Artesisches Grundwasser, Anhydrit und Karsterscheinungen im Konflikt mit Erdwärmesonden: Überlegungen zur Schadensursache im Fall Staufen im Breisgau
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- Hildegard Wolf
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1 Institut für Angewandte Geowissenschaften Fachgebiet Angewandte Geothermie Artesisches Grundwasser, Anhydrit und Karsterscheinungen im Konflikt mit Erdwärmesonden: Überlegungen zur Schadensursache im Fall Staufen im Breisgau Prof. Dr. Ingo Sass Dipl.-Geologe, Beratender Ingenieur (IngKBW) Dipl.-Ing. Ulrich Burbaum Bauingenieur Einige Überlegungen zum Schadensfall Die Bohrungen für das Erdwärmesondenfeld haben den Schaden ausgelöst. Die eingesetzte Bohrttechnik entsprach dem Stand der Technik, war aber technisch nicht für die spezifischen Untergrundverhältnisse geeignet. Geologische Verhältnisse werden durch die derzeit laufende 2. Erkundungsbohrung im Wesentlichen bestätigt. Es gibt keine Überraschungen. Es gibt lediglich wichtige Detailinformation. Es gibt keinen fundamentalen Forschungsbedarf zum Anhydritquellen im baden-württembergischen Gipskeuper. Zum Quellvorgang wird das physiko-chemische Quellen von Tonmineralen des Gipskeupers (z. B. Corrensit) einen Beitrag leisten. Bis etwa 5% der Gesamtquellung können u. U. hierauf zurückgeführt werden. Die Sanierung des Erdwärmesondenfeldes wäre technisches Neuland. Es ist bisher nirgendwo gelungen, die Quellvorgänge selbst mit technischen Mitteln zu begrenzen. Meist wird gegen die Auswirkung der Quellhebungsreaktion gearbeitet (Steiner 1993). Hydraulische Tests in der Erkundungsbohrung sind z. T. gefährlich
2 Erdwärmesonden zum Heizen und Kühlen AfU, Typische Erdwärmesonde ausgeführt als Doppel-U-Rohrsonde Die überwiegende Anzahl der deutschen Erdwärmesondenanlagen basiert auf dieser Bauweise. Meist PE-HD Rohrleitung DN32 (i.d. R. bis 130 m Tiefe; darunter DN40) Wäremträgermedium: Wasser- Monoethylenglykol-Gemisch Ringraumabdichtung und Zentrierung aus hydraulischen und wasserwirtschaftlichen Gründen erforderlich Stand der Technik: VDI4640 und Leitfaden Erdwärme BaWü, Nutzung der Geothermie in Stuttgart (AfU, 2005) Erdwärmesondenbohrungen in Grundwasserstockwerken Afu, 2005
3 Gips(keuper)karst in Stuttgart als Modell Oberhalb des Anhydritspiegels kommt es zu Ablaugungen, Hohlraumbildungen und Erdfällen. AfU, 2005 Der Anhydritspiegel wird derzeit in Staufen verschoben, so dass es neuerliches Ablaugungspotenzial gibt. Ältere Hohlräume wurden in Staufen in der Erkundungsbohrung oberhalb des Gipsspiegels nachgewiesen. Abschätzung der Hebungen Annahme: 100 m Gipskeuper sind zu 50% vergipst. Der volumetrische Anhydritgehalt betrage mittlere 2% (entspricht 1 m Anhydritmächtigkeit). Anhydrit: CaSO 4 + Wasser: 2H 2 O = CaSO 4 * 2H 2 O -> Gips 1 m Anhydrit 1 m³ Volumenvergrößerung ΔV = 61 % Gips 1,61 m³ 1,61 m
