9 Konvergenz und absolute Konvergenz von Reihen
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- Hertha Fuchs
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1 9 Konvergenz und absolute Konvergenz von Reihen 9.2 Konvergenz von Reihen 9.5 Monotoniekriterium für Reihen 9.6 Konvergenzkriterium von Cauchy für Reihen 9.9 Rechenregeln für konvergente Reihen 9.10 Absolute Konvergenz von Reihen 9.12 Alternierende Reihen Viele Folgen haben eine spezielle Form, z.b. s n := 1 + q q n 1, siehe 7.21(v), s n := 1 + 1/2 + 1/ /n, siehe 7.21(viii). Diese Folgen haben ein einheitliches Bauprinzip: Ausgehend von einer Folge (a n ), im ersten Beispiel a n := q n 1, im zweiten a n := 1/n, bildet man eine neue Folge (s n ) nach der Vorschrift s n := a a n. Solche Folgen treten so häufig auf, daß sie einen eigenen Namen verdienen. Sie heißen Reihen. Etwas allgemeiner und genauer definiert man: 9.1 Die Reihe k=m a k Sei (a n ) n m eine Folge. Unter der Reihe k=m a k oder a m + a m+1 + a m mit den Gliedern (a n ) n m versteht man die Folge (s n ) n m, definiert durch s n := a m + a m a n für n m. Die beiden eingangs angebenenen Folgen lassen sich nun schreiben als: k=1 qk 1, k=1 k 1. Wie schon in diesem Beispiel ist m = 1 (oder auch m = 0) bei den meisten betrachteten Reihen. C 1 [9] 1
2 Kapitel II Konvergenz von Folgen und Reihen Reihen sind als spezielle Folgen eingeführt. Jedoch kann umgekehrt jede Folge (s n ) n m auch als Reihe aufgefaßt werden. Setze hierzu a m := s m und a n := s n s n 1 für n > m. Dann ist in der Tat s n = n k=m a k für n m. Da eine unendliche Reihe dasselbe wie die Folge über Teilsummen ist, liegt es nahe zu definieren: 9.2 Konvergenz von Reihen Die Reihe k=m a k heißt konvergent, wenn die Folge (s n ) n m mit s n := a m a n konvergiert. Gilt s n s, so sagt man, die Reihe konvergiere gegen s. Man schreibt k=m a k = s. s heißt der Wert oder die Summe der Reihe. Eine nicht-konvergente Reihe heißt divergent. Man beachte, daß damit k=m a k zwei verschiedene Bedeutungen hat: 1. Es bezeichnet die Folge der Teilsummen s n = a m a n. 2. Es bezeichnet im Falle der Konvergenz der Reihe auch den Reihenwert. Um Schwierigkeiten mit dieser Doppeldeutigkeit des Zeichens k=m a k aus dem Wege zu gehen, schreibt man: k=m a k = k=m b k, wenn beide Reihen konvergieren und den gleichen Reihenwert haben. Man schreibt k=m a k k=m b k, wenn beide Reihen identisch sind, d.h. wenn n k=m a k = n k=m b k für alle n m sind. 9.3 Beispiel (i) q k 1 1+q +q = 1/(1 q) für q < 1, siehe Beispiel 7.21(v). (ii) (iii) k=1 k=1 k=1 1 k ist divergent (siehe Beispiel 7.21(viii)). 1 k(k+1) = 1, man beweise hierzu induktiv s n := 1/ / / /n(n + 1) = 1 1/(n + 1). Das folgende Beispiel gibt eine sehr schnell konvergierende Reihe mit Grenzwert e an. Mit dieser Reihe läßt sich also e leicht und genau berechnen. Für Beispiel 7.3 ergibt sich die Anzahl der Bakterien nach einer Stunde zu 1000e [9] 2 C 1
