Ressourcenallokation und Wirtschaftspolitik
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- Harry Heidrich
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1 Ressourcenallokation und Wirtschaftspolitik Prof. Dr. Christian Holzner LMU München WS 2011/2012
2 Organisation Vorlesung: Mo , Professor-Huber-Pl. 2, Lehrturm 101 Übungen: Mi 14:00-16:00 (c.t.) Wolfgang Habla HGB, D 209 Do 14:00-16:00 (c.t.) Daniel Singh HGB, D 209 Do 16:00-18:00 (c.t.) Daniel Singh HGB, D 209 Fr 10:00-12:00 (c.t.) Wolfgang Habla Schellingstr. 3 (R), 051 Kontakt: Christian Holzner Ludwigstr. 28 Vordergebäude / III.Stock Tel.: 089 / christian.holzner@lmu.de Sprechstunde: Mo bis Uhr 2 / 34
3 Materialien: allokation/index.html Literatur: Corneo, Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, Mohr Siebeck, Tübingen, Hindricks und Myles: Intermediate Public Economics, MIT Press, Cambridge, MA, Wellisch, Finanzwissenschaft I - Rechtfertigung der Staatstätigkeit, Vahlen, München, Klausur: Bitte melden Sie sich beim ISC an! 3 / 34
4 Übersicht über die Vorlesung 1 Markt und Staat 2 Optimalität der Konkurrenzwirtschaft 3 Marktmacht 4 Öffentliche Güter 5 Externe Effekte (Umwelt) 6 Unreine öffentliche Güter (Allmendegüter /Klubgüter) 7 Asymmetrische Information 8 Staatsversagen (Politische Ökonomie) 4 / 34
5 1. Markt und Staat 1.1 Aufgaben des Staates 1.2 Die Norm der Allokationseffizienz 1.3 Das Marktergebnis 1.4 Mögliche Rechtfertigungen für Staatseingriffe Literatur: Wellisch, Finanzwissenschaft I - Rechtfertigung der Staatstätigkeit, Vahlen, München, 1999, Kapitel 2. 1 / 34
6 1.1 Aufgaben des Staates Staat greift oft mit Politikmaßnahmen in Wirtschaftsgeschehen ein (Mindestlohn, Ladenschlussgesetz, Bankenrettung (siehe unten)) Fundamentale Fragen für Ökonomen 1 Wann überhaupt, wo und wie soll der Staat eingreifen? Normative Fragestellungen der klassischen Finanzwissenschaft, die einen wohlfahrtsmaximierenden, benevolenten Staat unterstellt. 2 Warum und wie greift der Staat in die Wirtschaft ein? Positive Fragestellung der Public Choice Schule, die davon ausgeht, dass Politiker und andere Akteure in der politischen Arena ihre eigenen Interessen verfolgen. Dabei muss ein Eingriff nicht optimal sein! 2 / 34
7 Musgravesche Dreiteilung der Staatsaufgaben (Richard Musgrave - einer der Begründer der modernen Finanzwissenschaft) Allokationsfunktion: Staat sorgt für eine effiziente Allokation (wenn Markt versagt). Distributionsfunktion: Staat sorgt für eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. Stabilisierungsfunktion: Staat sorgt durch Geld- und Fiskalpolitik für Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität. 3 / 34
8 In dieser Vorlesung: Allokationsfunktion des Staates - insbesondere die normative Begründung der Staatstätigkeit Wann versagen Märkte? Wie kann man Marktfehler korrigieren? Welche Vor- und Nachteile haben die möglichen Staatseingriffe? Positiver Aspekt der Staatseingriffe vor allem Vorlesung Wirtschaftspolitik 4 / 34
9 Vorgehensweise Will man Eingriffe des Staates aus allokativer Sicht rechtfertigen, muß man zunächst Marktversagen konstatieren. Daher müssen wir zunächst überlegen, was ein Markt leisten soll (Norm). Diesen normativen Zustand vergleichen wir dann mit dem Ist-Ergebnis der Marktlösung. Kommt es zu einer Abweichung der Ist- von der Soll-Lösung, liegt Marktversagen vor und der Staat kann (unter Umständen) korrigierend eingreifen. 5 / 34
10 1.2 Die Norm der Allokationseffizienz Woran messen wir, ob ein Markt funktioniert? Wir brauchen eine Norm (Soll-Zustand) zum Vergleich mit den Ist-Zuständen. Normative Kriterien: 1 Pareto-Kriterium 2 Kaldor-Hicks-Kriterium 6 / 34
