Vertiefung im Internationalen Privatrecht. Internationales Familienrecht 4 Namensrecht
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- Waltraud Baum
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1 Vertiefung im Internationalen Privatrecht Internationales Familienrecht 4 Namensrecht
2 Vorlesungsüberblick 1. Wiederholung Grundlagen des IPR 2. Eheschließung 3. Allgemeine Ehewirkung 4. Namensrecht 5. Ehescheidung 6. Eingetragene Lebenspartnerschaft 7. Faktische Lebensgemeinschaft 8. Kindschaft 9. Intersexualität 10.Unterhalt 2
3 Brainstorming zum Namensrecht 3
4 Traditionell große Unterschiede in nationalen Rechtsordnungen Früher teils: Zwang zu Übernahme des Familiennamens des Mannes (heute noch begrenzt in der Türkei) Teils: Kombination aus Nachnamen der Eltern (mit oder ohne Bindestrich) Teil gar kein kontinuierlicher Familienname, sondern Elternbezugnahme oder Mittelname (Island, Russland) Griechenland und romanische Rechtsordnungen: Beibehaltung des eigenen Namens ggf. Gebrauchsname Common Law: Grundsatz der freien Namenswahl 4
5 Überblick EU-Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbot - Diskriminierungsverbot (aufgrund der Staatsangehörigkeit) - Freizügigkeit - Niederlassungsfreiheit - Warenverkehrsfreiheit - Dienstleistungsfreiheit - Kapitalverkehrsfreiheit 5
6 EU-Recht Art. 18 AEUV (ex-artikel 12 EGV) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. [ ]. 6
7 EU-Recht Art. 21 AEUV (ex-artikel 18 EGV) (1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. [ ] 7
8 EU-Recht Art. 49 AEUV (ex-artikel 43 EGV) Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. [ ] (Vgl. hierzu EuGH-Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in der EU, etwa Centros, Überseering etc. nicht klausurrelevant) 8
9 Beschränkung einer Grundfreiheit: auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruhend in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Ziel (Verhältnismäigkeitsprüfung) Folge für die deutschen Gerichte Unionsrechtskonforme Auslegung Anwendungsvorrang des Unionsrechts 9
10 Fragen? 10
11 Fall 1: Der Spanier Garcia Rodriguez wandert nach Deutschland aus. Dort lerne er die Deutsche Berger kennen. Die beiden heiraten und bekommen nach fünf Jahren Ehelebens eine Tochter. Sie haben keinen Familiennamen gewählt. Welchen Nachnamen trägt die Tochter in Deutschland? Nach spanischem Recht besteht der Nachname stets aus zwei Teilen, einem Namensteil des Vaters und einem der Mutter. Die Eltern können die Reihenfolge wählen. Die übrigen Vorschriften entsprechen den deutschen. 11
12 Vorüberlegungen 12
13 1 PStG Personenstand, Aufgaben des Standesamts (1) 1 Personenstand im Sinne dieses Gesetzes ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens. [...]. (2) Die nach Landesrecht für das Personenstandswesen zuständigen Behörden (Standesämter) beurkunden den Personenstand nach Maßgabe dieses Gesetzes; [...]. 13
14 1617 Geburtsname bei Eltern ohne Ehenamen und gemeinsamer Sorge (1) Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge gemeinsam zu, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. [...] Ehename (1) Die Ehegatten sollen einen gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) bestimmen. [...] (2) Zum Ehenamen können die Ehegatten durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Geburtsnamen oder den zur Zeit der Erklärung über die Bestimmung des Ehenamens geführten Namen der Frau oder des Mannes bestimmen. 14
15 Folgefrage: Die Familie stellt ebenfalls Antrag auf Registrierung der Geburt bei dem spanischen Personenstandsregister. Welchen Nachnamen trägt das Kind? Anmerkung: Nach spanischem Recht besteht der Nachname stets aus zwei Teilen, einem Namensteil des Vaters und einem der Mutter. Die Eltern können die Reihenfolge wählen. Die übrigen Vorschriften entsprechen den deutschen. 15
16 Folgefrage: Die Familie beantragt, die Geburtseintragung in Deutschland in Garcia Berger zu ändern. Wie ist die Rechtslage? 16
