Überblick über das Beschaffungsrecht aus Sicht der Vergabebehörde
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- Johanna Martin
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1 Überblick über das Beschaffungsrecht aus Sicht der Vergabebehörde lic. iur. Judith Lipp Rechtsdienst Finanzdepartement Kanton Luzern Inhalt 1. Aufgabe und Wirkung des Beschaffungsrechts 2. Kurzüberblick über die gesetzlichen Grundlagen 3. Unterstehen die Landeskirche und die Kirchgemeinden dem öffentlichen Beschaffungsrecht? 4. Welche Aufträge unterstehen dem Beschaffungsrecht? 5. Verfahrensarten, Wahl des Verfahrens, Schwellenwerte 6. Überblick über den Ablauf des offenen Verfahrens 7. Spotlights auf einzelne Punkte 8. Überblick über die übrigen Verfahrensarten 9. Zuständigkeiten 10. Rechtsschutz / Rechtsfolgen 101
2 1. Aufgabe und Wirkung des Beschaffungsrechts Vergabebehörde Ausgangslage: make-or-buy-entscheid Schnittstelle Staat - Wirtschaft eingeschränkte Vertragsfreiheit Anbieterinnen Marktzugang Sicherstellung Wettbewerb Rechtsschutz Evaluationsverfahren Sicherstellung Fairness (Gleichbehandlung) und Transparenz im Verfahren 2. Gesetzliche Grundlagen GATT/WTO- Übereinkommen GPA rev. GPA verabschiedet Ratifizierung CH erst nach Anpassung von Bundes- und Kantonsrecht Bilaterales Abkommen CH- EU Binnenmarktgesetz Luzern Kantone Revision im Gange Anpassung an rev. GPA Interkant.Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen / Gesetz über die öffentlichen Beschaffungen Vergaberichtlinien InöB Bund Revision im Gange Anpassung an rev. GPA Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen Verordnung zum Gesetz über die öffentlichen Beschaffungen 7. Dezember
3 3.1 Unterstellung der Kirchgemeinden/Landeskirche: rechtliche Beurteilung Staatsvertragsbereich Art. 8 Abs. 1a IVöB Gemeinden? nein Einrichtungen des öffentlichen Rechts? nein Binnenbereich Art. 8 Abs. 2a IVöB 1 Abs. 2a und b öbg Art. 8 Abs. 2b IVöB 1 Unterabs. b öbv Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben? subventionierte Auftraggeber? im Bereich der Erfüllung von staatlichen Aufgaben im Einzelfall zutreffend 3.2 Unterstellung der Kirchgemeinden/Landeskirche Rechtsgutachten (KG Malters): keine Unterstellung im Staatsvertragsbereich im Binnenbereich gewisse Situationen, wo Unterstellung gegeben (Erfüllung staatlicher Aufgaben, subventionierte Aufträge) in verschiedenen Kantonen unterschiedliche Situationen ja: ZH, AG, BE, JU, TE, VD / nein: SG, TG vom Kantonsgericht für Kt. Luzern bisher nicht entschieden alte Kantonsverfassung, altes Gemeindegesetz, IVöB in Fassung von 1994 integrale Unterstellung gegeben Aufhebung der integralen Unterstellung infolge Rechtsänderungen gewollt? vermutlich nein Frage nicht abschliessend geklärt 103
4 3.3 Gründe für die sinngemässe Anwendung des Beschaffungsrechts Rechtslage bisher nicht definitiv geklärt im landeskirchlichen Recht keine Regelung vorhanden kantonales Verfahrensrecht ist ergänzend anwendbar ( 41 Abs. 2 KV) Verwendung von (Kirchen-)Steuergeldern fordert wirtschaftlichen Einsatz Einhaltung eines fairen und transparenten Verfahrens (Gebot von Treu und Glauben, 22 Kirchenverfassung) Sicherstellung Wettbewerb ermöglicht Rechtsschutz 4.1 Unterstellte Aufträge "öffentlicher Auftrag" oder "öffentliche Beschaffung" öffentliche Auftraggeberin Landeskirche, Kirchgemeinde Erfüllung öffentlicher Aufgaben Aufgaben der Landeskirche ( 6, 7 Kirchenverfassung) Aufgaben der Kirchgemeinden ( 5 KGG) zweiseitiger Vertrag mit Wirtschaftsteilnehmer Bau-, Sach- oder Dienstleistung Entgelt, Vergütung 104
