Dreiminuten-Zahnputzgeschichten

Transkript

1 Leseprobe aus: Jan-Uwe Rogge, Angelika Bartram Dreiminuten-Zahnputzgeschichten Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de. Copyright 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

2 Hallo, ich bin Zilli, die Zahnfee! Ei gent lich wollte ich ja eine Zucker fee wer den, weil ich für mein Le ben gern Zu cker stan gen ge lutscht habe und Bonbons: Kaubonbons, Lutschbonbons, Flutsch bon bons also, das sind die, die ei nem manch mal so aus dem Mund flut schen kön nen. Ich war so be geis tert von Sü ßig kei ten, dass ich mir nichts Schö ne res vor stel len konnte, als eine Zu cker fee zu werden. Und dann wollte ich mir ei nen Zu cker stan gen wald zau bern. Aber ei nes Ta ges zog es plötz lich so merk wür dig an ei nem mei ner Zähne hin ten in mei ner lin ken Ba cke. Ich tas tete sie ab. Die Ba cke fühlte sich an wie ein Bal lon! So dick war sie. Um meine Ba cke zu küh len, flog ich zum Müh len bach. Hier entdeckte mich Mar vin, der Hams ter. 4

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4 «Hey, Zil li, was hast du denn da al les in dei ner Hams ter backe?», fragte er mich. «Gar nichts. Mein Zahn tut nur so weh! So weh, dass meine Ba cke gleich ex plo diert!» «Au Ba cke!», meinte Mar vin und sah mich mit lei dig an. Aber dann fiel ihm ein, wie er mir hel fen konnte. Er nahm mich mit zu sei ner Tante Her mi ne. «Dr. Her mine Heil froh, Hams terzahnärztin», stand auf ih rem Tür schild. «Na, so was! Eine Fee mit Zahn schmer zen», be grüßte sie mich erstaunt. «Könnt ihr Feen so et was nicht weg zau bern?» «Nicht, wenn es et was mit un se rer Ge sund heit zu tun hat», erklärte ich ihr. «Aber warum mein blö der Zahn plötz lich so spinnt, weiß ich auch nicht.» Her mine schaute in mei nen Mund, nickte im merzu, und dann sah sie mich streng an. «Ze zil ja, kann es sein, dass du viele Sü ßig kei ten isst?» «Na klar!», ant wor tete ich strah lend. «Ich will doch eine Zu cker fee wer den. Da muss ich doch al les pro bie ren, was süß ist!» 6

5 «Putzt du dir denn we nigs tens auch im mer an stän dig die Zähne?», wollte Her mine wis sen. Ich nickte. «Ich nehme im mer ei nen gro ßen Schluck Was ser, spüle hin und her und spu cke es aus. Und schon sind meine Zähne wieder sau ber!» Her mine lachte. «Das glaubst aber auch nur du! Jetzt ver stehe ich gut, warum sich deine Zähne be schwe ren.» «Zu mir ha ben sie nichts ge sagt», be teu erte ich. «O doch», er klärte Her mine. «Die Zähne spre chen nur an ders zu dir. Du hörst sie nicht, du spürst sie nur: als Zwi cken, Zie hen, Bei ßen. Das, was du als Schmer zen spürst, sind ei gent lich Hil feschreie dei ner Zähne.» Na, jetzt war ich viel leicht baff! Da hat ten meine Zähne die ganze Zeit um Hilfe ge ru fen, und ich hatte nichts ge hört! Oje, jetzt wa ren sie be stimmt sauer auf mich! Her mine er klärte mir, dass aus dem vie len sü ßen Zeug im Mund Säure wird. Und diese Säure greift die Ober flä che der Zähne an. Erst ent ste hen raue Stel len, und es bil det sich ein Be lag. Und wenn man den nicht weg putzt, dann ätzt die Säure kleine Lö cher in die Zahn wand. Und wenn man im mer noch nicht gut putzt, dann wer den die Lö cher im mer grö ßer. 7

6 Zum Glück konnte Her mine das Loch in mei nem Ba cken zahn wie der stop fen. Erst hat sie al les ganz sau ber ge macht. Dann hat sie eine spe zi elle Zahn fül lung in das Loch ge stopft. Und am Ende fühlte sich der Zahn wie der ge nauso an, als ob er ganz heile wäre. Da mit das so blieb, schenkte Her mine mir eine Zahn bürste und eine Tube von ih rer Spezialzahnpasta. Und natürlich habe ich ihr ver spro chen, meine Zähne jetzt immer ganz gut zu put zen. Dann gab mir Her mine ei nen Spie gel. Er leich tert schaute ich mir mei nen wunder bar re pa rier ten lin ken Backen zahn an, und plötz lich war es mir, als ob er zu mir sprach: «Hey, Zilli, warum wirst du nicht Zahn fee? Dann kannst du al len da von be rich ten, wie wir Zähne so ti cken, was gut für uns ist und was nicht. Glaub mir, wir wür den uns auch lie ber an ders mel den als mit Schmer zen. Aber an ders ver steht man uns ja nicht. Du könn test das än dern!» Da dachte ich mir: Recht hat er, mein lin ker Ba cken zahn. Ich werde Zahn fee! Und ei gent lich hätte ich mich am liebs ten so fort 8

7 Ze lia ne Ze zil ja von Ba cken zahn ge nannt. Aber das war mei nem Ba cken zahn nicht recht. Er wollte lie ber im Hin ter grund blei ben. Also ent schied ich mich für «Wa ckel zahn». Das fand ich auch lus tiger. Ja, so wurde ich also zur Zahn fee Ze liane Ze zilja von Wa ckel zahn! Und weil das so ein lan ger Name ist, nen nen mich alle Zilli.

