Mike Nagler (Initiative Bürgerbegehren Leipzig) Zur Rolle kommunaler Unternehmen für die regionale Wirtschaft.
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- Ernst Müller
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1 Mike Nagler (Initiative Bürgerbegehren Leipzig) Zur Rolle kommunaler Unternehmen für die regionale Wirtschaft. Es gibt viele Argumente dafür, dass zentrale Bereiche der Gesellschaft die der Grundversorgung dienen nicht in private Hände übergeben werden sollten. Gerade auch auf kommunaler Ebene spielen Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge eine wichtige Rolle. Ein Aspekt der im Impulsvortrag angesprochen wurde, stellt die Bedeutung von kommunalen Unternehmen für die regionale Wirtschaft dar. In Leipzig wird von Seiten der Rathausspitze seit mehr als einem Jahr der Verkauf oder Teilverkauf von kommunalen Unternehmen geplant. Nachdem der Verkauf der WOBA in Dresden auch in Leipzig Stimmen die den Verkauf der städtischen Wohnungsbestände forderten auslöste formierte sich ein Netzwerk aus verschiedenen Gruppen um diesen Prozess kritisch zu begleiten und ihn zu verhindern. ( Nachdem durch Protest ein Verkauf der städtischen Wohnungen relativ schnell vom Tisch war entschloss man sich eine Privatisierung der kommunalen Stadtwerke ins Auge zu fassen. Nachdem der Stadtratsbeschluss zur Prüfung von Anteilsverkäufen sämtlicher kommunaler Unternehmen im November 2006 unter Demonstrationen und Protesten mit einer knappen Mehrheit von 34 zu 32 Stimmen gefasst wurde, steht nun ein Teilverkauf von 49,9% der Stadtwerke Leipzig bevor. Als bekannt wurde, dass im Herbst/Winter 2007 der letztendliche Verkaufsbeschluss fallen sollte verbreiterte sich das Netzwerk und startete zum 4.September ein Bürgerbegehren welches innerhalb von nicht ganz 2 Monaten über 10% an Unterschriften der Leipziger Wahlberechtigten sammelte. (Anm.: Nach Gesetzeslage wären 5% notwendig gewesen.) Das Begehren richtet sich nicht nur gegen den Verkauf der Stadtwerke sondern umfasst die Forderung alle großen kommunalen Leipziger Unternehmen in kommunaler Hand zu belassen. Auch wenn der Oberbürgermeister das Begehren über Wochen hinweg nicht ernst nahm und man von Seiten der Verwaltungsspitze hörte dass man sicher sei das Begehren juristisch zu Fall bringen zu können, wird es wohl nun, nach mehrmaligem Verschieben der Verkaufsentscheidung, vorrausichtlich Ende Januar einen Bürgerentscheid in der Frage der Privatisierungen in Leipzig geben. Anmerkung: Der Plan in Leipzig: Verkauf von 49,9 % der Anteile der Stadtwerke Leipzig sowie weitere Verkäufe der Kommunalen Holding LVV (Leipziger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) Derzeit favorisiertes konkretes Angebot: 520 Mio. Euro von Suez/Gaz de France.
