Mustergutachten. Abgrenzung Barlohn/Sachbezug bei Tankgutscheinen. Sachverhalt:
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- Waltraud Lange
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1 Mustergutachten Gegenstand: Abgrenzung Barlohn/Sachbezug bei Tankgutscheinen Sachverhalt: Ein Arbeitgeber hat seinen Mitarbeitern mündlich eine bestimmte Menge Benzin oder Diesel zugesagt und dies mit einem Gutschein dokumentiert. Dieser Gutschein berechtigt den Arbeitnehmer zum Tanken an einer bestimmten Tankstelle, ohne dass der Arbeitgeber selbst vorher die Zahlung geleistet hätte. Die Sozialversicherungsbehörde sah darin eine Barlohnzahlung und keinen Sachbezug mit der Folge, dass die Bezüge in vollem Umfang den Sozialabgaben unterworfen wurde. Frage: Liegt ein Sachbezug vor? Vorstand: StB/WP Dipl.-Kfm. Dr. Horst Vinken (Vorsitzender) Geschäftsführung: RAin/Dipl.-Fw. (FH) Nora Schmidt-Keßeler Bankverbindung: Commerzbank Berlin, Nr.: (BLZ )
2 - 2 - Stellungnahme: Nach 14 Abs. 1 SGB IV 1 unterliegt das Arbeitsentgelt der Sozialversicherung. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer abhängigen Beschäftigung. Was dazu gehört, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht ( 14, 17 SGB IV i. V. m. 1 ArEV 2 ). Das heißt, alle Einnahmen, die der Lohnsteuerpflicht unterliegen, sind in die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung einzubeziehen. 8 EStG 3 regelt für die Überschusseinkünfte, zu denen auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des 19 EStG gehören, den Begriff der Einnahmen. Er fasst darunter Güter, die in Geld bestehen, und Güter, die in Geldeswert bestehen. Letztere bezeichnet er in 8 Abs. 2 Satz 1 EStG u. a. als Sachbezüge. Der Begriff geldwerter Vorteil ist umfassend. Der Bundesfinanzhof (BFH) 4 definiert den Begriff geldwerte Vorteile wie folgt: Wertzugänge in Geldeswert sind alle Vorteile, die nach objektiven Merkmalen in Geld ausgedrückt werden können, einen wirtschaftlichen - nicht nur ideellen - Wert besitzen und damit eine objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers zur Folge haben. Der Fall, dass ein Arbeitnehmer eine Zuwendung in Geld erhält, wirft bei der rechtlichen Würdigung regelmäßig keine besonderen Probleme auf. Bei verschiedenen Zuwendungsformen ist eine nähere Betrachtung anzustellen um beurteilen zu können, ob die jeweiligen Vorteile als Geld oder geldwerte Vorteile zu qualifizieren sind. Diese Unterscheidung ist aber deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die Regelungen des 8 Abs. 2 und 3 EStG, die besondere (und regelmäßig für den Steuerpflichtigen günstigere) Vorschriften zum Ansatz und zur Bewertung der erlangten Güter enthalten, nicht für Barzuwendungen gelten. Zu der Frage, welcher der beiden in 8 Abs. 1 EStG genannten Gruppen von Einnahmen Warengutscheine zuzuordnen sind, werden in Verwaltung, Schrifttum und Rechtsprechung unterschiedliche Antworten gegeben. Die Finanzverwaltung 5 vertritt folgende Auffassung: Warengutscheine, die beim Arbeitgeber einzulösen sind, stellen immer einen Sachbezug dar, auch wenn der Gutschein nur auf einen Euro-Betrag lautet. 8 Abs. 2 Satz 9 EStG oder 8 Abs. 3 EStG sind damit unter den übrigen gesetzlichen Voraussetzungen anwendbar. Der Warengutschein ist mit dem angegebenen Betrag als Arbeitslohn zu erfassen. Gibt der Arbeitgeber einen Warengutschein aus, der zum Bezug einer bestimmten, der Art und Menge nach konkret 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) v , BGBl. I 1976, 3845 in der Fassung des Gesetzes v , BGBl. I 2004, Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) v , BGBl. I 1984, 1642, in der Fassung der Verordnung v , BGBl. I 2006, Einkommensteuergesetz (EStG) v , BGBl. I 2002, 4210, ber. BGBl. I 2003, 179, zuletzt geändert durch Gesetz v , BGBl. I 2006, BFH, Urt. v , X R 36/03, BFH/NV 2005, 682 m. w. N. 5 Z. B. OFD Düsseldorf, Verf. v , S 2334 A - St 22, DB 2005, 1490.