5 4.2 Beispiele Abgabe eines Grundstücks im Baurecht für Wohnungsbau Abgabe des Baurechts an Investor gegen Entrichtung Baurechtszins Investor baut und vermietet/verkauft auf eigenes Risiko die erstellten Wohnungen nein Bau eines Pfarreiheims durch Investor Investor finanziert und baut Pfarreiheim auf Grundstück der KG KG verpflichtet sich vorher zur langfristigen Miete des Pfarreiheims ja Miete von Räumlichkeiten für Religionsunterricht KG mietet auf freiem Markt Räumlichkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgabe der Verkündigung des Glaubens nein 5.1 Verfahrensarten / Wahl des Verfahrens / Schwellenwerte Bestimmung der Auftragsart Bau Lieferung Dienstleistung Bestimmung des Auftragswertes Staatsvertragsbereich 8'700 > 500 / Binnenbereich > > 250 Offenes / Selektives Verfahren / Einladungsverfahren < 300 / 150 < 100 < 150 Freihändige Vergabe 105
6 5.2 Bestimmung des Auftragswertes Grundsatz ( 2 Abs. 1 öbv): Geschätzter Wert eines Auftrags jede Art von Vergütung, ohne MwSt. Anhaltspunkt: Budgetierung vorsichtige Schätzung Besondere Wertberechnung ( 3 öbv): Vertrag mit bestimmter Dauer: Gesamtwert Vertrag mit unbestimmter Dauer: monatliche Rate x 48 / jährliche Rate x 4 Teilleistungen (Lose) sind zusammenzurechnen Beschaffung mit Option auf freihändige Folgeaufträge: Gesamtwert 5.3 Zerstückelungsverbot 2 Abs. 3 öbv: Eine Beschaffung darf nicht aufgeteilt werden in der Absicht, die Vergabevorschriften zu umgehen. sachlicher Zusammenhang = ein wirtschaftlich denkender Auftraggeber würde die eine Leistung nicht ohne die andere von einem Auftragnehmer beschaffen 106
7 5.4 Ausnahmetatbestände = freihändige Vergabe auch über den massgeblichen Schwellenwerten wichtigste Ausnahmetatbestände im Überblick lit. a Dringlichkeit aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse ("Notmassnahme") lit. b technische, künstlerische Besonderheit oder Schutz geistigen Eigentums es gibt nur eine Anbieterin, keine angemessene Alternative lit. d Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen an einstige Anbieterin, wenn nur dadurch Austauschbarkeit gewährleistet lit. f Folgebeschaffung zu Grundbeschaffung, welche im offenen oder Einladungsverfahren vergeben wurde Hinweis in Grundausschreibung lit. i, ungeeignete oder ungültige Angebote in offenem Verfahren oder k Einladungsverfahren eingegangen 6. Ablauf offenes Verfahren Erstellung Ausschreibungsunterlagen Ausschreibungsf rist Mindestangaben: 8 öbv geforderte Leistung genau umschreiben entscheidend für gutes Ergebnis im Kantonsblatt simap.ch Anforderung der Unterlagen Frist für Fragestellung Beantwortung (anonymisiert an alle) strenge Fristigkeit verschlossener Umschlag durch 2 Beauftragte der Auftraggeberin Erfassung Namen, Endsummen Teilnahme Anbieterinnen kostenlose Aushändigung Evaluation Offertbereinigung Offertbewertung Rechtsmittelfrist Ausschlussgründe Bewertung verbleibender gegeben? Offerten gem. ZK Klärung des Offertinhalts: evtl. Offertpräsentation - richtige Angaben vermutet - Erläuterungen - A. ungewöhnlich niedrig Verfügung Zustellung an alle Anbieter verpflichtet nicht zu Vertragsabschluss 10 Tage ab Eingang Verfügung parallel Vertragsverhandlungen möglich erst nach Ablauf der RM-Frist 107
8 7.1 Eignungskriterien Vergabegrundsätze 4 öbg: Einhaltung öff.-rechtl. Verpflichtungen (Abgaben, Steuern, Sozialleistungen) Einhaltung Arbeitsbestimmungen inkl. Arbeitsschutz Gleichbehandlung von Mann und Frau Gesetzliche Ausschlussgründe: unvollständiges Angebot abgeändertes Angebot verspätete Eingabe Konkurs- oder Nachlassverfahren Wettbewerbsabsprachen = Kriterien, mit welchem die Eignung des Anbieters hinsichtlich dessen wirtschaftlicher, finanzieller, technischer, personeller und organisatorischer Leistungsfähigkeit geprüft werden z.b. Vorgaben Referenzprojekte Vorgaben Anzahl Angestellte Nachweis Qualitätsmanagement Vorgaben Gesellschaftskapital erfüllt JA / NEIN Ausschluss direkter Ausschluss durch Ausschlussverfügung impliziter Ausschluss mit Zuschlagsverfügung 7.2 Zuschlagskriterien = Bewertungskriterien für die Eruierung des Angebots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis Bekanntgabe (inkl. Gewichtung) in Ausschreibungsunterlagen grosser Ermessensspielraum bei Festlegung und Gewichtung auf Angebotsleistung bezogen keine vergabefremde Kriterien ( Allgemeininteresse) unzulässig: Ortsansässigkeit, Wertschöpfung CH, umstritten: Transportwege, umweltfreundliche Produktionsbedingungen zulässig: Lehrlingskriterium (untergeordnet) Immer: Preis Gewichtung mind. 20 Prozent 108
