Bewertung der Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Vortrag auf dem 5. Potsdamer Rechtsforum zur Zeitarbeit des igz am 6.
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- Arnim Weiner
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1 Bewertung der Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Vortrag auf dem 5. Potsdamer Rechtsforum zur Zeitarbeit des igz am 6. Oktober 2016 Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München Lehrstuhl für deutsches, europäisches, internationales Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht
2 Überblick über die geplante Regelungen 1. Einschränkung der Tarifoffenheit des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Maßgabe von 8 AÜG-E: gleiche Bezahlung von Zeitarbeitern und Stammarbeitskräften nach 9 Monaten bzw. gleichwertige Bezahlung nach spätestens 15 Monaten aufgrund Tarifvertrags ( 8 Abs. 4 AÜG-E) 2. Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ( 1 Abs. 1b AÜG-E) 3. Erweiterung der Fiktion des Arbeitsvertrags mit dem Entleiher bei Scheinwerkvertrag (Ende der Fallschirmlösung), fehlender namentlicher Bezeichnung des Leiharbeitnehmers sowie Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer ( 9 AÜG-E) 4. Definition der Arbeitnehmerüberlassung nach 1 Abs. 1 S. 2 AÜG-E 5. Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im Arbeitskampf ( 11 Abs. 5 AÜG-E) 2
3 Gleichbehandlung I. Gleichbehandlung ( 8 AÜG-E) 1. Überblick über die geplante Regelung Einschränkung der Tarifdispositivität des Gleichbehandlungsgrundsatzes: Gleichstellung bezüglich des Arbeitsentgelts nach 9 Monaten Verlängerung der tariflichen Abweichungsbefugnis auf 15 Monate möglich, wenn nach einer sechswöchigen Einarbeitungszeit das Arbeitsentgelt des Leiharbeitnehmers stufenweise an das Arbeitsentgelt der Einsatzbranche herangeführt wird. Branchenzuschlagstarifverträge werden dadurch gesetzlich festgeschrieben. 3
4 Gleichbehandlung 2. Bewertung Gleichbehandlungsgrundsatz und seine möglichen Abweichungen sind in Art. 5 RL 2008/108/EG ausdrücklich niedergelegt. Aber: Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist im deutschen Recht der Arbeitnehmerüberlassung an sich systemfremd. 4
5 Höchstüberlassungsdauer II. Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten 1. Geplante Regelung im Gesetzentwurf Koalitionsvertrag: Gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten präzisiere das bislang im AÜG verwendete Tatbestandsmerkmal der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung. 5
6 Höchstüberlassungsdauer 1 Absatz 1b AÜG-E lautet: Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch den denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. 6
7 Höchstüberlassungsdauer Sanktionen bei Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer: Fiktion des Arbeitsvertrags zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer nach 10 Abs. 1 AÜG, es sei denn, der Leiharbeitnehmer widerspricht dem ( 9 Nr. 1b AÜG-E in Verbindung mit 10 Abs. 1 AÜG) Geldbuße bis zu ,-- ( 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG-E) Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ( 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG-E) 7
8 Höchstüberlassungsdauer 2. Unionsrechtliche Vorgaben a) Konkretisierung des Begriffs vorübergehend im Sinne der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG durch einen festen Zeitraum aa) Kompetenz: Union oder Mitgliedstaat? Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Richtlinien 8
9 Kompetenz für die Konkretisierung des Begriffs vorübergehend Auffassung der EU-Kommission in einem Beschwerdeverfahren gegen Deutschland aus dem Jahr 2015: Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG beschränke die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung an die entleihenden Unternehmen nicht. Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Höchstüberlassungsdauer folgt dann allenfalls aus Art. 9 RL 2008/104/EG: Richtlinie lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für Arbeitnehmer günstigere Rechtsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. 9
