Gesamtbericht zum Marktcheck und der Befragung Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen

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1 Gesamtbericht zum Marktcheck und der Befragung Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen Datum: 22. September 2010 Verfasser/Kontakt: Angelika Baumgardt (Verbraucherzentrale Saarland) Tel. (0681) Stefan Eisentraut (Verbraucherzentrale Thüringen) Tel. (0361) Die Verbraucherallianz "fürs klima" ist ein Bündnis des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) mit den 16 Verbraucherzentralen, dem Deutschen Mieterbund (DMB), der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem VerbraucherService (VS) im Katholischen Deutschen Frauenbund und Germanwatch. Die Allianz klärt die Verbraucher unter dem Motto für mich. für dich. fürs klima. über die Chancen jedes Einzelnen beim CO2- Sparen auf. Die Allianz wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gefördert. Infos unter 1. Zielsetzung und Vorgehen Sichere und komfortable Fahrradstellplätze an Bahnhöfen sind ein unabdingbarer Bestandteil der intermodalen Mobilität und damit ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Ein Marktcheck, der im Jahr 2009 von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde, zeigte, dass sowohl die Qualität als auch die Quantität von Fahrradabstellanlagen an einigen Bahnhöfen stark verbesserungsbedürftig ist. Basierend auf den Erfahrungen dieser Untersuchung wurde nun bundesweit die Beschaffenheit der Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen stichprobenartig überprüft. Ergänzend wurden auch stichprobenartig Verbraucher an den Bahnhöfen befragt, um zu evaluieren, inwieweit die Abstellanlagen den Ansprüchen der Verbraucher genügen und welche Verbesserungslösungen gewünscht werden. Als sicher wurden im Rahmen der Untersuchung solche Anlagen eingestuft, die mindestens ermöglichen, ein Laufrad sowie den Fahrradrahmen fest anzuschließen. Darüber hinaus wurden die Kriterien Beleuchtung und Einsehbarkeit geprüft. Weitere Kriterien sind die stufenlose (bzw. mit Fahrstuhl) Erreichbarkeit und Überdachung der Abstellanlagen. Mit der Befragung von insgesamt 865 Verbrauchern an den Bahnhöfen wurde zudem eine subjektive Bewertung aus Verbraucherperspektive eingeholt, um die Ergebnisse des Checks zu reflektieren und zu bereichern. Der Marktcheck und die Befragungen fanden zwischen dem 15. 1

2 Juli und dem 17. August 2010 statt. In diesem Zeitraum wurden die Fahrradabstellanlagen an insgesamt 361 Bahnhöfen in 13 Bundesländern untersucht. Die Zahl der untersuchten Bahnhöfe variierte dabei stark zwischen den einzelnen Organisationen (Minimum 14 Bahnhöfe, Maximum 53 Bahnhöfe). Nicht teilgenommen haben die Verbraucherzentralen der Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen. 2. Übersicht zum Check der Fahrradabstellanlagen Auswahl der Bahnhöfe (z.b. Entlang von welchen Pendlerachsen, bestimmte Bahnhofskategorien) In den Flächenländern konzentrierte sich der Marktcheck auf Bahnhöfe entlang der wichtigsten Pendlerstrecken im Land. In Berlin und Hamburg wurden Bahnhöfe entlang mehrerer S- Bahn-Linien untersucht, in München die Bahnhöfe an einer per Los ausgewählten S-Bahn- Linie. Untersucht wurden dabei Bahnhöfe aller sechs Bahnhofskategorien sowie vier Stationen der Berliner U-Bahn. Besonders häufig vertreten waren Bahnhöfe der Kategorien 4 und 5, mit Abstand folgen die Kategorien 3 und 6. Gesamtergebnisse Bahnhofscheck In 9 von 13 Bundesländern fanden sich Bahnhöfe ohne Fahrradabstellanlagen (insgesamt 33 Bahnhöfe), vor allem im Saarland (9 Bahnhöfe), Mecklenburg-Vorpommern (8), Berlin, Sachsen (jeweils 5) und Brandenburg (3). Lediglich im Falle von Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland lässt sich dies zum Teil durch die überdurchschnittlich hohe Anzahl von Bahnhöfen der Kategorie 6 unter den untersuchten Bahnhöfen erklären. 2

