Traumapädagogik. Forum Heilpädagogik Fachtagung 25. Oktober Bad Nauheim. Wilma Weiß Tanja Kessler
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- Hinrich Bäcker
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1 Traumapädagogik Selbstbemächtigung, heilende Gemeinschaft, Rolle der Körpers und Anforderungen an die PädagogInnen Forum Heilpädagogik Fachtagung 25. Oktober Bad Nauheim Wilma Weiß Tanja Kessler ZTP Oktober 2011
2 Aspekte der Psychotraumatologie Traumapädagogik Die Pädagogik der Selbstbemächtigung Die traumapädagogische Haltung ZTP Februar 2011
3 Traumata Treten auf durch Ereignisse, die normale Anpassungsstrategien des Menschen überfordern Sind Bedrohungen für Leben und körperliche Unversehrtheit Sind unmittelbare Begegnungen der Betroffenen mit Gewalt und Tod, in extremer Weise Hilflosigkeit und Angst. Psychische Traumata sind immer von Gefühlen intensiver Angst, Hilflosigkeit, Kontrollverlust und drohender Vernichtung begleitet. Traumatische Reaktionen treten auf, wenn Handeln keinen Sinn hat. Jedes Element des komplexen Reaktionsgefüges besteht fort, meist in veränderter und übersteigerter Weise. Frühe Beziehungstraumata sind besonders schädigend Angelehnt an J. L. Herman 1994 ZTP Oktober 2011
4 Geistige Behinderung Körperliche Behinderung Risikofaktoren Unfälle, schwere Krankheiten, Krankenhausaufenthalte Emotionale Vernachlässigung, anhaltende Abweisung Körperliche Gewalt Sexuelle Gewalt Häusliche Gewalt Stigmatisierung Soziale Isolation Rigide, kontrollierende Lebensbedingen Anhaltende Unter- oder/und Überforderung Eine schwere (insb. psychische) Störung der Eltern (gewaltsamer) Tod eines Familienangehörigen Obdachlosigkeit, Flucht, Krieg, Naturkatastrophen usw. Traumatisierung durch Trennung Sucht Armut
5 Mittlerfaktoren von Traumatisierung Je mehr die Ursache des Trauma-Ereignisses in den Identifikationsprozess des Opfers eingreift, desto gravierender sind die Folgen. Je mehr sich Trauma-Ereignisse häufen, umso gravierender sind die seelischen Folgen. Je früher die Traumatisierung einsetzte, umso tiefgreifender sind die Schäden im Aufbau der Persönlichkeitsstruktur. Je mehr schützende Faktoren, desto eher eine Bearbeitung möglich ZTP Oktober 2011
6 Großfamilie, kompensatorische Elternbeziehungen Robustes, aktives und kontaktfreudiges Temperament Sicheres Bindungsverhalten Zuverlässige Versorgung und Assistenz Respektvolle Betreuung (medizinisch, therapeutisch, pädagogisch, pflegerisch) Soziale Förderung (Jugendgruppen, Schule, Kirche) Vernetzung Protektive Faktoren - Resilienz Verlässlich unterstützende Bezugspersonen im Erwachsenenalter Überdurchschnittliche Intelligenz Dauerhafte gute Beziehung zu mindestens einer primären Bezugsperson Humor, Kreativität Möglichkeiten der Realitätsanerkennung ZTP Oktober 2011
7 Der traumatische Prozess 1. Das traumatische Ereignis 2.Die Reaktion auf ein Trauma 3. Die Folgen der Traumatisierung ZTP Oktober 2011
8 Das Selbstkonzept Entwicklungspsychologische Auswirkungen Selbstwert, Selbstwirksamkeit, Selbstwahrnehmung, Selbstregulation Das Körperschema Die Wahrnehmung des Körperäußeren, der Körpergrenzen und des Körperinneren Die beeinträchtigte Bindungsfähigkeit Die Ausbildung traumabezogener Erwartungen Beeinträchtigte Entwicklungskompetenzen Schwierigkeiten im Vollenden von Entwicklungsübergängen, Fragmente früherer Entwicklungsabschnitte bleiben bestehen. Die moralische Entwicklung potenzierte Übernahme von Geschlechtsrollen Die Entwicklung traumaspezifischer Erinnerungen Rückblenden, Alpträume Die traumatische Übertragung ZTP Oktober 2011
9 Die Physiologie oder die Körperlichkeit des Traumas Am Beispiel des dreigliedrigen Gehirns Nach Levine/Kline
10 Die Handlungsmöglichkeiten Flucht oder Kampf stehen nicht zur Verfügung Bedrohung Flucht Kampf Beides nicht möglich Trauma Erstarren Folge ZTP Oktober 2011
11 Folge Innerhalb dieser Erstarrung, in Folge fehlender Handlungsmöglichkeiten nach außen, setzt ein nach innen gerichteter Schutzmechanismus, ein Überlebensmechanismus ein! Hören Es kommt zum Zerreißen der Wahrnehmung Riechen Sehen Wahrnehmung Spüren Schmecken
