Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann BGB GK II SS 2012 Lehreinheiten Nr Lehreinheit. Sonstige Delikts- und Gefährdungshaftungstatbestände
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- Ilse Lorentz
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1 46. Lehreinheit Sonstige Delikts- und Gefährdungshaftungstatbestände merke: In zivilrechtlichen Klausuren sind in der Regel mehrere wichtige deliktsrechtliche Ansprüche zu beachten, die nebeneinander und vor allem neben vertraglichen Ansprüchen geprüft werden müssen. I. 823 II BGB ivm Schutzgesetz 1. Verstoß gegen Gesetz 2. Gesetz zum Schutz des Geschädigten (Schutzgesetz) 3. Verschulden ( 823 II S. 2) Zu 1. Gesetz meint jede Rechtsnorm. Dazu zählen neben den formellen Gesetzen z.b. Rechtsverordnungen, Tarifverträge, Gewohnheitsrecht, Richterrecht, öffentlich-rechtliche Satzungen. P.: Kann auch eine private Satzung (von einem Verein, z.b DFB) Schutzgesetz isv 823 II BGB sein? (Jedenfalls wird der Inhalt der Satzung in der Klausur regelmäßig ohnehin zu prüfen sein und zwar bei 823 I BGB im Rahmen der Rechtswidrigkeit bzw. des Verschuldens. Merke außerdem: Die Satzung eines Vereins unterliegt nicht der AGB-Kontrolle, vgl. 310 IV,...außer Gesellschaftsrecht... ). Zu 2. Das Schutzgesetz muss zu Gunsten des Betroffenen wirken! Schützt das Gesetz nur allgemeine/öffentliche Interessen, führt ein Verstoß nicht zu einem Anspruch aus 823 II ivm diesem Gesetz. Wann ein Gesetz (ggf. neben den allgemeinen Interessen) den Einzelnen schützt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Unterscheide: Die Norm schützt - Nur öffentliche Güter -> Schutzgesetz (-) - Öffentliche Güter und die konkrete Person -> Schutzgesetz (+) - Nur die konkrete Person -> Schutzgesetz (+) Zu 3. Verschulden, 823 II S. 2 BGB a) Primär gilt der Maßstab des Schutzgesetzes ( 823 II S. 2 BGB e contrario) b) Wenn das Schutzgesetz keine Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraussetzt, dann ist gem. 823 II S. 2 BGB Verschulden erforderlich. c) Der Verschuldensmaßstab des Schutzgesetzes ist nur dann relevant, wenn dort mehr als leichte Fahrlässigkeit verlangt wird, was sich praktisch insb. bei den vorsätzlichen Vermögensdelikten (z.b. 263 StGB) auswirkt. II. 824, 825 Die Kreditschädigung ist meistens bereits über 823 II ivm 186, 187 StGB sanktioniert und erfüllt häufig auch den Tatbestand von 823 I BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb). III. 826 (sehr wichtig)
2 Voraussetzungen: 1. Handlung/Unterlassen, wenn Rechtspflicht zum Handeln 2. Vorsatz Hinsichtlich des Sittenverstoßes (= Kenntnis der Tatsachen, Kenntnis des Sittenwidrigkeitsurteils nicht erforderlich, weil besonders rohe Täter nicht privilegiert werden sollen.) Hinsichtlich der Schädigung 3. Sittenwidrigkeit 4. Schaden 5. Kausalität (haftungsbegründend und haftungsausfüllend) Funktion von 826? Auffangtatbestand, der dort helfen soll, wo 823 I und II BGB oder sonstige Anspruchsgrundlagen nicht eingreifen. 826 erfasst auch den Vermögensschaden, die Verletzung eines absoluten Rechts muss nicht vorliegen. Über 826 BGB können vor allem auch die Grundrechte im Privatrecht einwirken. 2 Fallgruppen, in denen 826 praktisch besonders häufig relevant werden kann (nicht abschließend) - Boykottaufruf - Falscher Rat/falsches Gutachten/Fehlinformationen Der Anwendungsbereich des 826 bestimmt sich nicht wie bei 823 I BGB über die Rechtsgüter, sondern über den Vorsatz und die Sittenwidrigkeit. Da der Anwendungsbereich von 826 (und der von 823 I BGB) eng ist, wird der vertragliche Schutzbereich ausgedehnt. Durch eine Ausdehnung der vertraglichen Haftung werden die Schwächen des Deliktsrechts kompensiert, da dann auch die leichte Fahrlässigkeit eine Haftung begründet. Das Institut, welches hierfür verwendet wird, ist die culpa in contrahendo ( 311 II, III BGB). Die 2 Fallgruppen können hierüber gelöst werden. Wichtiges Beispiel: Prospekthaftungsfälle Weiteres Institut, das insoweit herangezogen wird: Vertrag mit Schutzwirkungen gegenüber Dritten Rspr.: Der Vertreter/Vermittler haftet dem Anleger gegenüber aus 311 II, III BGB analog aufgrund eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter, wenn er besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat. Gutachterfall: DN 488 I 1 BGB Bank BGB Haus Schätzung: Wahrer Wert: Gutachter Anspruch des Darlehensnehmers (DN) gegen den Gutachter, der die Immobilie falsch geschätzt hat.