3 Konvergenz und absolute Konvergenz von Reihen 9.4 Berechnungsmöglichkeit für e Es ist e = k=0 1 k!. Beweis. Zu zeigen ist lim n s n = e mit Nun ist s n := ! + 1 2! n!. (1) a n := (1 + 1/n) n = 3.19 n k=0 ( n k ) 1 n k n k=0 k! 1 = s n. 3.22(iii) Ferner gilt für m > n a m = m ( m ) 1 k=2 k n m k k=2 k! 1 m(m 1) (m (k 1)) m m m = (1 1/m) 2! 1 n (1 1/m) (1 2/m) (1 m ) n! 1. Also gilt für jedes n (benutze 7.13): (2) e = 8.2 lim m a m s n. Wegen der Monotonie und der Beschränktheit folgt die Existenz von lim n s n (siehe 8.1). Dann gilt wegen (2) zunächst lim n s n e (benutze 7.16(i)) und wegen (1) dann lim n s n lim n a n = (2) e (benutze 7.13). Die Approximation von e durch n k=0 1 k! ist so gut, daß schon bei n = 10 die Abweichung kleiner als 10 7 (s 10 = 2, ) und bei n = 100 die Abweichung etwa beträgt. Demgegenüber weicht (1 + 1/100) 100 von e noch mehr als 10 2 ab. Da Reihen nichts anderes als Folgen einer bestimmten Bauart sind, erhalten wir aus dem Satz über die Konvergenz monotoner Folgen und aus dem Konvergenzkriterium von Cauchy: 9.5 Monotoniekriterium für Reihen Sei k=m a k eine Reihe mit nicht-negativen Gliedern a n. Die Reihe ist genau dann konvergent, wenn die Folge ihrer Teilsummen beschränkt ist. Ist dies der Fall, so gilt: k=m a k = sup({ n k=m a k : n m}). Beweis. Da k=m a k eine Reihe mit nicht-negativen Gliedern ist, ist s n := n k=m a k monoton wachsend. Es ist k=m a k genau dann konvergent, wenn s n konvergent ist. (s n ) n m ist als monotone Folge nach 8.1 genau dann konvergent, wenn s n beschränkt ist. Ist dies der Fall, so gilt: k=m a k = lim n s n = sup({ n k=m a k : n m}). 8.1(i) C 1 [9] 3
4 Kapitel II Konvergenz von Folgen und Reihen 9.6 Konvergenzkriterium von Cauchy für Reihen Eine Reihe k=m a k ist genau dann konvergent, wenn es zu jedem ε R + ein n 0 Z m gibt, so daß a n a n a n0 +n < ε für alle n N ist. Beweis. Es gilt: k=m a k ist konvergent s n := n k=m a k ist konvergent ( ε R + )( n 0 Z m )( s n0 +n s n0 < ε für alle n N). 8.5 Die Behauptung folgt nun aus s n0 +n s n0 = a n a n0 +n. Das Cauchykriterium zeigt insbesondere, daß Konvergenz oder Divergenz einer Reihe erhalten bleibt, wenn man nur endlich viele Glieder der Reihe abändert. Der Reihenwert kann sich jedoch ändern. 9.7 Notwendige Bedingung für Konvergenz von Reihen Ist die Reihe k=m a k konvergent, dann ist die Folge (a n ) n m ihrer Glieder eine Nullfolge. Die Umkehrung gilt i.a. nicht. Beweis. Sei ε R +. Dann konvergieren (s n+1 ) n m und (s n ) n m gegen denselben Reihenwert s. Die Differenzfolge a n := s n+1 s n konvergiert daher gegen Null (siehe 7.18(ii)). Die Folge (1/n) n N ist eine Nullfolge. s n := n k=1 k 1 ist aber divergent (siehe Beispiel 9.3(ii)). 