Suizidalität im Alter
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- Kasimir Günther
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Suizidalität im Alter 1
2 Drei wichtige Fragen: 1. Wie lässt sich Suizidgefährdung bei alten Menschen erkennen? 2. Was sind die Ursachen? 3. Wie kann man vorbeugen? 4. Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es?
3 Frühwarnzeichen Gefühl der Einengung Grübeln, Suizidgedanken Hoffnungslosigkeit Aufgeben gewohnter Interessen und Aktivitäten Rückzug aus zwischenmenschlichen Beziehungen Ankündigung des Suizids ( direkt oder indirekt) Unerwartet auftretende Ruhe nach Suizidäusserungen («Ruhe vor dem Sturm»)
4 Ursachen Alle psychischen Erkrankungen gehen mit erhöhter Suizidgefahr einher. Dies trifft insbesondere auf Depressionen zu. Aber auch Demenzen, Angststörungen, Wahnerkrankungen und Süchte können zu einer Suizidgefahr führen.
5 Weitere Ursachen Spezifische belastende Lebensereignisse z.b. familiäre Konflikte, körperliche Erkrankungen, Pensionierung, finanzielle Probleme etc. Sinnfrage hat das Leben im Alter noch Sinn? Zur Erfahrung von Lebenssinn gehören: Nachdenken über sich und sein Leben Aktivität ( eigener Wille) Anpassungsbereitschaft (an Einschränkungen, Behinderung, Krankheit, soziale Gegebenheiten, Lebensbedingungen, die Mitmenschen)
6 Symptome der Depression Gedrückte Stimmung, vor allem morgens Freudlosigkeit, Gefühllosigkeit Verminderung von Antrieb und Interessen (typisch ist, dass geliebte Dinge und Aktivitäten gleichgültig werden) Rückzug aus sozialen Beziehungen Verminderte Konzentrationsfähigkeit Ermüdbarkeit und schnelle Erschöpfung Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen/Selbstvorwürfe Gefühl der Wertlosigkeit und irrationale Schuldgefühle
7 Weitere Symptome Negative Zukunftserwartungen Ungewohnte Ängstlichkeit Diverse körperliche Beschwerden (z.b. Schwindel, gastrointestinale Beschwerden) Schlafstörungen Appetitlosigkeit Gewichtsabnahme Ängstliche Körperwahrnehmung Schmerzen ohne organische Ursache Suizidgedanken
8 Körperliche Erkrankungen im Alter Chronische Schmerzen Atemnot Bewegungs- Mobilitätseinschränkungen Minderung oder Verlust der Sehschärfe Minderung oder Verlust des Gehörs Stürze und Sturzangst
9 Depression im Alter
10 Depression im Alter Als Altersdepression wird das Auftreten einer depressiven Episode ab einem Alter von 60 Jahren und darüber bezeichnet. Man unterscheidet: Erstmalige depressive Episode im Alter über 60 Rezidivierende depressive Episoden Erstere weisen häufiger neurologische Auffälligkeiten, neuropsychologische Defizite oder stärker ausgeprägte Veränderungen in der kranialen Bildgebung auf. 10
11 Zahlen Häufigkeit: Depressionen sind im Alter die häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Häufigkeit wird mit 5% bei Menschen über 60 Jahren angegeben. Sie liegt bei 5-10% im Rahmen der medizinischen Grundversorgung. 11
12 Zahlen Depression im Alter korreliert mit einer hohen Suizidrate, die in fast 90% der Fälle auf eine zugrundeliegende Depression zurückgeführt werden kann. Weltweit ist die Suizidrate in der Altersgruppe der über 75-jährigen am höchsten. Der Geschlechtsunterschied verschiebt sich im Alter weiter zugunsten der Männer bis zu (4:1). 12
