Achtung: Spitzen-Nach. Dorothee Schneider. ReiterPorträt

Transkript

1 Zwei, in die Dorothee Schneider größte Hoffnungen setzt: der achtjährige Showtime (l.) und der neunjährige St. Emilion. Dorothee Schneider Achtung: Spitzen-Nach 40 PferdeSport International

2 wuchs! 2012 wurde Dorothee Schneider in London mit der deutschen Mannschaft Olympia-Zweite. Heute hat die Ausbilderin ihren selbst aufgebauten Nachwuchs schon in den Startlöchern PferdeSport International 41

3 Dorothee Schneider: Die schönste Belohnung ist der Erfolg auf den selbst ausgebildeten Pferden. Mit Forward Looking hat die Ausbilderin aus Framersheim ein erfolgreiches Grand Prix-Pferd unterm Sattel. Blauer Himmel, Sonnenschein, friedliche Ruhe auf dem Reitplatz. Zurück auf dem Gestüt St. Stephan muss sich Chefin Dorothee Schneider erst mal fragen, wo denn eigentlich alle Mitarbeiter sind. Ich glaube, die sind bei dem schönen Wetter alle ausreiten, oder? Die Ausbilderin aus Framersheim, einem bekannten Weinort im rheinhessischen Hügelland, hat bereits eine lange Fahrt hinter sich. Zweimal in der Woche reist sie nach Perl-Borg ins Saarland. Dort, im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg, bereitet sie in Nachfolge von Ulla Salzgeber die Pferde vom Gestüt Peterhof. Wir waren uns gleich gegenseitig symphatisch, erzählt Schneider über das erste Gespräch mit Familie Kohl vom Peterhof. Wir mussten natürlich erst besprechen, wie ich die Aufgabe mit meinem eigenen Betrieb kombiniere und dann haben wir uns darauf geeinigt, dass ich ab März 2013 den Beritt einiger Pferde übernehme. Vielversprechende Vierbeiner warten dort auf sie, wie zum Beispiel die Hengste Sezuan und Silvano, oder der Fuchswallach Derano. Ziel ist die Förderung der Pferde bis zur Grand Prix-Reife und der Vorstellung im Sport, wobei Dorothee Schneider auch Gründlich gymnastizieren, viel loben und auch mal ein Galopp im leichten Sitz die Motivation des Pferdes hat für Dorothee Schneider größten Stellenwert. Unterricht auf dem Peterhof gibt. Montagnachmittag verlässt sie Framersheim, um abends in Perl-Borg zu reiten, dort zu übernachten, am frühen Dienstag noch einmal zu reiten und dann wieder nach Hause zu fahren. Gleiches Spiel von Donnerstag auf Freitag, wobei es Abweichungen wegen des Turnierkalenders geben kann. Man darf aber auch nicht vergessen, dass ich trotz der zukunftsträchtigen Kooperation mit dem Peterhof das Wohl und den Erfolg meines eigenen Betriebes nicht außer Acht lasse. Die Ausbilderin hat sich auf dem elterlichen Hof über 20 Jahre den eigenen Betrieb aufgebaut und viel Herzblut reingesteckt. Die gelernte Bankkauffrau hat einen Abschluss als Besamungswartin, als Pferdewirtin mit Schwerpunkt Zucht und Haltung und auch einen mit Schwerpunkt Reiten. In beiden Bereichen legte sie die Meisterprüfung mit Auszeichnung ab. Ich muss aber sagen, dass ich heute die Zuständigkeit in Sachen Besamungsstation ein wenig abgegeben habe, erklärt Schneider, die für ihre fünf bis zehn zur Ausbildung bei ihr aufgestallten Deckhengste auf zwei Besamungswarte zurückgreifen kann. Tolle Einstellung Ganz prominent, inmitten der Anlage, ist der große Reitplatz gelegen, umsäumt von hohen Bäumen, dichten Hecken und blühenden Sträuchern. Dahinter klappern Hufeisen auf dem Asphalt. Die Bereiter kommen aus dem Gelände zurück. Während Dorothee Schneider ihre von den Deutschen Meisterschaften noch et- 42 PferdeSport International