2 Hintergrund des Verkaufs: Die Schulden der Stadt Leipzig betragen knapp 900 Mio. Euro, Das Regierungspräsidium drängt auf Haushaltskonsolidierung durch Veräußerungen Androhung Nichtgenehmigung des Haushalts Das Todschlagargument Zwangsverwaltung schwebt immer wieder in der Luft. Auch in Leipzig wird Privatisierungspolitik durch die beiden Argumentationen Schuldenabbau und Private sind immer besser begründet. Über die Zeit der Debatte hinweg werden beide Argumente vermischt. Während der OBM vor einigen Monaten meinte er Würde nie verkaufen wenn wir die Schulden und Zinszahlungen nicht hätten. Argumentiert er jetzt: Ohne starken strategischen Partner können die Stadtwerke Leipzig (SWL) in Zukunft nicht auf dem liberalisierten Markt mithalten. Im Groben sind das die beiden Diskussionsstränge die seit Jahren immer wieder im Privatisierungsdiskurs auftauchen und mit denen diese Prozesse gerechtfertigt werden. Die Bedeutung der kommunalen Leipziger Unternehmen für die Stadt (nur aus der Sicht der Bedeutung für die regionale Wirtschaft): 1. In Leipzig existiert ein Querverbund welcher über eine Kommunale Holding organisiert ist. Die Leipziger Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (LVV) umfasst die Leipziger Verkehrsgesellschaft (LVB), die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) und die Stadtwerke Leipzig (SWL). Durch die jährlichen Gewinne von Wasserwerken (ca. 22 Mio. Euro) und Stadtwerken (ca. 50 Mio. Euro) werden die Defizite der Verkehrsbetriebe ausgeglichen. Dadurch trägt sich die kommunale Holding von selbst und die Stadt muss keine weitern Zuschüsse für die Gewährleistung des Nahverkehrs zahlen. Ein Verkauf oder Teilverkauf der Stadtwerke Leipzig an einen privaten Investor würde damit auch ein jährliches Loch in die Finanzierung dieses Querverbundes reißen. 2. Ein weiterer Punkt ist die Rolle kommunaler Unternehmen bei der Auftragsvergabe an regionale kleine & mittelständische Unternehmen. An solchen großen kommunalen Unternehmen hängen natürlich auch viele kleine Unternehmen die von Aufträgen abhängig sind. In Leipzig werden die Aufträge der kommunalen Unternehmen zu einem großen Teil regional vergeben. Die LVV (also Wasserwerke, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe) vergibt ihre Aufträge zu 67% an regionale Unternehmen. (Für das Jahr 2006 waren das 108 Mio. Euro. Von 1995 bis 2006 entspricht die Höhe der in der Region vergebenen Aufträge 2,5 Mrd. Euro.) Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Aufträge regional zu vergeben sind. Beispielsweise muss beim Kauf von Triebwagen für die Verkehrsbetriebe zwangsläufig von außerhalb eingekauft werden, da diese nicht (mehr) in Leipzig
3 hergestellt werden. Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft GmbH vergibt 98% ihrer Aufträge an die Region und ist damit sehr wichtig für die regionale Wirtschaft. (Dies entspricht für das Jahr 2006 einem Auftragsgesamtvolumen welches regional vergeben wurde von 105,5 Mio. Euro. Davon 37,8 Mio. Euro Bauaufträge, 26,2 Mio. Euro Dienstleistungen ohne Planungsleistungen und 41,5 Mio. Euro Lieferungen) Hier kann man für Leipzig natürlich nicht konkret sagen, wie die Entwicklung nach einer evtl. Privatisierung sein wird. Aber es gibt Beispiele aus anderen Städten woran ein, für die regionale Wirtschaft negativer Trend zu erkennen ist. (Bspw.: Privatisierung Stadtwerke Hamburg an Vattenfall, Wohnungsbaugesellschaft Kiel usw.) Die Stadt verliert den Einfluss auf die Preisgestaltung, den Einfluss auf die Auftragsvergaben und den Einfluss auf Investitions- und Fördertätigkeit des Unternehmens in der Stadt. Dadurch sinkt der Handlungsspielraum der Stadt. Ein privater Konzern oder gar Finanzinvestor ist natürlich in erster Linie an Rendite interessiert. Eine Zentralisierung bestimmter Bereiche auch im Bereich der Auftragsvergaben und damit einhergehende negative Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft - ist deshalb voraussehbar. 3. Auch interessant ist die Tatsache das kommunale Unternehmen im Laufe der Jahre kommunale Aufgaben übernommen haben, die die Stadt - aufgrund der Haushaltslage in die sie gebracht wurde - nicht mehr finanzieren konnte. Als Beispiel seien hier Bereitstellungen des städtischen Krankenhauses St.Georg (ggmbh) genannt, die sich u. a. auf Drogenhilfe und weitere Bereiche konzentrieren. 