Betreuungsvermeidung. Clearing, andere Hilfen und Einbeziehung der Betroffenen ein Modellprojekt aus Österreich
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- Tristan Fischer
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1 Betreuungsvermeidung. Clearing, andere Hilfen und Einbeziehung der Betroffenen ein Modellprojekt aus Österreich Dr. Peter Schlaffer, Geschäftsführer von VertretungsNetz..... Forsthausgasse 16-20, 1200 Wien..... T 01/ F 01/ M 0676/ Peter.Schlaffer@vsp.at VertretungsNetz Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung..... Vereinssitz: Wien, ZVR: , DVR: Vortrag im Rahmen der 18. Jahrestagung der Betreuungsbehörden/ -stellen, Mai 2014, Erkner, Deutschland 1 Übersicht 1. Vorstellung VertretungsNetz: 2. Die österreichische Vereinssachwalterschaft 3. Daten zur österreichischen Sachwalterschaft 4. Grundzüge des österreichischen Sachwalterrechts 5. Clearingauftrag und -erfolge 6. Clearing plus Unterstützung zur Selbstbestimmung 7. Reformbedarfe in Österreich 2 1
2 VertretungsNetz in Kürze (1/2) VertretungsNetz wurde 1980 auf Initiative des damaligen Bundesministers für Justiz, Dr. Christian BRODA, gegründet. VertretungsNetz ist ein unabhängiger, überparteilicher, gemeinnütziger und nicht auf Gewinn ausgerichteter Verein. Die Eignung des Vereins zum Sachwalter bestellt zu werden, PatientenanwältInnen und BewohnervertreterInnen namhaft zu machen, hat der Bundesminister für Justiz mit Verordnung festgestellt. VertretungsNetz ist auf Basis von Sachwalterrecht (in Kraft seit 1984), Unterbringungsrecht (1991) und Heimaufenthaltsgesetz (2005) tätig. VertretungsNetz stellt den Gerichten qualifizierte SachwalterInnen, PatientenanwältInnen und BewohnervertreterInnen zur Verfügung. Auftraggeber und hauptsächlicher Geldgeber (auf Basis von Förderungen) des Vereins ist das Bundesministerium für Justiz. 3 VertretungsNetz in Kürze (2/2) 77 Standorte 806 ehrenamtliche SachwalterInnen 514 hauptberufliche MitarbeiterInnen 207 hauptberufliche SachwalterInnen 54 PatientenanwältInnen 59 BewohnervertreterInnen 1320 MitarbeiterInnen insgesamt Stand
3 Die österreichische Vereinssachwalterschaft Einsatzgebiete Sachwalterschaft & Bewohnervertretung - VertretungsNetz - Niederösterreichischer Landesverein - Salzburger Hilfswerk - Institut für Sozialdienste Vbg VertretungsNetz 5 Anzahl der Sachwalterschaften in Österreich Anteil der Vereinssachwalterschaft Sachwalterschaften zum Stichtag d.j. von Vereinen übernommene Sachwalterschaften Quelle: BMJ 6 3
4 Wer übernimmt Sachwalterschaften? Quelle: BMJ 7 Vertretungsleistungen im Bereich Sachwalterschaft Anzahl der von VertretungsNetz als Sachwalter vertretenen Personen im Jahr 2013: Anteil der ehrenamtlich geführten Sachwalterschaften im Jahr 2013: 45,8% hauptberufl. SW ehrenamtl. SW
5 Begriffsbestimmung SachwalterIn Ein/e Sachwalter/in ist eine vom Gericht bestellte Person, die eine psychisch oder intellektuell beeinträchtigte Person in den im gerichtlichen Bestellungsbeschluss umschriebenen Angelegenheiten vertritt. 9 Voraussetzung für die Sachwalterbestellung Seit 1984 bestehen folgende Voraussetzungen: Volljährigkeit des Betroffenen Psychische Erkrankung od. intellektuelle Beeinträchtigung des Betroffenen Es sind Angelegenheiten zu erledigen, die die betroffene Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht oder nicht zu ihrem Vorteil besorgen kann Es gibt keine Alternativen zur Sachwalterschaft, wie z.b. Familie, Einrichtungen, 10 5
