Lovis Corinth. schaften. Walchenseebilder. Herausgegeben von der. durch Cathrin Klingsöhr-Leroy

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1 Lovis Corinth Seelen land schaften Walchenseebilder UND SElbstBILDNISSE Herausgegeben von der Franz Marc Museumsgesellschaft durch Cathrin Klingsöhr-Leroy

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3 Inhalt 9 Vorwort und Dank 37 Cathrin Klingsöhr-Leroy Im Spiegel des Walchensees Dämonen des Alters 59 Marion Poschmann Selbstporträt als See. Ein Umkreisen der Walchenseebilder von Lovis Corinth 75 Peter Kropmanns Corinths»zweites Leben«Die späten Jahre zwischen Berlin und Urfeld am Walchensee, Photoalbum Urfeld am Walchensee 116 Lovis Corinth Lebensdaten 118 Ausgestellte Werke

4 3. Ostern am Walchensee,

5 8. Walchensee,

6 Cathrin Klingsöhr-Leroy Im Spiegel des Walchensees Dämonen des Alters immel, Wasser und Sonne, grüne Hänge und schneebedeckte Berge, ein frischer Wind, der die Wolken am Horizont entlang treibt. Es ist immer die gleiche Landschaft, das gleiche Motiv. Bei Nacht, bei Tag, bei jedem Wetter und in jedem Licht, zu allen Jahreszeiten hat Lovis Corinth den Walchensee gemalt. Es sind Bilder, die unter den Augen»zerrinnen«, die entfliehen und die dennoch oder gerade deshalb mit magischer Anziehungskraft auf uns wirken. Aber sie ziehen vorüber, ohne dass wir sie halten könnten. Immer wieder hat man das Flüchtige dieser Landschaften beschworen, den Impressionisten Corinth gepriesen, der sich erst im Alter als wahrer Meister seines Stils offenbare. Die Flüchtigkeit des Augenblicks Sollte man diese Werke»flüchtig«nennen? Kann ein Bild sich»verflüchtigen«, dessen Malschicht dick ist, pastos, mit energischer Geste auf die Leinwand gebracht, an der sie in dicken Schlieren klebt? Sieht man in diesen Werken Corinth, den Impressionisten, und denkt an einen Vergleich mit den Nymphéas aus Monets Alterswerk, so gerät man auf eine falsche Fährte, denn Monets Seerosen lösen sich tatsächlich vor den Augen des Betrachters auf und werden im Spiel von Licht und Schatten zu immateriellen»farbsymphonien«unterschiedlichster Tonart. Diese Form der Leichtigkeit eignet den Bildern vom Walchensee kaum, und das Etikett»flüchtig«meint bei Corinth, so scheint es, eine andere Form der Auflösung.»Am Telefon eine etwas zaghafte Stimme, in den Pausen wie aus einem Seufzer neuen Atem schöpfend etwas ferne, gequält. In zehn Minuten klopfe ich ganz oben im vierten Stock an einer Tür ohne Klingel. Corinth öffnet. 37

