Wasserbewirtschaftung in Europa, Afrika, Amerika und Asien Was verstehen wir unter Nachhaltigkeit?

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1 Gliederung Wasserbewirtschaftung in Europa, Afrika, Amerika und Asien Was verstehen wir unter Nachhaltigkeit? Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Disse Universität der Bundeswehr München Professur für Werner-Heisenberg-Weg Neubiberg Die Globale Wasserbilanz Zusammenfassung / Schlussfolgerungen Ein paar Definitionen (nicht DIN gerecht) Nachhaltigkeit : Nicht mehr verbrauchen als sich natürlicherweise erneuert Ökologischer Fußabdruck: Biologisch aktive Fläche, die benötigt wird, um den Bedarf an Energie und Rohstoffen eines Menschen zu decken Virtuelles Wasser: Wasserverbrauch, der für die Erzeugung eines Produktes insgesamt benötigt wird Water Footprint (Fußabdruck des Wasserverbrauchs): Gesamtmenge an genutztem Wasser für alle Waren und Dienstleistungen eines Menschen IWRM (Integrated Water Resources Management): Bewirtschaftung des Wassers unter möglichst ausgewogener Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und soziologischer Belange Nachhaltigkeit : z.b. Bewässerungslandwirtschaft so durchführen, dass der Grundwasser- spiegel langfristig konstant bleibt. Ökologischer Fußabdruck: Ökobilanz = Biokapazität minus ökolog. Fußabdruck (rot = negativ, grün = positiv) Ökobilanz Erde (2012): -0.7 ha/pers. und Jahr Earth Overshoot Day: Quelle: Footprintnetwork Ein paar Definitionen (Beispiele) Virtuelles Wasser: 1 Glas O-Saft (200 ml): 170 l 1 Tüte Chips (200 g): 185 l 1 Hamburger (150 g): l Globale Wasserbilanz (in %) Niederschlag auf die Kontinente (100) Verdunstung von natürlichen Ökosystemen (45,4) Verdunstung aus nicht bewässerter Landwirtschaft (16,4) Water Footprint : Quelle: Mekonnen, M.M. and Hoekstra, A.Y. (2011), National water footprint accounts Quelle: Swedish Water House Company, SWH Policy Briefs Nr. 2, siwi.org Nutzbares Oberflächenwasser (11,8) Entnahme durch den Menschen (3,6) Trinkwasser water < 0.1 Qualitätsproblem Quelle: Kinzelbach, W. (2006), modifiziert 0,9 8,2 26,4 Fluss in die Ozeane (35,5) Nicht nutzbares Oberflächenwasser (26,4) Bewässerungslandwirtschaft (2,7) Quantitätsproblem Anmerkung: Umrechnung von % in 1000 km³/a: Multipliziere mit 1,1

2 Globale Wasserbilanz Gebrauch und Verbrauch Globale Wasserbilanz - Wasserknappheit Leitgedanke: Einzugsgebietsbezogene Betrachtung, auch über Staatsgrenzen hinweg Quelle: Bayer. LfU Ökologischer Zustand Leitbildbezogene Bewertung für Gewässertypen Die Bewertung des Zustands eines Wasserkörpers durch Vergleich mit dem typspezifischen Referenzzustand Chemie Biologische Qualitätskomponenten: Flora und Fauna Phytoplankton Makrophyten und Phytobenthos Makrozoobenthos Fische Guter Zustand? Biologie Makrozoobenthos Algen Wasserpflanzen Fische Referenzzustand: Sehr guter Zustand

3 Durchschnittliche Jahresniederschläge [mm] Geplante Stromverwertung: Äthiopien 500 MW Kenia 500 MW Sudan 200 MW Dschibuti 200 MW Gilgel Gibe III Technische Daten: Höhe 243 m, Volumen 14.0 km³ Länge 610 m, Fläche 210 km² Kapazität 1870 MW Jahresenergie 6500 GWh (geschätzt) Gilgel Gibe III Vorteile Nachteile - Stromerzeugung - Umsiedlung - Devisen - Veränderung der indigenen (Agrar-) Kultur - Entwicklung von Infrastruktur - Änderung des Flussökosystems - Bewässerung - Änderung des Seeökosystems - Ausgleich des Wasserdargebots - Rückgang / Verlust von Auwäldern - Hochwasserschutz - Verdunstungs- und Versickerungsverluste - Arbeitsplätze - Wasserspiegelabsenkung Lake Turkana - Fischerei - Gefahr der Versalzung von Lake Turkana - Tourismus - Gefahr von Erdbeben Wirtschaftliche Entwicklung ökologische und soziale Implikationen Question: Adverse comments have been generated from some international opponents of the Gibe III Hydroelectric Project by saying it displaces many local residents from their farm land as well as livelihoods. What do you say in relation to these comments? SZ ( )... die Frauen der Muris, sie alle leben seit Generationen vom und mit dem Omo-Fluss. Es ist ein hartes, archaisches, aber auch selbstbestimmtes Leben, das nun in Gefahr ist. Environmental and Social Impact Assessment (Jan. 2009) The project could accelerate the expansion of small scale irrigation developments into the area. This development will improve the standard of living of the local community Damena: Those who did not get the chance to visit Dawro Zone can say a lot. However, they have to understand fully that the Gibe III Hydroelectric Project is a development wing of the people of the local communities. Decisively, the Project is changing the lives of people, and it has also been contributing a significant share in enhancing the development and good governance of the country. In addition, it is supposed to change our black image of famine and poverty permanently and transforms us to new way of innovation. In all these cases, we cannot say that everything is going smoothly. As big project there will be some minor issues which could be seen as disadvantages. The main point is mitigating the negative aspects. Inwieweit haben die Industrieländer ein Recht, Äthiopien den Bau des Gilgel Gibe III Staudammes abzusprechen? Lessons learned und neue wissenschaftliche Methodik vermitteln!

