Moleküle mit mehr als einem Chiralitätselement
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- Günther Biermann
- vor 7 Jahren
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1 Moleküle mit mehr als einem hiralitätselement Natürlich kommt es häufig vor, dass Moleküle mehr als ein hiralitätselement enthalten. ierbei ist eine neue Art der Isomerie zu finden. Im Folgenden sind zunächst noch einmal einige relevante Grundbegriffe zusammengefasst: Unter der Konstitution eines Moleküls versteht man die Verknüpfung der Atome innerhalb des Moleküls miteinander. Es geht also ausschließlich um das atomare Netzwerk. Die Konstitution eines Moleküls sagt nichts über die räumliche Anordnung der Atome aus. Die zusätzliche Information über die räumliche Struktur von Molekülen bei gegebener Konstitution wird durch den Begriff der Konfiguration geliefert. Die Absolutkonfiguration beschreibt, welches Enantiomer vorliegt; fehlt diese Information, wie es häufig der Fall ist, spricht man von elativkonfiguration. Ein weiterer Begriff aus der Stereochemie ist der der Stereoisomerie. Stereoisomere haben die gleiche Konstitution, unterscheiden sich aber durch die räumliche Anordnung der Atome. Sind in einem Molekül Drehungen um Einfachbindungen möglich, können prinzipiell unendlich viele Konformationen auftreten. Man spricht von konformativ beweglichen Molekülen. Allerdings wird das Molekül stets versuchen, 9 Mehrere hiralitätszentren
2 diejenigen Konformationen zu bevorzugen, die in einem Energieminimum liegen. Diese Konformationen nennt man Stereoisomere; von ihnen gibt es oft nur wenige. Stereoisomere kann man wieder in zwei Klassen aufteilen: () Stereoisomere, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Diese nennt man Enantiomere. (2) Stereoisomere, die sich nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Diese nennt man Diastereomere gauche(+) anti gauche(-) 9 Mehrere hiralitätszentren 2
3 Nach diesen Definitionen ist es nicht zwingend notwendig, dass Enantiomere ein hiralitätselement enthalten. So sind zum Beispiel die beiden gauche-konformationen des n-butans (oben) Enantiomere, die allerdings wegen der zwischen ihnen und dem dritten Stereoisomer mit anti-konformation liegenden niedrigen Energiebarriere nicht isoliert werden können (vgl. Skripten 3-5). Die beiden gauche-konformationen unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen des Torsionswinkels [(+) bzw. (-)]. Dem gleichen Grundprinzip helicaler Konformation, die zu chiralen Molekülen führt, folgen auch andere Moleküle wie z.b. mehrkernige Aromaten, die aus sterischen Gründen helical aufgebaut sind; hier exahelicen: Bei Diastereomeren ist es nach dieser Definition nicht notwendig, dass sie chiral sind. E-/Z-Doppelbindungsisomere (Skriptum 2) kann man auch als Diastereomere bezeichnen. 9 Mehrere hiralitätszentren 3
4 Doch zurück zu Molekülen, die mehr als ein hiralitätselement enthalten. Wie viele Stereoisomere sind zu erwarten, wenn n hiralitätselemente vorliegen? Bei n = sind es zwei, die beiden Enantiomeren. Ein zusätzliches hiralitätselement macht aus jedem Stereoisomer zwei neue usw. Insgesamt sind also 2 n Stereoisomere zu erwarten; n = 2 4 Stereoisomere, n = 3 8 Stereoisomere Wir betrachten den einfachsten Fall: Moleküle mit zwei hiralitätszentren Wie gerade erläutert gibt es in diesem Fall vier Stereoisomere. Welche davon sind Enantiomere und welche Diastereomere? Schauen wir uns beispielhaft die unten abgebildeten Tetrosen an (FISE-Projektion): O 2 O 2 O O 2 O O O O O O 3 O O O 4 2 O O 2 O Die beiden linken Formeln haben die O-Gruppen auf unterschiedlichen Seiten und stellen offensichtlich Spiegelbilder (Enantiomere) dar. Die rote Linie markiert die 9 Mehrere hiralitätszentren 4
