für ein Abbremsen des Trends zu immer mehr sozialer Ungleichheit
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- Hannelore Reuter
- vor 7 Jahren
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1 . global news : Neue Umfrage zu Maßnahmen für ein Abbremsen des Trends zu immer mehr sozialer Ungleichheit Die Deutschen sind sich nach vielen Umfragen aus den letzten Jahren ziemlich einig, daß die soziale Ungleichheit immer weiter gefährlich zunimmt und dieser Trend gebremst werden muß. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat dazu jetzt eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durch TNS Infratest Politikforschung zur "Zukunft des Wohlfahrtsstaates" und zu den Präferenzen der Bevölkerung bei der Ausrichtung und Finanzierung des Sozialstaates veröffentlicht. Befragt wurden per computergestützten Telefoninterviews Personen, die repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren sind (die Fehlertoleranz lag bei 1,0 Prozentpunkten bei einem Anteilswert von 5 % bis 2,2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 %). Interessant ist an dieser Untersuchung, daß nicht nur die Einschätzung der Ungleichheit ermittelt wurde (Abb ), sondern zugleich auch, welche Wege die Menschen für Verbesserungen sehen Interviews mag dafür eine schmale Basis sein. Außerdem sind die Fragen mit wenig Differenzierung relativ einfach gehalten und tragen damit der sozialen und wirtschaftlichen Komplexität nur begrenzt Rechnung. Dennoch lohnt es sich, die Ergebnisse der Befragung zur Kenntnis zu nehmen und darüber weiter nachzudenken. Meines Wissens ist es die bisher erste Untersuchung dieser Art. rundbr / 14
2 Die ganz überwiegende Zustimmung zur Notwendigkeit der Vermeidung weiter steigender Ungleichheit zieht sich durch alle Geschlechter, Bildungsabschlüsse, Parteizuneigungen, Schichten, wirtschaftliche Lagen und Einkommensgruppen (Abb ). Selbst Vertreter der Mittleren Oberschicht und Oberschicht oder mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von über 4000 Euro sind zu fast drei Vierteln dieser Ansicht, diejenigen in sehr guter Wirtschaftslage immer noch zu 72 %. Nur bei den Parteizuneigungen hängen Wähler der FDP mit 59 % erheblich zurück. Überraschenderweise liegt bei den angeblich gebildeten und gutinformierten Menschen mit Abitur und Fachholschulreife die Zustimmung mit nur 79 % viel niedriger als bei Hauptund Volkschuldabgängern mit 84 %, vermutlich weil Bildung vom eigenen Portemonnaie überlagert wird. rundbr / 14
3 Bei der Bewertung der Eignung von Maßnahmen zur Verringerung sozialer Unterschiede - dem Hauptteil der Umfrage - scheiden sich allerdings sofort die Geister je nach Geldbeutel. Die besser Betuchten halten weniger von höheren Steuern und vergessen dabei offensichtlich die vielen Steuervorteile, die ihnen in den vergangenen Jahrzehnten eingeräumt wurden. Die Zustimmung fällt hier bei der oberen Mittel- und Oberschicht auf 47 % aller Befragten, bei den höheren Einkommen auf 53 % und bei den FDP-Wählern rundbr / 14
4 auf nur noch 41 % (Abb ). Ähnlich verhält es sich bei der Anhebung der Löhne und Gehälter, wo die Zustimmung bei der oberen Mittel- und Oberschicht sowie bei den höheren Einkommen auf 53 % bzw. 54 % fällt und bei denen in sehr guter wirtschaftlicher Lage sogar auf nur noch 42 % (Abb ). Dabei scheint nicht zur Kenntnis genommen zu werden, daß Löhne und Gehälter seit dem rundbr / 14
