SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst. Was Kinder über Politik wissen

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1 SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst Was Kinder über Politik wissen Stefan Fries Redaktion: Christoph König Autorenproduktion Sendung: Samstag, , 8.30 Uhr, SWR 2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/ SWR 2 Wissen können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR 2 Webradio unter oder als Podcast nachhören: Manuskripte für E-Book-Reader E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. Ab sofort gibt es auch die Manuskripte von SWR2 Wissen als E-Books für mobile Endgeräte im so genannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iphone oder das ipad gibt es z.b. die kostenlose App "ibooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.b. Firefox gibt es auch so genannte Addons oder Plugins zum Betrachten von E-Books. Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/ oder swr2.de 1

2 Atmo Kindergarten, spielende Kinder, Lärm, Spielzeug O-Ton Kinder Lucy Amelie Fabian, Lucy/Amelie/Fabian: Hä? Amelie: Was ist denn das? Lucy: Hä? Fabian: Komisch. Amelie: Komisch. Fabian: Dieses Teil hab ich noch nie im Leben gesehen. Amelie/Lucy: Ich auch nicht. Reporter: Das ist der Bundestag. Fabian: Bundestag? Alle drei lachen. Fabian: Welcher Schmunzeltag? Amelie: Bundestag und nicht Schmunzeltag. Bundestag. Da wird wahrscheinlich eine neue Kanzlerin oder Kanzler gewählt. Manchmal wird man ja auch manchmal älter und kann man das nicht mehr machen und man stirbt ja auch oder man ist so krank, dass man dann einen anderen nehmen muss. Kanzler auf Lebenszeit manch einem Amtsinhaber hätte das gefallen. Und nach dieser kindlichen Logik würden Angela Merkels Vorgänger nicht mehr unter uns weilen. Es sind überraschende Perspektiven, die Kinder auf die Welt haben. Besonders, wenn es um Ereignisse und Zustände geht, die sie zunächst nicht ganz verstehen oder von denen sie nur am Rande etwas mitbekommen. Die Sphäre der Politik ist so ein Fall. Bis zur Einschulung werden Kinder nicht systematisch an diesen Teil der Gesellschaft herangeführt. Von anderen Teilsystemen bekommen sie etwas mehr mit: zum Beispiel von der Wirtschaft, in der ihre Eltern arbeiten, von der Religion, falls ihre Familie sie praktiziert, von der Kultur, die sie über Bücher und Filme wahrnehmen, vom Sport, den sie selber treiben und im Fernsehen sehen. Der Taktgeber für viele dieser Bereiche die Politik bleibt ihnen anscheinend länger verborgen. Könnte man denken. Denn schon früh kommen Kinder immer wieder mit Politik in Kontakt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dem sind Wissenschaftler seit Jahrzehnten auf der Spur. Atmo Kindergarten Ansage: Was Kinder über Politik wissen. Eine Sendung von Stefan Fries. Atmo Kindergarten, spielende Kinder, Lärm, Spielzeug Im Kindergarten ist die Politik weit weg. Hier zählen die Spielkameraden, der Fußball, die Star-Wars-Sammelkarten. Zu Hause sind es die Eltern, das Fahrrad, die Lieblingssendung im Fernsehen. Es ist wenig überraschend, dass politische Themen im engeren Sinn dabei keine Rolle spielen. Und Eltern werden eher selten mit Fragen dazu konfrontiert. Dabei machen sich Kinder durchaus bereits früh ein Bild von der Welt und auch eins von der Politik, ohne dass sie diesen Begriff dabei bereits kennen würden. 2

