Rechtliche Rahmenbedingungen bei gemeinsamer Produktion Wer haftet?
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- Felix Kramer
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1 / Rechtliche Rahmenbedingungen bei gemeinsamer Produktion Wer haftet? Regionalforum Industrie IHK Ostthüringen/Fraunhofer-IKTS 25. August 2016, Hermsdorf Dr. Susanne Wende, LL.M. Alicante Berlin Bratislava Brüssel Budapest Bukarest Dresden Düsseldorf Frankfurt/M. London Moskau München New York Prag Warschau noerr.com
2 / Übersicht Produktrecht -Überblick Zivilrechtliche Haftung Vertragliche Ansprüche Zivilrechtliche Haftung Produkthaftung Öffentliches Produktrecht - Marktüberwachung Gewerblicher Rechtschutz & Co. 2
3 / Die drei Säulen des Produktrechts Öffentliches Produktrecht Minimalanforderungen für das Inverkehrbringen von Produkten Europäisch harmonisierte Rechtsakte Einfallstor für die zivilrechtliche und strafrechtliche Produkthaftung Zivilrechtliche Haftung Gewährleistungsrecht (Individualvertrag, AGB, UN-Kaufrecht) Produzentenhaftung (Verkehrssicherungspflichten, Rückrufe) Produkthaftung (Gefährdungshaftung) Strafrechtliche Produktverantwortung Straftatbestände Unterlassungsdelikte vs. Begehungsdelikte Wer ist strafrechtlich verantwortlich? 3
4 / Drei Säulen des Produktrechts Öffentliches Produktrecht (z.b. ProdSG; 1. ProdSV) (Maßstab ist 1:1-Einhaltung des geschriebenen Rechts) Minimum Zivilrechtliche Produzenten- und Produkthaftung (Maßstab ist Einhaltung des neuesten Stands der Wissenschaft und Technik) Strafrechtliche Produkthaftung (Maßstab ist Einhaltung des neuesten Stands der Wissenschaft und Technik) 4
5 / Übersicht Produktrecht -Überblick Zivilrechtliche Haftung Vertragliches Gewährleistungsrecht Zivilrechtliche Haftung Produkthaftung Öffentliches Produktrecht - Marktüberwachung Gewerblicher Rechtschutz & Co. 5
6 / Zivilrechtliche Haftung für Produktfehler nach deutschem Recht Gewährleistungsrecht Abs. 1 BGB Verschuldensabhängige Haftung P: Ansprüche nur gegenüber dem Vertragspartner P: Kurze Verjährungsfristen Produzentenhaftung Abs. 1 BGB Deliktische Haftung des Herstellers Verschuldensabhängige Haftung (aber: Beweiserleichterungen) Produkthaftung - 1 ProdHaftG Deutsche Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG Verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers gegenüber jedermann 6
7 / Die Gewährleistungsrechte in der Lieferkette Software-Lieferant Zulieferer Kaufvertrag? Mietvertrag? Lizenzvertrag? Kaufvertrag Kaufvertrag Kaufvertrag Zulieferer Hersteller Händler Endkunde Granulat für 3D-Druck Modell-Datei Kaufvertrag? Mietvertrag? Lizenzvertrag? Es bestehen jeweils Mängelgewährleistungsrechte
8 / Gewährleistungsrecht Sachmangel = Qualitätsmangel Sachmangel als Pflichtverletzung Eine Sache ist mangelhaft, wenn: Die Ist-Beschaffenheit der Kaufsache von der Soll-Beschaffenheit abweicht Nicht entscheidend, ob die Abweichung sicherheitsrelevant ist
9 / Die Gewährleistungsrechte des Käufers Nacherfüllung, 439 BGB Beseitigung des Mangels Lieferung einer mangelfreien Sache Minderung des Kaufpreises, 441 BGB Rücktritt vom Vertrag, 323 BGB Schadensersatz, 280, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung (wenn Nacherfüllung scheitert) Schadensersatz neben der Leistung (für sämtliche Folgeschäden) Verschulden des Verkäufers wird vermutet Verjährung ( 214, 438 BGB): regelmäßig 2 Jahre ab Ablieferung der Sache
10 / Wareneingangskontrolle Untersuchungs- und Rügeobliegenheit ( 377 HGB) (1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. (3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