3 Rspr. Der Gutachter muss wissen, dass der Kunde der Bank sich auf das Gutachten verlässt! Aber Anspruch aus 826 BGB (-) Anspruch aus 328 analog (Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zwischen Bank und Gutachter)! Anlageberater-Fall: Anleger kein Vertrag Vertreter/Vermittler 705ff., 675 Vertretervertrag Fonds (insolvent) Für 826 bedeutet dies, dass viele Fälle über eine Ausweitung des Vertragsrechts gelöst werden und dass dieser dann nicht mehr allzu große praktische Relevanz besitzt. Exkurs: Regelungstechnik des Gesetzgebers : klassische Verschuldenstatbestände : Verschuldensfähigkeit bzw. Verschuldensunfähigkeit : Haftung ohne Verschulden (Gefährdungshaftung) bzw. vermutetes Verschulden (auch außerhalb des BGB-> Produkthaftungsgesetz, StVG) Beispielsfall für Gefährdungshaftung: Hühnerpest-Fall (BGHZ 51, ) Hühner wurden gegen Hühnerpest geimpft und der verwendete Impfstoff erwies sich als wirkungslos. Fest stand lediglich, dass der Impfstoff fehlerhaft war, ein Verschulden konnte nicht nachgewiesen werden. BGH: Umkehr der Beweislast, wenn ein massenhaft angebotenes Produkt fehlerhaft auf den Markt gebracht wird. Exkurs Ende. IV. 831 BGB Voraussetzungen: 1. Verrichtungsgehilfe 2. Unerlaubte, jedoch nicht unbedingt verschuldete Handlung (d.h. 823 I BGB ohne Verschulden) 3. Auswahl- und Überwachungsverschulden seitens des Prinzipals (Haftung für eigenes, nicht fremdes Verschulden) 4. Keine Exkulpation, 831 S. 2 BGB (Verschulden wird vermutet)
4 Überblick: Hilfspersonen des BGB Haftung für fremdes Handeln Handeln der Gesellschaft selbst durch ihr Organ 831 BGB 278 BGB 31 BGB Verrichtungsgehilfe Erfüllungsgehilfe Organ ( Macher ) Außerhalb von Sonderrechtsverhältnissen eingesetzt, unselbständig, weisungsgebunden Innerhalb von Sonderrechtsverhältnissen eingesetzt, auch selbständige, nicht weisungsgebundene Personen können Erfüllungsgehilfen sein Hier: volle Prüfung des Handelns des Erfüllungsgehilfen; dieses wird dem Handeln des Vertragspartners selbst gleichgestellt Kann sowohl zu einer vertraglichen als auch zu einer deliktischen Haftung führen, die juristische Person handelt durch ihre Organe V. 7 I, 18 I 1 StVG ->Haftung des Halters bzw. KfZ-Führers weitere wichtige : 8-9 StVG Einführung in das Straßenverkehrsrecht: Beachten Sie folgende grundsätzlichen Wertungen, die dem StVG zugrunde liegen. Gefährdungslage: bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs Der Halter haftet ohne Verschulden, 7 I StVG Der KfZ-Führer haftet aufgrund vermuteten Verschuldens, 18 I 2 StVG Der Grund für die unterschiedlichen Verschuldensmaßstäbe liegt vor allem darin, dass der Halter den hauptsächlichen Nutzen aus dem Betrieb des KfZ ziehen kann und dass er sich gegen die Haftungsrisiken versichern kann (und muss). Außerdem entscheidet der Halter selbst darüber, wer KfZ-Führer ist. Haftungsbegrenzung der Höhe nach, 12, 12a StVG 1. Tatbestand des 7 I StVG a. Anspruchsgegner = Halter Halter ist derjenige, der das KfZ längerfristig nutzen kann, häufig ist dies der Eigentümer, aber auch der Leasingnehmer und längerfristige Mieter kommen in Betracht. Kein Halter ist jedoch der Entleiher und der kurzfristige Mieter (Bsp: Ferientour). b. Beim Betrieb des KfZ