6 Subsidiarität der Sachwalterschaft Seit 2007 gibt es dafür zwei besondere Instrumente: 1. Angehörigenvertretung durch bestimmte nahe Angehörige in Rechtsgeschäften des täglichen Lebens und zur Deckung des Pflegebedarfs 2. Vorsorgevollmacht für einzelne oder alle Angelegenheiten der betroffenen Person Beide Instrumente beeinträchtigen nicht die Geschäftsfähigkeit, es findet allerdings keine laufende gerichtliche Kontrolle statt. 11 Das österreichische Sachwalterschaftsverfahren (1/2) Anregung/Antrag Einleitung des Verfahrens evtl. Clearing Erstanhörung Einstellung des Verfahrens Fortsetzung des Verfahrens 12 6
7 Das österreichische Sachwalterschaftsverfahren (2/2) Fortsetzung des Verfahrens VerfahrenssachwalterIn Evtl. einstweilige/r SachwalterIn Sachverständige/r Mündliche Verhandlung Bestellung eines/r Sachwalters/in Einstellung des Verfahrens 13 Auswirkungen der Bestellung eines/r Sachwalters/in 14 Mit der Bestellung verliert die betroffene Person im Wirkungskreis des Sachwalters ihre Geschäftsfähigkeit. Der Wirkungskreis des Sachwalters kann sich auf eine bestimmte Angelegenheit, einen Kreis von Angelegenheiten oder alle Angelegenheiten erstrecken. Der Sachwalter muss sich an dem Willen und den Bedürfnissen der betroffenen Person orientieren (Wunschermittlungspflicht). Auch hat er sich um die erforderliche ärztliche und soziale Betreuung zu kümmern. 7
8 Clearingauftrag 4 VSPBG (1/2) -> seit 2007 Bundesgesetz über Vereine zur Namhaftmachung von Sachwaltern, Patientenanwälten und Bewohner-vertretern (Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz VSPBG) (1) Der Verein hat nach Maßgabe seiner Möglichkeiten nahe stehende Personen oder sonstige Personen oder Stellen, die die Bestellung eines Sachwalters anregen, über das Wesen der Sachwalterschaft und mögliche Alternativen zu informieren. 15 Clearingauftrag 4 VSPBG (2/2) (2) Im Vorfeld oder im Rahmen eines Sachwalterbestellungsverfahrens hat der Verein, insbesondere auf Ersuchen des Gerichts, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten abzuklären, welche Angelegenheiten zu besorgen sind, ob Alternativen zur Sachwalterschaft bestehen und ob nahe stehende Personen als Sachwalterin Frage kommen. Darüber hat der Verein dem Gericht, bei dem ein Sachwalterschaftsverfahren anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll, zu berichten. (3) Der Verein hat nahe stehende Personen, die als Sachwalter bestellt sind, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten bei der Wahrnehmung der Sachwalterschaft zu beraten. 16 8
9 Clearing Ziele Alternativen zur Bestellung eines Sachwalters oder einer Sachwalterin finden Einbindung der Betroffenen Autonomie stärken Beschleunigung des Verfahrens Begrenzung der Aufgabenbereiche eines Sachwalters oder einer Sachwalterin Motivation, Beratung und Schulung nahe stehender SachwalterInnen (Angehörige etc.) 17 Clearing Zahlen 2013 Clearingangebot an 97 Gerichten (Ende 2013) Anregerberatungen Clearingberichte erhoben und an die Gerichte weitergeleitet Sachwalterberatungen in bestehenden Sachwalterschaften 156 Schulungs- und Informationsveranstaltungen (für private SachwalterInnen, für SW-anregende Institutionen) 18 9
10 Clearing ist ein Erfolg - Ergebnisse der Evaluation (1/2) Seit der Reform ist das Verhältnis Bestellung : Einstellung des Verfahrens von 3:1 auf 2:1 gesunken -> signifikanter Effekt bei Vermeidung von Sachwalterschaften 2. Mehr Rücksicht auf Betroffene und ihren Willen bzw. ihre Wünsche, Wahrung der Persönlichkeitsrechte -> Stärkung der Selbstbestimmung 3. Anregerberatung: In 4 von 10 Fällen gelingt es, Alternativen zu Sachwalterschaft zu finden (z.b. Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger). 4. Bei Einsatz von Clearing kommt es öfter zu Begrenzung oder Befristung von Sachwalterschaften. Clearing ist ein Erfolg - Ergebnisse der Evaluation (2/2) 5. Gerichte folgen Empfehlungen der Clearing-Berichte in rund 85% der Fälle (-> hohe Qualität und Zufriedenheit mit den Berichten) 6. Gute Kooperation und Kommunikation mit Gerichten (u.a. durch Präsenz der Vereine bei den Amtstagen) 7. RichterInnen sparen Zeit, Verfahren gewinnen an Qualität 8. VereinssachwalterInnen sind niedrigschwellige und kompetente AnsprechpartnerInnen für alle; sind gut mit anderen sozialen Einrichtungen vernetzt 20 10
