Einmal sterben- jeden Tag leben. Demente Menschen auf dem letzten Lebensweg begleiten

Transkript

1 Einmal sterben- jeden Tag leben Demente Menschen auf dem letzten Lebensweg begleiten

2 Was Sie heute von mir in den nächsten zwei Stunden erwarten können: Kurze Einführung in die Grundlagen unseres Workshops und dann,... Fragen, die Sie selbst für sich und wir alle gemeinsam bearbeiten... 2

3 Fakt ist: Der Sterbeprozess von Menschen mit Demenz wird professionelle Hände der Hospiz- und Altenpflege sowie auch der Krankenpflege übergeben. Diese Menschen und Einrichtungen sind aber häufig mit der Vielfalt der schweren Probleme, die im Verlauf des Sterbeprozesses von Dementen auftreten können, alleine gelassen. 3

4 Bedenkt: den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem der andren muss man leben! aus Memento nach Mascha Kaléko 4 Dr. Tamara Gehring- Vorbeck

5 Diskussionsgrundlage: Wann beginnt Sterben für Sie persönlich? 5

6 Jeder weiß es, keiner kann es erklären? 6

7 Also: Wann beginnt Sterben für Sie persönlich? 7 Finden Sie sich in Kleingruppen zu ca Personen zusammen und tauschen sich aus. Sammeln Sie bitte auf den blauen Kärtchen Ihre Ergebnisse. Bitte pro Kärtchen nur ein großes Stichwort!!

8 Zusammengefasst gesagt, Sterben beginnt,...wenn die Fakten anerkannt werden...wenn über diese Fakten gesprochen wird...wenn diese akzeptiert werden...wenn nichts mehr getan werden kann, um Leben erhalten...und beim Menschen mit Demenz???? zu 8 nach dem Soziologen G. Schmied: Sterben und Trauern in der modernen Gesellschaft (1988)

9 Darf ich nach einem selbstbestimmten Leben nicht auch einen selbstbestimmten Tod haben, statt als ein dem Gespött preisgegebenes Etwas zu sterben, das nur von fernher an mich erinnert? Walter Jens, in: Jens W., Küng H. (1995) Menschenwürdig sterben Zwei Tage nach Neujahr 2007 habe sein Vater in einem hellen Augenblick geäußert: "Ihr Lieben, es reicht. Mein Leben war lang und erfüllt. Aber jetzt will ich gehen." Niemand widersprach. Minuten schwiegen sich Mann und Frau, Vater und Sohn an. Plötzlich habe sein Vater gelächelt und gesagt: "Aber schön ist es doch!" Jens T. (2009) Demenz. Abschied von meinem Vater. S

10 Menschen mit Demenz sterben nicht an ihrer Demenz, sondern: mit ihrer Demenz????? Lassen Sie uns kontrovers diskutieren!! 10

11 Was weiß ein Mensch mit Demenz vom Sterben in seiner letzten Lebensphase? Was glauben Sie??? 11

12 Zusammengefasst: Was weiß ein Mensch mit Demenz vom Sterben in der der letzten Lebensphase? v Emotionalität nimmt zu, auch die emotionale Ansprechbarkeit v Demente lassen sich vermehrt irritieren, sind auch leichter durch das Verhalten anderer irritiert v Demenz und Sterben ist nicht zwangsläufig mit Leid und Leiden verbunden, zumindest für den davon selbst Betroffenen 12

13 Was bekommt ein dementer Mensch dann vom Sterben mit? Was glauben Sie??? Sammeln wir auf Zuruf stichwortartig!!! 13

14 Allgemein zusammengefasst: v Unsicherheit, Angst, Trauer und Verzweiflung der Angehörigen, der Pflegenden und anderer Begleiter v Symptome wie: Schmerzen, Durst, Schwankungen,... psychologische 14 v Es ist anzunehmen, dass Menschen mit Demenz die dem Sterben eigene Gefühlsqualität auch so empfinden.

15 Welche Aufgaben ergeben sich für Sie als professionell Begleitende daraus? Finden Sie sich in Kleingruppen zu 8-10 Personen zusammen und tauschen sich aus. Sammeln Sie bitte auf den grünen Kärtchen Ihre Ergebnisse! Bitte pro Kärtchen nur ein großes Stichwort!! 15

16 Welche Bedürfnisse haben demente Menschen im Sterben? Sammeln wir stichwortartig!!! 16

17 Zusammengefasst gesagt: Nicht von irgend jemanden begleitet zu werden, sondern von bekannten, geliebten Menschen Schmerzfreiheit Nicht ständig begleitet zu sein, sondern kontinuierlich; d.h. da zu sein, wenn notwendig und gewünscht Der Kontaktwunsch für die Sterbebegleitung soll vom Betroffenen ausgehen, nicht vom Begleiter 17

