Die mittelslawischen Burgen vom "Typ Tornow"

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1 Die mittelslawischen Burgen vom "Typ Tornow" Mittelslawische Niederungsburg von etwa 75 m Durchmesser, nach Ronny Krüger 2016 In dieser Publikation möchte ich den typischen Aufbau der Burgen vom "Typ Tornow" darstellen, die in der mittelslawischen Zeit vom späten 9. bis Ende des 10. Jahrhunderts östlich der Elbe weit verbreitet waren. Dieser Burgentyp stellt eine Besonderheit im slawischen Burgenbau dar. Die überwiegend kreisrunden, seltener viereckigen, Anlagen waren mit Durchmessern von 45 bis 80 m auffallend klein und stellten die befestigten Sitze von slawischen Kleinadligen dar, die ihre Macht nur über kleinere Landstriche ausüben konnten. Aufbau einer mittelslawischen Burg, nach Ronny Krüger 2016

2 Erstmals archäologisch untersucht wurde dieser Burgentyp am Burgwall Tornow in Brandenburg. Im Jahre 1968 fiel das Bodendenkmal samt Dorf dem DDR-Braunkohletagebau zum Opfer. Zuvor kam es zu einer großflächigen Untersuchung des Burgareals und der vorgelagerten Vorburgsiedlung. Heute werden alle Burgen dieser Zeit nach dem ersten Untersuchungsort allgemein als "Typ Tornow" bezeichnet. Der Großteil dieser mittelslawischen "Kleinburgen" entstand in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts (um 880). Aufbau der mittelslawischen Burg von Repten in Brandenburg, nach Denny Neumann 2014 Eine auffallend hohe Konzentration dieser Burgen ist westlich von Cottbus in Brandenburg (Spreewald) zu beobachten, wo etwa 40 solcher Befestigungen nahezu zeitgleich bestanden. Diese Burgen lagen im Stammesgebiet der Lusitzer. Aber auch ausserhalb dieses Stammes waren diese kleinen Befestigungen im heutigen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein verbreitet. Dieser Burgentyp entstand vermutlich infolge der damaligen politischen Situation bei den Slawenstämmen. Die jeweiligen slawischen Kleinfürsten konnten oder durften infolge ihrer geringen militärischen Macht nur kleinere Burgen errichten. Nahezu alle mittelslawischen Kleinburgen wurden in unzugänglichen Niederungen angelegt und verfügten im Vorfeld über leicht befestigte Vorburgsiedlungen. In diesen Vorburgsiedlungen, die oft nur mit hölzernen Palisaden, flachen Gräben oder leichten Wällen geschützt wurden, befanden sich vor allem die Wohnhäuser der Handwerker. Diese gingen hauptsächlich der Eisenverarbeitung, der Töpferrei, der Holzverarbeitung und der Knochenschnitzerrei nach und

3 versorgten die Burgleute mit handwerklichen Erzeugnissen. Getreide und Schlachtvieh wurde von umliegenden Dörfern geliefert. Die Häuser in den Vorburgen waren als Flechtwerk- oder Blockhäuser errichtet. Seltener gab es eingetiefte Grubenhäuser. Neben oder unter den Häusern lagen Gruben, die als Abfall-, Vorrats- oder Aschegruben genutzt wurden. Mitunter besaßen die Vorburghäuser auch Steinpflaster als feste Unterlagen. Der Burgwall von Raddusch in Brandenburg, Gemälde von Thomas Schmidt aus Neubrandenburg Die meisten Burgwälle wurden folgendermaßen errichtet. Zuerst wurde der ausgesuchte Burgplatz von der Vegetation beseitigt. Dies geschah hier und da durch Brandrodung. Danach wurde ein kreisrundes Fundament aus kreuz und quer gelegten Weichhölzern geschaffen, das anschließend mit Sand verfüllt und planiert wurde. Diese Erhöhung sollte den künftigen Burginnenraum vor Hochwasser schützen. Danach begann man mit der Errichtung von rostartigen hölzernen Kastensystemen, die ringartig miteinander verbunden waren. In diese Kastensysteme verfüllte man Sand, den man direkt vor der Kastenkonstruktion aushob. Dadurch entstand nun ein umgebender künstlicher Burggraben, der eine Breite von bis zu 10 m hatte. Die hölzernen Kästen wurden immer weiter erhöht und erreichten bei der Fertigstellung eine Höhe von geschätzten 6 m. Vor der Holzkonstruktion wurde zusätzlich nach