5 Kraftfahrzeug = Fahrzeug mit einem Motor, das schneller als 20 km/h fahren kann (vgl. 8 Nr. 1 StVG Beim Betrieb P: Wann ist dieses Erfordernis erfüllt? Zwei Grenzfälle: 1. Parken 2. Beladen Korrekt Falsch Parken Parken Rspr: Betrieb (+) aa: (-), weil keine Verwirklichung einer Rspr: kein Betrieb (-) Beim Betrieb (+) KfZ-typischen Gefahr Beachte aber 7 III StVG: Das Erfordernis beim Betrieb ist nicht erfüllt, wenn der Halter die Nutzung des KfZ nicht gestattete und auch nicht durch Fahrlässigkeit ermöglicht hat. c. Verletzung eines absoluten Rechtsguts (vgl. 823 I BGB) d. Schaden e. Kein Verschulden, sondern Ausnahme nur bei höherer Gewalt Der Begriff der höheren Gewalt, der das früher maßgebliche Konzept des idealen Fahrers ersetzt hat, ist im StVG nicht definiert. Grundsätzlich liegt keine höhere Gewalt vor, wenn sich das Risiko des KfZ realisiert hat. Wenn das Risiko, das sich realisiert hat, von außerhalb des Straßenverkehrs kommt, ist das Vorliegen von höherer Gewalt zu bedenken. Höhere Gewalt ist außerdem stets unabhängig vom menschlichen Willen und für einen Menschen nicht vorhersehbar. Merke daher: Höhere Gewalt Risiko von außerhalb Des Straßenverkehrs/ unvorhersehbar nicht abhängig vom menschlichen Willen f. Mitverschulden, 9 StVG Beim Vorliegen des Schadens prüfen. Anders als im BGB ist hier nicht vom Grad des Verschuldens her auszugehen sondern von dem konkreten Verursachungsbeitrag des Schädigers in Relation zum mitwirkenden Verschulden des Geschädigten. 2. Tatbestand des 18 I 1 StVG Ausdehnung der Haftung auch auf den Führer. a. Haftpflicht nach 7 I StVG b. Anspruchsgegner = KfZ-Führer Führer ist derjenige, der das KfZ beeinflusst (also auch der Beifahrer, wenn er ins Lenkrad greift und so einen Schaden verursacht). c. Anspruchsgegner hat fehlendes Verschulden nicht nachgewiesen (Beweislastumkehr).
6 3. Verschuldensfrage Ausführung 7 (ivm 9 StVG), 18 StVG 823 ff. BGB Pflichtverletzung = StVO-Verstoß -> Verschulden in der Regel auch dargetan Vertrauensgrundsatz Das Konzept des Vertrauensprinzip wurde aufgrund folgender Überlegungen entwickelt: Die verschuldensunabhängige Haftung des KfZ-Halters entspricht der gesellschaftlichen Entscheidung, die Risiken des Straßenverkehrs über ein Versicherungssystem (KfZ-Haftpflicht) abzusichern. Soweit die Verschuldenshaftung relevant wird (etwa für den KfZ-Führer) wird die Haftungsfrage durch das Vertrauensprinzip dominieert. Es ist eigentlich die Verschuldensfrage weitgehend irrelevant. Bei dieser Gefährdungshaftung ist es auch nicht möglich, entschuldbar falsch zu fahren. Es besagt, dass man sich im Straßenverkehr grds. darauf verlassen darf, dass sich alle Verkehrsteilnehmer korrekt verhalten. Sinne ist überhaupt flüssig fahren zu können. Daher ist z.b eine Haftung gem. 823 I BGB bei einem Unfall mit einem Geisterfahrer ausgeschlossen. Der Vertrauensgrundsatz wird jedoch in folgenden Fällen durchbrochen: - Der Fehler eines Verkehrsteilnehmers war vorhersehbar. - In Situationen, wo ein Fehlverhalten wahrscheinlich ist (z.b. unübersichtliche Stelle, ballspielende Kinder am Straßenrand.
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