3 O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Wir als Erwachsene gehen ja davon aus, weil für uns... für viele Erwachsene Politik sehr abstrakt ist, sehr trocken, dass Kinder sich nicht dafür interessieren. Aber ich denk, an... an manchen Punkten oder bei vielen ist es eben nicht so, dass da eben ganz kleine Impulse reichen, dass sie sich dafür interessieren. Die Wiesbadener Politikwissenschaftlerin Dr. Meike Vollmar hat sich mit dem politischen Wissen von Kindern beschäftigt. Sie sagt: Kinder begegnen schon früh dem Politischen - auf der Straße, wenn sie Wahlplakate oder Demonstrationen sehen; zu Hause, wenn sie ihre Eltern über Politik reden hören; wenn sie älter sind, auch durch zielgruppengerechte Fernsehsendungen wie logo im Kika oder Neuneinhalb im Ersten. Zum Teil bekommen sie unmittelbare Auswirkungen politischer Entscheidungen auch hautnah mit, etwa wenn es nicht genug Kindergartenplätze gibt, die Grundschule zu weit entfernt liegt oder die Mutter keinen Job findet. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Es muss einfach den Lebensbereich der Kinder betreffen. Ich mein, es ist genauso simpel auch wie bei Erwachsenen: Politik ist dann interessant für den einzelnen oder für die einzelne, wenn s ihn oder sie betrifft. Und dann kann Politik ja auch sehr weitreichend sein, also wenn s beispielsweise die Verkehrsführung im Viertel betrifft, äh, Fahrradwege, ähm, ne Abfallordnung, oder Sachen, die einen eben direkt betreffen, und so ist es eben auch bei Kindern. Im Alter von fünf oder sechs Jahren fehlt Kindern allerdings noch der Sinn dafür, hinter dem Bau eines Spielplatzes oder dem Abriss einer Turnhalle eine konkrete politische Entscheidung zu vermuten. Für sie existieren die Auswirkungen von Politik und deren Urheber noch weitgehend getrennt voneinander. Und so können viele von ihnen zwar einzelne Personen benennen, aber nicht sagen, was eigentlich deren Aufgabe ist. O-Ton Kinder Lucy, Amelie und Fabian, Amelie: Angela Merkel. Reporter: Und wer ist das? Amelie: Bundesligerin. Reporter: Und was macht die so? Amelie: Es gibt ja hier keinen König und dann macht die was wahrscheinlich über die... äh... (lacht) Weiß ich nicht, was die macht, aber die bestimmt bestimmt hier übers Land. Reporter: Was macht denn ein König normalerweise? Amelie: Der macht auch so Sachen, der bestimmt wahrscheinlich übers Land, weil ich weiß das noch nicht so viel, aber ich weiß nur, dass das Angela Merkel ist. Reporter: Wann hast Du die zuletzt gesehen, weißt Du das noch? Amelie: Im Fernsehen und auf der Zeitung. Reporter: Und weißt Du, was sie da gemacht hat, als Du sie da gesehen hast? Amelie: Einmal hat die durch so n Dingsbums gesprochen, und einmal hat... war... da war nur ein Bild von ihr auf Zeitung, da stand die da einfach nur so rum. 3

4 Was die sechsjährige Amelie da beobachtet hat, ist typisch für Kinder ihres Alters. Sie nehmen zunächst nur Teile des politischen Geschehens wahr. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Also es ist so, dass Kinder den politischen Prozess vereinfachen. Das heißt, sie nehmen erst politische Personen wahr und Symbole, bevor sie Strukturen und auch so was wie politisches Regime entdecken oder Wissen darüber entwickeln können. Meistens geht es dabei mit dem Bundeskanzler oder eben der Bundeskanzlerin los in Deutschland die politische Figur mit der größten Medienpräsenz. Doch trotzdem erscheint Angela Merkel für Vorschulkinder wie Oskar, Paul und Benjamin zunächst nur als eine relativ alte Frau, die aus vorgefahrenen Autos steigt, Hände schüttelt und in Mikrofone spricht. O-Ton Kinder , Oskar Paul, Oskar: Angela Merkel? Reporter: Und wer ist das? Oskar: Eine Bundeskanzlerin. Paul: Ich hab den schon mal im Fernseher geguckt. Paul: Die ist auf einem Stuhl gesessen und hat was gesagt. O-Ton Kinder Benjamin Vladimir, 2 52 Benjamin/Vladimir: Frau Merkel. Benjamin: Die bestimmt übers ganze Land. Reporter: Wisst Ihr denn, was ihr Beruf ist? Benjamin: Ah, Bundeskanzlerin. Und die dürfen übers ganze Land bestimmen? Reporter: Wo hast Du die denn zuletzt gesehen? Benjamin: Im Fernseher. Benjamin: Die ist auf Krücken rumgelaufen. Beide lachen. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Wenn man als Erwachsener von Politik ausgehen, dann betrachtet man ja meistens auch den politischen Prozess oder politische Strukturen, politische Funktionsträger. Es ist aber so, dass Politik ja auch kleinteilig zu verstehen ist, und so ist es beispielsweise für Kinder. Die nehmen vor allem Symbole oder auch politische Personen als Politik wahr. Politische Personen sind ja auch öffentlich sichtbar oder für sie sichtbar, beispielsweise wenn Wahlkampf ist, dann stehen Plakate in der Stadt mit Köpfen drauf. Das sind dann sehr sichtbare Symbole für Kinder von Politik. Nicht jede einzelne kleinere Beobachtung, die Kinder in ihrer Entwicklung machen, führt zu Fragen nach dem großen Ganzen. So kommt es zum Beispiel vor, dass Kinder im Wahlkampf Werbeplakate für Politiker und Parteien in der Öffentlichkeit zwar sehen, zu 4

5 ihnen aber erst nach einiger Zeit einen Anknüpfungspunkt finden. Ebenso nehmen sie Gespräche zwischen den Eltern über politische Fragen eher nebenbei wahr; diese tragen aber trotzdem dazu bei, dass sich ihr Wissen vergrößert. Aber nicht nur Fakten werden ihnen auf diese Weise vermittelt, sagt Meike Vollmar. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Das ist auch so, dass, wenn Eltern über Politik sprechen oder über politische Personen, dass Kinder eben das sehr wohl mitbekommen. Und das früheste, was Kinder auch entwickeln, ist, dass sie eher affektive Einstellungen, das heißt Gefühle gegenüber Politikern entwickeln. Also zum einen Gefühle mit... wenn eben Eltern äußern, dass sie denjenigen mögen oder nicht. Aber auch Bilder, in denen sie zum Beispiel sehen, dass damals bei unserer Studie war noch Bundeskanzler Schröder der Amtsinhaber. Ich meine, da hat er irgendwie über seine... über seine Leidenschaft beim Fußball gesprochen. Und damals haben dann die Kinder auch geäußert, dass er eben auch... eben sich auch freut und aufsteht, und dass ein Bundeskanzler eben in seinem Büro sitzt und rausschaut. Also sie nehmen sehr viel auch in Bildern wahr. Und: Kinder sehen Politik auch idealisiert, durch eine rosarote Brille. Sie schätzen Politiker grundsätzlich als gut ein, bewerten ihre Handlungen positiv und nehmen kritische Stimmen gar nicht wahr. Diesen vereinfachten Blick als kindliches Missverstehen abzutun, sei falsch, sagt Meike Vollmar. Denn Kinder interessierten sich durchaus für das, was sie beobachten, auch wenn sie nur einen Teil davon wirklich wahrnehmen. Der kann aber Initialzündung sein, um sich näher mit politischen Fragen zu befassen. Das hat auch Ralph Caspers festgestellt, der als Fernseh-Journalist und Moderator für die Sendung mit der Maus und das Magazin Wissen macht Ah! arbeitet und deswegen immer wieder mit dem konfrontiert ist, was Kinder schon wissen und was sie wissen wollen. O-Ton Caspers Ralph Caspers, Grundsätzlich kann man, glaub ich, sagen, dass ältere Menschen die Tendenz haben, jüngere Menschen zu unterschätzen. Und auch nicht nur das Wissen zu unterschätzen sondern auch zu unterschätzen, was die tatsächlich alles schon mitkriegen und was sie verstehen und auch bereit sind mitzumachen bzw. wo sie bereit sind, mitzugehen, auch gedanklich. Ich glaube, da werden Kinder oft unterschätzt. Caspers nennt ein praktisches Beispiel aus seiner eigenen Familie. Hin und wieder arbeite er als Wahlhelfer, erzählt er. O-Ton Caspers Ralph Caspers, Das ist wirklich greifbare Demokratie. Dann nehm ich also... da auch mein Kind... mitgenommen und er hat dann mit zugeguckt, wie... wie die Leute ihre Wahlscheine abgeben und in die Urnen reinstecken und war auch dann dabei, wie alles ausgezählt wird. Und dann abends um acht in der Tagesschau waren genau die gleichen Bilder wie das, was er gesehen hat. Und das war natürlich... ja... sehr erstaunlich. Plötzlich wurde Politik oder zumindest so dieser Entscheidungsprozess, wer gewählt wird, ganz 5