12 Das dreifältige Gehirn Neokortex Mittelhirn: Amygdala Unteres Gehirn, Reptiliengehirn 12
13 Was geschieht physiologisch bei Gefahr? Im Reptiliengehirn wird bei Gefahr eine außergewöhnliche Menge an Energie bereitgestellt. Die Hormone Adrenalin und Noradrenalin in die Blutbahn gepumpt und so zusätzliche Energiereserven mobilisiert. Der Puls steigt, das Herz klopft, die Muskeln sind besonders aktiviert und die Aufmerksamkeit ist erhöht. Der Blutstrom fließt in die große motorische Flucht- und Kampfmuskulatur, die Atmung wird schneller und flacher. Die Pupillen weiten sich. Die Blutgerinnung nimmt zu. Das verbale Ausdrucksvermögen nimmt ab, das Denken ist ausgeschaltet. Die Muskelfasern sind stark erregt, häufig bis zum Zittern. Es wird Cortisol ausgeschüttet, dieses Stresshormon wirkt entzündungshemmend und unterdrückt Fieber und Schmerzen. Bleibt der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht, wird das Immunsystem auf lange Zeit unterdrückt und dadurch ernsthaft geschwächt. ZTP Oktober 2011
14 Über die Entstehung sekundärer Traumasymptome Wenn überwältigende Ereignisse entweder außerordentlich intensiv sind, über längere Zeit anhalten oder wiederholt auftreten, verändert das Gehirn seine Funktionsweise. Es befindet sich in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit. Diese erhöhte Wachsamkeit verursacht auch dort die Wahrnehmung von Gefahren, wo keine sind. Normalerweise sendet die Amygdala zu höheren und niedrigen Gehirnbereichen Warnmeldungen. Bei traumatisierten Kindern sendet das Gehirn keine simultane duale Botschaften aus. Nicht notwendige chemische Stoffe werden in Bewegung gesetzt. ZTP Oktober 2011
15 Die Anfänge PädagogInnen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Pflegeeltern suchen Antworten auf die zum Teil extremen Verhaltensweisen von traumatisierten Mädchen und Jungen 2002 gründen Volker Vogt und Martin Kühn die Webseite erscheint die 1. Auflage von Philipp sucht sein Ich. In Fachdiensten von Einrichtungen nutzen FachberaterInnen mit von ihnen die Erkenntnisse der Psychotraumatologie und anderer Bezugswissenschaften für die effizientere Unterstützung der lebensgeschichtlich belasteten Mädchen und Jungen 2008 wird in Hanau auf Initiative von Martin Kühn und Wilma Weiß die BAG Traumapädagogik gegründet ZTP Oktober 2011
16 Die Traumapädagogik Die Wurzeln Reformpädagogik Heilpädagogik Psychoanalytische Pädagogik Milieutherapeutische Konzepten Die Bezugswissenschaften Erziehungswissenschaften Psychotraumatologie Psychoanalyse Bindungs- und Resilienzforschung Therapeutische Disziplinen ZTP Oktober 2011
17 Inhalte von Traumabearbeitung Die Veränderungen von dysfunktionalen Einstellungen und Überzeugungen Die Möglichkeit, das Geschehene in die eigene Lebensgeschichte einzuordnen Im Leben, im Jetzt einen Sinn zu finden Körpergewahrsein und Körperfürsorge zu entwickeln Die Selbstregulation von traumatischen Erinnerungsebenen und traumatischem Stress Vertrauen in Beziehungen fassen Die Entwicklung einer respektierenden Haltung den eigenen Wunden/Schwierigkeiten/Beeinträchtigungen gegenüber Soziale Teilhabechancen erwirken ZTP Oktober 2011
18 Die Pädagogik der Selbstbemächtigung - ein Kernstück der Traumaarbeit Die Förderung des Verstehens der Umwelt und von sich in der Umwelt Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens Die Unterstützung der Selbstakzeptanz Die Förderung der Selbstregulation Die Sensibilisierung für Körperempfindungen und Gefühle Die Identifizierung von Trigger und Stimuli von Übererregung Die Förderung von Körperwahrnehmung, Selbstwirksamkeit und Selbstausdruck Die Förderung von Partizipation Die Förderung von einem selbstbestimmten Leben ZTP Oktober 2011
19 Bestandteile von Selbstbemächtigung in der Behindertenhilfe TEACCH als Teil der Selbstbemächtigungsarbeit Unterstützte Kommunikation unterstützt die Selbstbemächtigungsarbeit Ziele: Verstehen Verstanden werden Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten Erweiterung der Selbstbestimmung Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten Erweiterung der Selbstständigkeit Erweiterung des Explorationsmöglichkeiten ZTP Oktober 2011