4 Ullrich Equines St. Emilion überzeugt durch ein großes Talent für die Piaff-Passage-Tour. Wie auch der achtjährige Showtime stehen beide Pferde seit jungen Jahren auf Gestüt St. Stephan, um auf den großen Sport vorbereitet zu werden. was müde Erfolgsstute Forward Looking zu einer kleinen lockernden Trainingsrunde aufmuntert, tummeln sich nun Schneiders Bereiterinnen und Auszubildende auf dem Dressurviereck. Ein bisschen Galopp im leichten Sitz, Zügel aus der Hand kauen lassen im Leichttraben, ein schneller Blick zu ihren Mädels und prompt ein paar aufbauende Worte: Alles gut! Der geht schön so, nur nicht noch tiefer einstellen, lobt sie ihre junge Mitarbeiterin vom Sattel aus. Über ihr Team sei sie besonders glücklich, erzählt Schneider später. Alle würden beim Turnier mit ihr fiebern und sich über die Erfolge freuen, sie könne sich darauf verlassen, dass auf dem Gestüt St. Stephan alles in Ordnung ist, wenn sie auf internationalen Turnierplätzen oder nach Perl-Borg unterwegs ist. Ich habe zum Glück keine hohe Fluktuation meiner Mitarbeiter, erzählt Schneider, die rund zehn Angestellte hat. Alle haben eine tolle Einstellung, dabei weiß ich auch, dass der Job nicht der leichteste ist. Die Motivation ist aber auch hoch, denn wenn sie gute Leistungen zeigen, dürfen sie auch Turniere reiten. Und außerdem versuche ich es wie mit den Pferden: mit viel Lob! Der durchweg freundliche Umgangston schlägt sich auch auf die Vierbeiner nieder. Brav und äußerst gelassen blicken Schneiders Nachwuchshoffnungen, der Rapphengst St. Emilion und der dunkelbraune Hannoveranerwallach Showtime, in die Fotokamera, wohlbemerkt: Nase an Nase auf dem gepflegtem Zier-Rasen. Die beiden Dressurpferde sind Schneiders ganz große Zukunftshoffnung. Mit dem neunjährigen Emil, wie Schneider den bildhübschen Ullrich Equine s St. Emilion nennt, hat die Ausbilderin ein herausragendes Talent für Piaffe und Passage unter dem Sattel. Bereits fünfjährig kam der Sandro Hit- Sohn zu ihr in den Stall, gewann ein Jahr später Bronze bei der WM der jungen Dressurpferde und qualifizierte sich für das Bundeschampionat. Siebenjährig startete er in seinen ersten S-Dressuren und fuhr zahlreiche Siege ein, darunter auch das Ticket für das Finale im Nürnberger Burg-Pokal. Im vergangenen Jahr konnte er auf Grand Prix- Niveau alles gewinnen, was man ihm abverlangt hatte. St. Emilion ist ein sehr charakterstarkes Pferd, beschreibt ihn Schneider. Er kann auch schon mal rechts und links im Viereck gucken. Außerdem besitzt er eine faszinierende Ausstrahlung im Viereck und hat eigentlich keine Schwächen. Der Westfalenhengst, der es übrigens faustdick hinter den Ohren hat und gerne mal stiften geht, beschreibt den für Dorothee Schneider typischen Ausbildungsweg. Mein Ziel ist es, junge Pferde auszubilden, sie dosiert und in den richtigen Prüfungen auf dem Turnier einzusetzen, sie möglichst bis zur Grand Prix-Reife voranzubringen und wenn ich dann auch noch im Großen Sport Erfolge mit ihnen feiern kann, gibt es keine größere Belohnung für meine Arbeit als Ausbilderin und Berufsreiterin. Dosierte Turniereinsätze Auf einen wohlüberlegten Turnierplan legt Schneider größten Wert, zu viele Starts der noch jungen Pferde würden ihre Motivation nur verringern, die sie doch für den Großen Sport unbedingt erhalten möchte. Zu sinnvollen Turniereinsätzen gehören unter anderem auch die Qualifikationen für renommierte Titel-Prüfungen wie das Bundeschampionat, die Weltmeisterschaft der jungen Dressurpferde oder der Nürnberger Burg-Pokal. Für eine Berufsreiterin, die hoffnungsvolle talentierte Jungpferde ihrer Kunden in den Sport bringen soll, sind solche Termine fast schon Pflicht jedoch nicht immer umsetzbar. Es ist ein wahrer Spagat für mich, wenn ich an einem Wochenende Nachwuchsprüfungen reiten möchte, aber auch gleichzeitig wichtige internationale Turniere stattfinden. Zum Beispiel Balve: Dort wurden die Deutschen Meisterschaften ausgetragen, die für PferdeSport International 43