17 5 Fortführung der Personenstandsregister (1) Die Registereinträge sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch Folgebeurkundungen und Hinweise zu ergänzen und zu berichtigen (Fortführung). (2) Folgebeurkundungen sind Einträge, die den Beurkundungsinhalt verändern. [...] 17
18 46 PStG Änderung einer Anzeige Sind in der schriftlichen Anzeige einer Geburt oder eines Sterbefalls Angaben unrichtig oder unvollständig und ist der richtige oder vollständige Sachverhalt durch öffentliche Urkunden oder auf Grund eigener Ermittlungen des Standesamts festgestellt, so sind die entsprechenden Angaben unter Hinweis auf die Grundlagen zu ändern. 18
19 NamÄndG 1 [Anwendungsbereich] Der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen oder eines Staatenlosen, der seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Deutschen Reich hat, kann auf Antrag geändert werden. 3 [Wichtiger Grund] (1) Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Abwägung: Interesse an Namensänderung mit Grundsatz der Namenskontinuität 19
20 Einfluss der Grundfreiheiten 20
21 Artikel 18 (ex-artikel 12 EGV) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. [...] 21
22 Artikel 10 Name (1) Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person angehört. [...] (3) 1 Der Inhaber der Sorge kann gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen erhalten soll 1.nach dem Recht eines Staates, dem ein Elternteil angehört, ungeachtet des Artikels 5 Abs. 1, 2.nach deutschem Recht, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, oder 3.nach dem Recht des Staates, dem ein den Namen Erteilender angehört. 2 Nach der Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden. 22
23 Zusammenfassung: I. Geburtsname in Deutschland: Art. 10 Abs. 1 Staatsangehörigkeit des Kindes: Deutsch und Spanisch Art. 5 Abs. 1 S. 2 deutsches Recht Garcia Rodriguez ODER Berger II. Geburtsname in Spanischen: identisch, nur Vorzug gegenüber spanischem Recht Garcia Berger ODER Berger Garcia III. Formal: PStG erfordert Unrichtigkeit des Namens oder Änderung gem. NamÄndG. IV. Änderung in Garcia Berger nach deutschem Verständnis nicht möglich, da Grundsatz der Namenskontinuität überwiegt V. aber: Art. 18 AEUV Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, da Ungleichbehandlung Mehrstaater-Einstaater, Grundsatz der Namenskontinuität nicht ausreichend als Rechtfertigung ähnlich EuGH, C-148/02 (Garcia Avello) (Möglichkeit des Art. 10 Abs. 3 EGBGB aber wohl ausreichend) 23
24 Fragen? 24
25 Fall 2: Die Eheleute Herr Grunkin und Frau Peter sind Deutsche. Sie wandern nach Dänemark aus und bekommen dort eine Tochter. Sie verlangen Eintragung der Geburt im deutschen Personenstandsregister. Welchen Nachnamen kann das Standesamt registrieren? Anmerkung: Das dänische Internationale Namensrecht sieht als Anknüpfungspunkt den Wohnsitz des Betroffenen vor. Das dänische Namensrecht bildet den Nachnamen einer Person u.a. aus einer Kombination der elterlichen Nachnamen, verbunden mit einem Bindestrich ( Møller-Anderson ). 25
26 Fall 2: Folgefrage: Die Geburt soll ebenfalls in Dänemark von der dort zuständigen Behörde registriert werden. Welchen Nachnamen kann die dänische Behörde registrieren? Anmerkung: Das dänische Internationale Namensrecht sieht als Anknüpfungspunkt den Wohnsitz des Betroffenen vor. Das dänische Namensrecht bildet den Nachnamen einer Person u.a. aus einer Kombination der elterlichen Nachnamen, verbunden mit einem Bindestrich ( Møller-Anderson ). 26
27 Fall 2: Folgefrage: Die Familie beantragt, die Geburtseintragung in Deutschland in Grunkin-Peter zu ändern. Wie ist die Rechtslage? 27
28 Artikel 18 (ex-artikel 12 EGV) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. [...] Artikel 21 (ex-artikel 18 EGV) (1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. [...] 28
