ETH Ingenieurprofil der Zukunft. Ein Beitrag von Engineers Shape our Future IngCH aus Anlass des ETH-Jubiläums 2005
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- Jasmin Heintze
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1 ETH Ingenieurprofil der Zukunft Ein Beitrag von Engineers Shape our Future IngCH aus Anlass des ETH-Jubiläums 2005
2 Ausgangslage Die ETH Zürich feiert im Jahr 2005 ihren 150. Geburtstag. Die Feiern stehen unter dem Motto «Welcome Tomorrow» und befassen sich mit der zukünftigen Ausrichtung der ETH und ihrer Stellung in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft in den kommenden Jahren. Das Umfeld in dem sich ETH, Gesellschaft und Wirtschaft heute befinden, hat sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Die Gruppe IngCH hat sich deshalb anlässlich ihrer Mitgliederversammlung vom 16. März 2005 mit dem Profil des Ingenieurs, der Ingenieurin auseinandergesetzt, das für die kommenden Jahrzehnte entscheidend ist, mit dem Ziel, Empfehlungen an die ETH Ausbildung zu formulieren. Das Papier wurde an der Generalversammlung vom 6. September 2005 von den Mitgliedern genehmigt.
3 Die Veränderung der Wirtschaft und Gesellschaft Die Schweiz ist bekannt für ihre Standortqualität: Ressourcen werden geschont, die Umwelt ist noch relativ intakt, der Lebensstandard nach wie vor hoch. Die Schweizer «Tugenden», d.h. Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Fleiss und Perfektion sind noch immer vorherrschend und bilden eine gute Voraussetzung für die Ingenieurausbildung und karriere. Trotzdem zeichnet sich seit Anfang der 90-er Jahre ein Wertewandel ab, der auch die «Tugenden» beeinträchtigt, vor allem im Zusammenhang mit Fragen zur Leistungsgesellschaft und zum Trend zur Zwei- bzw. Drei-Klassen Gesellschaft. Parallel zu diesen Entwicklungen nimmt die Komplexität zu und beeinflusst unsere Rolle in der globalisierten Welt. Die Industrie baut die Produktion in Billiglohnländern und Zukunftsmärkten aus und verlagert einen Teil der Forschung & Entwicklung. Kundennähe ist dabei ein wesentlicher Treiber. Der Trend zur Dienstleistungs- und zur Wissensgesellschaft ist offensichtlich. Eine Neuorientierung der Wertschöpfungsketten von der OECD in Richtung Schwellenländer ist im Gang.
4 Von entscheidender Bedeutung ist auch die demographische Entwicklung in den westlichen Industrienationen, d.h. die Überalterung der Gesellschaft. Die Innovationskraft einer solchen Gesellschaft verändert sich, was Konsequenzen auf die Innovations- und somit Konkurrenzfähigkeit hat. Die alternde Gesellschaft generiert neue Bedürfnisse. Die Flut neuer Technologien stellt für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft eine grosse Herausforderung dar. Technische Fortschritte lassen sich in zunehmendem Mass an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen erzielen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, ist es essentiell, Produkte zu entwickeln, welche neue Anwendungsbereiche und damit Geschäftsfelder erschliessen.
5 Das klassische Ingenieurprofil 2005 Heute zeichnet sich der Ingenieur/die Ingenieurin in der Regel durch folgende Eigenschaften aus. 1. Fachkompetenz (Expertise) die sich sowohl auf das nach wie vor essentielle technische, als auch zunehmend auf das Management- Know-how bezieht und lebenslang weiter entwickelt werden muss 2. Disziplin insbesondere für die Pflege von Qualität, Sicherheit und Zusammenarbeit 3. Bescheidenheit und Zurückhaltung...viele Ingenieure «verkaufen sich unter ihrem Wert» 4. Methodik, Logik, quantitative Analytik/Prognose und strukturiertes Denken und Handeln 5. Loyalität zu Kunden und Unternehmen 6. Interesse an Innovationen und Nachhaltigkeit
6 Die Welt im Jahr 2030 Die Globalisierung hat ein «Zusammenrücken» der Kontinente und Kulturen bewirkt. Die Gesellschaft und Wirtschaft im Jahr 2030 ist noch stärker vernetzt als heute. Dies bezieht sich auch auf die Kernkompetenzen und Fachdisziplinen, die sich immer stärker überlappen. Spezifische Teile der Wertschöpfungsketten sind nach Asien (Indien und China) abgewandert, was zu einer verstärkten Arbeitsteilung und zu neuen Tätigkeitsgebieten für Ingenieure und Ingenieurinnen geführt hat. Anderseits hat sich die Investitionstätigkeit der europäischen aber auch zunehmend asiatischen Wirtschaft in Europa verstärkt. Die demographischen Veränderungen in Europa haben zu einem steigenden Bedarf an qualifizierten Fachleuten in allen Teilen der Welt geführt. Die daraus resultierende kulturelle Vielfalt hat sich stimulierend auf die Aus- und Weiterbildungsszene Schweiz ausgewirkt.