11 1) Pareto-Kriterium: Nach dem Pareto-Kriterium ist eine Allokation A besser als B, wenn Allokation A kein Individuum schlechter und mindestens ein Individuum besser stellt als Allokation B. Ein Pareto-Optimum liegt vor, wenn keine weiteren Pareto-Verbesserungen mehr möglich sind. Beispiel: - Im Hörsaal wird nach dem Zufallsprinzip Geld verteilt. Egal wie diese Verteilung aussieht, die dadurch geschaffene Ausstattung ist vermutlich paretooptimal. Warum? - Werden hingegen Gutscheine für Pizza und Kinobesuche verteilt, so wird die Anfangsaufteilung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht paretooptimal sein. Warum? 7 / 34
12 Vorteile des Pareto-Kriteriums: - respektiert individuelle Präferenzen - breite Akzeptanz Probleme: - Viele Zustände der Welt sind nach dem Pareto-Kriterium nicht vergleichbar. Warum? - Jede Politikmaßnahme würde komplizierte und praktisch undurchführbare Kompensationsleistungen zwischen Gewinnern und Verlierern erfordern. - Eine strikte Anwendung des Pareto-Kriteriums in der Politik würde zum Einfrieren des Status Quo führen. Beispiele: - Umweltpolitik: Kosten von Luftfiltern in Schornsteinen vs. Vorteil der Anwohner - EU-Osterweiterung: Sinkende Löhne der Arbeitnehmer vs. steigende Kapitaleinkommen 8 / 34
13 2) Kaldor-Hick-Kriterium: Nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium ist eine Politikmaßnahme sinnvoll, wenn sie für mindestens ein Individuum eine Verbesserung bringt und die Verlierer durch die Gewinner kompensiert werden könnten. Dabei muß die Kompensation nur theoretisch möglich sein (wenn sie tatsächlich stattfinden würde, läge sogar eine Pareto-Verbesserung vor). 9 / 34
14 Klare Trennung von Effizienz- und Verteilungsüberlegungen: Nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium ist jede Maßnahme allokationseffizient, die den Kuchen vergrößert, auch wenn einzelne Stücke am Kuchen kleiner werden. Vorteile des Kaldor-Hicks-Kriteriums: - respektiert individuelle Präferenzen - erlaubt klare Trennung von Effizienz- + Verteilungsaspekten - ist ein klares Kriterium für Politikmaßnahmen 10 / 34
15 Optimum in einem Partialmarkt: Wir übertragen nun das Konzept des Pareto-Kriteriums auf einen Partialmarkt. Nachfragekurve und Grenzzahlungsbereitschaft Angebotskurve und Grenzkosten Normative Lösung: Welche Allokation würde ein allwissender sozialer Planer ("benevolenter Diktator") wählen? 11 / 34
16 p A GK B GZB 0 x opt x Abbildung 1: Optimum in einem Partialmarkt 12 / 34
17 Optimale Menge? Warum? Maximal erzielbare Rente? Warum? Die Regel für die optimale Bereitstellung lautet: GZB = GK Mehr zu den Optimalitätsbedingungen in Kapitel / 34
18 1.3 Marktergebnis Freier Tausch und freie Preisbildung führen in einem perfekten Markt dazu, dass die Wohlfahrt maximiert wird. Das Streben des einzelnen Marktteilnehmers, seinen eigenen Vorteil zu maximieren, führt auch zu dem kollektiv besten Ergebnis. Der Grund für diese Effizienzeigenschaft der Märkte liegt darin, dass alle Aktivitäten und Transaktionen den Kompensationstest bestehen: Wer ein Gut herstellt, wird dies nur tun, wenn... der Preis, den er erzielt, ihn für seine Nachteile (Arbeitsleid, Kosten für Inputs,...) mindestens kompensiert. Wer ein Gut konsumieren will, wird dies nur tun, wenn... der geforderte Preis seinen Vorteil nicht übersteigt. 14 / 34
19 Marktergebnis in einem Partialmarkt Positive Lösung: Welche Allokation bringt ein Markt mit vollkommenem Wettbewerb (bei dezentralen Entscheidungen aller Marktteilnehmer) hervor? Bei perfektem Wettbewerb pendelt sich der Preis auf p wett ein. Wie verhalten sich die Konsumenten: Menge? Komsumentenrente? Wie verhalten sich die Produzenten: Menge? Produzentenrente? Die Regel für die tatsächliche Bereitstellung im Markt lautet: GZB = p wett = GK 15 / 34