6 greifbar, wenn man tatsächlich die Zettel gezählt hat und geguckt hat: Wer bekam wie viele Stimmen? O-Ton Kinder Benjamin Vladimir, Reporter: Wisst Ihr denn, wie man ne Bundeskanzlerin wird? Benjamin: Gewählt. Reporter: Ja? Woher weißt du das? Benjamin: Hab ich auch im Fernseher gesehen. Reporter: Jetzt war ja neulich ne Wahl, ne, vor ein paar Monaten. Waren Deine Eltern auch wählen? Benjamin: Ja, die waren wählen. Die haben... mein Papa hat beide gekreuzt. Also der wollte... Der hat die Frau Merkel gekreuzt und den anderen. Reporter: Warst du dabei? Benjamin: Ja, ich darfte sogar da rein, wo die das immer so machen. Reporter: Und was gab s da zu machen? Benjamin: Ich nix. (lacht) Neben der politischen Person der Bundeskanzlerin sind Kindern um die sechs Jahre eher politische Symbole präsent. O-Ton Kinder Jan Fabian, Jan: Deutschlandflagge. (überlegt) Blau... rot... schwarz, rot und gelb. Das ist die. Schwarz und gold. O-Ton Kinder Fabian, Fabian: Das ist die Deutschlandflagge, dass die anderen wissen, dass... dass das ein Land ist. Hier... hier... hier auf der anderen Seite der Welt wissen die ja nicht, dass das... weiß ja nicht direkt, welches Land auf der anderen Seite der Welt ist. Dass die das wissen, wenn die mal hierhin fliegen, dass die auch wissen, welches Land das ist. O-Ton Kinder Jan Fabian, Jan: Im Garten haben wir so ne Deutschlandflagge, aber eigentlich kommt die eigentlich an den Anhänger dran, da wo ich immer drinne sitze. Vor allem im Zusammenhang mit Sportwettbewerben wie etwa einer Fußball- Weltmeisterschaft hat fast jedes Kind im Vorschulalter schon mal die Deutschlandflagge gesehen. In den USA sind solche nationalen Symbole stärker verbreitet und werden dementsprechend häufiger von Kindern erkannt, haben Studien ergeben. Ebenso wie die Nationalhymne The Star-Spangled Banner, die in den USA viel mehr Kinder kennen als hier das Deutschlandlied. Auch der Präsident ist dank seiner überragenden Stellung im politischen System der USA deutlich bekannter unter den amerikanischen Kindern als die Bundeskanzlerin unter den deutschen. Auch wenn wir bisher versucht haben, die Frage zu beantworten, was Kinder wirklich über Politik wissen, lässt sie sich im Detail pauschal kaum beantworten. Denn die Unterschiede im Wissensniveau hängen von vielen Variablen ab: etwa vom Alter, vom 6

7 sozioökonomischen Umfeld der Kinder, vom Wohnort, vom politischen Interesse und Engagement der Eltern. Es hängt davon ab, ob es ein Einzelkind ist oder Geschwister hat - und wenn es Geschwister hat, kann auch eine Rolle spielen, ob es das erst- oder letztgeborene Kind ist und welchen Altersabstand es zu seinen Geschwistern hat. Darüber hinaus spielt natürlich auch das individuelle Interesse jedes einzelnen Kindes eine Rolle. Und in diesen notwendigen Unterscheidungen ist dann die Zahl der befragten Kinder in fast allen Studien so niedrig, dass repräsentative Zahlen für eine größere Gruppe von Kindern kaum zu bekommen sind. Trotz dieser Differenzierungen lassen sich aber ein paar Tendenzen feststellen, sagt die Politikwissenschaftlerin Meike Vollmar aus Wiesbaden. So verfügen etwa Einzelkinder über mehr politisches Wissen als Kinder mit Geschwistern. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, weil sie im Vergleich zu Geschwisterkindern mehr Aufmerksamkeit... aber dass es eben mehr Raum da ist, um mit den Eltern über politische Dinge, die geschehen, auch zu reden. In Familien mit politisch engagierten Eltern, die etwa Mitglieder einer Partei oder einer Bürgerinitiative sind, bekommen auch die Kinder früher mehr mit. Und: Die Eltern sind anfangs auch für politische Gefühle ihrer Kinder prägend. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, In der Forschungstradition hat man herausgefunden, dass Kinder, bevor sie eigentlich auch oder Wissen entwickeln, auch Gefühle entwickeln und dann in dem Fall eben politischen Personen gegenüber, dass sie eben n bestimmten Politiker oder ne bestimmte Politikerin toll finden oder eben nicht so toll. Da werden oftmals auch die Einstellungen der Eltern übertragen. Es ist auch ähnlich so mit der Parteineigung, die jemand hat. Das geschieht oftmals auch unterschwellig, dass das Kinder eben wahrnehmen, n Abneigung oder Zuneigung ner bestimmten politischen Partei gegenüber. Und deshalb auch selber die eine oder die andere Partei, der positiv gegenüberstehen oder ihr negativ gegenüberstehen. Kinder erwerben ihr politisches Wissen nicht nur passiv; ab einem bestimmten Alter fragen sie auch nach und informieren sich selbst. Dass Kinder als Teil dieser Welt auch etwas über sie erfahren sollen das ist eine unter den Offiziellen dieser Welt gern geteilte Ansicht haben die Vereinten Nationen in der Kinderrechtskonvention den Anspruch auf altersgerechte Informationen festgelegt eine Konvention, die mehr Staaten der Welt unterschrieben haben als jede andere. Dort heißt es in Artikel 17: Zitat Die Vertragsstaaten erkennen die wichtige Rolle der Massenmedien an und stellen sicher, dass das Kind Zugang hat zu Informationen und Material aus einer Vielfalt nationaler und internationaler Quellen, insbesondere derjenigen, welche die Förderung seines sozialen, seelischen und sittlichen Wohlergehens sowie seiner körperlichen und geistigen Gesundheit zum Ziel haben. 7

8 Darüber hinaus empfiehlt die Konvention den Staaten, die Massenmedien dazu anzuregen, Kindern spezielle Angebote zu machen Redaktionskonferenz 12 Uhr (1) Atmo logo Die Redaktionskonferenz von logo beim ZDF in Mainz. Seit über 25 Jahren bemühen sich hier täglich Fernsehjournalisten darum, Kindern die Welt nahezubringen. Wenn man ihnen Politik so erklärt, dass sie sie verstehen, und ihnen klar macht, was sie mit ihrem Leben zu tun hat, dann finden Kinder sie spannend. Mit diesem Anspruch treten die Macher der Kindernachrichtensendung logo! mit ihrem Redaktionsleiter Markus Mörchen an. O-Ton Mörchen Markus Mörchen (2), Für Kinder ist es wichtig, über Politik Bescheid zu wissen, weil das ganze Leben Politik ist. Es gibt ja kaum noch n Bereich im Leben, der nicht irgendwie von der Politik bestimmt ist und wo ich nicht auch in irgendeiner Form politisch aktiv werden könnte. Das fängt ja an beim Schulhof und bei der ganzen Schulpolitik, die ja sehr stark mitbestimmt wird heute von Eltern und von Elternbeiräten und keine Ahnung was, und wo natürlich auch die Kinder heute sehr stark mitsprechen dürfen, zum Teil auch gefragt werden. Und deswegen ist das alles Politik, und unsere Aufgabe ist es eigentlich nur... Kinder darauf hinzuweisen... dass sie sich auch politisch interessieren und mitgestalten können, und gleichzeitig, dass alles, was da auch diskutiert wird, in irgendeiner Form auch was mit ihrem Leben zu tun hat. Deswegen ist natürlich wichtig für Kinder im Schulalter, schon über politische Dinge Bescheid zu wissen. Und dort knüpfen die logo-macher an. Denn sie versuchen nicht nur, den Kindern Themen aus ihrer unmittelbaren Umgebung nahezubringen, sondern auch mal in unbekannte Gegenden der Erde zu schauen. Dann liegt es an den Moderatoren wie Anja Roth, für die Kinder einen Anknüpfungspunkt zu finden. O-Ton Roth 1079 Anja Roth, Also mein spezieller Job ist es, dass ich den... mir zu Hause das Kind vorstelle, den Zuschauer, und nun versuche, wie ich ein Thema, das per se erst mal uninteressant für ihn ist wenn ich ihn jetzt spontan frage: Was sagst Du zu Politik, sagt n Kind immer: Bäh, langweilig. Nicht immer, aber meistens. Und dann muss ich versuchen, ihn zu Hause abholen, wie wir so schön sagen, das heißt in seine Kinderwelt schlüpfen, dort etwas... ein alltägliches Erlebnis herauspicken, und da einen Ansatz finden, um darauf aufzubauen und Interesse zu wecken für ein Thema wie z.b. Opposition oder für Innenpolitik generell. O-Ton logo logo , Opener logo Anja: Hallo bei logo. In dem südamerikanischen Bolivien dürfen Kinder, bis sie 14 Jahre alt sind, in Zukunft nicht mehr arbeiten. Dieses Verbot soll in Bolivien Gesetz werden. Das hört sich erst mal wie ne gute Nachricht für alle Kinder in Bolivien an, 8