13 Diagnose Diagnose: Die Diagnose wird im Allgemeinen anhand der ICD 10 Kriterien gestellt und unterscheidet sich generell nicht wesentlich vom allgemeinen Beschwerdebild anderer depressiver Erkrankungen. Für die Diagnose sollten die depressiven Symptome mindestens zwei Wochen bestehen. 13
14 Besonderheiten im Alter Besonderheiten der Altersdepression sind, dass häufig somatische Beschwerden wie Klagen über Appetitlosigkeit, Obstipation, Schwindel, Schwäche, Atem-oder Herzbeschwerden, psychomotorische Unruhe, Ängste oder Klagen über kognitive Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen. 14
15 Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch sollte immer an somatische Erkrankungen gedacht werden, die zu einer Depression führen können: Degenerative Erkrankungen wie Demenzen oder Morbus Parkinson Zerebrovaskuläre Erkrankungen, wie zerebrale Infarkte, vaskuläre Demenz 15
16 Differentialdiagnose Endokrine Störungen wie Hypothyreose, Cushing Syndrom, Diabetes Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, COPD, Schlafapnoe-Syndrom Sonstige wie Vitamin B12-Mangel, Folsäuremangel, virale Erkrankungen Medikamente wie z.b. Steroide, manche Antihypertensiva 16
17 Wechselspiel zwischen Demenz und Depression Kognitive Beeinträchtigungen als Zeichen einer fortschreitenden hirnorganischen Erkrankung Prädisposition sowie aufrechterhaltender Faktor für eine Depression Umgekehrt kann die Depression ein Risikofaktor für und/oder eine Manifestation einer beginnenden Demenz sein. 17
18 Alt werden. 18
19 Altwerden Immer mehr Menschen erreichen ein höheres Lebensalter 1900: Männer 46,2 Frauen: 48,8 2014: Männer 81,0 Frauen: 85,2 Altwerden entspricht einem Lebenstraum Erhöhtes Risiko körperlich und/oder psychisch zu erkranken Erhöhtes Risiko suizidal zu reagieren 19
20 Suizidalität im Alter zu allererst Zahlen 2012 in der Schweiz 1037 Suizide (752 Männer, 285 Frauen) d.h. knapp 3 Suizide pro Tag oder eine Suizidrate von 13 / Schweiz gehörte zu den Ländern mit der höchsten Suizidrate (6. Stelle) Bis 2008 Ungarisches Muster mit massivem Anstieg ab dem 70. LJ vor allem bei Männern 20
21 Der Suizid trägt die Handschrift des Alters Seit 2009 werden die assistierten Suizide nicht mehr als Suizid erfasst sondern unter der Diagnose, die ansonsten zum Tode geführt hätte. Seither liegt die Schweiz im Mittelfeld (Grafik) 21
22 Epidemiologie von Suiziden, Suizidversuchen und assistierten Suiziden Bundesamt für Gesundheit April
23 Suizidrate seit 2010 Seit 2010 niedrigere Suizidrate der älteren Bevölkerung, vor allem bei Frauen Nicht erfasst werden assistierte Suizide und indirekte suizidale Handlungen wie Risikoverhalten oder Unterlassungshandlungen 23
24 Standartisierte Suizidrate CH 24
25 Grafiken Verhältnis Männer: Frauen entspricht 3:1 Bei den Suizidversuchen gegenläufige Tendenz mit einem Gipfel zwischen 15. und 30. Lebensjahr 25
26 Suizidraten nach Alter und Geschlecht (Durchschnitt ) BFS 2014 Todesursachenstatistik 26
27 Grunderkrankungen bei Suiziden Quelle: Todesursachenstatistik BFS
28 Grunderkrankungen bei assistierten Suiziden (Sterbehilfe) Quelle: Todesursachenstatistik BFS
29 Assistierte Suizide (Sterbehilfe) und Suizide nach Alter (Summe ) Todesursachenstatistik BFS
30 Assistierte Suizide nach Jahr und Geschlecht Todesursachenstatistik BFS
31 Assistierte Suizide nach Alter und Geschlecht (Durchschnitt ) Todesursachenstatistik BFS