3 Von den 328 Bahnhöfen mit Abstellanlagen besaßen 57 Bahnhöfe (17 Prozent) lediglich Anlagen mit so genannten Vorderradhaltern, die im Gegensatz zu Anlehnbügeln kein sicheres Anschließen des Fahrrades ermöglichen. Lediglich in Hamburg waren alle Bahnhöfe zumindest teilweise mit Anlehnbügeln ausgestattet. Noch deutlicher werden die Defizite, wenn man statt der Bahnhöfe die Stellplätze betrachtet: von den insgesamt vorgefundenen Stellplätzen (ohne Parkhäuser und Boxen) besaßen Stellplätze bzw. 30 Prozent keine Anlehnbügel. Zehn Prozent der untersuchten Stellplätze befanden sich in einem Fahrradparkhaus oder in einer abschließbaren Fahrradbox. Fahrradparkhäuser fanden die Tester nur in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Von den Stellplätzen im Außenbereich waren 82 Prozent fest im Boden verankert und 44 Prozent überdacht. 61 Prozent der Anlagen waren nicht beleuchtet, 56 Prozent nicht überdacht. Positiver sind die Ergebnisse hinsichtlich Einsehbarkeit (73 Prozent der Stellplätze einsehbar) und der stufenlosen Erreichbarkeit (90 Prozent stufenlos erreichbar). Hinsichtlich der Gehzeiten zwischen den Abstellanlagen und dem am weitesten entfernten Bahnsteig ergab sich ein durchschnittlicher Wert von 2,7 Minuten. Die höchsten Werte gaben das Saarland (4,2 Minuten) sowie Berlin und Sachsen (jeweils 3,3 Minuten) an. Die negativen Spitz- 3

4 enreiter unter den Bahnhöfen sind Saarbrücken Hbf. mit 10 Minuten sowie Völklingen (Saarland), Chemnitz und Gaschwitz (beide Sachsen) mit jeweils 8 Minuten. Zusammenfassung Subjektive Eindrücke und Sonstige Anmerkungen Vor allem an Großstadtbahnhöfen wurden die Abstellanlagen von den Testern oft als überfüllt bezeichnet. Sehr häufig wurden auch fehlende Hinweisschilder bemängelt. Negativ fielen zudem verschmutzte Anlagen an einigen Bahnhöfen auf, häufig tauchen Begriffe wie Vandalismusschäden, verwahrloster Zustand oder vermüllt in den Beschreibungen der Tester auf. Ein verbreitetes Phänomen an Abstellanlagen sind kaputte und offenbar aufgegebene Fahrräder bzw. solche, von denen nur noch Teile wie Vorderräder oder Rahmen angeschlossen sind. Diese Schrotträder oder Fahrradleichen versperren Abstellplätze und sprechen gegenüber potentiellen Nutzern leider eine deutliche Sprache hinsichtlich der Sicherheit dieser Anlagen. An einigen wenigen Bahnhöfen fanden die Tester Ankündigungen zur Entfernung dieser Räder. Oft wird auch von Wildparkern berichtet, die ihre Räder an Zäunen oder Laternen anschließen, teils aufgrund des Mangels an geeigneten Abstellanlagen, teils aber auch aus Bequemlichkeit, weil die Nutzung der Abstellanlagen einen Umweg 4