9 schließlich sollten Kinder generell vor Arbeit geschützt werden, um Zeit für Schule und fürs Spielen zu haben. Doch heute haben etwa 150 bolivianische Kinder gegen dieses neue Gesetz protestiert. Ob Kinderproteste in Bolivien, Bundestagswahl in Deutschland oder Menschenrechtsverletzungen in Syrien Kinder bekommen diese Themen ab einem bestimmten Alter sowieso mit, glaubt logo-chef Markus Mörchen. O-Ton Mörchen Markus Mörchen (1), Man kann die nicht mehr vor Kindern verheimlichen. Die haben YouTube und die haben Handys und die haben keine Ahnung was. Und im Prinzip leben wir in ner komplett medialisierten Welt. Und die großen Ereignisse, die passieren, die bekommen Kinder mit, und logo bietet Einordnungen, Hintergründe und Erklärungen, und die sind für Kinder wichtig, weil sie sonst die Dinge nicht verstehen. Und vielleicht Angst bekommen. Für logo interessieren sich auch Kinder im Vorschulalter, auch wenn diese noch nicht zur angepeilten Zielgruppe gehören. Für die Redaktion ist das ein Spagat, will sie doch gleichzeitig auch ihre 13-jährigen Zuschauer nicht unterfordern. O-Ton Mörchen NEU 1081 Markus Mörchen (1), Man muss Begriffe wie Bundestag nicht jedes Mal neu erklären, man muss zumindest aber einen Satz noch haben, damit man es ein bisschen einordnet, zum Beispiel sagt: dort, wo die Entscheidungen getroffen werden oder dort, wo die wichtigsten Politiker in Deutschland sitzen. Man muss aber nicht jedes Mal ein komplett neues Erklärstück machen dafür. Genau so wenig bei der Bundeskanzlerin, die kann man dann auch setzen. Minister kann man auch setzen. Aber man muss auch immer wieder auch so grundlegende Begriffe mal erklären, weil natürlich immer wieder neue Kinder dazukommen, und weil wir natürlich auch feststellen, dass bestimmte Sachen sich nicht sofort festsetzen bei Kindern, sondern erst im Laufe der Zeit, wenn wir häufiger drüber berichtet haben. Für Vorschulkinder sind politische Details dieser Art trotz genauer Erklärungen aber immer noch oft zu komplex. Politikwissenschaftlerin Meike Vollmar erklärt, was man Fünf- und Sechsjährigen noch nicht vermitteln kann. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Die Funktionsweise des politischen Systems. Also beispielsweise den Bundestag, wie Gesetze gemacht werden, dass der Bundeskanzler nicht derjenige ist, der über alles entscheidet oder die Bundeskanzlerin. Wie... also wie politische Prozesse funktionieren, wozu Parteien da sind. Teilweise kennen sie schon Parteien auch, aber dass man den Prozess als Ganzen eben wahrnimmt und auch politische Sachfragen. 9

10 Die sechsjährige Lucy erkennt kann zwar das Reichstagsgebäude und den Plenarsaal des Bundestags auf Bildern. Aber unter dessen Tätigkeit kann sie sich im Detail noch nicht so viel vorstellen - ähnlich wie der gleichaltrige Fabian. O-Ton Kinder Lucy, Lucy: Da suchen die wahrscheinlich noch ein Bundeswehrin, wenn einer gestorben ist. Reporter: Wie suchen die den? Lucy: Es dürfen ganz viele Menschen kommen und machen was, und der, der was am besten gemacht hat, der wird das. O-Ton Kinder Fabian, Fabian: Da müssen die so überlegen, welchen... welchen Mann... welchen man als Politiker haben will. Und irgendeiner wird dann ein Politiker. Die Vorstellungen