9 7.3 weitere Hinweise Verhandlungsverbot ( 23 öbg) keine Preisabgebotsrunden keine Verhandlungen über Preise und damit zusammenhängende Änderungen des Leistungsinhalts Gleichbehandlung der Anbieter ( 3 öbg) u.a. Festlegung einheitlicher Fristen keine einseitigen Informationen Vorgabe gleicher Teilnahmebedingungen keine Vorbefassung 8.1 Selektives Verfahren 1. Stufe Antrag auf Teilnahme = zweistufiges offenes Verfahren Auswahl der geeigneten Anbieter "Ausschreibung" Eignungskriterien Möglichkeit, Anzahl der Teilnehmer zu beschränken Teilnahmeverfügung mit Rechtsschutz 2. Stufe Erstellung Angebot Evaluation Angebote nur "zugelassene" Anbieter analog offenes Verfahren 109
10 8.2 Einladungsverfahren wie offenes Verfahren Ausschreibungsunterlagen Zuschlagskriterien Zuschlag als Verfügung Rechtsschutz aber: keine Publikation Anbieterkreis selber bestimmbar in der Regel mindestens 3 Anbieter Verzicht auf Eignungskriterien möglich 8.3 freihändige Vergabe Vergabe ("Zuschlag") direkt durch Vertragsabschluss kein direkter Rechtsschutz Abwechslung unter den Anbieterinnen Einhaltung der Vergabegrundsätze Einholen von Konkurrenzofferten zulässig - maximal 3 - Prüfung anhand vorgängig festgelegter Kriterien - keine Preisabgebotsrunden 110
11 8.4 Wettbewerbe Wettbewerbe sind im offenen oder selektiven Verfahren durchzuführen Auftraggeberin regelt Wettbewerbsverfahren selber Regelung von Fachverbänden (SIA), soweit nicht öbg/öbv widersprechend Berücksichtigung insbesondere der Vorgaben von 25 ff. öbv: Bestimmungen zu Preisgericht, Rangierung und Preise, Urheberrecht, Ansprüche aus Wettbewerb. 9. Zuständigkeiten Verfahrensart Regelungen öbg Landeskirche Kirchgemeinden offenes Regierungsrat Synodalrat Kirchenrat Verfahren Einladungsverfahren Departemente???? freihändige Vergabe Dienststellen???? 21a Abs. 2 öbv: Gemeinden und andere Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben bezeichnen die für die Vergabe zuständige Stelle Landeskirche und Kirchgemeinden können selber bestimmen für offenes Verfahren analog öbg die entsprechende Exekutive Orientierung an Vertragsabschlusskompetenzen, insbesondere für freihändige Vergabe 111
12 10.1 Rechtsschutz Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Kantonsgericht Anfechtungsgegenstand: Ausschreibungsunterlagen Mängel in Ausschreibungsunterlagen (z.b. Verstoss gegen Gleichbehandlung der Anbieterinnen) müssen sofort angefochten werden, nicht erst beim Zuschlag Zuschlag Beschwerdelegitimation, wenn Chance auf Zuschlag gegeben Ausschluss Anfechtung Ausschlussverfügung oder Zuschlag, wenn impliziter Ausschluss Auswahl der Teilnehmer bei selektivem Verfahren Wahl des Verfahrens insbesondere auch bei Wahl der freihändigen Vergabe 10.2 Folgen bei beschaffungsrechtwidriger Vergabe Rechtsfolgen: Aufhebung der angefochtenen Verfügung Neuevaluation, evtl. erneute Durchführung des Vergabeverfahrens nach Vertragsabschluss: Schadenersatz Begrenzung auf unmittelbare Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Vergabe- und RM-Verfahren Tragung von Verfahrens- und Parteikosten weitere Folgen: Reputationsschäden 112
13 Unterlagen zum Download auf der Homepage Angebote/Hilfsmittel ->Publikationen Kursunterlagen / Leitfäden 113
14 Thema: Referent / Referentin: Überblick über das Beschaffungsrecht aus der Sicht der Vergabebehörde lic. iur. Judith Lipp, Rechtsdienst Finanzdepartement Referenzen: - Peter Galli, André Moser, Elisabeth Lang, Marc Steiner: Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage, Zürich 2013 Links: - Webseite BUWD zum Beschaffungswesen: - Webseite Kt. Zürich zum Beschaffungswesen: - Beschaffungskonferenz des Bundes: Bitte beachten Sie jedoch die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen in den anderen Kantonen bzw. beim Bund. 115
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