20 Wie der Kopf und der Körper reagieren Chef-Etage: Großhirn(rinde), Kortex Denken, Planen, Entscheiden, zielgerichtetes Handeln, Rationale Entscheidungen 1.Stock: Limbisches System, Amygdala, Warnzentrale, Steuerzentrale der Gefühle, und Speicherzentrale für zersplitterte Sinneseindrücke, die Sprache des 1. Stocks sind die Emotionen Erdgeschoss: Reptiliengehirn Art- und Selbsterhaltung, Atmung, Blutdruck, Körperfunktionen- und reaktionen, seine Sprache sind die Empfindungen ZTP Oktober 2011
21 Das dreigliedrige Gehirn als drei Kreise Denker Warnzentrale Repitiliengehirn ZTP Oktober 2011
22 Kinder verstehen das. Kinder entlastet das. Kinder können dann mitreden. Das Erdgeschoss ist viel größer, ihr wisst gar nicht was da alles drin ist. Das war nicht ich, das war mein Reptiliengehirn. Da hat sich eine Fernbedienung reingehängt. ZTP Oktober 2011
23 Übung Reinigung Beim Einatmen füllt sich der gesamte Körper - vom Bauch aus - wie ein riiiiiiesengroßer Ballon. Dieses Völlegefühl kurz spüren, erst wenn der Reflex kommt, wieder beginnen die Luft langsam entweichen zu lassen. Beim Einatmen wird somit der Körper mit frischer neuer Energie gefüllt. Beim Ausatmen genauso langsam die Luft entweichen lassen - die Leere dabei spüren. Die verbrauchte Energie wird dabei an die Umwelt abgegeben und es ist wieder Platz für frischen neuen Sauerstoff. ZTP Oktober 2011
24 z. B. die Selbstregulation von Übererregung Stress: Aufregung Erregung Übererregung Überflutung Erregungsniveau auf Skala von 1 bis 10 einstufen. Verschiedene Alltagssituationen nach Erregungsniveau einordnen. Wie steigt das Erregungsniveau in Krisensituationen? Erregungsniveau absenken (Entspannungsübungen, Bewegung). Wo im Körper wird Stress gespürt (in Körperschema eintragen). Nervosität ZTP Oktober 2011
25 besorgt sein ZTP Februar 2011
26 Ich glaube, dass der Kern jeder Traumatisierung in extremer Einsamkeit besteht, im äußersten Verlassen sein. Eine liebevolle Beziehung, die in mancher Hinsicht einfach ist, wird unerlässlich sein, um überhaupt von einem Trauma genesen zu können. (Onno van der Hart) ZTP Oktober 2011
27 Die traumapädagogische Haltung Ihre Verhaltensweisen sind normale Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung. Sie haben für ihre Vorannahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen einen guten Grund. Sie haben in ihrem Leben bislang viel überstanden und geleistet. Wir unterstützen sie bei der Entwicklung eines guten Lebens durch Selbstbemächtigung. Wir unterstützen sie bei der Akzeptanz ihren Wunden und Beeinträchtigungen gegenüber Wir stellen unser Fachwissen zur Verfügung (Profis), sie sind die Experten für ihr Leben. ZTP Oktober 2011
28 Traumapädagogik auf allen Ebenen Sichere PädagogInnen Förderung von Sichere Mädchen, Jungen und Erwachsene Menschen mit Behinderung Förderung von Sichere, Halt gebende Strukturen Förderlich für Fachwissen Emotionsregulation Sinneswahrnehmung und Körperwahrnehmung Resilienz Selbstbemächtigung Sichere Bindung ZTP Oktober 2011
29 Wer mit traumatisierten Menschen arbeitet muss drei Dinge unbedingt beherzigen: Erstens: Zweitens: Und Drittens: Gut essen Viel feiern Wütend putzen. ZTP Oktober 2011
30 Traumapädagogik ist eine Bewegung Für die angemessenere Unterstützung traumatisierter Mädchen und Jungen, mit und ohne Behinderung Für eine Pädagogik, die das Wissen um die Dynamik traumatischer Erfahrungen in allen Arbeitsbereichen selbstverständlich berücksichtigt Für die angemessene Unterstützung und Wertschätzung der PädagogInnen, HeilpädagogInnen und Pflegeeltern, die einen Hauptteil der Traumaarbeit leisten Für eine Vernetzung aller Fachbereiche, die Traumaarbeit leisten, auf Augenhöhe Für eine gesellschaftspolitische Diskussion mit dem Ziel, mit Mitgefühl und Verständnis die Benachteiligungen traumatisierter Menschen sozialpolitisch auszugleichen ZTP Oktober 2011
31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ZTP Oktober 2011
32 Literatur und Kontakt Ulanenplatz Hanau ZTP Oktober 2011
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