11 / Übersicht Produktrecht -Überblick Zivilrechtliche Haftung Vertragliches Gewährleistungsrecht Zivilrechtliche Haftung Produkthaftung Öffentliches Produktrecht - Marktüberwachung Gewerblicher Rechtschutz & Co. 11
12 / Zivilrechtliche Haftung für Produktfehler nach deutschem Recht Gewährleistungsrecht Abs. 1 BGB Verschuldensabhängige Haftung P: Ansprüche nur gegenüber dem Vertragspartner P: Kurze Verjährungsfristen Produzentenhaftung Abs. 1 BGB Deliktische Haftung des Herstellers Verschuldensabhängige Haftung (aber: Beweislastumkehr) Produkthaftung - 1 ProdHaftG Deutsche Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG Verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers gegenüber jedermann Produkthaftung im eigentlichen Sinne 12
13 / Nochmal: Die Gewährleistungsrechte in der Lieferkette Zulieferer Hersteller Händler Endkunde
14 / Und nun: Produkthaftung im Innenverhältnis / Außenverhältnis Hersteller 1 Endkunde Bystander Hersteller 2 Hersteller 3 Gesamtschuldner 14 Alle für den Produktfehler Verantwortlichen haften im Außenverhältnis auf den vollen Schadensersatz.
15 / Produkthaftung - Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs Produkt Produktfehler Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht Konstruktionsfehler Fabrikationsfehler Instruktionsfehler im Deliktsrecht auch: Produktbeobachtungsfehler/Verletzung der Pflicht zur Gefahrabwendung kausaler Schaden ProdHaftG: Sachschäden nur bei Sachen für die private Verwendung kausale Vermögenseinbuße im Deliktsrecht: Verschulden des Herstellers (Beweislastumkehr)
16 / Produkthaftung - Wer ist Hersteller? Tatsächlicher Hersteller ProdHaftG Deliktsrecht Hersteller ProdHaftG Quasi-Hersteller Deliktsrecht: Quasi-Hersteller haftet nicht automatisch in gleichem Umfang wie Hersteller, es kommt auf seine individuellen Verkehrssicherungspflichten an
17 / Produzentenhaftung vs. Produkthaftung Produzentenhaftung ( 823 BGB) Produkthaftung (ProdHaftG) Verletzung von Verkehrssicherungspflichten Produktbeobachtungspflicht, ggf. Gefahrenabwendungspflicht Keine Händlerhaftung Verschulden erforderlich Keine Haftung für Ausreißer Haftung für sämtliche Personen- und Sachschäden Keine Höchstgrenzen Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts Keine Produktbeobachtungs- oder Gefahrenabwendungspflicht ggf. Haftung des Händlers Kein Verschulden erforderlich Haftung auch für Ausreißer Keine Haftung für die Beschädigung gewerblich genutzter Sachen Haftungshöchstgrenzen, Selbstbehalt
18 / Pflichtverletzung und Verschulden bei autonomomen Systemen Anknüpfungspunkt des Schadensersatzrechts ist menschliches Verhalten und persönliche Vorwerfbarkeit Ausnahmen: Gefährdungshaftung z.b. für Fahrzeughalter, Tierhalter, Hersteller (eingeschränkt) Bei autonomen und selbstlernenden Systemen werden Auswirkungen immer weniger auf menschliches Verhalten zurückzuführen sein Anknüpfung an Programmierung? Anknüpfung an Betreiberverhalten? Brauchen wir eine eperson? 18
19 / Mögliche Maßnahmen zur Minimierung von Haftungsrisiken 1 Überprüfen der eigenen QS-Strukturen auf Passgenauigkeit für aktuelle Technik und Lieferverhältnisse 2 Passgenaue Qualifizierung geschlossener Verträge (Kauf, Miete, Lizenz?) 3 Sorgfältige Festlegung von Spezifikationen und Qualitätssicherungsvereinbarungen 4 Sorgfältige Festlegung der Verantwortlichkeiten verschiedener Beteiligter 5 Identifikation potentieller neuer technischer Risiken und Einbeziehung in Risikobetrachtung