5 Spur einer Spiegelebene, die die beiden Enantiomere ineinander überführt. In analoger Weise ist klar, dass die beiden rechten Formen mit den O-Gruppen auf gleichen Seiten Enantiomere sind. Diese Enantiomere werden wie in der Zuckerchemie üblich durch die Präfixe D bzw. L unterschieden. Jede der beiden linken Formen ist ein Diastereomer zu jeder der beiden rechten Formen. ier erfolgt die Unterscheidung über die Verbindungsnamen; die beiden linken Formen sind L- bzw. D-Threose, die beiden rechten L- bzw. D-Erythrose. Die Entscheidung für den Deskriptor bringt immer die Position der O-Gruppe an demjenigen chiralen -Atom, dass von der oben stehenden Aldehydgruppe am weitesten entfernt ist. Das ist bei den äußeren Formeln links, also L, wogen die beiden inneren die D-Konfigurationen sind. Ein wichtiges Phänomen muss hier erwähnt werden, das auftritt, wenn die Substituenten mit und 4 gleich sind. Das klassische Beispiel ist die Weinsäure: O 2 OO OO OO OO OO O O O O 3 O O O 4 OO OO OO 9 Mehrere hiralitätszentren 5
6 Wieder sind die beiden linken Formen Spiegelbilder: L- bzw. D- Weinsäure. Die beiden rechten aber sind identisch, weil man sie durch eine bei der Behandlung von FISE-Projektionen erlaubte otation um 80 0, also ganz ohne Spiegelung (eigentlich: doppelte Spiegelung), in die andere überführen kann. Scheinbare Stereoisomere, bei denen dieses Phänomen existiert, nennt man meso-formen, hier also meso-weinsäure. Meso-Verbindungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine innere Spiegelebene besitzen [Dieses Argument ist vereinfacht; für eine genauere Betrachtung siehe Anmerkung auf der nächsten Seite]; die blaue Linie markiert die Spur dieser Spiegelebene. Mit anderen Worten, meso-verbindungen bestehen aus zwei älften, die zwar die gleiche Konstitution haben, aber zueinander spiegelbildlich sind. Damit sind meso-verbindungen selbst nicht mehr chiral und auch nicht optisch aktiv. Es versteht sich von selbst, dass diese Überlegungen, die hier an den FISE-Projektionen von Zuckern bzw. zuckerähnlichen Derivaten abgeleitet wurden, grundsätzlich gelten und auch unabhängig davon sind, um was für hiralitätselemente es sich handelt. OO O O OO 9 Mehrere hiralitätszentren 6
7 Anmerkung: Das Argument innere Spiegelebene bei konformativ beweglichen Molekülen ist vereinfacht. Man muss natürlich auch das Auftreten chiraler Konformationen (siehe Butan; oben) berücksichtigen. Im Fall der meso-verbindungen ist es natürlich durchaus möglich, dass chirale Konformationen existieren. Wenn jedoch wie hier alle Konformationen im einem schnellen Austausch-Gleichgewicht stehen, genügt es schon, wenn eine dieser Konformationen die beschriebene innere Spiegelebene besitzt. Dies braucht nicht einmal die energetisch günstigste, also die am häufigsten populierte Konformation zu sein. Ihre Existenz allein führt dazu, dass alle auftretenden chiralen Konformationen als acemate vorliegen. 9 Mehrere hiralitätszentren 7
8 Die Definition für den Diastereomerenüberschuss de ( diastereomeric excess ) lautet in Analogie zu dem des Enantiomerenüberschusses (Skriptum 8): D de = + - D - x 00 [in %] D + + D - de-werte wird man zum Beispiel dann bestimmen, wenn durch eaktion an einer enantiomerenreinen Verbindung an einem zusätzlichem Prochiralitätszentrum ein neues, zweites hiralitätszentrum geschaffen wird, das bereits vorhandene hiralitätszentrum an dieser eaktion aber nicht beteiligt ist: 2 3 O Et MgBr 2 3 O Et O Et Es entstehen dann nur die beiden dargestellten Diastereomere, deren Mengenverhältnis durch de beschrieben werden kann, um die Diastereospezifität der eaktion zu charakterisieren. 9 Mehrere hiralitätszentren 8
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