4 Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Phoenix, Arizona Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Max. Temperatur 18,8 21,5 24,2 29,2 34,2 39,7 41,1 39,8 36,8 31,2 23,8 19,0 Ø 29,9 ( C) Min. Temperatur ( C) 5,1 7,1 9,3 12,9 17,7 22,7 27,2 26,2 22,7 16,0 9,4 5,4 Ø 15,1 Niederschlag 17,0 17,3 22,4 5,6 3,0 3,3 21,1 24,4 21,8 16,5 16,8 25,4 Σ 194,6 (mm) Regentage (d) 2,7 2,8 3,2 1,1 0,6 0,5 3,0 3,2 2,3 2,0 2,3 3,1 Σ 26,8 Quelle: National Weather Service, US Dept of Commerce USBR Glen Canyon Dam (1296 MW, 178 m, 33,3 km³, 658 km²) Hoover Dam (2080 MW, 180 m, 35,2 km³, 639 km²) Durch Übernutzung der Grundwasservorräte sind ca. 90% der Auenvegetation in Arizona vernichtet worden. Gegenmaßnahme ab 1980: Verabschiedung des Groundwater Management Act (Arizona): - Wassersparen - Fließgewässer erhalten - Zusätzliche Versickerung Versickerungsanlagen in Phoenix (oben) und Tucson (rechts oben) Entsaltzungsanlage in Yuma, unmittelbar vor der mexikanischen Grenze (rechts)

5 Bilanz der Wasserversorgung für den Südwesten der USA: - Durch Nutzung des Coloradowassers ist die Bewässerung großer Teile Kaliforniens und Arizonas sowie das Wachstum der Großstädte Las Vegas, San Diego, Phoenix und Tucson ermöglicht worden. - Hohe Stromerzeugung durch zahlreiche Dämme entlang des Colorado und anderer Flüsse. - Weitere Vorteile: Tourismus, Fischerei, Hochwasserschutz München - Der fallende Grundwasserspiegel hat die meisten Auen zerstört. - Der ursprüngliche Ökologie des Colorado ist massiv gestört. - Mexiko bekommt nur noch Restwasser von relativ schlechter Qualität. Taklamakan Desert Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt / Leitbild nach EU-WRRL verfehlt. Urbanisierung einer Wüstengegend / hohe landwirtschaftliche Produktion. Nachhaltigkeit wird durch Reparaturmaßnahmen hergestellt. Nachhaltiges Management von Flussoasen entlang des Tarim- Flusses in Nordwest-China Entstehung der Oasen und der Bewässerungskultur 1. Periode 5000 v. Chr v. Chr.: Trockenfeldbau und Einstaubewässerung an den Berghängen ( m NN) Bewässerung von Trockengebieten durch kleine Flüsse 2. Periode 3000 v. Chr. 600 v. Chr. rainwater harvesting und Einstaubewässerung an den Unterläufen kleinerer Flüsse und in den Flussdeltas großer Flüsse 3. Periode 600 v. Chr. 600 n. Chr. Ausgedehnte Bewässerungsgebiete in den Flussdeltas 4. Periode 600 n. Chr n. Chr. Großräumige Bewässerungssysteme 5. Periode 1950 n. Chr. heute Extreme Bewässerung von Monokulturen in den Oasen 220 v. Chr. 600 n. Chr (Seidenstraße) NASA MODIS, Blue Marble Karez Systeme (Qanat) Year Population Control area 220 v Chr 6. Jh n Chr. (Fan Zili) km² 1909 (Sven Hedin) km² 1949 (Fan Zili) km² 1980 (Niels Thevs) km² Source: Samuel Bailey 1990 (Fan Zili) km²