von Kindern über Politik werden, obwohl sie im Alltag meist unbemerkt bleiben, bereits seit Jahrzehnten untersucht. Schon in den 60er- und 70er- Jahren blühte dieser Forschungszweig auf, vor allem in den USA. Meist kam der Impuls dazu aus der Wissenschaft selbst, zum Teil wurden Studien aber auch im Auftrag der Regierung erstellt, die sich daraus Rückschlüsse für den notwendigen Schulunterricht erhoffte. Seit den 70er Jahren erfasst zum Beispiel das National Center for Education Statitics in den USA den Wissensstand in den entsprechenden Schulfächern. So wussten 77 Prozent der Viertklässler, dass US-Bürger mit 18 wählen dürfen und immerhin 24 Prozent kannten die Unterscheidung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. Am Anfang der Disziplin ging es der Forschung aber zunächst nicht nur um Kinder, sondern auch um Jugendliche. Eine Motivation war, künftige politische Entwicklungen beschreiben zu können. Denn nach und nach wurden Jugendliche in vielerlei Hinsicht als Seismographen für Veränderungen in der politischen Kultur angesehen. Wenn sie kurz vor dem Eintritt ins Wahlalter standen, zeigten sich ihre Ansichten noch nicht im politischen Entscheidungsprozess der Gegenwart, sollten aber kurz darauf relevant werden. Zumal sie auf lokaler Ebene und im sozialen Umfeld wie der Schule schon beteiligungsberechtigt und deshalb bereits mit Politik im weiteren Sinne in Berührung gekommen waren. Es lag nahe, die Ursprünge politischer Einstellungen bei Jugendlichen auch in deren Vergangenheit zu suchen, also ihre politische Sozialisation als Kinder zu betrachten. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Man geht ja eigentlich davon aus, dass eben Politik viel zu kompliziert und viel zu abstrakt ist für Kinder, um das zu verstehen. Und die Forschung oder auch das Bild der Gesellschaft ist ja, dass sich Kinder nicht für Politik interessieren. Und Jugendlichen, da spricht man ja schon von dem wenigen politischen Interesse. Und dann später bei Erwachsenen spricht man ja dann im höheren Alter von Politikverdrossenheit, teilweise ist ja der Fall. Es ist aber eigentlich so, und deshalb hat sich auch die Forschung auch ganz selten die deutschsprachige Forschung, ganz selten in früheren Jahren mit Kindern beschäftigt. 10

11 Diese Skepsis hat die Forschung inzwischen überwunden und in den letzten Jahrzehnten hunderte Untersuchungen angestellt, um herauszufinden, was Kinder von Politik mitbekommen. Und der Anteil interessierter Kinder steigt offenbar, wenn man es am wachsenden Angebot kindgerechter Medien ablesen will. Bekannte Magazine haben Ableger gegründet etwa Dein Spiegel, ZEIT leo oder GEOlino. Sie ergänzen das Fernsehangebot von logo oder dem Magazin Wissen macht Ah! im Kinderkanal, das Ralph Caspers moderiert. O-Ton Caspers Ralph Caspers, Ich hab festgestellt, dass Kinder vielfältig interessiert sind und auch ganz absurde Interessensgebiete haben, die man als Erwachsener niemals mit Kindern zusammenbringen würde. Waffen oder Panzer oder... Das ist ja etwas sehr Erwachsenes. Und das ist ja etwas, wo Kinder unterschätzt werden. Die orientieren sich natürlich an der Erwachsenenwelt. Das heißt, die wollen auch wissen, wie jetzt die Sachen funktionieren, mit denen sich Erwachsene beschäftigen und nicht nur, wie jetzt Spielzeug funktioniert. Weil ab nem gewissen Alter orientiert man sich ja nach oben und nicht nach unten. Kinder werden heute in der Grundschule nach und nach systematisch an die Politik herangeführt. Das war nicht immer so. Bis in die 90er-Jahre hinein gingen Pädagogen davon aus, dass Kinder in diesem Alter emotional und kognitiv überfordert werden. Kinder seien nicht in der Lage, abstrakt genug zu denken, um politisch lernen zu können Argumente, die inzwischen widerlegt sind. Die Didaktikerin