Vortrag beim Verkehrsexpertentag der GUVU am in Bonn. Alkoholabstinenz in der Fahreignungsbeurteilung
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- Irmela Kneller
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1 Alkoholabstinenz in der Fahreignungsbeurteilung Vortrag beim Verkehrsexpertentag der GUVU am in Bonn
2 Inhalt 1. Abstinenznotwendigkeit 2. Abstinenzzeiten 3. Therapien und Karenzzeiten
3 1. Abstinenznotwendigkeit (1) Die Beurteilungskriterien sehen im Bereich Alkohol zwei Diagnosen vor, bei denen eine Abstinenz als Voraussetzung für eine positive Prognose zu fordern ist: beim Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, bei Alkoholkonsumenten, bei denen aufgrund der Lerngeschichte die Fähigkeit zum kontrollierten Trinken nicht mehr angenommen werden kann ( notwendiger Alkoholverzicht ).
4 1. Abstinenznotwendigkeit (2) Abhängigkeit Es liegt bereits die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit vor (z.b. in Form eines Entlassungsberichtes einer Fachklinik). Die Diagnose einer Abhängigkeit muss aufgrund der vorliegenden Befundlage im Rahmen der MPU vorgenommen werden (z.b. körperliche Befunde/eigene Angaben).
5 1. Süchtiges Verlangen. 2. Verminderte Kontrollfähigkeit. 3. Körperliches Entzugssyndrom. 4. Toleranzentwicklung. Abstinenznotwendigkeit (3) Abhängigkeit Gemäß Begutachtungs-Leitlinien ist die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit zu stellen, wenn mindestens 3 von 6 der folgenden Kriterien des ICD 10 innerhalb der letzten 12 Monate in klinisch relevanter Ausprägung erfüllt waren: 5. Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen. 6. Anhaltender Substanzkonsum trotz bewusster schädlicher Folgen.
6 Problem: Interpretationsspielraum hinsichtlich der Ausprägung der Merkmale, was ist klinisch relevant? Folgende drei Kriterien sind beispielsweise bei den meisten Alkoholauffälligen mit 2,0 Promille oder mehr erfüllt: - Toleranzentwicklung, Abstinenznotwendigkeit (4) Abhängigkeit - Vernachlässigung anderer Interessen, - verminderte Kontrollfähigkeit. Folgerung: bei der Diagnose Abhängigkeit alleine aufgrund der Anamnese/Untersuchungsbefunde im Rahmen der MPU ist eine sorgfältige Abwägung geboten.
7 Abstinenznotwendigkeit (5) Notwendiger Alkoholverzicht Hypothese H 2 (Beurteilungskriterien): Alkoholverzicht ist immer dann erforderlich, wenn aufgrund der Lerngeschichte anzunehmen ist, dass sich ein konsequent kontrollierter Umgang mit alkoholischen Getränken nicht erreichen lässt. [ ] Der Alkoholverzicht ist dabei insofern von der bei Abhängigkeit indizierten Alkoholabstinenz zu unterscheiden, als es sich um eine vernunftgeleitete Entscheidung für eine Erfolg versprechende Verhaltensstrategie zur Vermeidung einer alkoholisierten Verkehrsteilnahme handelt und nicht um eine aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen zwingend erforderliche Maßnahme.
8 Abstinenznotwendigkeit (6) Notwendiger Alkoholverzicht Entscheidend für die Diagnose eines notwendigen Alkoholverzichts ist das gesamte Befundbild und nicht einzelne Merkmale oder Indikatoren. Nur wenn sich mehrere Indikatoren zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammensetzen, ist ein dauerhafter Alkoholverzicht als Voraussetzung für eine positive Prognose zu fordern.
9 Abstinenzzeiten (1) DIAGNOSE/ Hypothese H2: notwendiger Alkoholverzicht H1: Alkoholabhängigkeit REGEL- ANFORDERUNG i.d.r. ein Jahr nach Entwöhnung i.d.r. ein Jahr ABWEICHUNG/SONDERSITUATIONEN (ggf. Abweichungsbegründung erforderlich) nach stationärer Therapie: auch in besonders günstigen Fällen keinesfalls weniger als 6 Monate (A 1.6 N, 11.) bei ambulanter Therapie: nicht weniger als 6 Monate nach der ambulanten Therapiephase (A 1.6 N, 12.) ohne Entwöhnung: i.d.r. länger als ein Jahr (A 1.6 N, 13.) frühestens nach 6 Monaten (A 2.3 N, 5.) wenn eine psychologische Maßnahme zum Verzicht motiviert hat, nicht weniger als sechs Monate nach Beendigung der Maßnahme (A 2.3 N, 6.)
10 Abstinenzzeiten (2) Die genannten Mindestzeiträume stellen nicht den Regelfall dar, sondern beziehen sich auf besonders positiv gelagerte Fälle. Im Regelfall sollte auch die Regelfalldauer eingehalten werden. Für eine positive Prognose insbesondere bei kurzen Abstinenzzeiträumen ist es u.a. erforderlich, - dass eine ausreichende Erprobung der alkoholfreien Lebensführung erfolgt ist, - dass ein besonderer Zugewinn an neuen Kompetenzen (z.b. Problembewältigungsstrategien) ersichtlich wird, - dass eine besonders hohe intrinsische Motivation zur Abstinenz besteht, - dass voraussichtlich wirksame individuelle Rückfallvermeidungsstrategien bestehen.