4. Ein weiterer Punkt in der Betrachtung stellt die Auswirkung auf Arbeitsplätze dar. Derzeit hat die LVV 4584 Arbeitnehmer und 339 Auszubildende. Alle großen kommunalen Leipziger Unternehmen haben in der Summe derzeit 8250 Arbeitnehmer und ca. 610 Auszubildende. Auch hier schlägt sich die Natur eines in erster Linie marktwirtschaftlich profitorientierten Konzerns durch. Natürlich wird mittelund langfristig auch hier versucht Einsparpotentiale zu erzielen. (Langfristige Gefahren: Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung / Ausstieg aus Tarifen, Verlegung von Arbeitsplätzen, Zentralisierung der Verwaltung usw.) Bsp.: Dresden: Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten der WOBA - aber einerseits Verlegung des Verwaltung zentral nach Essen und zusätzliche Belastung der Einheit in Dresden mit der Organisation anderer aufgekaufter Wohnungsbestände (Wohnungen von Fortress in Zwickau usw.) 5. Ein zentraler Punkt der betrachtet werden muss ist die Auswirkung auf die Einnahmesituation der Kommune langfristig. Kommunen finanzieren sich hauptsächlich aus Einnahmen aus der Grundsteuer, Gewerbesteuer, dem
4 kommunalen Anteil an der Einkommensteuer sowie natürlich aus den Einnahmen aus kommunalen Eigenbetrieben. Durch das wirtschaften der kommunalen Unternehmen werden jährlich Gewinne für den Stadthaushalt erzielt. (Stadtwerke Leipzig 54 Mio. Euro, 2006, KWL 22 Mio. Euro, 2006 usw.) Diese werden zu 100 % auch wieder in der Stadt investiert bzw. zur Erhaltung der Infrastruktur eingesetzt. Das sind beachtliche jährliche Einnahmen die bei einer Privatisierung oder Teilprivatisierung wegfallen bzw. zum Teil wegfallen. In Leipzig hat der größte Gewerbesteuerzahler die Telekom - vor wenigen Monaten angekündigt keine Gewerbesteuern mehr in Leipzig zu zahlen. Damit verliert die Stadt weit über 35 Mio. Euro pro Jahr an Einnahmen. Die Verbundnetzgas-AG (VNG) ist ebenfalls einer der größten verbleibenden Gewerbesteuerzahler in Leipzig. (Davon gibt es nur sehr wenige in Leipzig.) Durch das Engagement von Sues/Gaz de France in Leipzig tritt unweigerlich eine Konkurrenz zu VNG als wichtigster Zulieferer für die Stadtwerke ein. Mittelfristig ist ablesbar, dass Suez/GdF plant VNG zu übernehmen. Hierbei ist unklar was das für die Gewerbesteuerzahlung bedeutet. Auch hier ist ein Unsicherheitsfaktor der langfristig enorme Auswirkungen für die Stadt in sich birgt. In Leipzig gibt es bereits Erfahrungen mit teilprivatisierten Stadtwerken. Es gab zweimal zu jeweils ca. 40 % Beteiligungen von MEAG / RWE. Beide Male hat dies nicht funktioniert weil es Interessendivergenzen zwischen dem Privaten und der Stadt gab. Die Stadt hat es in beiden Fällen wieder zurück gekauft. Zentral ist: Es besteht grundsätzlich eine Interessensunterschied zwischen einem privatem Konzern und der Kommune. Der Eine von Natur aus in erster Linie Gewinn erwirtschaften. Der andere auch gewinnorientiert, aber in erster Linie steht die Gewährleistung der Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge im Vordergrund. Die Argumentation der Privatisierungsbefürworter, die Verkäufe zentraler Bereiche der Gesellschaft mit dem Schuldenabbau begründen greift in keiner Weise - vielmehr stellt sie eine kurzfristige Symptombekämpfung dar. Eine Bekämpfung der Privatisierungsentwicklung ist enorm wichtig, allerdings greift sie allein auf kommunaler Ebene zu kurz. Vor allem auf EU Ebene muss eine andere Politik betrieben werden, da dort die konkreten Richtlinien und Vorgaben - angepasst an das GATS Abkommen der WTO die Auswirkungen auf Bund, Ländern und auf die Kommunen als letztes Glied in dieser Kette haben. Die seit Jahren praktizierte Politik nach Vorgaben der WTO führt zu Aushöhlung der Handlungsfähigkeit der darunter liegenden politischen Entscheidungsebenen vor allem der Kommunen. Generell ist noch anzumerken dass die Argumentation Private wirtschaften immer besser und eine Kommune solle nur das bewirtschaften welches für einen privaten Betreiber keine
5 Gewinne bringen würde nicht zu akzeptieren ist und auch grundsätzlich falsch ist, da Privat und Öffentlich unterschiedliche Prioritäten verfolgen.
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