4 außen eine steil ansteigende Berme aus Lehm, Holz und Feldsteinen errichtet, die ein Abrutschen des Walles in den Burggraben verhindern sollte. Zudem schützte diese Berme vor feindlichen Brandanschlägen. Der Burgwall von Köben (Chobienia, Niederschlesien, Polen) an der Oder im späten 9. Jh. Entwurf Felix Biermann, Zeichnung Ottilie Blum. Aus: Felix Biermann, Andreas Kieseler, Dominik Nowakowski, Mittelalterliche Herrschafts- und Siedlungsstrukturen in Niederschlesien am Beispiel von Köben an der Oder. Prähistorische Zeitschrift 86, 2011, S , hier S. 122 Abb. 25. Auf der oberen Wallkrone wurde dann ein hölzerner Wehrgang errichtet, von dem aus die Burginsassen den Feind bekämpfen konnten. Ob diese Wehrgänge offen oder überdacht waren, ist auch von der modernen Archäologie nicht mehr nachweisbar. Vermutlich gab es beide Varianten. An die innere Wallkonstruktion schlossen sich ringartig kasemattenartige Hütten an, die als Vorratshäuser und Wohnunterkünfte der Burgbesatzung dienten. Mitunter waren diese Hütten auch zweistöckig ausgebaut. Im unteren Geschoss lebten die Burginsassen und im oberen Stockwerk wurden Nahrungsvorräte für den Belagerungsfall aufbewahrt. Durch diese Wohnanbauten schrumpfte der freie Innenraum einer solchen Kleinburg auf nur 15 bis 20 m Durchmesser. Im freien Innenraum wurde ein tiefer Brunnen angelegt, der zur Wasserversorgung und als Löschwasser diente. Hier und da lag in der freien Burgfläche auch noch das Haus des Burgfürsten. Damit herrschten in so einer Kleinburg doch

5 recht enge Verhältnisse. Der mittelslawische Burgwall Buchholz in Mecklenburg-Vorpommern Im Laufe der Zeit wurden diese Burgen baufällig und man errichtete nach außen immer wieder neue Kastensysteme. Archäologische Untersuchungen am Burgwall Repten in Brandenburg konnten eine vierte Ausbauphase/Wallsektion sogar am Innenwall nachweisen. Im Endstadium hatten einige Burgen eine Wallbreite von bis zu 15 m und eine Höhe von 8 bis 10 m! Kurze hölzerne Brücken oder Erdrampen führten über den Burggraben zu tunnelartigen Toren, über die man durch den Wall in den Burginnenraum gelangte. Die bis zu 15 m langen Tunneltore verliefen ebenerdig oder in einem steilen Winkel durch das Wallsystem. Im Belagerungsfall verschanzten sich auch die Bewohner der Vorburgsiedlung in den Burgwall. Die leicht befestigten Vorburgsiedlungen wurden im Angriffsfall meist nicht verteidigt und dem Feind überlassen.

6 Der mittelslawische Burgwall Rothenmoor in Mecklenburg-Vorpommern Bei feindlichen Konflikten innerhalb der slawischen Stämme hatten diese "Miniburgen" sicher eine gute Schutzfunktion, da auch die slawischen Nachbarn nur über derartige Kleinburgen und dementsprechend über wenige Krieger verfügten. Gegen ein großes Feindheer mit Belagerungsmaschinen hatten diese Burgen jedoch keine Chance. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts (927/928) eroberte der deutsche König Heinrich I. weite Gebiete östlich der Elbe. Er konnte innerhalb kurzer Zeit ganze Slawenstämme unterwerfen. Die Kleinburgen konnten einem so großen deutschen Heer keinerlei Widerstand leisten. 963 eroberte der deutsche Markgraf Gero die Gebiete der Lusitzer. Dabei gingen auch die letzten Kleinburgen dieses Stammes unter. In einigen Fällen blieben die Vorburgsiedlungen auch nach Aufgabe der Burgen bis in das 12. Jahrhundert in Nutzung. Hier und da nutzten auch die deutschen Eroberer unterworfene slawische Kleinburgen weiterhin als deutsche Burgwarde.

7 Mittelslawische Burgsiedlung nach Denny Neumann Im nördlichen Mecklenburg-Vorpommern blieben einige dieser slawischen Kleinburgen noch bis zum Ende des 10. Jahrhunderts und darüber hinaus in Nutzung. Im mecklenburgischen Groß Raden bei Sternberg wurde eine derartige mittelslawische Burgsiedlung archäologisch untersucht und seit 1987 fast vollständig rekonstruiert. Mittelslawische Niederungsburg, nach Ronny Krüger 2016 Heute sind einige der 40 Kleinburgen im Stammesgebiet der Lusitzer in Brandenburg durch den Braunkohletagebau zu DDR-Zeiten zerstört worden. Als Erinnerung an die slawische Besiedlung der Gegend wurde der Burgwall von Raddusch nahezu vollständig als Freilichtmuseum am Fundort rekonstruiert.

8 Der rekonstruierte mittelslawische Burgwall Raddusch in Brandenburg Leider wurde der rekonstruierte mittelslawische Burgwall von Raddusch ohne die äußere schützende Lehmberme dargestellt. So wie der Burgwall heute gezeigt wird, hätte ein Feind die freiliegende Wallkonstruktion leicht in Brand stecken können!

9 Burgwall Groß Raden in Mecklenburg-Vorpommern, nach Ronny Krüger 2014 Die heute noch erkennbaren mittelslawischen Burgwälle sind oftmals mit Bäumen bestanden. In Brandenburg befinden sich u. a. bei Altlandsberg, Kasel-Golzig, Leegebruch, Bamme, Biesental, Freesdorf, Gahro, Groß Jehser, Kliestow und Riedebeck noch sehenswerte Anlagen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch sehenswerte Wallruinen bei Buchholz, Ganschendorf, Groß Raden, Kieve, Rothenmoor, Neppermin (Insel Usedom) und am Kastorfer See. Von Ronny Krüger 2016

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