29 I. Staatsangehörigkeit des Kindes: Deutsch. Geburtsname in Deutschland: Art. 10 Abs. 1 deutsches Recht Grunkin ODER Peter II. Geburtsname in Dänemark: Wohnsitzanknüpfung Grunkin-Peter III. Änderung in Grunkin-Peter nach deutschem Verständnis nicht möglich Art. 18 AEUV Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (-) Art. 21 AEUV Beschränkung der Freizügigkeit wenn ein Name im anderen Staat wirksam verliehen und im Inland nicht anerkannt wird EuGH, C-353/06 (Grunkin-Paul) 29
30 Artikel 10 Name (1) Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person angehört. [...] (3) 1 Der Inhaber der Sorge kann gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen erhalten soll 1.nach dem Recht eines Staates, dem ein Elternteil angehört, ungeachtet des Artikels 5 Abs. 1, 2.nach deutschem Recht, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, oder 3.nach dem Recht des Staates, dem ein den Namen Erteilender angehört. 2 Nach der Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden. 30
31 Fall 3: Frau Roswita Mair ist österreichischer Staatsangehörigkeit und volljährig. Sie zieht nach Deutschland und lässt sich von Herrn Lothar Fürst von Sayn-Wittgenstein gem ff. BGB (Erwachsenenadoption) adoptieren und führt von nun an in Deutschland rechtmäßig den Namen Roswita Fürstin von Sayn-Wittgenstein. Im Anschluss möchte sie diesen Namen auch in Österreich tragen und beantragt eine Änderung bei der zuständigen Behörde. Diese erklärt sich nur bereit, den Namen Sayn-Wittgenstein einzutragen. Anmerkung: In Österreich sind Adelstitel seit Ende des 1. Weltkriegs verboten. Im Übrigen entsprich das österreichische Recht dem deutschen. 31
32 Fall 3: 32
33 Fall 3: I. Art. 10 Abs. 1 EGBGB (österreich.): Staatsangehörigkeit österreichisches Recht Sayn-Wittgenstein II. EU-Recht (s.o.) III. Ausnahmsweise: Beschränkung auf Grund der öffentlichen Ordnung Abwägung verfassungsrechtliche Wertung ausnahmsweise zulässig EuGH, , Rs. C-208/09 Ilonka Sayn-Wittgenstein 33
34 Anknüpfungssysteme im Internationalen Namensrecht Staatsangehörigkeitsprinzip (z.b. Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Spanien) Domizilprinzip (z.b. Finnland, Dänemark, Schweden, Schweiz) Keine Kollisionsnormen (insb. common law) Akzessorische Anknüpfung an familienrechtlichen Vorgang (z.b. Italien, Frankreich und Griechenland) + einige Rechtsordnungen: einfachen renvoi, doppelten renvoi, allgemeinen renvoi, Sachnormverweisungen 34
35 Foto 35
36 Lösung 1: Sachrechtliche Lösung 3 NamÄndG [Wichtiger Grund] (1)Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Problem: Rechtsunsicherheit/Vorbehalt des Gesetzes 36
37 Lösung 2: Anerkennungslösung Artikel 48 Wahl eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen Namens Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen, sofern dies nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Die Namenswahl wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Personenstandsregister des anderen Mitgliedstaats, es sei denn, die Person erklärt ausdrücklich, dass die Namenswahl nur für die Zukunft wirken soll. Die Erklärung muss öffentlich beglaubigt oder beurkundet werden. Artikel 47 Absatz 1 und 3 gilt entsprechend. 37
38 Lösung 3: Angleichung des Kollisionsrechts (Problem: unterschiedliche Verweisungstechniken oder Picon sche Blockverweisung) 38
39 Lösung: Vereinheitlichung des IPR auf EU-Ebene 39
40 Literatur: (Überblick als Einleitung zur Rom III-VO: BeckOGK/Gössl, Art. 1 Rom III-VO, Stand März 2016 Rn (sehr lang) Mansel, Anerkennung als Grundprinzip des Europäischen Rechtsraums. Zur Herausbildung eines europäischen Anerkennungs-Kollisionsrechts: Anerkennung statt Verweisung als neues Strukturprinzip des Europäischen internationalen Privatrechts?, RabelZ 70 (2006), Nordmeier, Stand, Perspektiven und Grenzen der Rechtslagenanerkennung im europäischen Rechtsraum anhand Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte, IPRax 2012,
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