DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE
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- Kirsten Kohler
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1 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE YURI TSCHINKEL 1. Der Giftschrank Im Giftschrank der Bibliothek des Mathematischen Instituts in der Bunsenstrasse stehen 29 Ba nde der Protokolle - Aufzeichnungen der Seminare, die von Felix Klein geleitet wurden: 40 Jahre, mehr als 8000 Seiten, nicht nur u ber Mathematik, sondern auch Mechanik, Astronomie, Geoda sie, Hydrodynamik, Elektrizita t, und in spa teren Jahren, Psychologie, Philosophie und Pa dagogik. Diese Protokolle, und auch andere, u ber Klein, werden hier vorgestellt. Figure 1. Die Protokolle 1
2 2 YURI TSCHINKEL 2. Aus der Biographie Felix Klein wurde am in Düsseldorf geboren. Aus der Autobiographie [4] erfahren wir über seinen Vater: alt-preußisch protestantische Gesinnung,... zäher Wille, nie nachlassender Fleiß, nüchterner Wirklichkeitssinn, unbedingte Zuverlässigkeit; und über seine Mutter: heiterer Natur und von größerer Beweglichkeit der Auffassung als der Vater. Kurz nach Klein s Promotion 1868 in Bonn starb sein Doktorvater Plücker. Die Herausgabe dessen Neue Geometrie des Raumes übernam der Göttinger Clebsch, der seinerseits diese Aufgabe an Klein weiterreichte. Also wurde Klein nach Göttingen geholt, wo für ihn eine Zeit beglückender wissenschaftlicher Begeisterung einsetzte. Diese war von kurzer Dauer: So ging ich entgegen dem Wunsche von Clebsch, der mir genauso wie früher Plücker von diesem Plane abgeraten hatte, schon im Herbst 1869 nach Berlin, wo eine ganz andere mathematische Richtung herrschte als die, welche ich bisher kennen gelernt hatte.... Für den Sommer 1870 ging ich mit meinem Freunde Lie zusammen nach Paris. Den folgenden Winter wollten wir dann in England zubringen, was aber der einsetzende Krieg vereitelt hat. Dieser Drang nach möglichster Weite der wissenschaftlichen Auffassung, dem auch eine Kenntnis der ausländischen Leistungen wichtig erschien, fand damals in Deutschland nur wenig Verständnis. So bekam ich z.b., als ich mich in Berlin auf Drängen meines Vaters im Kulturministerium um Empfehlungsschreiben bemühte, die offizielle Antwort: Wir bedürfen keiner französischen oder englischen Mathematik. Der Krieg überraschte Klein in Paris. Er beeilte sich zurück nach Deutschland, um in das preußische Heer einzutreten. Nach kurzem Militärdienst habilitierte er 1871 in Göttingen, und erhielt bereits 1872 den Ruf auf eine Professur in Erlangen:... der mathematische Betrieb in Erlangen lag völlig darnieder. Offenbar hatte man eine ganz junge Kraft gerufen, damit sie einem tief im Schlendrian stecken gebliebenen Karren Vorspanndienste leistete. Wieder kam das Schicksal dazwischen: Clebsch stirbt, und seine Schüler, teilweise älter als Klein, kommen nach Erlangen. Unter seinen damaligen Hörern sind Max Planck, Hurwitz, Lindemann. Die nächsten Jahre, in Erlangen ( ), München ( ) und Leipzig ( ), sind voll von angespannter wissenschaftlicher Arbeit, die in Untersuchungen der automorphen Funktionen und dem Wettbewerb mit Poincaré kulminiert. In [5] werden die Ereignisse der folgenden Jahre so zusammegefaßt:
