Kinderrechte - Herausforderung für Eltern, Gesellschaft und Staat

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1 Prof.Dr.Dr.h.c Reinhard Wiesner Kinderrechte - Herausforderung für Eltern, Gesellschaft und Staat 2. Regionalkonferenz zu Kinder- und Jugendrechten am 20. April 2015 im Bürgerzentrum Stadt Waiblingen

2 Übersicht 1. (Alle) Kinder haben Rechte Zum Begriff Kinderrechte : Funktion und Bedeutung 2. Kindheit als besonderer Status 3. Aufwachsen in privater und öffentlicher Verantwortung 4. Aufgaben der (kommunalen) Kinderpolitik Wiesner Kinderrechte Waiblingen 2

3 25 Jahre KRK ( ): Die Konzeption der UN-Kinderrechte-Konvention Die in der universellen Charta der Menschenrechte verankerten Rechte wurden auf Kinder zugeschnitten und durch einige Rechte ergänzt, die speziell Kinder betreffen: Der weite Kind-Begriff: Kind: junger Mensch bis zur Volljährigkeit Wiesner Kinderrechte Waiblingen 3

4 Gebäude der Kinderrechte Vorrang des Kindeswohls Schutzrechte Förderrechte Beteiligungsrechte Wiesner Kinderrechte Waiblingen 4

5 Was sind/ was können Kinderrechte sein? Das breite Spektrum von Kinderrechten 1. Das Recht auf Gleichbehandlung 2. Das Recht auf Gesundheit 3. Das Recht auf Bildung 4. Das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung 5. Das Recht sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu versammeln 6. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung 7. Das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung 8. Das Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht 9. Das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause 10. Das Recht auf Betreuung bei Behinderung Wiesner Kinderrechte Waiblingen 5

6 Kinderrechte im Kontext der nationalen Rechtsordnung Kinder sind wie Erwachsene - Rechtssubjekte (Bundesverfassungsgericht 1968) Kinderrechte sind deshalb integraler Teil der Menschenrechte Aber: Kinder können je nach Alter und Entwicklungsstand - ihre Rechte (noch) nicht selbst ausüben: Unterscheidung zwischen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit Wiesner Kinderrechte 6

7 Die Debatte um die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung Forderung des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes verschiedener Verbände und Politiker(innen) Skepsis bei der Sachverständigenanhörung im Rechtsauschuss des Bundestages (26.Juni 2013) Fortschritt oder Symbolpolitik? Wiesner Kinderrechte Waiblingen 7

9 Bilder vom Kind Das Kind als entwicklungs- und erziehungsbedürftige Person (Kinder als werdende Personen) Das Kind als kleiner Erwachsener (Kinder als seiende Personen) Das Kind als aktiver Mitgestalter seiner und der gesellschaftlichen Entwicklung Wiesner Kinderrechte Waiblingen 9

10 Kinder sind (keine) kleine(n) Erwachsene(n) Kinder sind von Beginn an Menschen und daher ohne Einschränkung Träger aller Rechte (und Pflichten) Insoweit stehen sie Erwachsenen gleich Zugleich unterscheiden sich Kinder von Erwachsenen; sie bedürfen im Hinblick auf den Entwicklungsprozess der Förderung und des Schutzes. Insoweit sind sie keine kleinen Erwachsenen Bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Kindern und Erwachsenen geht es also sowohl um Gleichberechtigung wie auch um Anerkennung der Verschiedenheit. Wiesner Kinderrechte Waiblingen 10

11 Kinder sind (keine) kleine(n) Erwachsene(n) Das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern ist asymmetrisch: Erwachsene tragen eine spezifische Verantwortung für Kinder, nicht jedoch umgekehrt Kinder in gleicher Weise für Erwachsene. Wiesner Kinderrechte Waiblingen 11

12 Optionen für die Gestaltung von Kinderrechten als Schutz, Förderung und Partizipation: Verpflichtungen der Erwachsenen gegenüber Kindern Beteiligung und Übernahme von Entscheidungsmacht und (Mit)Verantwortung durch das Kind wachsender Einsichtsfähigkeit Vorrang des Kindeswohls als Verfahrensleitlinie Wiesner Kinderrechte Waiblingen 12

