DAS WELTBILD DER MODERNEN PHYSIK
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- Maria Brinkerhoff
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1 DAS WELTBILD DER MODERNEN PHYSIK IV: Klassische Mechanik Claus Kiefer Institut für Theoretische Physik Universität zu Köln
2 Isaac Newton (1642 bis 1727) Gemälde von Sir Godfrey Kneller aus dem Jahre 1702, National Portrait Gallery, London
3 1687 Philosophiae Naturalis Principia Mathematica ( Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie ) Newtons eigenes Exemplar der ersten Auflage Trinity College, Cambridge
4 Absolute Zeit und absoluter Raum Zeit geradlinig gleichförmige Bewegung beschleunigte Bewegung Raum Isaac Newton 1687: Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.... Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig, und ohne Beziehung auf irgend einen äußern Gegenstand.
5 Das Relativitätsprinzip Galileo Galilei 1632:... laßt das Schiff mit jeder beliebigen Geschwindigkeit sich bewegen: Ihr werdet wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier- und dorthin schwankend bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet Ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht. Die Gesetze der Physik ändern sich nicht, wenn man von einem Inertialsystem in ein anderes wechselt. (Inertialsystem = unbeschleunigtes System)
6 Nachweis des absoluten Raums? Newtons Eimerexperiment: Paraboloidform des Wassers im Eimer hängt nicht von der Relativbewegung zwischen Wasser und Eimer ab; für Newton bezieht sich die Drehung auf den absoluten Raum. Ernst Mach (1872): Verursacht nicht durch Relativdrehung zum absoluten Raum, sondern zur Masse der Erde und der übrigen Himmelskörper.
7 Die Newtonschen Gesetze 1. Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, wenn keine Kräfte auf ihn wirken. 2. Ein Körper der Masse m, auf den eine Kraft F wirkt, bewegt sich auf einer Bahn x(t), die man mittels F = ma m d2 x dt 2 dp dt berechnen kann. 3. actio gleich reactio: Übt ein Körper auf einen zweiten Körper eine Kraft F 21 aus, so übt der zweite auf den ersten eine Kraft F 12 aus, die denselben Betrag aber entgegengesetzte Richtung hat.
8 Modell für den Raum Mathematische Struktur: dreidimensionaler affiner Raum; gekennzeichnet durch Invarianz unter Verschiebungen, Drehungen und Verzerrungen (d.h. unter affinen Transformationen); diese Transformationen bilden eine Gruppe und sind identisch mit der Menge aller umkehrbar-eindeutigen, linear-inhomogenen Transformationen der Koordinaten.
9 Das Gesetz der universellen Gravitation F = GM 1M 2 ˆr r 2 Der Wert und die physikalische Einheit der Newtonschen Gravitationskonstante ist G = 6, m 3 kg 1 s 2, wobei der Wert der relativen Unsicherheit etwa beträgt. Fernwirkungsgesetz (keine Gravitationswellen!) Hiermit lassen sich die Keplerschen Gesetze ableiten und somit dynamisch begründen.
10 Newton an Bentley, : Es ist undenkbar, dass rohe unbelebte Materie ohne die Vermittlung von etwas anderem, das nicht materiell ist und ohne direkte Berührung auf andere Materie wirkt und sie beeinflusst [...]. Deshalb wünschte ich auch, dass Sie mir die Idee einer der Materie inhärenten Gravitation nicht zuschreiben würden. Dass die Gravitation inhärent und der Materie angeboren sei, und dass ein Körper auf einen anderen über die Ferne [acting at a distance] durch das Vakuum hindurch wirkt, ohne dass etwas anderes vorhanden wäre, das diese Wirkung oder Kraft von einem zum anderen Körper transportiert, stellt für mich eine so große Absurdität dar, dass ich nicht glaube, dass jemand der in philosophischen Dingen auch nur einigermaßen kompetent denken kann [any competent faculty of thinking], jemals darauf verfallen würde. Die Gravitationwechselwirkung wird durch einen Vermittler verursacht, der unablässig gemäß gewisser Gesetze wirkt, aber ob dieser Vermittler materiell oder immateriell ist, habe ich der Beurteilung meiner Leser [der Principia] überlassen.
11 Newton in den Principia (2. Auflage 1713): Den Grund für diese Eigenschaften der Schwere konnte ich aber aus den Naturerscheinungen noch nicht ableiten, und Hypothesen erdichte ich nicht. [...] Hypothesen, gleichgültig ob es metaphysische, physikalische, mechanische oder diejenigen von den verborgenen Eigenschaften sind, haben in der experimentellen Physik keinen Platz. In der hier in Rede stehenden Physik leitet man die Aussagen aus den Naturerscheinungen her und macht sie durch Induktion zu allgemeinen Aussagen.