20 p A GK p wett C B GZB 0 x wett x Abbildung 2: Marktergebnis in einem Partialmarkt 16 / 34
21 Vergleich von normativer und positiver Lösung x opt = x wett Die Wettbewerbslösung generiert die wohlfahrtsmaximierende Allokation, obwohl jeder einzelne Marktteilnehmer nur seine eigenen egoistischen Ziele (Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung) verfolgt. 17 / 34
22 1.4 Mögliche Rechtfertigung für Staatseingriffe Wie lassen sich Staatseingriffe über den Minimalstaat hinaus begründen? Idee des Minimalstaats: Was wäre Leben ohne Staat? Anarchie: Welt, in der Eigentumsrechte nicht definiert sind. Hobbes: Krieg jeder gegen jeden. Staat muss Eigentum definieren, um effiziente Produktion und Tausch zu ermöglichen: Eigentum und Vertragsrecht. Durchsetzung des Eigentums durch Polizei und Gerichtswesen und Verteidigung nach außen. Minimalstaat: Nozick u.a. Staat greift nur ein, um effizientes Wirtschaften zu ermöglichen. 18 / 34
23 Marktversagen bietet Potential für effizienzfördernde Staatseingriffe. Dazu muss nachgewiesen werden, dass der Staat tatsächlich die Allokation verbessern kann: Information Kosten des Staatseingriffs Limitierte Instrumente Der Staat greift auch ein, wenn kein Marktversagen vorliegt. Gerechtigkeit, Umverteilung Politische Ökonomie: Interesse der Beteiligten 19 / 34
24 Wann funktioniert der Markt nicht als perfekter Allokationsmechanismus? Auseinanderfallen von individueller und kollektiver Rationalität Im Prinzip liegt allen Marktfehlern zugrunde, daß die Maximierung des individuellen Vorteils nicht mehr mit der Maximierung des kollektiven Vorteils übereinstimmt Individuelle und kollektive Rationalität fallen auseinander Das klassische Beispiel für einen solchen Fall stellt das Gefangenendilemma dar: Zwei Partner bei einer Straftat werden verhaftet und in separaten Räumen verhört. Jeder Gefangene hat die Möglichkeit, die Straftat zu gestehen und dabei den Partner mit zu belasten oder alles zu leugnen. 20 / 34
25 Person 1 gestehen leugnen Person 2 gestehen leugnen Abbildung 3: Gefangenendilenmma 21 / 34
26 Die Auszahlungsmatrix zeigt das Strafmaß der beiden Gefangenen in Abhängigkeit ihrer Handlungen (gestehen/leugnen). Überlegen Sie wie das Gleichgewicht in diesem Spiel aussehen muss. Warum fallen hier individuelle und kollektive Rationalität auseinander? 22 / 34
27 Weitere Beispiele: Öffentliche Güter: Reine öffentliche Güter sind durch Nicht-Rivalität im Konsum (Konsum des Gutes wird nicht durch die gleichzeitige Nutzung dieses Gutes durch einen anderen Konsumenten beeinträchtigt) und Nicht-Ausschließbarkeit (ein potentieller Nutzer kann nicht vom Konsum des Gutes ausgeschlossen werden) gekennzeichnet. Externe Effekte: Ein externer Effekt liegt vor, wenn sich die Konsum- oder Produktionsentscheidung eines Wirtschaftssubjektes auf den Nutzen anderer Wirtschaftssubjekte auswirkt. Ein allokatives Problem entsteht hier, wenn ein solcher externer Effekt nicht internalisiert wird. 23 / 34
28 Verteilung Das Marktergebnis kann eine sehr ungleiche Verteilung bedeuten Umverteilung aus Gerechtigkeitsgründen. Beispiele: Öffentliche Bildung Progressive Einkommenssteuer Gesundheitswesen Rentenversicherung Konflikte zwischen Verteilung und Effizienz sind häufig. 24 / 34
29 Warum sollte ein Staat umverteilen? John Rawls: Schleier der Unwissenheit Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist. Die Entscheidungen über den Umfang der Umverteilung sollte so getroffen werden, als wäre sie vor Bekanntwerden der Anfangsverteilung der Güter getroffen worden. Jede staatliche Umverteilungsmaßnahme muss den Ärmsten nützen. 25 / 34