5 Jahr 2000 real meist stagnierten, während die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen steil angestiegen sind. Interessant ist hier die deutlich größere Zustimmung der Ostdeutschen und der Frauen. Bei der Anhebung des Mindestlohns über das derzeitige im Westeuropa- Vergleich relativ niedrige Niveau von 8,50 Euro fällt die Zustimmung bei der oberen Mittel- und Oberschicht auf 50 % und bei den höheren Einkommen auf rundbr / 14
6 nur noch 46 % sowie bei CDU/CSU-Wählern auf 49 % (Abb ). Das zeigt, wie unpopulär der Mindestlohn immer noch in diesen Kreisen ist, obwohl gerade er sich in den meisten westeuropäischen Ländern als ein besonders wirkungsvolles Mittel zum Abbremsen des Trends in immer mehr Ungleichheit erwiesen hat. Klar weniger negativ stehen die besser Betuchten dagegen zu rundbr / 14
7 Steuererleichterungen für untere und mittlere Einkommen. Bei der oberen Mittelschicht und Oberschicht sind es 66 %, bei den Haushaltseinkommen über Euro 65 % und bei denen in sehr guter wirtschaftlicher Lage ebenfalls 64 %. Auch SPD-Wähler kommen hier auf hohe 77 % Zustimmung (Abb ). Dagegen sind es bei den Befragten mit weniger als Euro nur 64 %, obwohl die Maßnahme angeblich gerade auf sie abzielen soll. Doch diese Befragten haben wahrscheinlich häufig verstanden, daß Steuererleichterungen für untere Einkommen nichts bringen, weil hier ohnehin kaum Steuern anfallen. Und wenn auch mittlere Einkommen von Steuern entlastet werden sollen, so würden dann Steuereinkommen in größerem Umfang ausfallen und müßte der Staat die Sozialleistungen oder andere Leistungen für die Allgemeinheit absenken, was wiederum die soziale Ungleichheit erhöhte. rundbr / 14
8 Ebenso zeigt dann das Gesamtergebnis durch alle Bevölkerungsgruppen eine Präferenz für die steuerliche Entlastung unterer und mittlerer Einkommen (83 %) und auf der anderen Seite weniger Neigung zu einem höheren Mindestlohn (71 %) oder Lohnerhöhungen (72 %, Abb ), das Ergebnis der hier besonders ausgeprägten Ablehnung durch die sozial Bevorteilten. Beachtlich ist allerdings, daß immer noch 76 % zu höheren Steuern bereit sind, was ich in diesem Ausmaß nicht erwartetet hatte. rundbr / 14
9 Wird speziell nach den Möglichkeiten zur Finanzierung der sozialen Sicherung und der öffentlichen Dienstleistungen gefragt, so zeigt sich ebenfalls weitgehend nur Ratlosigkeit oder Ablehnung. Lediglich höhere Vermögenssteuern finden mit 68 % der Befragten relativ viel Zustimmung (Abb ). Immerhin sind auf der anderen Seite immer noch 17 % für eine weitere Kürzung der Sozialleistungen. 37 % meinen sogar, staatliche Leistungen, wie beispielsweise im Rahmen der Arbeitslosenversicherung oder Gesundheitsversorgung, seien kein Beitrag für mehr Gleichheit in der Gesellschaft (Abb ). rundbr / 14
10 Im Ergebnis stoßen bei dieser Umfrage gerade die Maßnahmen, die wahrscheinlich am ehesten die Ausbreitung sozialer Ungleichheit bremsen würden, nämlich höhere Steuern auf höheren Einkommen, höhere Löhne und ein höherer Mindestlohn, auf Widerstand der politisch besonders einflußreichen Bevölkerungsteile, die selbst nicht sozial benachteiligt sind. Sollte die Umfrage repräsentativ sein, so wird es in Deutschland weiterhin sehr schwer werden, einen Weg aus der Ellbogengesellschaft mit wachsender sozialer rundbr / 14
