Einführung zum Seminar Empirische Wirtschaftsforschung WS 2006/2007
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- Kasimir Bäcker
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1 UNIVERSITÄT DOCENDO CURANDO ULM SCIENDO Universität Ulm Abteilung Wirtschaftspolitik Ludwig-Erhard-Stiftungsprofessur Prof. Dr. Werner Smolny Dipl.-WiWi Kai Kohler Dipl.-WiWi Michael Alpert 1 Einleitung Einführung zum Seminar Empirische Wirtschaftsforschung WS 2006/2007 Das Seminar ist eine weiterführende Veranstaltung zur Vorlesung Empirische Wirtschaftsforschung. Kern der Seminararbeit ist eine eigene Prognose zu einer ausgewählten volkswirtschaftlichen Kenngröße für ein bestimmtes Land. Anhand makroökonomischer Theorien entwickeln Sie ein empirisches Modell, ermitteln die passenden Daten und führen eigene Schätzungen durch. Die Ergebnisse sind anschließend ökonomisch und empirisch zu interpretieren. Im Folgenden wird beispielhaft eine Prognose mit den zughörigen Schätzungen erstellt und erklärt. Weitere Beispiele enthalten die Unterlagen zur Vorlesung Empirische Wirtschaftsforschung auf unserer Homepage. 2 Beispielprognose Jedes Jahr stellen der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute Prognosen für das kommende Jahr vor. Eine solche Prognose kann auch durch ein geeignetes empirisches Modell aufgestellt werden. Voraussetzung hierfür sind eine ökonomische Theorie, Daten und ökonometrische Methoden. Im Folgenden soll eine Prognose für die gleitende Jahresänderungsrate des realen Bruttoinlandsproduktes (bipkf) zum Vorjahr erstellt werden. Das ifo-geschäftsklima Grundlage der Prognose soll der Konjunkturtest des ifo-instituts sein. Das ifo-geschäftsklima ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands. Etwa 7000 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes werden monatlich nach der Einschätzung ihrer gegenwärtigen Geschäftslage (GLG) und ihrer Geschäftslageerwartungen (GLEG) für die nächsten sechs Monate befragt. Die beiden Fragen lauten im Einzelnen: 1
2 Wir beurteilen unsere Geschäftslage für XY z.z. als gut, befriedigend (saisonüblich) oder schlecht Unsere Geschäftslage für XY wird in den nächsten 6 Monaten in konjunktureller Hinsicht - also unter Ausschaltung rein saisonaler Schwankungen eher günstiger, etwa gleich bleiben oder eher ungünstiger Je nach Bedeutung der Branche werden die Antworten unterschiedlich gewichtet und aggregiert. Der Saldowert der gegenwärtigen Geschäftslage ergibt sich aus der Differenz der Prozentanteile der Antworten gut und schlecht. Der Saldowert der Geschäftslageerwartungen bildet sich analog aus der Differenz der Prozentanteile der Antworten günstiger und ungünstiger. Das ifo-geschäftsklima ist dann ein Mittelwert aus den Salden der Geschäftslage und der Erwartungen, wobei für die Berechnung eine etwas schwierigere Formel verwendet wird: Geschäftsklima = (Lage + 200)(Erwartung + 200) 200 Der ifo Geschäftsklima-Saldo liegt zwischen -100 (alle Befragten schätzen die Lage schlecht ein bzw. erwarten eine Verschlechterung der Entwicklung) und +100 (alle Befragten schätzen die Lage gut ein bzw. erwarten eine Verschlechterung der Entwicklung). Der Indexwert des Geschäftsklimas und der beiden Komponenten Geschäftslage und Entwicklung ergibt sich durch Erhöhung der Salden um 200 und Normierung auf den Durchschnitt eines Basisjahres (derzeit 2000): Index = Saldo im Berichtsmonat Durchschnittlicher Saldo im Basisjahr Das Modell WBIPK GLG(-2) GLEG(-2) Geschäftslagebeurteilung und Geschäftslageerwartung der befragten Unternehmen scheinen für unsere Prognose gut geeignet zu sein. Die Größen sind korreliert, wobei die in die Zukunft gerichtete Geschäftslageerwartung eine zeitliche Verzögerung aufweist. 2
3 Dependent Variable: WBIPK Date: 05/29/06 Time: 11:08 Sample(adjusted): 1992:4 2006:1 Included observations: 54 after adjusting endpoints C GLG(-2) GLEG(-2) R-squared Mean dependent var Adjusted R-squared S.D. dependent var S.E. of regression Akaike info criterion Sum squared resid Schwarz criterion Log likelihood F-statistic Durbin-Watson stat Prob(F-statistic) Die Schätzung mit der Methode der Kleinsten Quadrate bestätigt die optischen Eindrücke: Das Modell erklärt ca. 75% der Varianz der Änderungsrate des Bruttoinlandsproduktes und der Standardfehler der Residuen beträgt 0,5%. Die Koeffizienten der Regressionsgeraden liegen dicht beieinander. Geschäftslagebeurteilung und -erwartung können daher auch zusammengefasst werden (GKG), wodurch sich die Schätzung nur geringfügig ändert: Dependent Variable: WBIPK Date: 05/29/06 Time: 11:19 Sample(adjusted): 1992:4 2006:1 Included observations: 54 after adjusting endpoints C GKG(-2) R-squared Mean dependent var Adjusted R-squared S.D. dependent var S.E. of regression Akaike info criterion Sum squared resid Schwarz criterion Log likelihood F-statistic Durbin-Watson stat Prob(F-statistic)