6 Oasenausdehnung bis heute (1990) NASA MODIS, Blue Marble Baumwollproduktion in der Provinz Xinjiang (Giese et al. 2005) Year Population Control area 220 v Chr 6. Jh n Chr. (Fan Zili) km² 1909 (Sven Hedin) km² 1949 (Fan Zili) km² 1980 (Niels Thevs) km² 1990 (Fan Zili) km² Klima und Hydrologie Niederschlag: 50 mm/jahr (Ebene) 500 mm/jahr (Berge) Pot. Verdunstung (Ebene) ca mm/jahr Hydrologische Grundlagen 3 Zuflüsse bilden den Tarim (Abflussanteil in %): Aksu (73%) Hotan (23%) Yarkand (4%) Länge des Tarim: ca km Niederschlag: 50 mm/jahr (Ebene) 500 mm/jahr (Berge) Climate diagram Korla (weatherbase.com) Pegel Yengi Bazar (Tarim Watershed Administration) Pot. Verdunstung (Ebene) ca mm/jahr Grundwasserneubildung durch : Jährliche Überflutungen Sickerverluste des Tarim Morphologische Untergliederung des Tarim Abfluss und Versalzung entlang des Tarim Bosten-lake See Oberlauf: 495km Yingbazar Qiala Aral Mittellauf: 398km Daxihaizi Stausee Argan Teitima Tetima-lake See Unterlauf: 428km

7 Ökologische Konsequenzen Degradation der Vegetation Sandverwehungen Sandstürme Seit 2001: Chin. Renaturierungsprojekt des Tarim (unterstützt durch Weltbank) 1. Ziel: Nachhaltiges Management des gesamten Tarim 2. Ziel: Revitalisierung des Unterlaufs Versalzung der Böden Wassersparende Bewässerung Eindeichung des Mittellaufs und ökologische Flutung Revitalisierung des Tugai Waldes Folgerungen aus den bisherigen Maßnahmen Die Revitalisierung des Unterlaufs ist nicht nachhaltig (intakte Auwälder im Mittellauf werden degradiert). Der enorme Wasserverbrauch ist auf den stark anwachsenden Baumwollanbau zurückzuführen (Staatsfarmen) Weitere Flächen im Ober- und Mittellauf werden für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Wissenschaftlicher Ansatz von SuMaRiO: Transdisziplinäres Denken und Arbeiten Klimawandel und Wasserressourcen Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Wasserressourcen aus? -Gletscherschmelze - Geringere Niederschläge Nachhaltiges Landmanagement Wie können Agrarflächen wassersparender bewirtschaftet werden? - Wassersparende Bewässerung - Alternative Früchte - Verringerung der Zuleitungsverluste Stakeholderdialog Wasser- und Naturschutzministerium Tarim Water Authority Lokale Bauern Staatsfarmen Chinesische Wissenschaftler Sozioökonomie Wie sind die soziologischen und ökonomischen Systeme mit der Ökologie vernetzt? - Interviews - Akteursbasiertes Decision Support System (DSS) Ökosysteme Welche Funktionen und Dienstleistungen haben die natürlichen Ökosysteme? - Alternative Nutzpflanzen - Flora und Fauna - Sand- und Hitzeschutz Klimawandel und Wasserressourcen Rapid-Eye 2010 SRTM DTM SRTM DTM Gletscherdicke ohne (GlaBTop) m Ökosystemdienstleistungen und Servicefunktionen Verwendung von Apocynum (Lop Kendir) Stamm: Fasern Samen und Blätter: Traditionelle Medizin Tee Tobias Bolch, TU Dresden Thevs et al., 2008

8 Ziel: Integriertes Flussgebietsmanagement (IWRM) Szenarien (z.b. Klima, sozio-ökonomische Entwicklung) Zusammenfassung / Schlussfolgerungen Was verstehen wir unter nachhaltiger Wasserbewirtschaftung? Ökosystemfunktionen / Ökosystemdienst -leistungen Ökonomische Indikatoren Voraussetzung: Kenntnis der lokalen Bedingungen / Dialog mit den Stakeholdern Methodik: Inter- und transdisziplinäre Forschung (Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen und Vertreter von Verwaltung und Öffentlichkeit) Ökologische Indikatoren Werkzeuge: Kopplung von hydrologischen, ökologischen und sozioökonomischen Modellen (vernetztes Denken, Feedbacks, Regelkreise, Ökosystemdienstleistungen) Soziale Indikatoren Entscheidung Implementierung: Einbeziehung aller Stakeholder (wichtig: Aus- und Fortbildung) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! markus.disse@unibw.de