9.8 Reihenrest (i) Für jedes n m gilt: k=m a k ist genau dann konvergent, wenn der Reihenrest (ii) r n := k=n+1 a k konvergent ist. Sei k=m a k konvergent. Dann gilt: (a) Die Reihenreste (r n ) n m konvergieren gegen Null. (b) Für jedes n m ist: k=m a k = n k=m a k + r n. Beweis. (i) Es ist für jedes l > n m: (1) s l = l k=m a k = n k=m a k + l k=n+1 a k. Somit gilt: k=m a k ist konvergent (s l ) l n+1 ist konvergent ( l k=n+1 a k) l n+1 ist konvergent (1) k=n+1 a k ist konvergent. [9] 4 C 1
5 Konvergenz und absolute Konvergenz von Reihen (ii) Es gilt (ii)(b) wegen (2) k=m a k = lim l s l = n k=m a k + r n (1),(i) und daher gilt auch (a) wegen: r n = (2) s n k=m a k n Rechenregeln für konvergente Reihen Es seien die Reihen k=m a k und k=m b k konvergent und α R. Dann folgt: (i) k=m (a k + b k ) ist konvergent, und es gilt für die Reihenwerte: k=m (a k + b k ) = k=m a k + k=m b k. (ii) k=m (a k b k ) ist konvergent, und es gilt für die Reihenwerte: k=m (a k b k ) = k=m a k k=m b k. (iii) k=m αa k ist konvergent, und es gilt für die Reihenwerte: k=m αa k = α k=m a k. (iv) Sind a k b k für alle k m, so gilt: k=m a k k=m b k. Beweis. (i) und (ii) : Setze (1) s n := n k=m a k, Dann ist: u n := n k=m (a k + b k ), (2) u n = s n + t n, (3) v n = s n t n. t n := n k=m b k; v n := n k=m (a k b k ). Somit folgt (i) mit (2) aus 7.18(i), (ii) folgt mit (3) aus 7.18(ii). (iii) Es ist n k=m αa k = α n k=m a k und (iii) folgt aus 7.18(iv). (iv) Es ist s n t n.die Behauptung folgt damit aus dem Vergleichssatz (siehe 7.13). (1) 9.10 Absolute Konvergenz von Reihen Die Reihe k=m a k heißt absolut konvergent, wenn die Reihe k=m a k konvergent ist. C 1 [9] 5
6 Kapitel II Konvergenz von Folgen und Reihen Als Anwendung des Cauchy-Kriteriums erhalten wir 9.11 Absolut konvergente Reihen sind konvergent Ist k=m a k absolut konvergent, dann ist k=m a k auch konvergent. Für die Reihenwerte gilt dann: k=m a k k=m a k. Beweis. Sei k=m a k konvergent. Dann gilt nach dem Cauchy-Kriterium, angewandt auf die Reihe k=m a k (benutze 9.6 ): ( ε R + )( n 0 Z m )( n N) a n a n0 +n a n a n0 +n < ε. 3.11(vii) 9.6 Somit erfüllt die Reihe k=m a k das Cauchy-Kriterium und ist daher nach 9.6 konvergent. Die Aussage über die Reihenwerte folgt mit n k=m a k n k=m a k aus dem Vergleichssatz (siehe 7.13). Das Leibnizsche Kriterium 9.14 zeigt, daß die Reihe k=1 ( 1)k 1 k 1 konvergent, aber wegen k=1 ( 1)k 1 k 1 k=1 k 1 nicht absolut konvergent ist. Die Umkehrung des Satzes 9.11 gilt also nicht Alternierende Reihen Eine Reihe k=m a k heißt alternierend, wenn entweder (i) a m+2k 0, a m+(2k+1) 0 für alle k N 0 ist, oder (ii) a m+2k 0, a m+(2k+1) 0 für alle k N 0 ist. Für das folgende Konvergenzkriterium benötigen wir ein einfaches Lemma: 9.13 Indexverschiebung bei Reihen Sei (a k ) k m eine Folge. Dann gilt (i) k=m a k ist genau dann konvergent, wenn k=0 a m+k konvergent ist. (ii) Aus der Konvergenz von k=m a k folgt für die Reihenwerte k=m a k = k=0 a m+k. Beweis. Setze s n := n k=m a k für n m und t n := n k=0 a m+k für n 0. Dann ist s n = t n m für n max(m, 0). Also ist (s n ) n m genau dann konvergent, wenn (t n ) n N0 konvergent ist. In diesem Fall ist ferner lim s n = lim t n. Somit gelten (i) und (ii). [9] 6 C 1