7 Die entscheidenden Fähigkeiten der Ingenieure/Ingenieurinnen Das Naturell des Ingenieurs/der Ingenieurin ist auf die Lösung von Problemen ausgerichtet. Es ist wesentlich, dass Ingenieure und Ingenieurinnen zukünftig vermehrt über eine Palette derjenigen Fähigkeiten verfügen, die es ermöglichen, den Anforderungen der komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Es sind dies: 1. Führungsqualität in der Fachkompetenz im Fachbereich Beherrschung des «state of the art» in der Projektarbeit methodisches Vorgehen in der Umsetzung Koordination der Produktion und Kooperation der verschiedenen Bereiche (z.b. Entwicklung Produktion, etc.) 2. Innovationsfähigkeit die eigene Kreativität selbstbewusst einsetzen kreative Ideen methodisch entwickeln ausgewogenes Verhältnis zwischen Disziplin und Kreativität Qualität der eigenen Denkarbeit überprüfen lassen, kritikfähig werden
8 3. Umgang mit Komplexität pflegen Vernetzt denken und handeln Risiken kritischer Einflussgrössen erkennen und quantitativ abschätzen Spezialisten beiziehen 4. Beherrschung von Forschungs- und Entwicklungsprozessen Effektive Beschaffung des aktuellen Wissens Grosse Projekte systematisch aufteilen und führen Simulationstechnik und Prototyping anwenden 5. Kommunikation in interdisziplinären Projektteams Übersetzung von Fachchinesisch in die Alltagssprache Rhetorische Qualitäten pflegen Konsensfähig sein (... aber keine faulen Kompromisse eingehen)
9 6. Führungsqualität und Sozialkompetenz Führungsqualität über die Fachkompetenz hinaus Mit anderen zusammenarbeiten (interdisziplinär und international) Offenheit für kulturelle Unterschiede und die Kompetenz, diese positiv zu nutzen Sich und andere entwickeln/weiterentwickeln Vorleben und Weiterentwickeln der Werte/Unternehmens-Kultur («walk the talk») 7. Unternehmerisch denken und handeln Kostenbewusstheit aufbauen Marktanforderungen interpretieren Den Kunden ins Zentrum stellen 8. Ökologisch denken und handeln Energieverbrauch optimieren Weitgehendes Recycling von Material Nachhaltigkeit respektieren, zukünftige Schäden minimieren Der ideale Ingenieur/die ideale Ingenieurin kombiniert exzellentes Fachwissen mit sozialer und kultureller Kompetenz und Kundennähe.
10 Konsequenzen für die ETH-Ausbildung Das T Profil gilt immer noch (Fachwissen kombiniert mit Kenntnissen anderer Disziplinen und Sozialkompetenz Überblick mit Fähigkeiten zur «Tiefenbohrung» in Wissensgebiete). Die hervorragende und solide Fachausbildung, wie sie an der ETH Zürich gelehrt wird, muss weiterhin die wichtigste «Kernkompetenz» für Ingenieure und Ingenieurinnen sein. Auch in Zukunft sind im Berufsleben die folgenden Fähigkeiten gefragt: Spezialwissen in der traditionellen Disziplin (Fachkompetenz) Systemwissen im technischen Umfeld (Lösungskompetenz) Systemwissen im gesellschaftlichen Umfeld (Kundenprozess, emotionale Intelligenz, Beziehungsfähigkeit) Methodenwissen (Engineering und Kenntnis der «Engineering Trends») Die Frage stellt sich ob die Ausbildung weiterhin durch eine Orientierung an den Disziplinen geprägt sein soll. Grundlagen müssen für alle Disziplinen gelten und die Spezialisierung darf nicht zu früh erfolgen. Wesentlich ist für den Ingenieur, die Ingenieurin heute und in Zukunft das Verständnis für das Zusammenwirken verschiedener Faktoren auf ein System. Er, sie muss angesichts der rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen über Fähigkeiten verfügen, die zu Lösungen für Probleme führen, die wir zurzeit noch nicht kennen.
11 Die systemische Perspektive wird deshalb immer wichtiger Diesem Anspruch muss in der Gestaltung der Lehrpläne so rasch wie möglich Rechnung getragen werden. Die Schnittstellenfunktion der Ingenieure wird immer wichtiger. Inter- und Transdisziplinarität ist deshalb zu fördern. Die Lehre muss vermehrt problem- und lösungsorientierte Projekte (in Semester- und Diplomarbeiten) realisieren. Die Ausbildung muss zudem sicherstellen, dass der Ingenieur, die Ingenieurin im Unternehmen und der Gesellschaft folgende Anforderungen erfüllen kann: 1. Sicherstellung eines gewinnorientierten und nachhaltigen Wachstums 2. Beitrag zur Bildung von Vertrauen in den Nutzen der Technik für die Gesellschaft 3. Risikobewusstsein in Bezug auf Qualität und Sicherheit der Produkte 4. Schonender, verantwortungsbewusster Umgang mit allen Ressourcen Die Lehre muss deshalb neben der weiterhin essentiellen Entwicklung von fachlicher Spitzenleistung die sozialen, kulturellen und unternehmerischen Kompetenzen der Studierenden fördern. Und bei der Berufung von Dozenten und Dozentinnen müssen die soziale Kompetenz sowie das Interesse an unternehmerischen Aspekten stärker gewichtet werden.
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