Landschaftsbildbewertung bei Windkraftanlagen auf Waldstandorten Stand und Perspektiven aus deutscher Sicht
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- Silvia Maus
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1 Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Fakultät Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung Fachgebiet Landschaftsplanung, insbesondere Landschaftsinformatik Landschaftsbildbewertung Stand und Perspektiven aus deutscher Sicht Prof. Dr. Michael Roth Länderübergreifende Fachtagung Naturschutzfachliche Aspekte bei der Errichtung von Windkraftanlagen auf Waldstandorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, München,
2 Gliederung 1. Rechtlicher Rahmen der Landschaftsbildbewertung in Deutschland 2. Kriterien und Methoden zur Landschaftsbildbewertung 3. Besonderheiten der Landschaftsbildbewertung im Wald 4. Eingriffsbewertung für Windkraftanlagen im Wald Visualisierung von Windkraftanlagen im Wald Minimierung von Eingriffen durch Windkraftanlagen im Wald 5. Bezug zu Erholung/Tourismus 6. Fazit 2
3 Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege Bundesnaturschutzgesetz 1, Abs. 1: Natur und Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich [ ] so zu schützen, dass [ ] die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind. 4
4 Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege Bundesnaturschutzgesetz 1, Abs. 4: Zur dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft sind insbesondere 1. Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften [ ] vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren, 2. zum Zweck der Erholung in der freien Landschaft nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignete Flächen vor allem im besiedelten und siedlungsnahen Bereich zu schützen und zugänglich zu machen. 5
5 Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege Bundesnaturschutzgesetz 1, Abs. 5: Großflächige, weitgehend unzerschnittene Landschaftsräume sind vor weiterer Zerschneidung zu bewahren. Bundesnaturschutzgesetz 1, Abs. 6: Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich einschließlich ihrer Bestandteile, wie [ ] Wälder und Waldränder [ ] sind zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, neu zu schaffen. 6
6 Begriffsdefinitionen im Bundesnaturschutzgesetz Begriff Landschaftsbild im BNatSchG nicht definiert Erholung ( 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG): natur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden;
7 Landschaftsplanung zur Umsetzung der Ziele Aufgaben und Inhalte der Landschaftsplanung ( 9 Abs. 3 BNatSchG): Erfordernisse und Maßnahmen [ ] zur Erhaltung und Entwicklung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft
8 Eingriffsregelung und Landschaftsbild Allgemeiner Grundsatz ( 13 BNatSchG): Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden. Nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen sind durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren. Eingriffsdefinition ( 14 BNatSchG): Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen [ ], die [ ] das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. 9
9 Rechtlicher Bewertungsmaßstab In der Rechtsprechung wird der Maßstab des gebildeten, gegenüber der Schönheit von Natur- und Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters angelegt Ziel: keine zu stark subjektiv geprägte Bewertung Weder extrem unsensible Personen als Maßstab, noch extrem empfindliche
10 Schutzgebiete und Landschaftsbild 23 BNatSchG Naturschutzgebiete: wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit 24 BNatSchG Nationale Naturmonumente: die wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit von herausragender Bedeutung sind. 11
11 Schutzgebiete und Landschaftsbild 26 BNatSchG Landschaftsschutzgebiete: wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung. 28 BNatSchG Naturdenkmäler: wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit. 29 BNatSchG Geschützte Landschaftsbestandteile: zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- oder Landschaftsbildes 12