30 Alesina et al. (2004): Einfluss der Einkommensverteilung auf individuelle Zufriedenheit. Ergebnis: Höhere Ungleichheit senkt individuelle Zufriedenheit. USA: Zufriedenheit der Reichen sinkt mit Ungleichheit. EUR: Zufriedenheit der Armen sinkt mit Ungleichheit. Insgesamt stärkerer Effekt auf Zufriedenheit als in USA. Unterschied: Armut als Resultat von Pech oder fehlender Anstrengung: 70% der Amerikaner aber nur 40% der Europäer glauben, dass man Armut entkommen kann. 26 / 34
31 Exkurs: Der öffentliche Sektor Staatsausgaben in Deutschland (2008) Mrd Euro bei einem BIP von Mrd Euro Staatsausgabenquote = Staatsausgaben/BIP: 43.9% Außer durch Ausgaben greift der Staat auch durch Regulierungen wie Arbeitsrecht, Umwelt-/Sicherheitsstandards etc. in die Privatwirtschaft ein. 27 / 34
32 Im Zeitablauf: Starke Steigerung der Staatsquote von 1870 (12%) bis 1990er Jahre (50%) - mit Deutschland im Mittelfeld im internationalen Vergleich US UK Germany France Japan Abbildung 4: Staatsquote international / 34
33 ... aber relative Konstanz der Staatsquote seit Beginn der 80er Quelle: Statistisches Jahrbuch (2008) Abbildung 5: Staatsquote in Deutschland 29 / 34
34 Ausgaben nach Aufgabenbereichen Wofür geben Regierungen Geld aus? Beginn bis Mitte des 20. Jh.: Verteidigungsausgaben plus Sozialversicherungssysteme. Seit Mitte 20. Jh: starkes Wachstum insb. in Bildung Gesundheit Renten Hintergrund: demographischer Wandel, Einkommensverteilung, / 34
35 Japan 5 6 UK 4 5 US 4 Germany 3 3 France a. Defence b. Education c. Health d. Pensions Japan UK US Germany France Japan UK Germany France Japan UK US Germany France Abbildung 6: Ausgaben nach Aufgabenbereichen 31 / 34
36 Aktuelle Ausgabenfelder Staatsausgaben für öffentliche Güter: Verteidigung/Sicherheit Politische Führung Andere Bereiche mit Marktversagen: Wissenschaft/Kultur Verkehr Umverteilung Öffentlich bereitgestellte private Güter: Bildung/Gesundheit Soziale Sicherung (!) 32 / 34
37 8% 4% 2%2% 1% 1% Soziale Sicherung Gesundheitswesen Allgemeine öffentl. Verwaltung 9% 14% 14% Quelle: Deutschland in Zahlen % Bildungswesen Wirtschaftliche Angelegenheiten Öffentl. Ordnung und Sicherheit Verteidigung Wohnungswesen, kommun. Gemeinschaftsdienste Freizeitgest.,Sport, Kultur, Religion Umweltschutz Abbildung 7: Ausgaben nach Aufgabenbereichen 33 / 34
38 2% Deutschl % 2% Social protection Frankr % 3% Social protection 9% Recreation; culture and religion Public order and safety 11% Recreation; culture and religion Public order and safety 1% 47% Housing and community amenities Health 2% 43% Housing and community amenities Health 12% General public services Environment protection 13% General public services Environment protection Education Education Quelle: OECD 14% 2% 4% Economic affairs Defence Quelle: OECD 14% 4% 2% 3% Economic affairs Defence UK % 7% 5% 34% Social protection Recreation; culture and religion Public order and safety Housing and community amenities Health USA % 12% Social protection 19% Recreation; culture and religion Public order and safety 1% Housing and community amenities 6% Health 2% General public services 2% General public services Environment protection 17% Environment protection 10% Education Education Quelle: OECD 17% 3% 6% 2% Economic affairs Defence 0% Quelle: OECD 13% 20% Economic affairs Defence Abbildung 8: Zusammensetzung der Staatsausgaben Ende des Exkurs 34 / 34
Ressourcenallokation und Wirtschaftspolitik
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