11 Clearing plus Unterstützung zur Selbstbestimmung (1/4) Ausgangslage Anstieg der Sachwalterschaften trotz Clearing UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen: Sachwalterschaften sind Eingriffe in die Selbstbestimmung und sollten vermieden werden Clearing-Erfolge der VereinssachwalterInnen (Vermeidung bzw. Begrenzung von Sachwalterschaften) Ausweitung von Clearing könnte weitere Sachwalterschaften verhindern bzw. Alternativen vermehrt zum Einsatz bringen 21 Clearing plus Unterstützung zur Selbstbestimmung (2/4) Ziele UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung fordert, die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken > Empowerment Fokussierung auf die persönlichen Stärken des Klienten/der Klientin statt auf Defizite > maßgeschneiderte Lösungen für Betroffene finden Aktivierung des persönlichen Umfeldes zur Unterstützung schon geringfügige Hilfeleistungen können oft Sachwalterschaften verhindern Entlastung der Gerichte 22 11
12 Clearing plus Unterstützung zur Selbstbestimmung (3/4) Ablauf (Systemisches Case Management) Assessment Clearing abgeschlossen? Commitment des /der Betroffenen? natürliche Einsichtsfähigkeit des / der Betroffenen? Erfolgsaussicht positiv? Kurzbericht an Gericht Planung der Unterstützung Gemeinsame Definition von Zielen Selbsthilfeplan erstellen Privates Umfeld und andere UnterstützerInnen einbinden Ressourcenaktivierung Motivation Moderation bei Entscheidungsfindung Erschließen von Hilfeleistungen Konkrete Unterstützung Abschlussbericht an Gericht Re-Assessment (wenn nötig) Evaluation und Ergebnismonitoring 23 Clearing plus Unterstützung zur Selbstbestimmung (4/4) Tätigkeitsfelder der Vereinssachwalter/-innen 24 Exploration der Situation und der Ziele der Betroffenen Information und Beratung Motivation und Hilfe zur Selbstbestimmung Unterstützung zur Entscheidungsfindung und zu selbstständigem Handeln, Ergebnismonitoring Kontakt mit Institutionen und sozialem Umfeld (Ressourcenklärung, Koordination der UnterstützerInnen) Anregung und Organisation von HelferInnenkonferenzen Konkrete Hilfe (Anträge stellen, Kontakt mit Banken und Ämtern usw.) 12
13 Reformbedarfe in Österreich (1/2) 1. Individuelle Lebens- und Zukunftsplanung, Unterstützung zur Selbstbestimmung, Aktivierung von Unterstützerkreisen 2. Unterstützung und Hilfe durch Ausbau der Sozialarbeit in den Bundesländern 3. Weitere Ausgestaltung der Angehörigenvertretung 4. Obligatorisches Clearing und Verfahrensvertretung durch Sachwaltervereine 25 Reformbedarfe in Österreich (2/2) 5. Stärkung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen 6. Sachwalterschaften auf höchstens drei Jahre befristen in dieser Zeit soll Betroffene/r in die Lage versetzt werden, sich selbst zu vertreten oder mit einem Conferencing-Team ein Unterstützungssystem aufzubauen 7. Sachwalterschaft nicht mehr für alle Angelegenheiten (derzeit in 55% der Fälle) genaue Definition der Verantwortungsbereiche des/der SachwalterIn festlegen 8. Keine Zwangsbestellung von RechtsanwältInnen und NotarInnen als SachwalterInnen 26 13
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