3 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE 3 Figure : Volles Zusammenklappen der grossen Produktivita t Unmo glichkeit, wiss. und organisatorische Arbeit nebst allseitiger Dozententa tigkeit mit gleicher Energie neben einander herzufu hren.... Bild von dem Mantel, der mir zu weit ist. 1883: Bullfieber betr. Baltimore. 12 Dez. Ruf nach Baltimore. Große Lust, hinzugehen. [endlose Korrespondenz nach allen Seiten] 1884: 31. Jan. Baltimore abgelehnt 1884: 19/10 Go ttingen fa ngt an zu spuken. 1885: Bruns nach Go ttingen! Bruns lehnt Go ttingen ab. 7/8 Ruf nach Go ttingen. Angenommen: Haus mit Garten Weniger Gescha fte Preußen. gesucht: Konzentriertes wissenschaftliches Dasein auf Basis eines vernu nftigen Familienlebens Hier ist ein Auszug aus der Korrespondenz, vor der Ablehnung des Rufes nach Baltimore, Dezember 1883, Lie an Klein: Was Dich und Deine wissenschaftliche Tha tigkeit angeht, so glaube ich, dass eine Uebersiedelung nach Baltimore (die doch hoffentlich nur fu nf bis zehn Jahre dauern wird) Dir im grossen Ganzen nu tzlich und fo rderlich sein wird. Hierbei sehe ich die Sache folgendermassen. Zwischen Dir und Berlin, wie fru her zwischen Clebsch und Berlin besteht ein Rivalisiren. Du deinerseits ist gerecht gegen die Berliner, die Du verstehst und wu rdigst. Die Berliner Schule dagegen hat im la ngsten versucht, Deine Tha tigkeit wenn nicht eben ignorieren, so doch mo glichst herunterzuziehen. Alle Deine gla nzende geometrische Arbeiten kommen bei den meisten dieser Herren wenig in Betracht. Deine analytische Arbeiten haben sie lange nicht verstanden.... Obgleich ich Dich daher als Sieger in diesem Kampfe mit den Berlinern betrachte, so glaube ich, dass es fu r Dich gut sein wird, fu r einige Jahre diese aufreibende Geschichten zu verlassen, um so mehr da Deine Gesundheit nicht immer befriedigend ist. Du kannst es mit Ehre machen; denn der Sieg ist Dein. Ich glaube u brigens, dass Dein Ruhm sehr viel durch eine Uebersiedelung nach Baltimore wachsen wird.... Und was Deutschland betrifft,... fu hle ich mich u berzeugt, dass die Berliner Schule Dir genauer folgen wird, wenn Du erst in Baltimore bist.
4 4 YURI TSCHINKEL Zu dieser Zeit war das mathematische Zentrum Deutschlands zweifelsohne in Berlin. Das folgende Protokoll, vom , einer Sitzung der von der Philosophischen Fakultät der Humboldt Universität eingesetzten Berufungskommission, findet sich in [1, S. 205]: Weierstrass:... Da kommen nach dem großen Publikum höchstenst Klein und Schwarz in Betracht. Und nur dann muss man davon absehen, wenn sie absolut nicht zu haben sind. Andere Persönlichkeiten kommen nicht in Betracht. Schwarz bleibt bei der Stange. Guter Vortrag. Klein nascht mehr. Blender. Fuchs:... Schwarz hat wirklich wertvolles geleistet, Klein dagegen (Ikosaeder ist Compilation von Schwarz und Fuchs im Feuilletonstil). Weierstrass: keine eigene Anschauung über Klein. Kundt: Klein ist ein fascinierender Lehrer. Foerster:... Wir müssen Klein dem Minister gegenüber nennen, aber hervorheben, sein Zusammenarbeiten hier sei unmöglich. v. Helmholtz: Kronecker sprach sehr ab über Klein. Er betrachtete ihn als Faiseur.... Fuchs: Ich erkläre, daß ich nichts gegen Kleins persönliche Eigenschaften vorzubringen habe, sondern gegen sein verderbliches Vorgehen auf wissenschaftlichem Gebiete. Er arbeitet nicht um der Sache willen, sondern er schreibt Lehrbücher aus anderer Arbeit. Weierstrass: Über Klein sind alle jetzt so ziemlich einig. Foerster: Klein, Versprechungen hat er nicht gehalten. In dem offiziellen Antrag an das Ministerium hieß es [1, S. 207]:... Vor allen Dingen aber mußte darauf Bedacht genommen werden, daß die zu Berufenden geeignet sein würden, die seit Generationen an unserer Universität geübte Anleitung der Studierenden zu ernster und selbstloser Vertiefung in die mathematischen Probleme fortzusetzen. Aus diesem Grunde mußte von Persönlichkeiten wie Professor Felix Klein in Göttingen (geb. 1849) abgesehen werden, über dessen wissenschaftliche Leistungen die Urtheile der Gelehrten sehr getheilt sind, dessen ganze Wirksamkeit aber in Schrift und Lehre mit der eben gekennzeichneten Tradition unserer Universität in Widerspruch steht. Was