13 Was wollen Kinder? (Stern v ) Respekt und Anerkennung Setzt Achtsamkeit und Sensibilität der Erwachsenen voraus Freiheit ( elternfreie Zone ) setzt entsprechende sozialräumliche Bedingungen voraus kommunale Stadtentwicklungs-/ Stadtteilplanung Wiesner Kinderrechte Waiblingen 13

14 Was wollen Kinder: Sie wollen ernst genommen werden Beteiligung von Kindern als Umsetzung des Leitbilds einer partnerschaftlichen Erziehung in der Familie als Instrument der Entwicklung einer eigengenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit als Voraussetzung für die Entwicklung einer kinder- und familienfreundlichen Kommune Wiesner Kinderrechte Waiblingen 14

16 An wen richten sich die Rechte der Kinder: Kinderrechte und Adressaten Die Eltern als primäre Garanten für das Kindeswohl Der Staat als Inhaber des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung als Inhaber des schulischen Erziehungsauftrags als Garant für ein menschenwürdiges Leben Die spezifischen Aufgaben der Kreise und Gemeinden als Träger der öffentlichen Jugendhilfe als Träger anderer kommunaler Aufgaben als Lebensort von Familien Wiesner Kinderrechte Waiblingen 16

17 An wen richten sich die Rechte der Kinder: Kinderrechte und Adressaten Die Wirtschaft Engagement für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Familienfreundliche Unternehmenskultur Wertschätzung von Kindererziehung Die Gesellschaft Solidarität zwischen den Generationen Wertschätzung von Bildung und Erziehung Wiesner Kinderrechte Waiblingen 17

18 Die besondere Aufgabe der Eltern bei der Wahrnehmung der Kinderrechte Die Bedeutung der Kinderrechte für die Ausübung der Erziehungsverantwortung Kindeswohl als Inhalt und Ziel Leitbild der auf sukzessive Verantwortungsübernahme gerichteten Erziehung Leitbild der gewaltfreien Erziehung Ausübung der Kinderrechte gegenüber Dritten und gegenüber dem Staat bei wachsender Beteiligung des Kindes Wiesner Kinderrechte Waiblingen 18

19 Eltern unter Druck Eltern sind gefordert in der Partnerschaft im Beruf als Eltern ihrer Kinder Potentiale und Grenzen der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie Die Wechselwirkung von Elternwohl und Kindeswohl Wiesner Kinderrechte Waiblingen 19

20 Leitbildstudie am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung(BiB), PRESSEMITTEILUNG Nr. 03/2015 v LEIDbild Elternschaft? Zerrissen zwischen Anspruch und Wirklichkeit Sozialer Druck und Perfektionismus erschweren Elternschaft Leitbild der verantworteten Elternschaft Wiesner Kinderrechte Waiblingen 20

21 Aus der Leitbildstudie Junge Erwachsene in Deutschland haben überhöhte Ansprüche ans Elternsein: So glauben über 80 % der 20- bis 39-Jährigen, dass man bei der Erziehung viel falsch machen kann. Zudem stimmt ein Viertel der Befragten persönlich der Aussage zu, wonach Eltern ihre Bedürfnisse komplett denen ihrer Kinder unterordnen sollten. Innerhalb der Gesellschaft nimmt sogar knapp die Hälfte einen starken Druck auf Eltern wahr, sich aufzuopfern. Wiesner Kinderrechte Waiblingen 21

22 Damit Eltern ihre Erziehungsverantwortung und damit die Rechte des Kindes wahrnehmen können, brauchen sie Kooperationsfähigkeit und willigkeit in der Elternbeziehung/ Partnerschaft Zeit für Kinder Wertschätzung im sozialen Raum Qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung Verständnisvolle Arbeitgeber ein menschenwürdiges Mindesteinkommen/ Grundsicherung Wiesner Kinderrechte Waiblingen 22