3 - 3 - bezeichneten Ware oder Dienstleistung bei einem Dritten berechtigt, handelt es sich um einen Sachbezug, auf den die Freigrenze des 8 Abs. 2 Satz 9 EStG anzuwenden ist. Ist jedoch auf dem Warengutschein neben der bezeichneten Ware oder Dienstleistung ein anzurechnender Betrag oder Höchstbetrag angegeben (z. B. 40 Liter Benzin, höchstens im Wert von 44 Euro), ist kein Sachbezug, sondern Barlohn anzunehmen. Die Freigrenze ist nicht anwendbar (R 31 Abs. 1 Satz 7 LStR). Barlohn und kein Sachbezug wird ferner zugewendet, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Bezug von Kraftstoff mittels Tankkarte ermöglicht und der die Freigrenze übersteigende Betrag vom Arbeitnehmer zugezahlt werden muss. Zum Zuflusszeitpunkt siehe R 104 a Abs. 3 Satz 1 LStR - Zufluss im Zeitpunkt der Hingabe des Gutscheins. Im Schrifttum wird der Verwaltungsauffassung zugestimmt. 6 Es gibt aber auch noch differenzierende Lösungen. So wird unterschieden, ob dem Arbeitnehmer aus dem Warengutschein ein eigener Anspruch erwächst oder ob der Arbeitgeber anspruchsberechtigt ist. Im ersten Fall liegt kein Sachbezug vor. Ein Sachbezug ist nur bei Anspruchsberechtigung des Arbeitgebers gegeben. 7 Gröpl 8 vertritt die Auffassung, dass jede Art von Warengutschein einen Sachbezug darstellt. Denn es ist in ihnen ein bestimmter Wert verkörpert, der näher zu bestimmen ist; dies ist das typische Merkmal eines geldwerten Gutes. Birk/Kister 9 nehmen dagegen an, dass jeder bei einem Dritten einzulösende Gutschein Einnahmen in Geld darstellt. Drenseck meint daher zusammenfassend, dass die Rechtslage noch unsicher sei. 10 Ein steuergerichtliches Urteil ist bislang ergangen. 11 Das FG Nürnberg hat Warengutscheine, die bei einem Dritten einzulösen waren und keine Warenangabe erhielten, sondern auf einen Geldbetrag lauteten, nicht als Sachbezug anerkannt. Unserem Erachten nach ist der Auffassung von Drenseck zuzustimmen. Sie kann sich auf Rechtsprechung des BFH stützen, auch wenn der BFH nach unserem Kenntnisstand selbst noch nicht direkt zur Frage der Warengutscheine Stellung bezogen hat. Er stellt ebenfalls darauf ab, ob der Arbeitgeber anspruchsberechtigt ist oder nicht. 12 Zur Abgrenzung zwischen Barlohn und Sachbezug hat der BFH ausgeführt, dass entscheidend sei, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer als Vertragspartner anzusehen ist. 6 Pust in Littmann/Bitz/Putz, ESt, Kommentar, 8 Rn. 34 Stichwort Warengutscheine ; Niermann, DB 2003, Drenseck in Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Aufl. 2006, 8 Rz. 30; Pust, HFR 2003, 577; so wohl auch Albert, DStZ 1998, 124, der ausführt, dass Voraussetzung für eine Sachzuwendung ist, dass der Geber die Zuwendung in Form einer Sache oder Leistung gewährt, während eine bloße Übernahme der Kosten keine Sachzuwendung darstellt; Fissenewert, HFR 2005, 111; Thomas, Inf 2005, Gröpl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, 8 Rdn. C 48 Stichwort Warengutscheine. 9 Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Kommentar, 8 EStG Anm Drenseck, a. a. O. 11 FG Nürnberg, Urt. v , IV 398/2002, Jurisdoc. 12 BFH, Urt. v , VI R 51/03, BStBl. II 2005, 137.