die Anleitung der Studierenden anging, hatte Klein zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Dissertationen betreut, weitere 27 kamen noch dazu. Unter seinen Doktoranden waren M. Bôcher, H. Fine, V. Snyder, H. White - spätere Präsidenten der American Mathematical Society. Klein s Göttinger Kollege Schwarz, der sich übrigens im Separatvotum gegen die Berufung von Klein nach Göttingen ausgesprochen hatte, geht nach Berlin. Dazu schreibt Klein taktvoll [4, S. 23]: Hinterher muß ich es als ein Geschenk betrachten, daß allerlei Hemmungen, die in den Verhältnissen lagen, sich damals der Ausübung
5 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE 5 meiner organisatorischen Neigungen entgegenstellten und ich auf diese Weise Zeit zum Ausbau und Abschluß meiner wissenschaftlichen Arbeiten gewann. Denn mit dem Fortgange H. A. Schwarz s, der 1892 einem Ruf nach Berlin Folge leistete, begann für mich eine neue Periode meiner Tätigkeit... Zum ersten großen Erfolg Klein s, im Rahmen der neu entstandenen Freiräume, wurde die 1895 durchgesetzte Berufung des 33-jährigen David Hilbert auf den Gauss-Lehrstuhl nach Göttingen. Hilbert s Vortrag auf dem Weltkongress in Paris (1900), in dem er die berühmten 23 Probleme formulierte, etablierte ihn als einen der einflußreichsten Mathematiker seiner Zeit. Er überzeugte sogar die Berliner Schule: 1902 beantragte die Philosophische Fakultät der Humboldt Universität, Hilbert zum Nachfolger von Fuchs zu berufen. Die Kommission hielt es für nötig, neben viel Lob für Hilbert ( kühnes Genie ) auch die folgende Meinung dem Minister zukommen zu lassen [1, S. 211]: Die Gründe, welche die Facultät vor 10 Jahren bewogen haben, Herrn Klein in Göttingen nicht vorzuschlagen und auf die wir bitten Bezug nehmen zu dürfen, bestehen nicht nur unvermindert fort, sondern haben sich inzwischen noch verstärkt, weil er [ für diesen ganzen Zeitraum kaum eine wissenschaftliche Leistung von Bedeutung aufzuweisen hat und seine Gedanken mehr und mehr anderen Interessen zugewandt zu haben scheint]. Gleichzeitig bekommt der Minister einen Antrag aus Göttingen, auf ein Extraordinariat für reine Mathematik, Teil des Bleibeangebots für Hilbert. In diesem Vergleich gewinnt Göttingen; Minkowski, ein Schulfreund von Hilbert, wird schließlich berufen. Dazu Klein: Beginn der Kultur der Gegenwart. Nach der Ablehnung des Rufes durch Hilbert, bemühte sich die Humboldt Universität weiterhin, die vakante Stelle zu füllen. Bereits einen Monat nach dem obigen Brief, geht der nächste Antrag an den Minister [1, S. 214]. In diesem werden weitere Kandidaten besprochen: Herr Runge an der technischen Hochschule zu Hannover ist ein feiner, geistreicher Kopf, aber seit langer Zeit nicht mehr Mathematiker, sondern ausschließlich Physiker. Ehe er sich seinem eigentlichen Forschungsgebiete zuwandte, der physikalischen Optik, worin er Vorzügliches geleistet hat, hat er einige kleinere Aufsätze mathematischen Inhalts verfaßt, worin er das, was er bei seinen Lehrern Weierstrass und Kronecker gelernt hat, auf specielle Fragen anwendet, und die, etwa als Seminararbeiten aufgefaßt, recht beachtenswert sein würden, aber einen Anspruch auf eine mathematische Professur an unserer Universität in keiner Weise begründen können. Seine Berufung würde ledeglich eine Verstärkung des physikalischen Unterrichts bedeuten. Das dritte Ordinariat für Mathematik aber, auf dessen Erhaltung an unserer Universität Kummer, Weierstraß, Kronecker so hohen Werth gelegt haben, und das die Liberalität der Regierung unserer Schwesteruniversität Göttingen in so hoch erfreulicher Weise jetzt ebenfalls zugestanden hat, würde uns zu derselben Zeit auf diesem Umwege thatsächlich wieder entzogen sein.