7 Konvergenz und absolute Konvergenz von Reihen Entsprechend gilt natürlich (und dieses werden wir auch als 9.13 zitieren): k=m a k konvergiert k=1 a m 1+k konvergiert. Aus der Konvergenz einer der beiden obigen Reihen folgt dann: k=m a k = k=1 a m 1+k. Der folgende Satz stammt von Leibniz ( ) Leibnizsches Konvergenzkriterium für alternierende Reihen Sei k=m a k eine alternierende Reihe mit a k 0. Dann gilt: (i) Die Reihe k=m a k ist konvergent. (ii) Für jedes n m gibt es ein θ [0, 1] mit k=n a k = θ a n. Beweis. Wir zeigen zunächst: Ist k=0 b k eine alternierende Reihe mit b k 0, so gilt: (1) k=0 b k = θ b 0. Wir betrachten zunächst den Fall 9.12(i), insbesondere ist dann b 0 0. Setze dann s n := n k=0 b k. Die Teilsummenfolge mit geradem Index s 2n+2 := s 2n + b 2n+1 + b 2n+2 = 9.12(i) s 2n b 2n+1 + b 2n+2 s 2n ist monoton fallend, da b 2n+1 b 2n+2 gilt; die Teilsummenfolge mit ungeradem Index erfüllt wegen b 2n+2 b 2n+3 s 2n+3 = s 2n+1 + b 2n+2 + b 2n+3 = 9.12(i) s 2n+1 + b 2n+2 b 2n+3 s 2n+1, ist also monoton wachsend. Die Teilsummenfolgen sind ferner beschränkt, denn wegen b 2n+1 0 ist (2) 0 s 1... s 2n+1 s 2n s 0 = b 0. Nach 8.1 existieren daher (3) S := lim n s 2n und S = lim n s 2n+1. Wir zeigen nun: (4) S = S und (s n ) n N0 konvergiert gegen S. Nun ist S S = (3) lim n s 2n+1 lim n s 2n = n (s 2n+1 s 2n ) 7.18(ii) = lim n b 2n+1 = 0, d.h. S = S. Zum Nachweis der Konvergenz von (s n ) n N0 wähle ε R +. Dann existieren n 1, n 2 N 0 mit s 2n S < ε für n n 1, und s 2n+1 S < ε für n n 2. (3) (3) C 1 [9] 7
8 Kapitel II Konvergenz von Folgen und Reihen Setzt man n 0 := max(2n 1, 2n 2 + 1), dann gilt: s n S < ε für n n 0. Also konvergiert (s n ) n N0 gegen S, d.h. es gilt (4). Da nach (2) generell 0 s n b 0 ist, folgt 0 S b 0 nach 7.16(i). Es gibt also ein θ [0, 1] mit θ b 0 = S = k=0 b k. Somit ist (1) bewiesen. Für den Fall 9.12(ii) beachte man, daß die alternierende Reihe k=0 ( b k) den Fall 9.12 (i) erfüllt. Nach (1) gilt also k=0 ( b k) = θ ( b 0 ). Also folgt k=0 b k = θ b 0, und somit ist (1) generell bewiesen. Sei nun k=m a k eine alternierende Reihe mit a k 0 und n m fest. Dann ist mit b k := a n+k für k N 0 mit (b k ) k N0 eine alternierende Reihe mit b k 0 gegeben. Also gilt nach (1): (5) k=0 a n+k = k=0 b k = θ b 0 = θ a n. Nach 9.13 ist k=0 a n+k = k=n a k und (ii) folgt daher aus (5). (ii) beinhaltet für n = m insbesondere die Konvergenz der Reihe k=m a k. [9] 8 C 1
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