8 In der Zahn schu le Als Zahn fee ist es gut, wenn man ganz viel über die Zähne weiß. Und ich fragte mich, wo ich das am bes ten ler nen könnte. Viel leicht gab es so et was wie eine Zahn schule also eine Schule für Zähne? Ich wollte ver su chen, mich mit ei nem spe zi el len Wegfinde-Spruch dort hin zu zau bern. Lei der kann ich nicht wirk lich gut zau bern. Manch mal klappt es und manch mal nicht. Das Ge heim nis beim Zau bern ist ja, dass man selbst ganz fest daran glau ben muss, dass es klappt. Sonst braucht man es gar nicht erst zu ver su chen. Also kon zen trierte ich mich fest dar auf, dass ich diese Zahn schule bestimmt finden würde, und dann sprach ich ganz laut den Spruch: «Schnell wie der Wind, ver zieh ich mich ge schwind, glaube ganz fest und wette dar auf, in der Zahn schule tau che ich wie der auf.» Und plötz lich wir belte die Luft um mich herum nach oben! Ich 10

9 wurde hoch ge ho ben wie ein bun tes Herbst blatt, das im Sturm flattert. Und schon sauste ich da von Als ich wie der fes ten Bo den un ter den Fü ßen hatte, drehte sich in mei nem Kopf im mer noch al les. Lang sam öff nete ich meine Au gen Und ver zahnt und ver wa ckelt nochmal, da stan den um mich herum doch wirk lich lau ter Zähne und starr ten mich an: spitze lange, ab ge run dete mit Fur chen drauf, Zähne mit ei ner Ecke nach oben, fla che, die aus sa hen wie kleine Scha ber, und auch kleinere Zähne. Sie wu sel ten um mich herum und quiek ten: «Was bist du denn für ein ko mi scher Zahn?» Da tauchte ein di cker, gro ßer Zahn auf. Mit tie fer Stimme be fahl er: «Zähne, setzt euch! Ich werde selbst un ter suchen, was uns da ins Haus ge flattert kam.»

10 Alle Zähne eil ten auf ihre Plätze. Und nun er kannte ich, dass ich in ei nem Klas sen zim mer ge lan det war. Dann war das hier wohl wirklich eine Zahn schule. «Ich bin Pro fes sor Weis heits zahn», er klärte der Di cke. «Und so, wie du aus siehst, bist du auf gar kei nen Fall ein Zahn. Also, was suchst du hier?» Und jetzt blickte er mich so streng an, dass ich zu stot tern an fing: «Ich, ich, ich bin Zilli, die Zahn fee, und ich möchte euch Zähne gerne nä her ken nen ler nen.» Pro fes sor Weis heits zahn schaute in die Runde. «Das kann ich nur gestatten, wenn alle meine Zahnschüler damit einverstanden sind.» «O ja, wir fin den das ganz toll!», rie fen die klei nen Zähn chen. Ein paar be son ders spitze Zähne dräng ten sie weg: «Ihr Milch zähne habt hier gar nichts zu sa gen, da mit das klar ist! Hier be stim men wir Eck zähne!» «Ruhe!», rief Pro fes sor Weis heits zahn da zwi schen und scheuchte die Zähne aus ein an der. «Wie oft soll ich euch noch sa gen, dass je der Zahn an sei nem Platz wich tig ist! Und sind die Milch zähne auch klei ner, sie sind die ers ten Zähne und schaf fen den Platz für euch Eck zähne, Schnei de zähne und Ba cken zähne.» 12

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12 Mur rend zo gen die Eck zähne sich zu rück. Da mel dete sich ein Schnei de zahn zu Wort: «Wer sagt uns denn, dass diese Zilli wirk lich eine Zahn fee ist? Viel leicht ist sie ein Spion? Ihr wisst doch, dass es ge nug An grei fer gibt, die dar auf lau ern, uns ka putt zu ma chen!» «Das ist wohl wahr», ge stand Pro fes sor Weis heits zahn seuf zend. «Ich kann euch al les über Zähne leh ren, be vor ihr euch auf eure große Reise be gebt. Je der von euch weiß dann ge nau Be scheid, was er tun muss, wenn er ir gend wann in ei nem Mund auf tau chen darf. Aber dann seid ihr dar auf an ge wie sen, dass man euch hegt und pflegt. Sonst» Der Pro fes sor seufzte wie der. «Ach, über die sen trau ri gen Punkt mag ich gar nicht spre chen.» «Ja, sonst kommen die An grei fer!», rief der Schnei de zahn auf gewühlt in die Runde. Und mit ei nem Mal schau ten mich alle sehr skep tisch an, und die spit zen Eck zähne ka men mir be droh lich nahe. «Ja, ge nau des we gen will ich euch doch hel fen!», er klärte ich schnell. «Wenn ihr im Mund eure Plätze ein nehmt, dann kann jeder stolz dar auf sein, so et was Schö nes und Nütz li ches wie euch zu be sit zen! Ihr seid wirk lich echte Schmuck stü cke, die blin ken und 14

13 blit zen wie Po kale. Aber man che wis sen eben nicht, dass man euch im mer gut put zen muss, da mit das so bleibt.» Jetzt nick ten alle, und Pro fes sor Weis heits zahn stups te mich an erken nend an. «Gut ge spro chen. Von mir aus kannst du blei ben. Was meint ihr?» «Blei ben, blei ben!», rie fen alle Zähne im Chor, und die Milch zähne tanz ten um mich herum und san gen: «Zilli, die Zahn fee, kämpft für uns ge gen Zahn weh! Ab heute sind wir nicht mehr al lein, Zilli, die Zahn fee, tritt für uns ein!»