5 bedeuten würde. An einigen Bahnhöfen in den neuen Bundesländern fanden sich zudem noch zahlreiche Anlagen aus DDR-Zeiten. Ein besonderes Kuriosum: am Bahnhof Schönebeck (Sachsen-Anhalt) fanden die Tester zwar ein Schild mit dem Hinweis Videoüberwachung an der Abstellanlage, aber keine Kamera. Wildparker: Leverkusen Fahrradleiche: Bremen-Mahndorf Überfüllt: Hamburg Sternschanze Verschmutzt: Berlin Schönhauser Allee Kurze Einschätzung der Ergebnisse und Hinweise Es ist kein Zusammenhang zwischen der Fahrgastzahl und der Ausstattung der Abstellanlagen zu erkennen, jedoch lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Ausstattung und dem Alter der Anlagen bzw. des gesamten Bahnhofes erkennen so sind renovierte Bahnhöfe meist auch mit guten Anlagen ausgestattet und alte Vorderradhalter wurden im Zuge der Sanierung durch Anlehnbügel ersetzt. Dies entspricht auch den Erfahrungen der VZ Rheinland-Pfalz, dass Defizite in den Abstellmöglichkeiten den Kommunen oftmals bekannt sind, aber nur im Rahmen groß angelegter Projekte wie Bahnhofssanierungen angegangen werden können. 5

6 Anmerkungen zur Durchführung In den meisten Bundesländern fand die Untersuchung in der Ferienzeit statt. Aus diesem Grund fehlte im Untersuchungszeitraum nicht nur der Schülerverkehr, auch zahlreiche Arbeitnehmer werden ihre Räder in der Urlaubszeit mit nach Hause genommen haben. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die vielerorts bereits in der Ferienzeit angespannte Fahrradparksituation mit dem Ende der Ferien noch weiter verschärfen wird. 3. Übersicht zur Befragung Zeitraum, Auswahl der Bahnhöfe und Anzahl der Befragungen In den meisten Fällen wurden die Befragungen insgesamt 865 parallel zu den Bahnhofschecks durchgeführt (siehe oben). Die Anzahl der befragten Personen variiert zwischen den einzelnen Bundesländern noch stärker als die Zahl der untersuchten Bahnhöfe (Minimum 7, Maximum 156). Es wurden 428 Frauen und 420 Männer befragt, rund 88 Prozent der Befragten waren Erwachsene. 1 Gesamtergebnisse Befragung Eine knappe Mehrheit der Befragten gab an, täglich mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren. Mehr als ein Drittel der Befragten äußerte, dass sie bei besseren Abstellanlagen öfter mit dem Rad zum Bahnhof fahren würden. Interessant ist auch, dass die drei Bundesländer, in denen jeweils ein besonders hoher Prozentsatz der Befragten die Frage negativ beantwortete (Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Nordrhein-Westfalen) auch jene Bundesländer sind, in denen die Befragten die vorhandenen Anlagen hinsichtlich Anzahl, Ausstattung und Sicherheit am besten bewerteten. Hieraus könnte sich ableiten lassen, dass Investitionen eventuell eher an Standorten mit schlechter oder schlecht bewerteter Infrastruktur als effektiv zu bewerten sind. 1 Die Diskrepanz zur Gesamtzahl der Befragten (865) ist der Tatsache geschuldet, dass in einigen Fragebögen Angaben zu den demografischen Merkmalen fehlen. 6

7 Würden Sie öfter mit dem Rad zum Bahnhof fahren, wenn mehr oder bessere Abstellanlagen vorhanden wären? Auswertung nach Bundesländern: 7