6 6 YURI TSCHINKEL In der ursprünglichen Fassung fanden sich auch solche Betrachtungen, die dem voreingenommenen Ministerium die Augen öffnen sollten: [Wir müssen noch einer mißverständlichen Auffassung vorbeugen, die sich leicht bei denen einstellen kann, die der Mathematik ferner stehen, insbesondere solchen, die theologisch oder juristisch geschult sind.... In der Mathematik gibt es schöpferische Künstler und nachbildende Handwerker, scharfsinnige Kritiker und kritiklose Eklektiker. Solche, die Probleme stellen und lösen können und solche, deren Willen größer ist als ihr Können (gewissenhafte Forscher, die es für nötig halten, für ihre Behauptungen strenge Beweise beizubringen und geistreiche Feuilletonisten, die sich darüber erhaben dünken),...] Der nachbildende Handwerker in Göttingen beantragte bald eine neue Professur, den ersten Lehrstuhl Deutschlands für Angewandte Mathematik, auf den 1904 Runge berufen wurde. Aus dem Antrag der Humboldt Universität an den Kultusminister, Seine Excellenz von Trott, ein viertes Ordinariat zu errichten und Hilbert zu berufen, [1, S. 221]:... Auch Göttingen hat ja vier etatsmäßige mathematische Ordinariate.... Er ist einer der scharfsinnigsten und vielseitigsten Mathematiker, ein Gelehrter von Weltruf, Mitglied der meisten gelehrten Gesellschaften. Wir haben seine Leistungen schon einmal gewürdigt, als wir 1902 seine Berufung an unsere Universität beantragten. Damals hat er den Ruf abgelehnt; inzwischen hat er sich, nachdem Berlin ein kleines Göttingen geworden ist, vielleicht eines besseren besonnen.... Auch diesmal lehnt Hilbert ab. Die Resignation über die Verwandlung von Berlin in ein kleines Göttingen hat einen Nachklang im Antrag von 1919, bei dem gescheiterten Versuch, auch in Berlin ein Ordinariat für angewandte Mathematik zu errichten und Runge zu berufen:... Runge ist ein ausgezeichneter Lehrer; er hat in Göttingen eine sehr inhaltsreiche Tätigkeit entwickelt und sein Institut zu hoher Blüte gebracht; eine Reihe interessanter Dissertationen sind in seinem Institut entstanden.... Falls es gelingen sollte, Runge für die Berliner Universität zu gewinnen, worauf die Hoffnung nicht ganz unberechtigt ist, würde er trotz seiner Jahre in wenigen Jahren auch hier ein Zentrum für die angewandte Mathematik schaffen... Einen großen Anteil an der skizzierten Transformation der Mathematik in Deutschland hatte Friedrich Althoff, der Klein bereits 1870 während des Krieges kennengelernt hatte. Er wurde 1882 als Universitätsreferent in das preußische Bildungsministerium berufen, stieg 1897 zum Leiter des gesamten Unterrichts- und Hochschulwesens auf, und war in dieser Funktion maßgeblich an der Verteilung der Stellen