32 Suizidmethoden Männer: Erhängen, Erschiessen, Vergiften (je 25%) Frauen: Vergiften 38%, Erhängen 18% Vergiften hat an Bedeutung zugenommen Anzahl an Schusswaffen-Suiziden hat in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten wieder stark zugenommen (Waffengesetz) 32
33 Was ist hilfreich? 33
34 Theorien erfolgreichen Alterns Aktivitätstheorie Zusammenhang Lebenszufriedenheit / hohe soziale Aktivität SOK Modell (Baltes & Carstensen 1996) Modell der selektiven Optimierung und Kompensation 34
35 SOK-Modell Am Beispiel des Pianisten Arthur Rubinstein Selektion: das Repertoire begrenzen Optimierung: die ausgewählten Stücke verstärkt üben Kompensation: einen Kunstgriff anwenden 35
36 Schutzfaktoren vor Suizidalität im Alter: Psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) Kohärenzgefühl ( Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins) Anpassungsbereitschaft Soziale Bindung und emotionale Unterstützung Sinnstiftender Wertehorizont (Spiritualität u.a.) Frühzeitige Beschäftigung mit Risiken und Chancen des Älterund Altwerdens (Antizipation) Einstellungswandel zum Alter, Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens und abnehmender Autonomie Inanspruchnahme von Beratung und Vorsorge
37 Umgang mit Suizidalität 37
38 Indikationen für eine Klinikeinweisung Keine Distanz zu Suizidalität Totaler Rückzug Fremdgefährdung Vereinsamung 38
39 Umgang mit Suizidalität und Suizid Procedere bei Suizidalität in der Klinik Sonnenhalde Vor Eintritt: Abklärungsgespräch Risikoeinschätzung 39
40 Umgang mit Suizidalität Procedere bei Suizidalität in der Klinik Sonnenhalde Einschätzung des Suizidrisikos (gering, mittel, hoch) Klare Abmachungen mit dem Patient/in Überwachung, evtl. Ausgangsanpassung 40
41 Umgang mit Suizidalität und Suizid Procedere bei Suizidalität in der Klinik Sonnenhalde Fahnden/Fahndungsbogen vorbereiten Medikamente Regelmässige Kontaktaufnahme Begleitung und Unterstützung für Tagesstruktur Enge Zusammenarbeit zwischen Fallverantwortlichem und Behandlungsteam Rücksprache mit Oberarzt und Dienstarzt informieren 41
42 Gespräch mit Suizidgefährdeten Offen nicht wertend Vertrauen Suizidalität ernst nehmen Suizidalität nicht Verharmlosen Suizidalität nicht Dramatisieren 42
43 Mögliche Hinweise auf Suizidalität im Gespräch Ich falle jedem nur noch zu Last Mein ganzes Leben ist sinnlos gewesen Wenn ich nicht mehr da bin Vielleicht sehen wir uns nicht mehr Ich möchte, dass alles aufhört Ich halte das Leid nicht mehr aus Ich mag nicht mehr 43
44 Wichtige Fragen im Kriseninterventionsgespräch Wie geht es jetzt unmittelbar weiter? Wer ist als Ansprechpartner unmittelbar verfügbar? Welche Personen werden einbezogen? Ist eine medikamentöse Therapie sinnvoll? 44
45 Übergreifende Ziele der Alterspsychotherapie Fördern von Selbständigkeit und Eigenverantwortung Verbessern sozialer Fertigkeiten Stärkeres Berücksichtigen des Körpers Klären intra- und intergenerationeller Schwierigkeiten Akzeptieren des und Aussöhnen mit dem gelebten Leben Bearbeiten der Verlustthematik Auseinandersetzung mit Altern, Sterben und Tod Fördern des Gegenwartsbezugs Erarbeiten praktischer Lösungen 45
46 Therapeutische Ansätze Psychotherapie, Gespräch Verhaltenstherapie Psychoanalytisch orientierte Verfahren Psychopharmaka Antidepressiva Sedativa Hypnotika Ergänzende+ unterstützende Verfahren Körperliche Bewegung Musik, Kunsttherapie 46
47 Therapien 47
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