4 Staufen i. Br. auf einer Randscholle des ORG Darmstadt Karlsruhe 187 geschädigte Häuser, Stand Pressermitteilung der Stadt Stufen i. Br. Straßburg Staufen im Breisgau Freiburg Basel Karte: GTOPO30, Zeichnung: Christian Röhr Für die Planung und Genehmigung im Jahr 2006 verfügbar LGRB, 2005: Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden AfU (Amt f. Umweltschutz), 2005: Nutzung der Geothermie in Stuttgart Geologische Karte, 1999: 1: Geologische Karte, 1996: Hydrogeologische Karte, : LGRB, 2005: Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg
5 Übersicht über das Geothermievorhaben 7 Stück PE-HD Doppel-U-Rohr Erdwärmesonden zum Heizen und Kühlen des denkmalgeschützen Rathauses Geplante Teufe: je 140 m, hinterfüllt mit Ton-Zement-Suspension Unverrohrte Luftspülungsbohrungen Geologie: ca NW fallende Schichtung 0 bis ca. 15 m u. GOK Deckschichten 15 bis ca. 120 m u. GOK Gipskeuper (km) ab 120 m u. GOK Unterer Keuper, evtl. Muschelkalk Grabenrandscholle: starke tektonische Beanspruchung Artesisches Grundwasser Quellfähige/Ablaugungsfähige Formation Verkarstung im Muschelkalk Sondenfeld S4 S1 N Meiergasse Rathausgasse Jägergasse S5 Rathausgasse ca. 6 m ca. 10 m S2 S3 Hauptstraße S6 S7 Marktplatz Rathaus Kirchstraße Kirche
6 Erdwärmesondenfeld zum Heizen und Kühlen Erdwärmesonden S4 S2 S3 Risse im Straßenbereich / Vorsorgemaßnahmen
7 Risse an Gebäuden Strukturelle Gebäudeschäden
8 Wie im Lehrbuch: Anhydritführender Gipskeuper in Staufen (Bild rechts) Bohrkern Gipskeuper aus EKB2 aus 70 m Teufe Bild, Seidl Bild, Datenbank des Institus für Geotechnik Univ. Innsbruck, Überlagerungsdruck und Quelldruck Spannung σ [MN/m²] ([MPa]) 0 1,0 1,7 2,0 3,0 4,0 4,7 5, Überlagerungsdruck aus Gebirge In Versuchen gemessene Quelldrücke 1,7 4,7 MN/m² (Steiner, 2007) Anhydritspiegel Staufen (nach EKB 2, Info: Homepage der Stadt Staufen, ) Anhydritführendes Gebirge Teufe [m] 100 σ V = γ Gebirge z 25 kn/m³ z
9 Quellversuch, Beginn der Bewässerung , 11:00 Uhr ca. 15 % Anhydrit ca. 13 % Anhydrit Messuhren Wechsellagerung Ton (Grau)- Anhydrit (Weiß) Wassersäule Wasserdurchlässige Trennwände Versuchsdauer 17 Minuten
10 Versuchsdauer 29 Minuten Versuchsdauer 1:08 Stunden
11 Versuchsdauer 4:00 Stunden Versuchsdauer 5:34 Stunden
12 Versuchsdauer 23:27 Stunden Versuchsdauer 1 Tag, 5:18 Stunden
13 Versuchsdauer 3 Tage, 20:32 Stunden Versuchsdauer 4 Tage, 4:27 Stunden
14 Versuchsdauer 4 Tage, 20:41 Stunden Zeit-Hebungslinien Quellversuch Stand: (14 Tage Versuchsdauer) Hebung [mm] Messuhr Mitte Messuhr Innen 4 Messuhr Außen 3 2 Wasserfront unterhalb Messpunkt 1 Versuchsdauer [Tage]
15 Zeit-Hebungslinien Quellversuch Stand: (9 Wochen Versuchsdauer) Hebung [mm] Messuhr Mitte Messuhr Innen 5 4 Messuhr Außen Wasserfront unterhalb Messpunkt Versuchsdauer [Wochen] Rißbildung nach ca. 4 Tagen