7 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE 7 und Mittel beteiligt. Für manche war er Intrigant unter der Maske eines biederen westfälischen Bauern, für Klein dagegen ein effektiver Staatsmann [4, S. 24]: Mißvergnügte Elemente haben in der Presse die Ansicht zu verbreiten gesucht, Althoff sei der Typus eines reaktionären Beamten gewesen, eine Behauptung, die aber völlig unzutreffend ist. Die Sache war vielmehr die, daß er nach oben und unten autokratisch verfuhr und nach opportunistischen Grundsätzen handelte, wobei er sich für jedes einmal als richtig erkannte Ziel voll und ganz einsetzte und es unter Ersinnung immer wechselnder Methoden, die gerade für die betreffende Lage Erfolg versprachen, schließlich erreichte. 3. Die Protokolle Die Seminare in Erlangen und Leipzig, behandelten viele Gebiete der Mathematik und Physik, ohne erkennbaren Plan. Unter dem Titel Über verschiedene Gegenstände liefen Vorträge über Physikalische Theorie des Nordlichtes, Die Elemente der Arithmetik, Das Imaginäre in Geometrie und Die Verteilung der Wärme in der Kugel. Klein selbst sprach über Auflösung von Gleichungen vom Grad 5, magnetische Kurven, elastische Saiten, die Gesetze von Ampére und Ohm, polarisiertes Licht. Später schrieb Klein [3, S. 240]: Ich vergleiche die mathematische Wissenschaft mit einem Baume, der seine Wurzeln nach unten immer tiefer in das Erdreich treibt, während er nach oben seine schattengebenden Äste frei entfaltet. Sollen wir die Wurzel oder die Zweige als den wesentlicheren Teil ansehen? Die Botaniker belehren uns, daß die Frage falsch gestellt ist, daß vielmehr das Leben des Organismus auf der Wechselwirkung seiner verschiedenen Teile beruht. In den Jahren wurden die Themen der Seminare viel präziser. Es ging hauptsächlich um Klein s eigene Forschung in Funktionentheorie und Gruppentheorie. Im Wintersemester 81/82 trägt er über seine Arbeit Riemanns Theorie der algebraischen Funktionen und ihrer Integrale vor, im Wintersemester 82/83 geht es um Hyperelliptische, Abelsche und Thetafunktionen, danach fast ausschließlich um hyperelliptische und hypergeometrische Funktionen. Nach der Berufung von Hilbert und später Minkowski wurden gemeinsame Seminare über Funktionentheorie, Mechanik, Differentialgleichungen und automorphe Funktionen organisiert.
8 8 YURI TSCHINKEL Figure 3. Das erste Seminar, Sommer 1872 Figure 4 Die letzten 15 Jahre der Seminare zeigen eine unglaubliche Expansion. Zusammen mit Prandtl, Runge, Voigt fu hrt Klein Seminare u ber Elastizita tstheorie, Elektrotechnik, Hydrodynamik, Schiffstheorie und Meteorologie, Baukonstruktion und Festigkeitslehre; mit Bernstein ein Seminar u ber Versicherungsmathematik. Das war verbunden mit dem Aufbau von Kontakten und Kooperationen mit der Industrie [4, S. 27]: Den amerikanischen Anregungen folgend, war es von vornherein meine Absicht, industrielle Kreise fu r diese Gedankenga nge und fu r unser Go ttinger Institut im besonderen zu interessieren. Obwohl mich hierbei der Gedanke reizte, in unserm u berall auf Staatshilfe wartenden Volke einmal aus privater Initiative Ideen zur Verwirklichung zu bringen, lag mir dennoch bedeutend mehr an der befruchtenden gegenseitigen Einwirkung, welche ich mir von der Zusammenarbeit des stillen Gelehrten und des im praktischen Leben stehenden, scho pferisch ta tigen Großindustriellen versprach.