8 Bewertung der Abstellanlagen durch die Verbraucher in Schulnoten (nach Bundesländern): Eignung Anzahl Sicherheit SL BY HB HH ST SH SN BB MV NW TH RP BE Durchschnitt Zusammenfassung Was würden Sie verbessern? und Sonstiges Anmerkungen Bei den offenen Items der Befragung zeigt sich eine deutliche Tendenz: am häufigsten wird der Wunsch nach mehr Abstellanlagen sowie nach mehr Sicherheit für die geparkten Fahrräder genannt, zwar je nach den regionalen Gegebenheiten in unterschiedlicher Reihenfolge, aber meist mit weitem Abstand vor anderen Punkten. Beim Thema Sicherheit reichen die Vorschläge der befragten Personen von besseren Anschließmöglichkeiten und Fahrradboxen über Videoüberwachung und Sicherheitspersonal bis hin zum Bau von Fahrradparkhäusern. Dementsprechend gaben einige der Befragten auch an, nur alte und entbehrliche Fahrräder, aber niemals hochwertige Räder am Bahnhof zu parken oder berichteten, dass ihre Räder bereits beschädigt oder gestohlen wurden. Neben den Hauptkritikpunkten geringes Platzangebot und Diebstahl/Vandalismus wurde eine Vielzahl von weiteren Themen zur Sprache gebracht: Beleuchtung und Überdachung der Anlagen, Anlehnbügel, Entfernung von Müll bzw. Eis im Winter sowie Entsorgung von Fahrradleichen. Vereinzelt wurde auch der Wunsch nach mehr Platz pro Fahrrad geäußert, um bei knappem Platzangebot auch das Anschließen von Fahrrädern mit Körben, Kindersitzen und breiten Lenkern bzw. durch ältere oder beleibtere Menschen zu erleichtern. Einige Befragte äußerten zudem die Bereitschaft, für diebstahlsichere Fahrradboxen ein monatliches Entgelt zu zahlen. Kurze Einschätzung der Ergebnisse und Hinweise In einigen Fällen werden die Abstellanlagen von den Befragten als weniger sicher bewertet, als die Ergebnisse des Marktchecks dies nahe legen. Dies sollte jedoch nicht besonders überraschen, da das Sicherheitsempfinden höchst subjektiv und für die Verbraucher ein entscheidendes Kriterium für die Nutzung oder Nichtnutzung der Anlagen ist. Weiterhin ist anzumerken, dass aufgrund der unterschiedlichen Handhabung der Fahrradmitnahme in Zügen 8

9 in den Bundesländern bzw. Verkehrsverbünden die Nutzung von Fahrradabstellanlagen variiert. So ist zum Beispiel die Fahrradmitnahme in Regionalzügen in Sachsen-Anhalt und Thüringen uneingeschränkt kostenlos möglich, was die Nachfrage nach Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen im Vergleich zu anderen Bundesländern dämpfen dürfte. 4. Fazit zu Fahrradabstellanlagen in den Bundesländern In den meisten Bundesländern fehlt es nicht an vereinzelten Vorzeigeanlagen, die so gut wie alle Wünsche hinsichtlich Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit erfüllen. Woran es aber fehlt, sind ausreichend ausgestattete Fahrradabstellanlagen in der Fläche. Besonders problematisch hinsichtlich sicherer Fahrradparkmöglichkeiten sind die Bahnhöfe ohne Abstellanlagen sowie jene, die lediglich mit Vorderradhaltern ausgestattet sind und somit die Einhaltung der Vorgaben der Versicherungen zum sicheren Abschließen der Fahrräder am Rahmen verhindern. Die Kosten eines gestohlenen Fahrrads trägt dann trotz bezahlter Versicherungsprämie der Verbraucher. Beim Vergleich der Ergebnisse des Marktchecks und der Befragungen zeigt sich, dass das Sicherheitsempfinden der Verbraucher eine wichtige Stellschraube für die Nutzung einer Abstellanlage darstellt und die Sicherheit der Abstellanlagen als teilweise sehr schlecht bewertet wurde. Auch Entfernungen zwischen Fahrradparkmöglichkeit und dem Gleis halten einige Verbraucher ab, mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren. An einigen Bahnhöfen hat die vorliegende Überprüfung Gehzeiten von bis zu 10 Minuten ermittelt. Mehrere Verbraucherzentralen berichten zudem von unübersichtlichen Grundstücksverhältnissen, die den Bau neuer Abstellanlagen zäh gestalten. Wir sind also noch weit entfernt von verbraucherfreundlichen Fahrradabstellmöglichkeiten an deutschen Bahnhöfen. Hier sind die zuständigen Behörden und Verkehrsunternehmen gefragt, deutliche Verbesserungen der Abstellanlagen zu erreichen, um Verbrauchern eine zukunftsfähige und klimafreundliche Mobilität zu ermöglichen. 9