4 - 4 - Damit stellt sich im Gutachtenfall die Frage, wer Vertragspartner der Tankstelle ist, der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist nur dann Vertragspartner, wenn ein Geschäft, für wen es angeht gegeben ist. Dazu hat sich das Finanzgericht Münster 13 geäußert und führt aus: "Zum einen fehlt es bereits nach dem Inhalt der Gutscheine an einer Regelung, aus der sich eine solche Stellvertretung durch die Inhaber der Gutscheine ergeben könnte. (...) Zum anderen vermag das Gericht keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Gutscheininhaber beim Erwerb der Ware unter Vorlage der Gutscheine die Waren tatsächlich im Namen der Klägerin erworben haben. Dem widerspricht bereits der normale Ablauf eines Kaufs im Einzelhandel. Der Gutscheininhaber begibt sich... in eine Filiale der Firma E. Dort sucht er aus dem Warensortiment einen oder mehrere Artikel aus, den bzw. die er erwerben möchte ( ). Diese nehmen das Angebot ausdrücklich oder konkludent durch Übergabe der Ware an. Da ( ) er (der Gutscheininhaber) die Artikel ausschließlich zum eigenen Bedarf erwirbt, hat er keinerlei Veranlassung hierbei als Stellvertreter für die Klägerin aufzutreten. Für ihn stellt sich der Erwerb vielmehr als völlig normaler eigener Erwerbsvorgang und als Rechtsgeschäft zwischen der Firma E und ihm dar." Die Entscheidung des FG Münster ist zum Vorsteuerabzug der Gutscheinausstellerin ergangen. Dieser wurde versagt, eben mit dem Hinweis, dass sie nicht Leistungsempfängerin war. Der BFH 14 folgte in seinem Revisionsurteil dem Finanzgericht Münster hinsichtlich des Ergebnisses Versagung des Vorsteuer- Abzuges, allerdings aus hier unerheblichen Gründen. Den entscheidenden Punkt der Leistungsbeziehungen sah er insoweit anders, als seiner Meinung nach die Gutscheininhaber durchaus im Namen der Klägerin aufgetreten sein. Dies aber auch nur deshalb, weil vorab zwischen der Klägerin und der gutscheinverpflichteten Firma E Kaufverträge durch die Anforderung der Gutscheine zustande gekommen waren. Im vorliegenden Fall werden die Tankgutscheine aber gerade nicht vorab vom Arbeitgeber erworben: Die der Anfrage beigefügten Gutscheine erwecken den Eindruck als ob sie erst nach dem Tanken ausgefüllt worden sind. Dafür spricht auch der Umstand, dass in ihnen nicht immer volle Liter an Kraftstoff angegeben sind (z. B. 35,93 l; 19,25 l; 27,50 l; 37,64 l; 31,24 l; 30,56 l; 34,95 l). Dies mag mit der Freigrenze des 8 Abs. 2 EStG zusammenhängen, man wollte nur soviel tanken, wie die Freigrenze es zulässt. Dafür benötigt man aber eine nachträgliche Ausstellung der Gutscheine. Für die Wertung der Gutscheine als nachträglich ausgestellt, spricht auch, dass Ausstellungstag, Bezugsdatum und Einlösungstermin häufig derselbe Tag ist. Schließlich fehlt teilweise der Name der Tankstelle, bei der der Kraftstoff erworben werden soll - eine solche Angabe ist für einen Gutschein unterlässlich, zumal für einen richtigen Gutschein erforderlich ist, dass der Gutscheinaussteller den Gutscheinbetrag dem aus dem Gutschein Verpflichteten gezahlt hat. 13 FG Münster, Urt. v , 5 K 6810/00, EFG 2005, 1153 (nur Leitzsätze), Rev. eingelegt Az. V R 16/ BFH, Urt. v , V R 16/05, BFH/NV 2007, 172.
5 - 5 - Aufgefallen ist ferner, dass in einem Fall der Arbeitgeber den Gutschein erst nach der Einlösung bzw. nach der Einlösungsfrist datiert und unterschrieben hat. Im Ergebnis ist also anzunehmen, dass der Arbeitnehmer das Tanken selbst bezahlt hat (durch Barzahlung bzw. durch EC-Karte) und seine Zahlung durch seinen Arbeitgeber erstattet bekam. Dann handelt es sich um eine Barlohnzahlung, wenn auch um eine zweckgebundene Geldzuwendung, die nach dem BFH-Urteil vom 27. Oktober aber nicht als Sachzuwendung behandelt werden kann. Der Arbeitgeber ist lediglich Finanzierer des Aufwands des Arbeitnehmers. Fazit: Ein Gutschein, der als Sachbezug i. S. des 8 Abs. 1 EStG zu werten ist, setzt voraus, dass der Aussteller des Gutscheins Vertragspartner des aus dem Gutschein Verpflichteten ist. Ein solcher Gutschein kann z. B. nicht angenommen werden, wenn der Berechtigte den Erwerb finanziert und seine Kosten vom Gutscheinaussteller erstattet erhält. 15 BFH, Urt. v , a. a. O.
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