9 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE 9 Figure 5 Figure 6 Mit diesen Gedanken stieß ich aber u berall auf Widerstand. Zuna chst wurde von Seiten der Universita ten die Befu rchtung laut, es ko nnte ihr ko stliches Gut, die trotz aller Enge bewahrte Lauterkeit der rein wissenschaftlichen Forschung, die von keinen Nebenzwecken beeinflußt wird, durch die Beru hrung mit den Kreisen des Erwerbs Schaden leiden. Man warf mir Amerikanismus vor, sprach vom Verrate an der Wissenschaft, ja man fu rchtete sich sogar, durch die Annahme finanzieller Hilfe in gefa hrliche Abha ngigkeit zu geraten. Es wurden auch Grenzfragen der Mathematik und Philosophie behandelt, wobei sich mitunter Klein s heitere Natur offenbarte. Hier ist sein Kommentar zu Euclid s Definition: Fla che ist, was nur La nge und Breite hat. [3, S. 250]:
10 10 YURI TSCHINKEL Figure 7... Wenn Sie aber andere Gegestände, die uns täglich umgeben, aus kleinerem Abstand betrachten als die Wände, z. B. des Morgens nach dem Aufstehen den Badeschwamm, mit dem man sich wäscht, oder beim Frühstück die Semmel, die man durchbrochen hat - wo ist da die Oberfläche, die nur Länge und Breite hat? 4. Das Erbe Im Frühjahr 1923 schrieb Klein: Dabei ist es mir aber immer klarer geworden, daß es uns Menschen in nur sehr beschränktem Sinne möglich ist, das eigene Schicksal selbsständig zu gestalten, da immer wieder äußere Umstände, die von unserm Willen unabhändgig sind, maßgebend dazwischen treten. Sein ganzes Leben lang kämpfte Klein um die Errichtung eines Mathematischen Instituts in Göttingen. Mehrere detaillierte Pläne wurden angenommen und verworfen, weil Krisen, Krieg, Inflation dazwischen kamen. Klein starb im Juni Im Oktober 1925 kam A. Trowbridge nach Göttingen, als Vertreter des International Education Board (IEB), einer Rockefeller Stiftung. Sein Hauptkontakt in Göttingen war Courant. In seinem Bericht findet sich [6, S. 145]: The group has a lot of pep (they are criticized as having the ambition of being a world center in mathematics and some of the mathematicians... intimate that they would be unscrupulous in trying to realize this ambition).... The really great eminence of the Göttingen school of mathematics existed twenty years ago.
11 DIE FELIX KLEIN PROTOKOLLE 11 Trotzdem erfolgte 1926 das Angebot der Stiftung, ein Institut zu errichten. Im November 1929 wurde das Institut in der Bunsenstraße eröffnet. Vier Jahre später mußten Courant und viele seiner Kollegen Göttingen wegen der Judenverfolgung verlassen. Courant wurde Professor an der New York University. Er gründete ein neues Institut, das 1965 in ein großzügiges Gebäude am Washington Square einzog. Als er kurz vor seinem Tod 1972 auf den besonderen Geist angesprochen wurde, der in seinem Institut herrsche, antwortete Courant: It is Göttingen. Göttingen is here. References [1] K.-R. Biermann, Die Mathematik und Ihre Dozenten an der Berliner Universität , Stationen auf dem Wege eines mathematischen Zentrums von Weltgeltung, Akademie Verlag, Berlin (1973). [2] E. Chislenko, Y. Tschinkel, The Felix Klein protocols, Notices AMS, 54 (8), , (2007). [3] F. Klein, Gesammelte Werke II, Springer Verlag (1922). [4] F. Klein, Göttinger Professoren (Lebensbilder von eigener Hand): Felix Klein, Mitteilungen des Universitätsbundes Göttingen 5, (1923). [5] Vorläufiges aus Erlangen, München und Leipzig, in K. Jacobs, Hersg., Felix Klein Handschriftlicher Nachlass, Erlangen, (1977). [6] R. Siegmund-Schultze, Rockefeller and the Internationalization of Mathematics Between the Two World Wars, Birkhäuser Verlag, (2001). Courant Institute, NYU, 251 Mercer St., New York, NY address:
Und was uns betrifft, da erfinden wir uns einfach gegenseitig.
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