III. Wertpapierrecht und Finanzindustrie Der Wertpapiermarkt
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- Benedikt Flater
- vor 7 Jahren
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1 Der Wertpapiermarkt Kapitalmarkt im weiteren Sinne beinhaltet Kapitalmarkt i.s.d. des WpHG sowie den öffentlichen Vertrieb von nicht unter das WpHG fallenden Kapitalmarktprodukten (Grauer Markt) Kapitalmarkt im engeren Sinne klassischer Wertpapiermarkt - Wertpapierbegriff: 1 XI S.2 KWG und 2 I WpHG 1 I DepotG (allgemeiner) Wertpapierbegriff im Wertpapierrecht: Urkunde, in der ein privatrechtliches Recht in der Weise verbrieft ist, dass zur Geltendmachung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist. Die am Kapitalmarkt im engeren Sinne (Wertpapiermarkt) gehandelten Titel sind alle Wertpapiere im Sinne dieser Definitionen. Aber nicht alle Wertpapiere eignen sich dazu, am Kapitalmarkt gehandelt zu werden. Nur Papiere, die für einen Handel in einem anonymisierten Massenmarkt geeignet sind (Effekten), rechnet man zu den Kapitalmarkttiteln. Dazu müssen sie zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllen: Austauschbarkeit (Fungibilität): 91 BGB Umlauffähigkeit (Zirkulationsfähigkeit) Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 1
2 Übersicht über die Wertpapiere Wertpapiere im Sinne des Wertpapierrechts Wertpapiere des öffentlichen Glaubens Das verbriefte Recht geht mit Übereignung des Papiers ( 929 ff BGB) über. Gutgläubiger Erwerb ( 932 ff BGB) ist möglich. Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Wertpapiere iws Das verbriefte Recht wird nach den Regeln der Übertragung des Rechts übertragen ( 398 ff BGB). Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier. Namens- oder Orderpapiere Erster Nehmer ist namentlich benannt. Legitimation durch Indossamentenkette. Übertragung durch: Übereignung ( 929 ff BGB) + Indossament. Inhaberpapiere Berechtigter ist nicht namentlich benannt. Legitimation durch Innehabung. Übertragung gem. 929 ff BGB; es genügt auch Übertragung d. Forderung gem. 398 ff BGB (Papier: 952 II). Rektapapiere Erstberechtigter ist namentlich benannt. Übertragung durch Abtretung des verbrieften Rechts. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 2
3 Übertragung von Inhaberpapieren X Übertragung Y Inhaberaktie, Inhaberschuldverschreibung, etc. der Urkunde gem. 929 ff BGB, ggfs. gutgläubiger Erwerb gem. 932 ff BGB Eigentum an der Urkunde geht (analog) 952 II BGB mit über - gem. 793 I S.1 BGB gilt die vom Schuldner zu widerlegende Vermutung, dass der Inhaber des Wertpapiers der Berechtigte ist (sog. formelle Legitimation) oder Mitgliedschaftsrecht, Forderung verbriefter Anspruch geht automatisch mit auf den Erwerber über Übertragung des verbrieften Anspruchs gem. 398 ff BGB Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 3
4 Übertragung von Orderpapieren X Übertragung Y Namensaktie, Wechsel, Scheck - keine Vermutung, dass der Inhaber des Wertpapiers der Berechtigte ist (ggfs. Beweis erforderlich) Mitgliedschaftsrecht, Forderung der Urkunde gem. 929 ff BGB, ggfs. gutgläubiger Erwerb gem. 932 ff BGB verbriefter Anspruch geht automatisch mit auf den Erwerber über und Indossament schriftlicher Übertragungsvermerk auf der Urkunde und inhaltliche Erklärung des Veräußerers, dass er alle Rechte aus dem Wertpapier auf d. Erwerber überträgt; man spricht auch davon, dass der Aussteller an d. Order d. Benannten zu leisten hat bei mehreren Übertragungen ist eine ununterbrochene Indossamentenkette erforderlich ist das Orderpapier mit einem Blankoindossament versehen, kann es auch ohne Indossierung übertragen werden Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 4