11 Karenzzeiten (1) Alkoholabhängigkeit Nach Abschluss von Entwöhnungstherapien sind Karenzzeiten (Erprobung der Abstinenz ohne regelmäßige therapeutische Unterstützung) erforderlich. Bei Alkoholabhängigkeit ist gemäß Begutachtungs-Leitlinien im Regelfall ein Jahr nach der Entwöhnungsbehandlung Abstinenz einzuhalten, bevor eine positive Prognose erfolgen kann. Ein Sonderfall liegt bei ambulanter Entwöhnungsbehandlung vor, dort ist gemäß Beurteilungskriterien nur ein weiteres ½ Jahr Abstinenzzeit nach Beendigung der Therapie erforderlich.
12 Karenzzeiten (2) Alkoholabhängigkeit Abgrenzung: Therapie/Nachsorge Während bei der laufenden ambulanten Therapie von mindestens einer Therapiesitzung pro Woche ausgegangen wird, findet bei der Nachsorge kein intensiver Kontakt mehr statt (z.b. eine Sitzung im Monat oder nur bei Bedarf). Der therapeutische Teil der Maßnahme muss i.d.r. abgeschlossen sein, bevor die Erprobungszeit zählt. Der Betroffene soll sich darin bewähren, die in der Therapie erarbeiteten neuen Verhaltensstrategien auch ohne regelmäßige Unterstützung durch den Therapeuten zu erproben.
13 Karenzzeiten (3) Alkoholabhängigkeit Bei Betrachtung ambulanter Entwöhnungstherapien sind folgende Gesichtspunkte für die Einzelfallentscheidung der Gutachter von besonderer Bedeutung: - gute Abstinenzfähigkeit des Betroffenen bereits zu Beginn der Maßnahme im Gegensatz zu stationären Therapien, - hohe Beanspruchung durch fortbestehende Alltagsbelastungen und zusätzlich durch die laufende Therapie. Eine Erprobung der Abstinenz und der neuen Handlungskompetenzen erfolgt also in gewissem Maße bereits während der Maßnahme, was im Einzelfall ebenso positiv zu berücksichtigen ist, wie (belegte) Abstinenzzeiten vor Therapiebeginn.
14 Karenzzeiten (4) Notwendiger Alkoholverzicht Bei einer unterstützenden psychologischen Maßnahme, die zum Alkoholverzicht motiviert hat sollte ein ausreichend langer Zeitraum ohne regelmäßige therapeutischen Kontakt vorliegen, mindestens ½ Jahr (gem. Beurteilungskriterien, A 2.3 N, 6.). Eine Karenzzeit nach Beendigung der therapeutischen Maßnahme muss demnach im Einzelfall aber nicht zwingend gefordert werden, wenn - der Betroffene bereits vor der psychologischen Maßnahme aufgrund einer intrinsischen Motivation die Abstinenz begonnen hat (z.b. direkt nach der Trunkenheitsfahrt, ½ Jahr vor der Maßnahme),
15 Karenzzeiten (5) Notwendiger Alkoholverzicht Eine Karenzzeit nach Beendigung der therapeutischen Maßnahme muss demnach im Einzelfall nicht zwingend gefordert werden, wenn - die psychologische Maßnahme für die letzten mindestens 6 Monate eher den Charakter eine Nachsorge hatte, d. h. keine intensive Betreuung stattgefunden hat, - die psychologische Maßnahme nicht zur Stützung der Abstinenzmotivation, sondern lediglich zur Behebung von Erkenntnis- und Einstellungsmängeln diente.
16 Karenzzeiten (6) Zusammenfassung Nachsorge dient der Rückfallprophylaxe und ist nicht zur Therapie, sondern zur Erprobungszeit der Abstinenz zu zählen. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe stellt z.b. eine dauerhafte Nachsorgemaßnahme dar. Kein Gutachter würde ernsthaft die Beendigung des Gruppenbesuches fordern, damit sich zeigt, ob der Betroffene auch ohne fremde Hilfe in der Lage ist, die Abstinenz beizubehalten. Voraussetzung für eine günstige Verhaltensprognose sollte sein, dass der Gutachter beim Betroffenen eine ausreichende lange erfolgreiche Erprobung von geändertem Verhalten unter Alltagsbedingungen feststellen kann.
17 Karenzzeiten (7) Zusammenfassung Forderung: Gerade bei der Beurteilung von Abstinenz und deren Stabilität sollte die Aufgabe der Gutachter nicht darin bestehen, einzelne Indikatoren der Beurteilungskriterien wörtlich abzuprüfen, sondern orientierend an den Vorgaben der Kriterien eine dem Einzelfall tatsächlich angemessene Verhaltensprognose aufgrund der gesamten Befundkonstellation zu stellen.
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