20 / Übersicht Produktrecht -Überblick Zivilrechtliche Haftung Vertragliches Gewährleistungsrecht Zivilrechtliche Haftung Produkthaftung Öffentliches Produktrecht - Marktüberwachung 20
21 / Europäische Harmonisierung des öffentlichen Produktrechts Voraussetzungen für das legale Bereitstellen des Produktes auf dem Markt (=Inverkehrbringen) innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums Staatliche Minimalanforderungen an die Sicherheit von Produkten zum Zeitpunkt des Bereitstellens auf dem Markt Produktanforderungen (Beispiele): grundlegende Sicherheitsanforderungen Kennzeichnungsanforderungen Konformitätsbewertungsverfahren CE-Kennzeichnung Z. B. EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, EU-Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU, Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG, Energieverbrauchskennzeichnungsrichtlinie 2010/30/EU, RoHS Richtlinie 2011/65/EU
22 / Die Rolle der technischen Normung Harmonisierte Normen konkretisieren die grundlegenden Anforderungen der CE-Richtlinien Harmonisierte Normen sind gelistet im Amtsblatt der Europäischen Union und recherchierbar z.b. unter Die Anwendung von Normen ist rechtlich unverbindlich Normen sind keine Rechtsvorschriften! Normen stammen von europäischen Normungsorganisationen, nicht vom europäischen Gesetzgeber Die Einhaltung führt zu einer Privilegierung vereinfachte Konformitätsbewertung Konformitätsvermutung (widerlegliche Vermutung zugunsten des Herstellers, dass die Vorgaben einschlägigen Richtlinie z.b. der EU- Pyrotechnik-Richtlinie eingehalten wurden)
23 / Behördliche Notifikation nach 6 Abs. 4, 5 ProdSG Selbstanschwärzungspflicht Die Hersteller [und Händler] haben jeweils unverzüglich die an ihrem Geschäftssitz zuständige Marktüberwachungsbehörde zu unterrichten, wenn sie wissen oder auf Grund der ihnen vorliegenden Informationen oder ihrer Erfahrung wissen müssen, dass ein (Verbraucher-)produkt, das sie auf dem Markt bereitgestellt haben, ein Risiko für die Sicherheit und Gesundheit von Personen darstellt.
24 / Produktkonformität Wer ist verantwortlich? Einführer/ Bevollmächtigter Hersteller Inverkehrbringen eines konformen Produktes Händler
25 / Produktkonformität - Wer ist Hersteller? Tatsächlicher Hersteller jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet Hersteller Quasi-Hersteller jeder, der geschäftsmäßig seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen an einem Produkt anbringt und sich dadurch als Hersteller ausgibt oder
26 / 3D-Modell-Datei als Produkt? 1 ProdHaftG: Jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet Produkt Deliktsrecht: keine gesetzliche Definition, ggf. auch Software ohne Verkörperung 2 ProdSG: Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind
27 / Mögliche Konsequenzen der Nichtkonformität ( 26 Abs. 2 ProdSG) Verbot des Bereitstellens auf dem Markt Verbot des Ausstellens (etwa auf Messen) Technische Prüfung von Produkten Anordnung zur Anbringung von Warnhinweisen und Kennzeichnungen Anordnung und Durchführung öffentlicher Warnungen Anordnung des Rückrufs Aber: Vorrang unternehmerischer Eigenmaßnahmen! Bußgelder bis zu EUR
28 / Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Detaillierter Überblick Industrie 4.0 und rechtliche Rahmenbedingungen: Dr. Susanne Wende LL.M. Rechtsanwältin Lehrbeauftragte an der Technischen Universität Berlin Noerr LLP Brienner Straße München T F M susanne.wende@noerr.com
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