4 Die Prognose Forecast: WBIPKF Actual: WBIPK Forecast sample: 1991:1 2009:4 Adjusted sample: 1991:3 2006:4 Included observations: 54 Root Mean Squared Error Mean Absolute Error Mean Abs. Percent Error Theil Inequality Coefficient Bias Proportion Variance Proportion Covariance Proportion WBIPKF Das verwendete Modell prognostiziert eine gleitende Jahreswachstumsrate für das BIP im Jahr 2006 von ca. 3,9%. Der Standardfehler beträgt etwa 0.5%. Auf dem ersten Blick erscheint diese Prognose äußerst ambitioniert. Doch betrachtet man sich das Geschäftsklima vom Anfang der 1990er Jahre, so fällt auf, dass der Indikator damals ähnlich hoch war wie heute. Im Zuge der Wiedervereinigung wuchs die deutsche Volkswirtschaft um mehr als 3%. Scatter Diagramm Geschäftsklima, tatsächliches und geschätztes Wachstum WBIPK WBIPKF GKG(-2) 4
5 Tatsächliches und geschätztes Wachstum WBIPK WBIPKF Die Qualität der Prognose Die Berücksichtigung weiterer Indikatoren Die Prognose basiert ausschließlich auf dem ifo-geschäftsklima. Es stellt sich daher verständlicherweise die Frage, ob solch eine Prognose sinnvoll ist, und nicht noch andere Indikatoren berücksichtigt werden sollten. So wäre beispielsweise an den ZEW-Konjunkturindikator (ZEWKE) zu denken. Im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests werden monatlich rund 350 Analysten aus der Finanzbranche nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Entwicklung der Konjunktur, der Inflationsrate, der kurz- und langfristigen Zinsen, der Aktienkurse und der Wechselkurse für wichtige Finanzmärkte (Deutschland, USA, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Europa) befragt. Die befragten Finanzmarktexperten geben bei ihren Antworten nur qualitative Tendenzeinschätzungen bezüglich der Veränderungsrichtung. D.h. sie beurteilen, ob ihrer Meinung nach beispielsweise die langfristigen Zinsen in den nächsten 6 Monaten ansteigen, fallen oder in etwa gleichbleiben. Die Ergebnisse der Umfrage werden regelmäßig in Form von Indikatoren und Prognosen veröffentlicht. Der ZEW-Konjunkturindikator für Deutschland (Differenz der positiven und negativen Erwartungen der befragten Analysten für die künftige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland) ist im Gegensatz zum ifo-geschäftsklima jüngst gesunken. Was bedeutet dies für die Qualität der Prognose? Oder anders formuliert: Welchen Erklärungsgehalt liefert der ZEW-Indikator für die Änderungsrate des Bruttoinlandsproduktes? 5
6 Dependent Variable: WBIPK Date: 05/29/06 Time: 11:35 Sample(adjusted): 1992:4 2006:1 Included observations: 54 after adjusting endpoints C ZEWKE(-2) E R-squared Mean dependent var Adjusted R-squared S.D. dependent var S.E. of regression Akaike info criterion Sum squared resid Schwarz criterion Log likelihood F-statistic Durbin-Watson stat Prob(F-statistic) Das Modell mit dem ZEW-Konjunkturindikator erklärt nur knapp 33% der Varianz der Änderungsrate des Bruttoinlandsproduktes. R 2 und korrigiertes R 2 sind im Vergleich zu unserer vorherigen Schätzung deutlich geringer und die Residuen größer. Neben dem ifo-geschäftsklima kann der ZEW-Konjunkturindikator auch in unser Modell integriert werden: Dependent Variable: WBIPK Date: 05/29/06 Time: 11:37 Sample(adjusted): 1992:4 2006:1 Included observations: 54 after adjusting endpoints C ZEWKE(-2) 3.65E E GKG(-2) R-squared Mean dependent var Adjusted R-squared S.D. dependent var S.E. of regression Akaike info criterion Sum squared resid Schwarz criterion Log likelihood F-statistic Durbin-Watson stat Prob(F-statistic) Durch die Berücksichtung des ZEW-Indikators in unserem Modell steigt das Bestimmtheitsmaß nur unerheblich. Der Wert der t-statistik ist kleiner als Zwei, d.h. der Koeffizient ist nicht signifikant von Null verschieden. Damit liefert der ZEW-Konjunkturindikator einen nur geringen zusätzlichen Erklärungsbeitrag für die Änderungsrate des Bruttoinlandsproduktes. Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Indikatoren liegt v.a. an deren Konzeption. Im Gegensatz zum ifo-geschäftsklima werden beim ZEW-Finanzmarkttest nicht Manager aus der Industrie, sondern Analysten aus der Finanzbranche befragt. Aufgrund der divergierenden Aussagen ist der ZEW-Test eher für die Finanzmärkte von 6