18 Weiterhin: Kontrolle über sich behalten, sich nicht der Fremdbestimmung unterwerfen Sozial integriert sein, nicht schon vorher den Tod erleiden sozialen Angenehmes Ambiente, Intimität muss immer möglich sein Kommunikation über das Sterben, wie auch immer geartet 18

19 Was können Sie als professionell Begleitende tun, um diese Bedürfnisse zu erfüllen? Finden Sie sich in Kleingruppen zu 8-10 Personen zusammen und tauschen sich aus. Sammeln Sie bitte auf den roten Kärtchen Ihre Ergebnisse. Bitte pro Kärtchen nur ein großes Stichwort!! 19

20 Sie erfüllen die wichtigsten psychischen Bedürfnisse Sterbender, wenn: Liebe: im Mittelpunkt steht bei der Bindung beachtet wird: primäre Bindungen sind lebensnotwendig Trost gespendet wird: wichtig besonders bei Verlusten Identität: Kontinuität des Selbst und der Person Beschäftigung möglich ist: je nach Interesse und Biographie 20 Einbeziehung: in ein soziales Leben und in die Gemeinschaft

21 Wie kann es gelingen? Welche Voraussetzungen benötigen Sie dafür? Finden Sie sich in Kleingruppen zu 8-10 Personen zusammen und tauschen sich aus. Sammeln Sie bitte auf den Kärtchen Ihre weißen Ergebnisse. Bitte pro Kärtchen nur ein großes Stichwort!! 21

22 Voraussetzungen für wertschätzendes, Miteinander mit Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase: v In- Sich- Ruhen v Stabilität in seiner eigenen Person haben v Empathie empfinden können v Ungezwungenheit in der Kontaktaufnahme anderen Menschen zu v Flexibilität im Umgehen und Akzeptanz v Belastbarkeit 22

23 Voraussetzungen für wertschätzendes, Miteinander mit Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase: v Sich schon vorher mit Demenz und auseinanderzusetzen v Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu werden Sterben v Angehörige und Betroffene sollen und müssen miteinander nachdenken, wie wird bei `uns gestorben 23

24 Mensch mit DEMENZ anstatt MENSCH mit Demenz 24

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27 Personen- und Themenzentrierter Ansatz nach Ruth C. Cohn: v Die Person des Dementen steht im Mittelpunkt Betrachtung, Kommunikation und Arbeit. von v Es werden nicht Defizite aufgezeigt, sondern mit Ressourcen gearbeitet. v Nicht die Demenz steht im Mittelpunkt, sondern Mensch der 27 v Nicht nur Funktionen sollen erhalten werden, sondern die Persönlichkeit und deren Person!

28 Prinzipien der Kommunikation sollten sein: v Das Prinzip des Hier und Jetzt v Das Prinzip der Authentizität v Das Prinzip der Partnerschaft in der pflegerischen Beziehung und auch im Miteinander v Das Einbeziehen des Körpers v Schaffen von Situationen die Veränderungen fördern 28

29 Ohne Hintergrundgeräusche von Radio oder Fernseher

30 Prinzipien der Kommunikation sollten sein: Ø Empathisch kommunizieren Ø Nicht wertend, sondern verstehend miteinander umgehen Ø Türöffner verwenden, wie Berührungen und basale Stimulation ganz allgemein 30 Ø Körperkontakt als Kommunikationsweg nutzen, nicht benutzen

31 Prinzipien der Kommunikation sollten sein: Ø Aufmerksames Zuhören, erkennen der sensiblen Welt des Dementen. Ø Vertritt Dich selbst: Ich, nicht wir oder, man. Ø Kurze Sätze, keine Möglichkeit von Wahlantworten geben. 31

32 Dinge erläutern Menschen: begleiten beruhigen vorbereiten Sicherheit und Orientierung geben Aufmerksamkeit erreichen Menschen: neugierig machen anregen fördern & fordern fragen locken & wecken Zuhören Antworten: annehmen hinnehmen Schweigen Menschen: Vertrauen schenken Nicht alleine lassen Lebensspanne des Menschen 32 Dr. Tamara Gehring-Vorbeck

33 Sterbebegleitung im Hier und Jetzt: Unterstützen, wertschätzen, informieren Im Dementen die Person und nicht das zu suchen Spirituelles Angebot Defizit Sicherheit und Halt vermitteln Den Menschen in der letzten Lebensphase seine eigene Rolle finden lassen 33

34 Was können Menschen mit Demenz uns bis zu Letzt geben? Kreativität Ehrliche und aufrichtige Momente Sie zeigen uns, was Mut ist Zeit Humor