5 Erst einen Tag alt, schon springt das Fohlen über die Wiesen von Gestüt St. Stephan. Zwei Zuchtstuten stehen dort, die Aufzucht übernimmt ein Betrieb im Schwarzwald. Hat sich ihren Erfolg hart erarbeitet: Dorothee Schneider. mich als Berufsreiterin große Relevanz haben. Aber gleichzeitig fanden an anderen Turnierveranstaltungen Qualifikationen für das Bundeschampionat statt, die ich mit meinen jungen Pferden nicht zuletzt auch wegen der Wünsche meiner Kunden besuchen möchte. Von denen gibt es nämlich nicht so viele. Es ist schade, dass nur wenige Turnierveranstalter den Großen Sport mit solch wichtigen Nachwuchsqualifikationsprüfungen kombinieren. Zum Beispiel in Perl-Borg auf dem Turnier gibt es neben dem Großen Sport eine Qualifikation fürs Bundeschampionat der Fünf- und Sechsjährigen, dann eine Qualifikation für den Nürnberger Burg-Pokal und eine Qualifikation für den Louisdor-Preis. Da macht es Sinn, sowohl Spitzenpferd wie auch Nachwuchspferd auf den Lkw zu laden. Sie wurde auch gefragt, warum sie ihren Hoffnungsträger St. Emilion nicht auch mit zur Deutschen Meisterschaft genommen hat. Aber das ist nicht mein Stil, verrät die 45-Jährige, ich muss doch nicht das hochmotivierte, noch junge Pferd vor der geballten A- Kader-Konkurrenz vor die Wand fahren. Da nenne ich lieber einen Grand Prix auf einem kleineren internationalen Turnier. Ich sage immer: Alles zu seiner Zeit. Auch der hübsche Showtime, in den Schneider große Hoffnungen setzt, kam bereits vierjährig nach Framersheim. Auch er konnte zweimal unter dem Sattel von Dorothee Schneider am Bundeschampionats-Finale teilnehmen. Für die WM der jungen Dressurpferde hat sich Showtime ebenfalls zweimal qualifiziert. Bei den Fünfjährigen konnte er im Finale den sechsten Platz für sich verzeichnen. Das zweite Mal 2012 war Dorothee Schneider dann zu dieser Zeit in London bei den Olympischen Spielen. Showtime wurde sogar im vergangenen Jahr im zarten Alter von sieben Jahren Fünfter im Finale des Nürnberger Burg-Pokal. Im Gespräch halten Dorothee Schneider: Ich bin ehrgeizig und gerne erfolgreich. Der von Sandro Hit abstammende Hoffnungsträger wohnt direkt neben der Box von Spitzenpferd Forward Looking, mit der Dorothee Schneider den sechsten Platz bei den Deutschen Meisterschaften in Balve belegt hatte. Vierjährig in die Obhut von Schneider übergeben, ging es für die braune Fidermark-Tochter stetig nach oben: Bundeschampionats-Finale, Siege in der schweren Klasse, dann internationale Erfolge auf Grand Prix-Level. Diese Stute liegt mir wirklich sehr am Herzen, verrät Schneider. Sie freut sich immer, wenn sie mich sieht, und im Sattel habe ich das Gefühl, dass wir eine Symbiose eingehen. Noch hat die 13-jährige Westfälin den Status der überragenden Diva Royal, mit der Schneider 2012 zum Championatskader gehörte und mit der Mannschaft Silber bei den Olympischen Spielen in London holte, nicht erreicht. In Dortmund, wo die beiden eine fehlerfreie Runde in den Sand zauberten und dafür Noten von über 75 Prozent erhielten, konnte man das Potenzial des Paares aber schon erkennen. Ziel ist es, uns natürlich noch mehr zu steigern und die Leistungen auch zu stabilisieren. In Perl- Borg ist Sichtung für die Weltreiterspiele und wir möchten dort natürlich eine gute Runde präsentieren. Aber es ist auch unverkennbar, dass die deutsche Spitze sehr breit ist und ich mir kaum Chancen auf die vorderen Plätze ausrechne. Aber ein solches Turnier ist auch immer gut, um sich im Gespräch zu halten, sich in einer guten Form zu präsentieren und mit den jungen Pferden den Anschluss zu halten. Wenn sich die Turniersaison dann aber dem Ende neigt, wenn Beritt-Pferde versorgt und Lehrgänge abgeschlossen sind, wenn auch die Deckhengste eine Pause bekommen, dann fährt auch Dorothee Schneider mit ihrem Mann mal in den Urlaub. Am liebsten ohne Pferd. Einfach mal zwei Bücher lesen und sich die Welt anschauen. Danach geht s wieder frisch ans Werk. Text: Kerstin Wachter Fotos: Karl-Heinz Frieler 44 PferdeSport International