er bis 1970er Jahre. Dabei sind sowohl die Eigentümer oder Vermieter als auch die Mieter (über die Senkung der Nebenkosten) von Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen betroffen. Es gilt, die veraltete Substanz der Immobilien sukzessive aufzuwerten und an aktuelle Standards anzupassen. Neben energetischen Fragen ist beispielsweise auch der Schallschutz in den Immobilien als weiteres Modernisierungsthema mit in die Sanierung einzubringen. Für energetische Sanierungstätigkeiten sind vielfältige Förderungsmöglichkeiten beispielsweise durch das Land Nordrhein-Westfalen oder die KfW denkbar und setzen damit weitere Anreize zur Modernisierung der Bausubstanz. Herausgeber: Netzwerk Innenstadt NRW, Geschäftsstelle, Schorlemerstraße 4, Münster, Bearbeitung: Barbara Thüer, Martin Weghofer in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Wohnen und Innenstadt des Netzwerk Innenstadt NRW Stand: April 2012
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