23 Das Recht des Kindes auf Förderung der Entwicklung und die Mitverantwortung des Staates Staatliche Aufgabe ist es die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken (Frühe Hilfen) -primäre Prävention- bei Störungen des Erziehungsprozesses Hilfe zu leisten (Hilfe zur Erziehung) -sekundäre Prävention- im Falle einer Kindeswohlgefährdung das Kind vor (weiteren) Schädigungen zu schützen -Intervention- Wiesner Kinderrechte Waiblingen 23

24 Die Bedeutung früher Hilfen Kinderschutzkonzept Baden-Württemberg Die stetige und nachhaltige Verbesserung des Kinderschutzes als wichtiges Anliegen im "Kinderland Baden-Württemberg". Breit gefächertes Kinderschutzkonzept, das auf vier Säulen aufbaut: Früherkennung und Prävention, Ausbau der Frühen Hilfen, Gezielte Qualifizierung der Fachkräfte und die weitere Vernetzung der Akteure vor Ort in den Stadt- und Landkreisen. Wiesner Kinderrechte Waiblingen 24

25 Die Kehrseite: Kindeswohlgefährdung Das Potential der Prävention und seine Grenzen Gefährdungseinschätzung als fachliche Herausforderung Die unterschiedlichen Rollen von Jugendamt und Familiengericht Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen Wiesner Kinderrechte Waiblingen 25

26 Kinder(rechte) und Schule Entwicklung einer kindgerechten Schule Der Staat hat einen eigenständigen schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrag Der Staat ist zur individuellen Förderung aller Kinder verpflichtet Die selektiven und diskriminierenden Effekte des deutschen Bildungssystems sind abzubauen Die Herausforderung des Inklusionsparadigmas Wiesner Kinderrechte Waiblingen 26

28 Wahrnehmung von Kinderinteressen als kommunale Aufgabe Ziel: Kinder- und familienfreundliche Stadt Einmischungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe ( 1 Abs.3 SGB VIII) Altersgerechte Formen der Information und Beteiligung von Kindern Foren der Diskussion von Kinderinteressen in einer älter werdenden Gesellschaft bei baurechtlichen Entscheidungen bei der Nutzung von Verkehrswegen beim Bau von Spielplätzen und Kindertageseinrichtungen ( Kinderlärm ) Kompetenzzentrum Familienfreundliche Kommune Wiesner Kinderrechte Waiblingen 28

29 Kinder- und Jugendinteressen als originäre Aufgabe der Jugendarbeit ( 11 SGB VIII) als autonomes Gestaltungsprinzip der Jugendverbände ( 12 SGB VIII) Wiesner Kinderrechte Waiblingen 29

30 Kinder- (und Jugend)interessen als Thema. der Eltern- und Familienbildung der Förderung in Kindertagesstätten des schulischen Erziehungsauftrags Wiesner Kinderrechte Waiblingen 30

31 Einrichtung von Kinderbeauftragten als feste Anlaufstelle für Kinder und ihre Eltern wenn Kinderrechte und Kinderinteressen verletzt oder nicht ausreichend berücksichtigt werden wenn Meinungsverschiedenheiten und Konflikte nicht unmittelbar gelöst werden können, sondern eine Vermittlung/ Schlichtung notwendig erscheint Wiesner Kinderrechte Waiblingen 31

32 Kinder brauchen/ haben Rechte - Kinderrechte haben eine große Bedeutung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Kindern und Jugendlichen haben wegen ihrer unterschiedlichen rechtlichen Qualität und Regelungsdichte nur begrenzte rechtliche Wirkung bergen die Gefahr, gesellschaftspolitische Fragen auf der rechtlichen Ebene lösen zu wollen sollen nicht nur als rechtliche Regelungen befolgt, sondern als inhaltliche Wertentscheidungen akzeptiert und praktiziert werden ( Kinderbewusstsein ) Wiesner Kinderrechte Waiblingen 32

33 Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Engagement für ein kinder- und familienfreundliches Waiblingen!