10 Höchstüberlassungsdauer Höchstüberlassungsdauer als gegenüber der Richtlinie 2008/104/EG günstigere Regelung? für die Leiharbeitnehmer? für die Stammbelegschaft? 10
11 Höchstüberlassungsdauer bb) Inhalt (1) Feste Zeitgrenze oder flexible Vorgabe? (2) Dauer 11
12 Kombination von Gleichbehandlung und Höchstüberlassungsdauer b) Übermäßige Beschränkung der Leiharbeit aufgrund der Kombination von Gleichbehandlungsgrundsatz und Höchstüberlassungsdauer? Botschaft der EU-Leiharbeitsrichtlinie und des übrigen Unionsrechts: Arbeitnehmerüberlassung ist grundsätzlich erlaubte Wirtschaftstätigkeit und daher vom Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nach Art. 16 GRC umfasst. =>Verbote und Beschränkungen der Leiharbeit sind dann überflüssig und können zurückgenommen werden, wenn die Leiharbeitnehmer über angemessene Arbeitsbedingungen verfügen. 12
13 Kombination von Gleichbehandlung und Höchstüberlassungsdauer Erwägungsgrund 18 RL 2008/104/EG: Die Verbesserung des Mindestschutzes der Leiharbeitnehmer sollte mit einer Überprüfung der Einschränkungen oder Verbote einhergehen, die möglicherweise in Bezug auf Leiharbeit gelten. Rechtfertigung der gesetzgeberischen Kombination Gleichbehandlungsgrundsatz und Höchstüberlassungsdauer mit dem Aspekt des Schutzes der Stammbelegschaft im Einsatzbetrieb? 13
14 Höchstüberlassungsdauer 3. Verfassungsrecht, insbesondere Art. 12 GG a) Bloße Rückkehr zu früherer Rechtslage? b) Verfassungsrechtliche Anforderungen aus Art. 12 GG Berufsausübungsregelungen müssen auf vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls beruhen und im übrigen verhältnismäßig sein. Gesetzgeber hat relativ großen Beurteilungsspielraum. 14
15 Höchstüberlassungsdauer 4. Tariföffnungsklausel: Beschränkung auf Tarifverträge der Einsatzbranche ( 1 Abs. 1b S. 3 AÜG-E) Wie können die Tarifverträge der Einsatzbranche eine Höchstüberlassungsdauer in einem Tarifvertrag überhaupt umsetzen? 15
16 Tariföffnungsklausel a) Tarifvertragliche Höchstüberlassungsdauer als tarifvertragliche Betriebsnorm im Sinne von 1 Abs. 1 TVG? b) Verletzung der Tarifautonomie der Zeitarbeitsbranche Die Einsatzbranche darf, aber kann nicht; die Zeitarbeitsbranche darf nicht, aber könnte. 16
17 Ende der Fallschirmlösung III. Erweiterung der Fiktion des Arbeitsvertrags mit dem Entleiher nach 10 AÜG-E Bislang: gesetzliche Fiktion des Arbeitsvertrags zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher nur bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers 17
18 Ende der Fallschirmlösung Diese Rechtsfolge soll nun auf drei weitere Fallkonstellationen übertragen werden: Konstellation des sogenannten Scheinwerkvertrags fehlende Konkretisierung der Person des Leiharbeitnehmers Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer 18
19 Ende der Fallschirmlösung Keine Fiktion des Arbeitsvertrags zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich innerhalb eines Monats nach der Überlassung bzw. nach dem Überschreiten der zulässigen Höchstüberlassungsdauer erklärt, er halte am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher fest; die vorherige Ausübung dieses Gestaltungsrechts ist nach 9 Abs. 2 AÜG-E unwirksam. 19
20 Definition der Arbeitnehmerüberlassung IV. Definition der Arbeitnehmerüberlassung ( 1 Abs. 1 S. 2 AÜG-E) Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. 20
21 V. Regelung zum Arbeitskampf ( 11 Abs. 5 AÜG-E) Einsatzverbot für Leiharbeitnehmer in einem bestreikten Betrieb des Entleihers Sanktion: Geldbuße bis zu ,- ( 16 Abs. 2 i.v.m. Abs. 1 Nr. 8a AÜG-E). Verstoß gegen den Grundsatz der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf Verschiebung der Kampfparität zu Lasten der Arbeitgeberseite 21
22 Vielen Dank für Ihre Geduld! Bei Fragen und Anregungen: 22
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