11 Ungleichheit zu finden. Auswertung der Umfrage unter Lesern der Rundbriefe Meine Bitte um Teilnahme an der Umfrage hat mit über 280 Teilnehmern oder fast einem Drittel der Angeschriebenen (trotz der Pfingsturlaube) ein für mich unerwartet positives und damit aussagekräftiges Echo gefunden. Dabei mußte ich mich im Interesse der Vergleichbarkeit an dieselben Fragen halten, auch wenn sie oft nicht ausreichend differenziert waren und daher nur einfache Antworten zuließen. Auch fehlte bei den Fragen jeder Bezug auf globale Zusammenhänge, wie Niedrigstlohnwettbewerb und Steuervermeidung. Ich danke allen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, sehr! Ich habe jetzt auch ein besseres Gefühl für die Einstellungen in der Leserschaft der Rundbriefe. Hier in Kürze das Ergebnis. Schon bei der Eingangsfrage, ob die soziale Ungleichheit inzwischen zu groß geworden sei, ist die Sorge in der Leserschaft mit 95 % noch ausgeprägter als bei der öffentlichen Umfrage mit 82 % (Abb ). Deswegen ist auch die Bereitschaft zur Veränderung ausgeprägter. Staatliche Leistungen, wie beispielsweise im Rahmen der Arbeitslosenversicherung oder Gesundheitsversorgung, werden von 70 % der Leserschaft als Beitrag für mehr Gleichheit in der Gesellschaft gesehen, während es in der öffentlichen Umfrage mit 60 % deutlich weniger sind (Abb ). rundbr / 14
12 Die steuerliche Entlastung mittlerer und unterer Einkommen findet nur 70 % Zustimmung gegenüber 83 % in der öffentlichen Umfrage (Abb ). Dagegen sind 88 % in der Leserschaft für höhere Steuern für Privatpersonen mit hohem Einkommen oder großen Vermögen verglichen mit nur 76 % in der öffentlichen Umfrage. Auch für eine stärkere Anhebung von Löhnen und Gehältern der Erwerbstätigen finden sich mit 83 % deutlich mehr Anhänger als in der öffentlichen Umfrage mit 72 %. Ähnlich groß ist der Unterschied bei rundbr / 14
13 der Anhebung des Mindestlohns mit 80 % Zustimmung gegenüber 71 % in der öffentlichen Umfrage. Auch bei der Einstellung zur Finanzierung der sozialen Sicherung und öffentlicher Dienstleistungen ist die Leserschaft deutlich zu mehr bereit als die Beteiligten an der öffentlichen Umfrage (Abb ). Höhere Steuern auf Vermögen halten 88 % für geeignet gegenüber 68 % in der Umfrage, höhere Steuern für Unternehmen 72 % gegenüber 54 % in der Umfrage, höhere Erbschaftssteuern 80 % gegenüber nur 47 % in der Umfrage, eine Erhöhung der Beiträge zur Sozialversicherung findet nur 21 % Zustimmung gegenüber 31 % in der Umfrage, ebenso wird eine Erhöhung der Einkommenssteuer nur von 38 % für geeignet gehalten (25 % in der Umfrage). rundbr / 14
14 Selbst eine höhere Kreditaufnahme des Staates halten 39 % für geeignet, gegenüber nur 20 % in der öffentlichen Umfrage. Die Kürzung von Leistungen in den Sozialversicherungen und bei öffentlichen Dienstleistungen halten lediglich 12 % für geeignet, gegenüber 17 % in der Umfrage. Im Ergebnis ist die Leserschaft im sozialen Bereich eindeutig kritischer und zu radikaleren Maßnahmen bereit als die Gesamtbevölkerung. Würde sich diese Einstellung in der Gesamtbevölkerung durchsetzen, wären wir Lösungen der sozialen Frage wesentlich näher gekommen. Soweit Antworten gegeben wurden, ordnete sich die Leserschaft zu 81 % Westdeutschland und 19 % Ostdeutschland zu; die Zuordnung zur sozialen Unterschicht lag bei 3 %, zur Arbeiterschicht bei 4 %, zur Mittelschicht 77 % und zur oberen Mittel-/Oberschicht 16 %. Aus der Umfrage der FE-Stiftung ist die Aufteilung nicht bekannt. * * * * * Hier können Sie diesen Rundbrief bewerten. rundbr / 14
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