Dagmar Richter von der Technischen Universität Braunschweig weist zum Beispiel darauf hin, dass Kinder im Alter zwischen neun und zehn Jahren genug Grundverständnis von politischen Konzepten haben, das mit gezieltem Unterricht vervollständigt werden kann. So erfassten Acht- bis Zehnjährige zwar noch nicht das Wesen des Staates, das heißt sie wissen noch nicht, was eine Demokratie ist oder was das Konzept einer Bundesrepublik bedeutet. Aber sie begreifen, dass ein Land Grenzen hat, zum Beispiel ein Fluss oder Berge, und sie reden auch von Begriffen wie Einheit und Trennung. Aber auch schon vor der Schulzeit können Eltern und Erzieher die Kinder bestärken, die politisches Interesse entwickeln, ergänzt Meike Vollmar. O-Ton Vollmar Meike Vollmar, Man kann viele Geschehnisse auch erklären, indem man... das einfach auf einen kleineren Teil des politischen Geschehens herunterbricht. Und indem man vielleicht auch einfach von Beispielen berichtet, die näher an den Kindern sind. Indem sie vielleicht einfach den Stadtteil betreffen und indem man vielleicht auch Kindern nicht abspricht, dass sie sich dafür interessieren, und indem man vielleicht auch mal nachfragt: Kennst Du das oder kennst Du das? Und einfach auch mal interessiert zuhört. Der Fernseh-Moderator Ralph Caspers plädiert sogar dafür, noch früher anzusetzen und schon in der Familie politische Elemente zu entdecken und zu nutzen. O-Ton Caspers , Ralph Caspers,

12 Wenn man jetzt keinen... keinen despotischen reaktionären Erziehungsstil hat, sondern Kinder in Entscheidungen mit einbinden will, das ist ja auch schon so n bisschen Politik. Also die Frage zum Beispiel, wo fahren wir in Urlaub hin. Oder kaufen wir ein Haustier, wenn ja, was für eins. Eltern tragen immer die Verantwortung, wer mit dem Hund geht, aber trotzdem ist es ja auch da gut, Kinder mit einzubeziehen, weil die auch Teil der Familie sind. Und das sind schon ganz kleine Sachen eigentlich schon. O-Ton Vollmar Meike Vollmar (3), Politisches Wissen und politisches Interesse ist eine Grundlage einfach auch zum mündigen und selbständigen Bürger oder der selbständigen Bürgerin, die sich einfach auch ins politische Geschehen und den politischen Prozess einbringt und ihren Interessen auch Gehör verschafft. Auch das ist schließlich ein Ziel der UNO-Kinderrechtskonvention, wenn sie altersgerechte Medien fordert. Ein Anspruch, den etwa auch Ralph Caspers einlöst. Auch er findet, dass Kinder schon allein deshalb über Politik informiert werden müssen, weil diese ein ganz wichtiger Teil ihres Lebens ist. O-Ton Caspers Ralph Caspers, Das Problem ist ja bei Politik, dass Politiker ja auch immer für die Zukunft Entscheidungen treffen müssen. Und in der Zukunft sind Politiker schon tot, die die Entscheidung getroffen haben, und wer das alles ausbaden muss, sind die Kinder. Das heißt, alles, was... was politisch jetzt gerade gemacht wird, wenn man das längerfristig betrachtet, betrifft es immer die, die im Grunde da keine... kein Entscheidungs- oder Mitbestimmungsrecht haben. Und das ist irgendwie problematisch, find ich. Also beispielsweise: Jeder weiß, es gibt keine Möglichkeit, mit dem Müll von Kernreaktoren ordentlich umzugehen. Der wird uns über Jahre lang begleiten. Und da kann man jetzt sagen: Mir egal, ich bin in 20 Jahren sowieso tot, oder man sagt, wir müssen ja auch Verantwortung übernehmen für unsere Kinder, also müssen wir gucken, dass wir da Sachen in die Wege leiten, damit man gar nicht in die Verlegenheit komm, mit nem Riesenberg Atommüll umgehen zu müssen. Aber das wird oft nicht gesehen, ist mein Eindruck. Und das ist eben mein Eindruck. Und deshalb müssen sich Kinder auch... oder sollten sich Kinder auch für Politik interessieren, weil es sie betrifft oder betreffen wird auf jeden Fall. * * * * * 12