16 Rißbildung nach ca. 12 Tagen Wasserwaage, Versuchsdauer 5:19 Stunden
17 Quellen Gipskeuper: geklüftet, anhydritführend Anhydrit Quellen Gipskeuper: geklüftet, anhydritführend Anhydrit + Wasser -> Gips
18 Quellen Gipskeuper: geklüftet, anhydritführend Quelldruck: Aufreißen des Gebirges Quellen Gipskeuper: geklüftet, anhydritführend Wasserwegsamkeit über Risse
19 Quellen Gipskeuper: geklüftet, anhydritführend Anhydrit + Wasser -> Gips Staufen im Breisgau: Auszug aus Geologischer Karte Freiburg im Breisgau, M 1 : Ruine Staufen N Rathaus Roter Berg Grabenrandstörung
20 Staufen im Breisgau: Geologischer Schnitt (schematisch, verändert nach Schreiner (1991), 2,5-fach überhöht) 420 Höhe [mnn] NW Ruine Staufen SE Schlossberg Rathaus (projiziert) Roter Berg tc Hr bj2 bj1 al2 al1 km, ku mo mm s G ? 7 Bohrungen für Erdwärmesonden, T bis 140 m ??????? Länge [km] 0,2 0,4 0,6 0,8 Satellitengestützte Erfassung der Hebungen Zeitraum Juli 2008 bis 29. Oktober 2008 Hebungen [cm] Sondenfeld Grafik: Sass, Burbaum & Petrat, 2009, Daten Petrat, ,1 0,5 0,6 1,0 1,1 1,5 1,6 2,0 2,1 2,5 2,6 3,0 3,1 3,5 3,6 4,0 4,1 4,5 4,6 5,0 5,1 5,5 5,6 5,0 6,1 6,5 6,6 7,0 7,1 7,5 7,6 8,0
21 Satellitengestützte Erfassung der Hebungen Zeitraum Juli 2008 bis 3. Januar 2009 Hebungen [cm] Sondenfeld Grafik: Sass, Burbaum & Petrat, 2009, Daten Petrat, ,1 0,5 0,6 1,0 1,1 1,5 1,6 2,0 2,1 2,5 2,6 3,0 3,1 3,5 3,6 4,0 4,1 4,5 4,6 5,0 5,1 5,5 5,6 5,0 6,1 6,5 6,6 7,0 7,1 7,5 7,6 8,0 Satellitengestützte Erfassung der Hebungen Zeitraum Juli 2008 bis 25. Januar 2009 Hebungen [cm] Sondenfeld Grafik: Sass, Burbaum & Petrat, 2009, Daten Petrat, ,1 0,5 0,6 1,0 1,1 1,5 1,6 2,0 2,1 2,5 2,6 3,0 3,1 3,5 3,6 4,0 4,1 4,5 4,6 5,0 5,1 5,5 5,6 5,0 6,1 6,5 6,6 7,0 7,1 7,5 7,6 8,0
22 Zeit-Hebungslinie 8 Höhenänderung [cm] 7 6 0,03 0,04 5 0,04 0,03 0,05 0,05 0, Gemessene Höhenänderung Analysepunkt Mittlere Rate der Höhenänderung: ca. 12 mm / Monat Datum Isolinien der Hebungsgeschwindigkeiten Daten: Homepage der Stadt Staufen i. Br., 2009
23 Schlussfolgerungen Quellhebungen wurden durch den durch die Bohrungen hergestellten hydraulischen Kontakt des gespannten Grundwassers initiert. Durch die nunmehr veränderlichen Durchlässigkeitsverhältnisse wird die Hebungsprognose sehr komplex. Die Sanierung des Sondenfeldes ist vermutlich unausweichlich. WD-Test, Dilatometertests und selbst Pumpversuche in der aktuellen Erkundungsbohrung sind in hohem Maße riskant. Die später zu erwartenden Bergsenkungen durch Gipsablaugung sind zu berücksichtigen. Es besteht unmittelbarer Sanierungsbedarf (Sondenfeld) und kein wesentlicher Forschungsbedarf. Die Sanierung der Bauwerke kann erst nach Abklingen der wesentlichen Hebungen in der Substanz erfolgen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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