7 1. Rudolf Grossmann: Besuch bei Corinth. Kunst und Künstler, Bd. XXIII, 1925, S Lovis Corinth: Am Walchensee. Urfeld 30. März 1921; zit. nach: Lovis Corinth. Die Bilder vom Walchensee, Ausst.kat., Regensburg und Bremen 1986, S. 23. Hier ist ein Abseitiger des Lebens, einer, der an seinem eigenen Ich fast zerborsten ist, ein vom Dämon Besessener, einer, der des Lebens ganze Lust und Fülle getrunken hat. Jetzt aber, nach den Wirbelstürmen der Krankheit, ein rationierter ein ungewollt Distanzierter. Ein Drama, das langsam zur Tragödie wird, erfüllt diesen kalten, nur mangelhaft geheizten Raum. Es hat etwas Rührendes, diesen Mann zu sehen in dem alten zerschlissenen Kittel, in dem staubigen Durcheinander von Skizzen und Zeichnungen. Eine Menge Staffeleien seine Daseinsform als Künstler nachsann 3 oder wenn er sich selbst im Spiegel betrachtete und darstellte. Von seinem Münchner Selbstbildnis mit Skelett (Abb. 1), neben dem er sich selbstbewusst und vital präsentiert, über die Radierung Der Künstler und der Tod I von 1916, auf der ein skeptischer, eingeschüchtert wirkender Corinth das schauerliche Atelierrequisit von unten her betrachtet, bis hin zu Der Künstler und der Tod II (Abb. 2) in dem sich die Studie Anatom mit Skelett (Tafel 18) wiederfindet, tritt der Tod als unliebsamer Begleiter auf.»ars stehen herum, auf ihnen fertige Bilder, in diesem Wust allein liebevoll zurecht gerückt etwas longa vita brevis«, diese Vanitasformel, die Selbstdarstellung und Selbstreflexion der Künstler verkaufsmäßig, sodass man alle gut übersehen kann. in der europäischen Malerei vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert durchzieht, lädt auch Corinths Selbstbildnisse mit tieferem Sinn auf. Es ist das Empfinden für die Vergänglichkeit des Lebens und die Macht des Todes, dem nur der Außergewöhnliche, der Geniale Nachruhm und Dauer über das Leben hinaus abhandeln kann. In diesem Gedanken hat die unbändige malerische Vitalität der Walchenseebilder ihren Ursprung. Mit letzter Kraft und all seiner Energie arbeitet Corinth an seinem Überleben in der Erinnerung. Er lehnt sich gegen die Gebrechlichkeit des Alters auf und begegnet ihr mit Hymnen an die Natur, die ihn und alle vergessen lassen, dass er am Ende seines Werkes steht. Alles wird ihm nun Symbol für die Endlichkeit des Lebens und seines Werkes auch die Schönheit und Farbenpracht der Blumenbouquets, die Corinth in seiner Malerei für die Ewigkeit erblühen lässt, zugleich das Fragile und Begrenzte dieser Überfülle einfangend. Auf früheren Werken tritt der Symbolwert der Blüte noch offen zu Tage, so auf einer Radierung von 1904, die den Künstler im Vordergrund und hinter ihm seine junge Frau zeigt. Etwas erhöht hinter ihm stehend, nimmt sie die Rolle einer Muse, einer Schutzpatronin und Fortuna ein, die sie im Leben mit dem schwierigen, depressiven und wechselnden Stimmungen unterworfenen Mann auch gespielt haben mag. Die Rose, die sie in der rechten Hand hält, schwebt bedeutungsvoll über seinem Haupt, ihn schützend und krönend, aber auch an Vergänglichkeit mahnend. Als Vanitas-Symbol in der von Corinth verehrten niederländischen Malerei geläufig, scheint die dem Verwelken anheim gegebenen Blüte auch auf diesem Doppelbildnis an die Endlichkeit des Lebens und der Liebe zu erinnern (Abb. 3).»Ich stehe für das Leben, gegen den Tod.«4 Diese, von Picasso formulierte Maxime ist Motto seines Alterswerks, das einen radikalen Neuansatz, einen unerwarteten Aufbruch markiert, mit dem noch der 90-jährige Picasso das Alter Lügen straft, mit dem schon Geschaffenen bricht und risikobereit von vorn beginnt. Die Gemälde und Zeichnungen der späten Jahre schockieren in ihrer Intensität, sie sind rätselhaft in ihrem stilistischen Wechsel, virtuos in ihrer technischen Ausführung und verwirrend in ihrer Obsessivität.»Er wußte ja, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, und er strengte sich an, wenn er eine Leinwand malte und immer wieder übermalte, um sie weiter zu vervollkommnen. Auf dem schnellsten Weg wollte er seine Ideen festhalten, wollte sich nur noch auf den kreativen Akt beschränken und alle seine Erfahrungen einbringen.