12 Landschaftsbild im Bundeswaldgesetz 1 BWaldG Gesetzeszweck: Zweck dieses Gesetzes ist insbesondere, 1. den Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für [ ] das Landschaftsbild [ ] und die Erholung der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern 13
13 Landschaftsbild: Theoretisches Konzept Objektebene (physische) Landschaft mit den bildauslösenden Landschaftskomponenten (Relief, Vegetation, Wasser, Landnutzung, Gebäude, etc.) Bildebene Landschaftsbild (ästhetisch-symbolisch interpretiertes Erscheinungsbild der Landschaft) Subjektebene Betrachter in seiner subjektiven Befindlichkeit (Erfahrungen, Erwartungen, Bedürfnisse, Hoffnungen, Ängste, Werte, Visionen, etc.) Nohl, 2001, S. 44, verändert 14
14 Landschaftsbildbewertung: Bewertungskriterien BNatSchG: Vielfalt, Eigenart und Schönheit Planungspraxis: Schönheit oft durch Naturnähe substituiert Ästhetische Bedürfnisse und vorästhetische Landschaftsqualitäten (Nohl 2001): - Bedürfnis nach Information über die Landschaft - Bedürfnis nach Orientierung in der Landschaft - Bedürfnis nach Lesbarkeit der Landschaft - Bedürfnis nach Freiheit - Bedürfnis nach Heimat - Vielfalt - Gliederung - Ferne - Naturnähe - Eigenart - Schönheit??? 15
15 Gliederung der Landschaftsbildbewertungsverfahren Nutzerunabhängige Expertenbewertung Nutzerabhängige Laienbewertung 16
16 Experte oder aufgeschlossener Durchschnittsbetrachter Vergleich der Bewertung ohne WKA (blau) und mit WKA (rot) N = 23 (Experten) für beide Bilder: M. Roth,
17 Partizipation/Empirie früh im Planungsprozess Demokratische Erfassung von Landschaftsbildbewertungen in Workshops und Öffentlichkeitsterminen Direktes Feedback Ergebnisdiskussion 18
18 Landschaftsbildbewertung im Internet Validierung leitbildgestützter Indikatorenmodelle mit empirischen Online-Landschaftsbildbewertungen (Roth 2012, 2013) 19
19 Welches ist der schönere Wald? Kriterium abwechslungsreich charakteristisch Studierende (ARS) Experten (ARS) Laien (online) Buche Fichte Buche Fichte Buche Fichte 4,80 6,76 schön 8,04 natürlich 7,63 2,52 (-2,28) 5,28 (-1,48) 5,04 (-3,00) 4,16 (-3,47) (1 = trifft überhaupt nicht zu; 9 = trifft voll und ganz zu) 20 4,96 7,13 7,59 7,70 3,32 (-1,64) 5,17 (-1,96) 4,39 (-3,20) 3,86 (-3,84) 4,96 6,77 7,64 7,73 4,17 (-0,79) 6,07 (-0,70) 6,62 (-1,02) 6,90 (-0,83)
20 Internetumfrage zu verschiedenen Waldtypen 21
21 Material & Methoden Panoramabilder für jede Landschaft Web-Umfrage für 6 ½ Monate online Teilnehmer, Bewertungen Teilnehmer repräsentativ über Deutschland verteilt Teilstichprobe mit 22 Waldlandschaften Expertenbewertung (örtl. Landschaftsplan) existieren für alle bewerteten Landschaften N = 860 Bewertungen nach 9 Kriterien, durchgeführt von 390 Teilnehmern 22
22 Landschaftsbildbewertung Beispiele der enthaltenen Waldlandschaftsbilder Buchenwald mit Sandsteinblöcken Sukzession auf Kahlschlagfläche 23
23 Landschaftsbildbewertung Beispiele der enthaltenen Waldlandschaftsbilder Fichtenforst (Monokultur) Mischwald mit Unterwuchs 24
24 Ergebnisse 25
25 Laien (Web-Umfrage) vs. Experten (Web-Umfrage) p < < eta² < 0.05 p >
26 Laien (Web-Umfrage) vs. Experten (Landschaftspläne) Zwei Landschaftsbildbewertungsmethoden (Leitl 1997, Bielefeld 1990) Jede in 3 örtlichen Landschaftsplänen angewendet Schwache positive und höchst signifikante Korrelation zwischen Laien- und Expertenbewertung für beide Methoden Absolute Korrelationswerte zwischen 0,144 and 0,339 Einzelnes Expertenurteil kann empirische Daten zur Waldlandschaftsbildbewertung in der Planung nicht ersetzen 27
27 Empirische Validierung von Theorien zur Waldästhetik Buchenwald vs. Fichtenforst in der Literatur zur Waldästhetik Waldtyp Buchenwald Autor Heinrich von Salisch (1885): Forstästhetik Die schönsten deutschen Wälder liefert uns die Buche Wilhelm Stölb (2005): Waldästhetik Zu jeder Jahreszeit liefern alte Buchenwälder wunderbare Walderlebnisse. Fichtenforst Obwohl die Fichte verschiedene Erscheinungsformen haben kann, gibt es nichts monotoneres als Fichtenkulturen des selben Alters und Fichtendickungen. Trockene Äste und Fichtenwälder gehöhren zusammen; Sie haben ein negative Image gemeinsam. 28