35 Menschen mit Demenz wollen sich bis zum Lebensende mitteilen. Wir können ihnen helfen, wenn: Ø...wir uns Zeit nehmen Ø...wir sie dazu auffordern mit uns zu sein Ø...wir ihre Geschichten interpretieren Ø...wir ihr Verhalten interpretieren Ø...wir wachsam sind für ihre non- verbale Kommunikation und andere Wahrnehmung 35

36 Deswegen: J E T Z T Ja- Sagen zur eigenen Arbeit Engagement zeigen für Menschen und deren Sache Tolerant sein mit anderen und mit sich selbst Zupackend die schweren Aufgaben meistern Traurig sein, wenn einem danach ist 36 Dr. Tamara Gehring-Vorbeck

37 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

38 Wie äußern Menschen mit Demenz ihre Schmerzen in der letzten Lebensphase? 38

39 Kognitive Einschränkungen führen dazu: ü Unfähigkeit Schmerzen adäquat zu äußern ü andere Menschen grundsätzlich darauf aufmerksam zu machen zu können ü Schmerzen können vorhanden sein, ohne das der Betroffene Schmerzen sichtbar empfindet ü Schmerzen führen zu unspezifischen Veränderungen (Schonhaltungen) 39

40 Lautäußerungen: ü Weinen ü Nach jemandem/etwas Rufen ü Jammern ü 40

41 REDEN OHNE ZU SPRECHEN : ü Grimassen schneiden ü Angespannte Körperhaltung ü Geballte Fäuste 41 ü Abwehren der Pflegenden/Angehörigen und anderen Betreuenden ü Festhalten der Pflegenden/Angehörigen und anderen Betreuenden ü

42 Mögliche Reaktion der mit der Pflege betroffenen Menschen: Ø Vieles wird als störendes oder herausforderndes Verhalten gewertet. Ø Viele dieser Verhaltensweisen werden dem Fachbereich Neurologie zugeordnet und entsprechend medikamentös behandelt. 42 Ø Psychopharmaka/Neuroleptika sind keine Schmerzmittel, sie machen meist nur kommunikationsunfähiger!

43 Was tun Sie als Begleitende dagegen? Was tragen Sie im interdisziplinären Team zur Aufklärung bei? 43

44 ...und falls Sie morgen/übermorgen noch wissenshungrig sind oder diskutieren, anregen möchten: 44 Dr. Tamara Gehring-Vorbeck

45 45 Dr. Tamara Gehring-Vorbeck

46 Jetzt aber wirklich Danke!!

47 Verwendete Literatur Boes, Ch. : Kultursensible Pflege in : DeSS- Orien4ert 1/08, Seite 40 Gehring-Vorbeck, T/ Hollthoff, K..: Da Sein Demenz. Alter. Sterben. Engagement ist notwendig. Ein Wegweiser für Pflegende zur Begleitung von Menschen mit Demenz in ihrer letzten Lebensphase, Nürnberg 2011 Gehring-Vorbeck, T.: Wenn Menschen und Tage keine Stunden mehr zählen. Zur Besonderheit des letzten Lebensweges dementer Menschen in Altenhilfeeinrichtungen, Nürnberg 2011 Lay, R. : Ethik in der Pflege, Hannover 2004 Lay, R. : Ethik für Manager, Düsseldorf 1989 Schweitzer, A.: Gesammelte Werke, München 1974 Lundbeck Unternehmen ZNS: Alzheimerdemenz auf den Punkt gebracht, VDM Verlag, Michelstadt 2006, 3. Auflage Wetzstein, V. : Diagnose Alzheimer- Grundlagen einer Ethik der Demenz Wißmann,P./ Gronemeyer, R.: Demenz und Zivilgesellschaft eine Streitschrift 47

48 Interessant wären möglicherweise noch: Deutsche Alzheimer Gesellschaft: Wenn die Großmutter demenzkrank ist. Hilfen für Eltern und Kinder", Praxisreihe, Band 11, 1. Auflage 2010, 80 Seiten, Bestellungen: Deutsche Alzheimer Gesellschaft, id=39&no_cache=1#3 Stefanie Klott :Ich wollte für sie sorgen" Die Situation pflegender Söhne: Motivation, Herausforderungen und Bedürfnisse 271 Seiten, Elisabeth Bäsch: Mein Partner ist mir entrückt, mein Partner ist ver...rückt Von der Schwierigkeit, die Einsamkeit in einer Paarbeziehung auszuhalten, in der ein Partner eine Demenz entwickelt hat Grundsatzstellungnahme Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz S3-Leitlinie Demenzen Dr. Tamara Gehring-Vorbeck