5 Übertragung von Namensaktien ( 68 AktG) Als Orderpapiere werden Namensaktien gem. 929 ff BGB mittels Indossament übertragen. Kommt auch eine Übertragung mittels Forderungsabtretung gem. 398 ff BGB in Betracht? X Übertragung Y Namensaktie 68 AktG: auch Mitgliedschaftsrecht Eigentum an der Urkunde geht (analog) 952 II BGB mit über Übertragung des verbrieften Rechts gem. 398 ff BGB unstr.: Übertragung der Namensaktien durch Abtretung gem. 398 ff BGB. str.: Gehört Übergabe der Urkunde zum Übertragungstatbestand? (Rspr.: ja, hlit.: nein) Nachteile der Abtretung: - kein gutgläubiger Erwerb möglich - fehlende Legitimationsfunktion mangels Indossament - ggfs. keine Eintragung ins Aktienregister und damit Folge des 67 Abs. 2 AktG, wenn Nachweis isd 67 Abs. 3 AktG nicht geführt werden kann. Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 5
6 Übertragung von Rektapapieren X Übertragung Y Sparbuch Eigentum an der Urkunde geht (analog) 952 II BGB mit über - keine Vermutung, dass der Inhaber des Wertpapiers der Berechtigte ist (ggfs. Beweis erforderlich) Mitgliedschaftsrecht Übertragung des verbrieften Anspruchs gem. 398 ff BGB Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 6
7 Fälle zur Übertragung von Wertpapieren Sachverhalte: Fall 1: X ist unmittelbarer Besitzer von 30 Anleihen der A-AG mit einer Restlaufzeit von 24 Monaten. Er veräußert die Anleihen zu ihrem Nennbetrag an Y. Der Dritte D, der von der Veräußerung Kenntnis erlangt, ficht den Veräußerungsvertrag an mit der zutreffenden Behauptung, er sei Eigentümer der Anleihen. Die Anleihen verlangt er von Y heraus. Rechtslage? Fall 2: Ihr Arbeitskollege fragt Sie, wie er seine durch das Sammeldepot verwahrten Inhaberaktien auf seinen Sohn übertragen kann. Was raten Sie ihm? Fall 3: Ihr Arbeitskollege fragt sie, wie er die in seinem unmittelbaren Besitz befindlichen Namensaktien der X-AG auf seine Tochter übertragen kann. Was raten sie ihm? Fall 4: Ihre Großmutter möchten Ihnen das auf ihrem Sparbuch liegende Geld zukommen lassen. Was muss sie tun? Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 7
8 Einzelne Titel des Kapitalmarkts Handelsobjekte des Kapitalmarkts Anleihen Wertpapiere, die eine Mitgliedschaft an einer Gesellschaft verbriefen (insb. Aktien) Zwischenformen zwischen Anleihe und Mitgliedschaftspapier (z.b.: Optionsanleihe, Wandelschuldverschreibung, Genussschein etc.) Sonstige (z.b.: börsengehandelte Fonds) Finanzinnovationen Kapitalaufnahmeprodukte Derivate Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 8
9 Die Anleihe (1) Allgemeines und Rechtsgrundlagen In rechtlicher Hinsicht handelt es sich um ein verzinsliches Darlehen ( 488 BGB), das wertpapiermäßig verbrieft ist idr in Form von Inhaberschuldverschreibungen isv 793 I S.1 BGB, seltener in Namensschuldverschreibungen Der aus der Anleihe resultierende Zinsanspruch wird traditioneller Weise in einem eigenem Wertpapier, dem sog. Zinsschein oder Coupon ( 803 BGB) verbrieft, der zur Geltendmachung des Zinsanspruchs beim Emittenten vorzulegen ist heute wird durch Vereinbarung bei Verwahrung durch eine Wertpapiersammelbank die Vorlage der Coupons idr ausgeschlossen. Eigenschaften und Einteilung Verzinsung: Preis, den der Schuldner (=Emittent) einer Anleihe für die Kapitalaufnahme zu zahlen hat; Höhe wird von den Kapitalmarktzinsen und der Bonität des Schuldners bestimmt; bonitätsmäßige Einstufung erfolgt durch Ratingagenturen. Laufzeiten: Liegen idr zwischen wenigen Tagen und 30 Jahren. Tilgungsarten: gesamtfällige Anleihen: Kapital wird am Laufzeitende insgesamt zurückgezahlt. Annuitäten-Anleihen: Kapital wird in gleich bleibenden Raten zurückgezahlt, Tilgung beginnt häufig erst nach einer zahlungsfreien Periode von 3 bis 5 Jahren. Auslosungsanleihen: Sind zunächst tilgungsfrei und enthalten in ihren Emissionsbedingungen feste Rückzahlungstermine. Besonderheit besteht darin, dass nicht feststeht, welcher Anleger zu welchem Tilgungstermin sein Kapital zurückerhält: Wertpapiere, die zum nächsten Termin getilgt werden, werden durch Auslosung ermittelt. Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 9