12 Erhaltungssätze Energiesatz: 1 2 mẋ2 (t) + U(x(t)) E kin + E pot = konstant E Impulssatz: Der Gesamtimpuls P = MṘ (R: Ort des Schwerpunktes) ist zeitlich erhalten. Drehimpulssatz: Für ein Zentralfeld ist der gesamte Drehimpuls erhalten. (Details an der Tafel)
13 Es gibt einen engen, äußerst wichtigen, Zusammenhang zwischen Erhaltungssätzen und Symmetrien (Emmy Noether 1918). Hier: Zeitinvarianz: Energieerhaltung Translationsinvarianz: Impulserhaltung Rotationsinvarianz: Drehimpulserhaltung
14 Das Pendel Galilei: Unabhängigkeit der Periodendauer von der Pendelmasse und für kleine Amplituden von der Amplitude Kleine Auslenkungen: l T = 2π g mit l als Pendellänge und g 9, 83m/s 2 als Erdbeschleunigung (auf Meereshöhe). Für beliebige Auslenkungswinkel α 0 erhält man ein elliptisches Integral, das sich wie folgt annähern läßt: T = 2π mit k := sin α0 2. l g ( 1 + ( 1 2 )2 k 2 + ( 3 ) 8 )2 k , Huygens: Zykloidenpendel (1673): Schwingungsdauer unabhängig von der Amplitude
15 Newton und Descartes René Descartes (1596 bis 1650) stellte eine auf, die alle Bewegungen im Raum Ätherwirbel-Theorie erklären sollte (Nahwirkungstheorie); Abhandlung zur Optik (Brechungsgesetz, Regenbogen) Aus: R. Descartes, Principia Philosophiae (1644) In seinen Principia setzte sich Newton kritisch mit Descartes auseinander
16 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716) Begründer der Infinitesimalrechnung (parallel zu Newton) Bau eines Modells für eine Rechenmaschine Energieerhaltung: benötige kinetische Energie (vis viva) und potentielle Energie (vis mortua) Prinzip vom zureichenden Grund Auseinandersetzung mit Descartes und Newtons Werken
17 Newton und Leibniz Leibniz an Clarke (1715/16): Man gibt mir das wichtige Prinzip zu: daß sich nichts ereignet, ohne daß ein zureichender Grund vorliegt, weshalb es sich eher so als anders verhält.... Ich habe mehrfach betont, daß ich den Raum ebenso wie die Zeit für etwas rein Relatives halte; für eine Ordnung der Existenzen im Beisammen, wie die Zeit eine Ordnung des Nacheinander ist.... Ich behaupte also, daß, wenn der Raum ein absolutes Wesen wäre, sich etwas ereignen würde, wofür sich unmöglich ein zureichender Grund angeben ließe... Aber eben das beweist, daß die Augenblicke losgelöst von den Dingen Nichts sind, und daß sie nur in der successiven Ordnung der Dinge selbst ihren Bestand haben.
18 Newton: Er [Leibniz] benutzt lieber Hypothesen als Argumente, die sich aus Experimenten ergeben, unterstellt mir Meinungen, die nicht die meinen sind und anstatt Fragen vorzulegen, die durch Experimente zu prüfen sind, bevor sie in die Philosophie Eingang finden, legt er Hypothesen vor, die angenommen und geglaubt werden sollen, bevor sie überprüft sind. Leibniz: Nachdem mir erzählt worden war, Newton hätte in der lateinischen Ausgabe seiner Opticks etwas Außergewöhnliches über Gott gesagt, habe ich es mir angesehen und lachen müssen über die Idee, der Raum sei das Sensorium Gottes als ob Gott, der Ursprung aller Dinge, ein Sensorium nötig hätte... In der Metaphysik ist dieser Mann wie es scheint wenig erfolgreich.
19 Das Modell von Barbour und Bertotti Leibniz gelang es nicht, mit seinen Vorstellungen eines relativen Raumes und einer relativen Zeit eine funktionierende Mechanik aufzustellen. Erst Julian Barbour und Bruno Bertotti konnten 1982 ein Modell präsentieren, das auf diesen Ideen beruht. Invarianz unter beliebigen zeitabhängigen Translationen und Rotationen; Invarianz unter beliebigen Umdefinitionen der Zeit: τ f(τ), f > 0; d.h. Aufgabe der absoluten Zeit! Damit ergeben sich statt des zweiten Newtonschen Gesetzes neue Gleichungen, die nur für eine bestimmte Wahl von τ (einer Wahl, für die die Gleichungen ihre einfachste Gestalt annehmen) mit diesem übereinstimmt. Eine Folge dieser Mechanik ist die Voraussage, daß die Gesamtenergie des Universums verschwindet. J.B. Barbour und B. Bertotti, Proceedings of the Royal Society A, (1982).
20 Weitere Entwicklungen Leonhard Euler (1701 bis 1783): zentrale Bedeutung zur Mathematik und Physik, z.b. Hydrodynamik Eulersche Gleichungen: ( ) v ρ + (v )v = p + f t Variationsrechnung: neben Euler noch Maupertuis, d Alembert, Lagrange und andere; Beispiel: Ableitung des Brechungsgesetzes durch Pierre de Fermat (1601 bis 1665) Joseph Louis Lagrange (1736 bis 1813): Mécanique analytique (1788) William Rowan Hamilton (1805 bis 1865): Quaternionen, Hamiltonsche Gleichungen Himmelsmechanik: Großer Triumph der Klassischen Mechanik
21 Die Entdeckung des Neptun Problem: Bahnbewegung des Uranus (entdeckt 1781 von William Herschel) schien nicht den Keplerschen Gesetzen zu genügen Berechnungen von John Adams (England) und Urbain Le Verrier (Frankreich) zeigten, daß die Annahme eines bisher unbekannten Planeten diese Abweichungen hervorrufen könnten. Nach einem Brief von Le Verrier an Johann Gottfried Galle (Berliner Sternwarte) konnten Galle und sein Assistent d Arrest tatsächlich einen neuen Planeten nahe der vorhergesagten Stelle beobachten (September 1846). Ein analoges Problem mit dem Planeten Merkur führte zu einer ganz anderen Lösung (Einstein 1915)
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