28 Empirische Validierung von Waldästhetik-Theorien Buchenwald vs. Fichtenwald p < < eta² <
29 Zwischenfazit Wald-Landschaftsbildbewertung Einzelne Expertenbewertungen bilden NICHT das Landschaftsempfinden und die Landschaftsbildbewertung der Allgemeinheit ab Empirische Landschaftsbildbewertungen verlässlicher Stichproben lassen sich mit verschiedenen Methoden praxistauglich erfassen Verschiedene Wald-Landschaftsbilder werden in ihrer ästhetischen Bewertung deutlich differenziert Wald wird im Verhältnis zu Offenland hinsichtlich des Landschaftsbildes tendenziell höher bewertet 30
30 Eingriffsbewertung Landschaftsbild Wirkräume/-zonen Wirkzonen nach Nohl (1993) 5000 m Projektbeispiel Saarbrücken GIS-Analyse 31
31 Eingriffsbewertung Landschaftsbild Wirkfaktoren Neue Kontraste Harmonie, Schönheit Sichtbarer Landschaftswandel Eigenart Veränderte Dominanz Information, Lesbarkeit, Eigenart Horizontbrechung Gliederung Technische Überformung wahrgenommene Naturnähe Lärm Ruhe Uniformisierung Vielfalt Verspargelung, Horizontverschmutzung, Belastung Schönheit 32
32 Visualisierung von Windkraftanlagen im Wald Korrekte Visualisierung Visualisierung der Bürgerinitiative 33
33 GIS-basierte Visualisierung Foto Standort Simulation im GIS Fotomontage 34
34 Interaktive GIS-basierte Visualisierung Projekt Dezent Zivil, Visualisierung Lenné3D 35
35 Minderung Standortwahl!!! Windenergieerlass NRW: Verringerung der Anlagenzahl mit größeren Abständen untereinander geringere Drehzahl der Rotoren Ersatz von Altanlagen mit reflektierender Farbgebung, unterschiedlicher Rotordrehrichtung und -drehzahl, verschiedenen Bauhöhen etc. durch Neuanlagen mit einheitlicher Anlagengröße, Farbgebung, Rotordrehzahl und -drehrichtung Arbeitshilfe NLT Aufstellung nicht in Reihe, sondern flächenhaft konzentriert Reduzierung der Befeuerung Übereinstimmung von Anlagen hinsichtlich Höhe, Typ, Laufrichtung und -geschwindigkeit Bevorzugung von Anlagen mit geringer Umdrehungszahl, möglichst synchroner Lauf angepasste Farbgebung, Vermeidung ungebrochener und leuchtender Farben Konzentration von Nebenanlagen 36
36 Exkurs: Minderung von Eingriffen in das Landschaftsbild Hohes Potential zur Kontrast- und Eingriffsminderung durch Camouflage-Techniken 37
37 Minderung von Kontrasten Bildquelle: eigene Modifikationen 38
38 Zum Verhältnis Landschaftsbild / Erholung Nach Breuer (1991: 60) besteht der gesetzliche Auftrag im Schutz des Landschaftsbildes u.a. für die Erholung, d.h. der Schutz der der natur- und landschaftsbezogenen Erholungseignung und nicht der Schutz der Erholungsnutzung selbst oder etwa einer Einrichtung zur Erholungsnutzung. Damit ist nur die Erholungsvorsorge (als Teil der Daseinsvorsorge) Teil des gesetzlichen Naturschutzauftrags und nicht etwa die Erholungsplanung. 39
39 Fazit Waldästhetik gibt es als akademisches Feld seit über 130 Jahren Wälder haben eine herausragende Bedeutung für das Landschaftsbild und die Erholung Valide, objektive und reliable Ansätze zur Landschaftsbildbewertung existieren Die Hochschulausbildung und die Praxis hinken dem vorhandenen Stand von Wissenschaft und Technik hinterher Windkraft im Wald fordert bisweilen eine Anpassung gängiger Theorien, Methoden und Kriterien zur Landschaftsbildbewertung Grundlagenwissen fehlt teilweise noch Gute, wissenschaftlich korrekte, in der Öffentlichkeit akzeptierte Visualisierungen sind essentiell Minderungsmaßnahmen sind möglich 40
40 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Michael Roth Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Fakultät Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung Mitglied im Institut für Landschaft und Umwelt (ILU) 41
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