«5 Die Schnelligkeit der Ausführung, die die summarisch, zum Teil skizzenhaft angelegten Gemälde Picassos am Ende seines Lebens prägt, ist Ausdruck der verrinnenden Zeit. Die Virtuosität Am Atelierfenster schichten sich wie zu einem Scheiterhaufen eingetrocknete Paletten. Corinth nimmt zu jedem Bild eine neue Palette; diese wird dann nicht mehr benutzt, erledigt in die Ecke geworfen. Er ist kein technisch Disziplinierter, in diesem Sinn ist er eigentlich ganz unmodern und unfranzösisch. Er ist vom Objekt so ergriffen, dass er gar keine Zeit hat zu irgendeiner Maldisziplin. Eine teutonische Malerfaust packt zu, kein Gedanke an die Art Abb. 2 Lovis Corinth Der Künstler und der Tod II, 1916 Kunsthalle Bremen des Vortrages, an das Wie des Entstehens. Es schafft in ihm.«1»es schafft in ihm«, und Corinth kann sich diesem Impuls nicht entziehen, lauert wie ein Luchs auf das richtige Licht, die Atmosphäre, die Stimmung, in der er den See malen will, diesen See, der zu einem tyrannischen Gegenüber wird und dem er magische Kräfte andichtet:»der See [ ] wechselt in rätselhaften Farben und Stimmungen. Bald blitzt er wie ein Smaragd, bald wird er blau wie ein Saphir und dann glitzern Amethyste im Ring mit der gewaltigen Einfassung von alten schwarzen Tannen, die sich noch schwärzer in dem klaren Wasser spiegeln [ ] wunderschön ist der Walchensee, wenn der Himmel schön ist, aber unheimlich, wenn die Naturgewalten toben [ ] man nennt ihn den Selbstmördersee.«2 Ars longa Vita brevis Diese Dämonie spiegelt sich in den weit aufgerissenen Augen des Malers, im Blick des alten, inzwischen gebrechlichen Mannes, der den See betrachtet, als sei er ein Spiegel, der ihm sein Innerstes offenbart. Die weit aufgerissenen Augen, der konzentrierte, dunkle, wie Abb. 1 Lovis Corinth Selbstbildnis mit Skelett, 1896 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München nach innen gekehrte Blick zieht uns auf den Selbstporträts des Malers in die Tiefe wie der sagenumwobene Walchensee. Corinth, der sein Bildnis jährlich und häufiger, im Alter fast obsessiv zum Thema machte, lässt sie zum Rätsel werden. Präsentierte er sich früher als Stenograph des Lebens, als unnachsichtiger Beobachter und Analyst, so offenbaren die Altersbildnisse den Kampf des gebrechlichen Körpers mit dem Willen zur Schöpfung, der in den tief liegenden, unergründlichen Augen seinen Ausdruck findet (Tafel 12). Aber, man lasse sich nicht täuschen. Das Drama des Walchensees, das sich im Blick des Malers spiegelt, ist auch Kalkül und Inszenierung. Zu gut kannte Corinth die Sprache der Malerei, und zu sehr schöpfte er aus ihrer Tradition, um im furiosen Schaffensdrang alle Topoi zu vergessen und zu verdrängen. Immer schon stand der Tod Pate, wenn Corinth über sein Leben und 3. Zu Corinths»Todesbesessenheit«vgl. Jill Lloyd: Ankündigungen der Sterblichkeit. Ausst.kat. Lovis Corinth, Berlin und München 1996, S Ausst.kat. Picasso Todesthemen, Bielefeld 1984, S Edward Quinn: Photos von Picasso, , S

8 13. Selbstbildnis am Walchensee,

9 17. Selbstbildnis vor spiegel, 1920/25 54

10 Winter 1924/25 Lovis Mine Carlotte ich und 1/2 Thomas 17. August Lovis und ich. Lovis lesend, mit Hinz und Kunz. August 1924 Lovis und ich. Winter 1924/25. Abends bei elek. Licht im Zimmer Sommer 1924 Letzte Aufnahme, im Sommer Sommer 1924 Abend Aufnahme mit 3 Minuten, daher alle mit verhaltenem Lachen. Carlotte ich Mine abend Dauer Aufnahme