7 Bedeutung. Natürlich gibt es neben dem ZEW-Konjunkturindikator noch eine Reihe anderer Indikatoren, die in das Modell aufgenommen werden könnten. So wäre an die Aktienkurse oder Industriestatistiken, wie die Auftragseingänge zu denken. Für unsere kurzfristige Prognose liefern die Aktienkurse aber keinen signifikanten Beitrag. Die Industriestatistiken wiederum sind schwierig zu interpretieren. So unterliegt die Produktion beispielsweise saisonalen Schwankungen und für die Auftragseingänge liegen aufgrund eines Streiks des statistischen Landesamtes in NRW keine vollständigen Zahlen vor. Ein Blick in die Vergangenheit Um die Qualität des Models zu beurteilen, kann die gleiche Schätzung auch für den Zeitraum angewendet werden: Dependent Variable: DLOG(YW+YW(-1)+YW(-2)+YW(-3),0,4) Date: 05/29/06 Time: 21:20 Sample(adjusted): 1961:4 1994:4 Included observations: 133 after adjusting endpoints C GL1(-3)-GL2(-3) E GLE1(-3)-GLE2(-3) E R-squared Mean dependent var Adjusted R-squared S.D. dependent var S.E. of regression Akaike info criterion Sum squared resid Schwarz criterion Log likelihood F-statistic Durbin-Watson stat Prob(F-statistic) Residual Actual Fitted 7
8 Das Modell erklärt annähernd 73% der Varianz der Änderungsrate des Bruttoinlandsproduktes. Der Standardfehler ist dabei etwas größer. Dennoch bildet das Modell die Entwicklungen der Vergangenheit gut ab. Abschließende Bemerkungen Das allein auf dem ifo-geschäftsklima basierende Modell kann einen erstaunlich hohen Anteil der Änderungsrate des Bruttoinlandproduktes erklären. Richtige Prognosen der Forschungsinstitute beziehen aber eine größere Anzahl an Indikatoren mit ein. Dennoch ist unsere Prognose von annähernd 4% BIP-Wachstum für dieses Jahr auch den Fachleuten bekannt. Die Gefahr, sich bei Veröffentlichung solcher Zahlen wissenschaftlich angreifbar zu machen, ist jedoch zu groß. Dass dieses Jahr durchaus ein Wachstum von 3% erreicht werden kann und viele Prognosen eher konservativer Natur sind, darüber sind sich auch die Experten einig. Bei einem Fehler von einem Prozent kommt unsere Prognose dem schon sehr nahe. 3 Software und Datenzugang Die Software EViews 4.1 ist auf den PCs folgender Pools aufgespielt: PC-Pool 1 (Uni Ost), PC-Pool 2 (Uni West), PC-Pool 3 (Uni Ost), PC-Pool 5 (Uni Ost), PC-Pool 6 (Uni Ost), PC-Pool 7 (Uni Ost). Die für die empirischen Untersuchungen benötigten Daten (z.b. OECD-Daten) stehen in den oben genannten Pools ebenfalls zur Verfügung. Des Weiteren sind aktuelle OECD- Statistiken auch online über die Seite der OECD abrufbar. Weitere Internetquellen Literaturempfehlungen Grundlagenliteratur zu markoökonomischen Theorien 1. Mankiw, N.G.(2003): Makroökonomik, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, 5. Auflage oder 2. Mankiw, N.G.(2000): Makroökonomik, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, 4. Auflage. 8
9 3. Blanchard, O. und Illing, G. (2004): Makroökonomie, Pearson Studium München, 3. Auflage. Literatur zur Empirischen Wirtschaftsforschung 1. Greene, William H. (2003): Econometric Analysis, 5. Auflage, Pearson Education, Upper Saddle River. 2. Pindyck, Robert S. und Rubinfeld, Daniel L. (1998): Econometric Models and Econometric Forecasts, 4. Auflage, McGraw-Hill, New York. 3. Winker, Peter (1997): Empirische Wirtschaftsforschung, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg. Literatur zu Wirtschaftsprognosen 1. Smolny, Werner (1998): Die Wirtschaftsprognosen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftliche Entwicklung und der Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute - Ein Versuch einer Evaluierung, Universität Konstanz. 2. Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung. 3. Gutachten der Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute. 9
Prognosen. Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Auch ein Weiser hat nicht immer recht Prognosefehler sind hoch
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