10 Die Anleihe (2) Einteilung von Anleihen aufgrund ihrer Verzinsung Zinssatz berechnet sich aus dem Referenzzinssatz (idr LIBOR oder EURIBOR) + einem Zuschlag (abhängig vom Rating) idr erfolgt eine periodische Auszahlung der Zinsen durch den Schuldner alle 6 oder 12 Monate Gläubiger erhält grds. einen Coupon festverzinsliche Anleihen Null-Coupon Anleihen bzw. Zero Bonds Zinsen werden nicht periodisch sondern erst am Ende der Laufzeit ausgezahlt Gläubiger erhält keinen Coupon variabel verzinsliche Anleihen bzw. Floating Rate Notes (FRN) Zinssatz kann sich nach bestimmten Perioden (idr 3 o. 6 Monate) ändern Floor-Floater: Garantie eines Mindestzinssatzes Cap-Floater: Festsetzung des Höchstzinssatzes Abzinsungsvariante Ausgabekurs liegt unter dem Nennwert u. Rücknahmekurs entspricht dem Nennwert (Diskontierung) Aufzinsungsvariante Ausgabe zum Nennwert und Rückzahlung zu einem höheren Wert Stripped Bonds Anspruch auf Rückzahlung u. Zinsscheine werden getrennt u. abgezinst, so dass aus beiden Anspr. e. Null- Coupon Anl. entsteht, die separat handelbar ist Mini-Max-Floater: Festsetzung des Mindest- u. Höchstzinssatzes Reverse Floater: Differenz aus einem festen Zinssatz und dem Kapitalmarktzinssatz bei Spekulation auf fallende Kapitalmarktzinsen Step-up Anleihen: stetig ansteigende Verzinsung Zinsphasen-Anleihen: periodenhafter Wechsel zwischen fester und variabler Verzinsung Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 10
11 Die Aktie (1) Allgemeines und Rechtsgrundlagen Eigenkapitaltitel (während Anleihen Fremdkapitaltitel sind): das Kapital geht in das Eigentum der Gesellschaft über und ist nicht rückzahlbar Kapitalaufnahme durch Erstemission oder Kapitalerhöhung ( 182 ff AktG) Wert der Aktie für den Anleger setzt sich aus Dividende und (hoffentlich) Kurssteigerung zusammen höchst liquides Anlageinstrument, da jederzeit über die Börse veräußerbar (soweit für den Börsenhandel zugelassen) AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital ( 1 II AktG), das auf einen Nennbetrag von mind Euro lauten muss ( 6, 7 AktG) Grundkapital dient als Mindesthaftungsmasse dem Gläubigerschutz Arten von Aktien: Nennbetragsaktien ( 8 Abs. 1, 2, 4 AktG). Inhaber- u. Namensaktien ( 10 AktG). Stamm- u. Vorzugsaktien ( 12 Abs. 1 S. 2, 139 ff AktG). Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 11
12 Die Aktie (2) Der Dividendenanspruch: Jahresüberschuss (100%) abzüglich jedes Jahr sind 5% des Jahresüberschusses zur Aufstockung der gesetzlichen Rücklage zu verwenden, solange bis die gesetzliche Rücklage 10% oder einen in der Satzung festgesetzten höheren Betrag d.grundkapitals erreicht ( 150 AktG) bei Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand u. Aufsichtsrat können diese nach ihrem Ermessen max. 50% des Jahresgewinns als andere Gewinnrücklagen von dem Gewinnverwendungsbeschluss der HV ausnehmen ( 58 II S.1 AktG) darüber hinaus kann die Satzung den Vorstand u. Aufsichtsrat ermächtigen, weitere Teile des Gewinns in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen, bis diese die Hälfte des Grundkapitals erreichen ( 58 II S.2 AktG) HV kann weitere Beträge aus dem Jahresgewinn in die Gewinnrücklagen einstellen ( 174 II Nr.3 AktG) ergibt Dividende ( 174 II Nr.2 AktG) Prof. Dr. Claus Luttermann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht Folie 12
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