Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus

Transkript

1 Robert Bosch Stiftung, Auftaktveranstaltung Berlin 2012 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus Sabine Kirchen-Peters, iso-institut, Saarbrücken

2 Struktur des Vortrags 1.Wo liegen Umsetzungsbarrieren für demenzsensible Konzepte? 2.Was sind Ansatzpunkte für Veränderungen? 3.Resümee

3 Empirieschema Krankenhausprojekt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Untersuchungsschritt Adressaten der Befragung Methode Anzahl Schriftliche Befragung (online) 2009 Leitungskräfte von Akutkrankenhäusern Standardisierter Fragebogen ca. 230 Fragebogen Fallstudien Normalversorgung Krankenhausleitungen, Vertreter/innen der Finanzabteilungen, Pflegedienstleiter/innen, Ärztinnen und Ärzte Experteninterviews 3 bis 5 Interviews in Einzel- oder Gruppenform in 10 Krankenhäusern = 38 Projektinitiator/innen, Krankenhausleitungen, 4 Interviews in Einzel- Fallstudien Good Practice Vertreter/innen der Finanzabteilungen, Experteninterviews oder Gruppenform in 6 Krankenhäusern Pflegedienstleiter/innen, = 24 Ärztinnen und Ärzte

4 Krankenhausprojekt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Ergebnisse: Die Umsetzung demenzsensibler Konzepte im Akutkrankenhaus scheitert an Problemen und Barrieren (1) auf individueller Ebene (2) auf institutioneller-arbeitsorganisatorischer Ebene (3) auf übergeordneter und betriebswirtschaftlicher Ebene

5 (1) Barrieren auf individueller Ebene Verkennen des Handlungsbedarfs 42% der befragten Krankenhausleitungen schätzen den Anteil Demenzkranker unter 6% - Prävalenz zwischen 12% (Arolt et al 1997) und 20% (Pinkert/Holle 2012) 34% der Befragten geben 10 oder weniger Delirien im Jahr an; davon ein Fünftel: kein Delir - Prävalenz zwischen 15-30% der über 65jährigen (Reichies et al. 2004) Mangelnde Sensibilisierung/ fehlendes Interesse/ berufliche Orientierung auf Spitzenmedizin für junge Akutfälle Tabuisierung wegen eigener Ängste vor Alter und Abhängigkeit

6 (2) Barrieren auf institutioneller-arbeitsorganisatorischer Ebene Mangelndes Wissen über Good Practice Unzureichendes Wissen über Demenz Betriebliche Hürden für kommunikationsintensive Organisationsentwicklungsprozesse

7 Mangelndes Wissen über Good Practice (a) Sind Ihnen spezielle Versorgungskonzepte für Demenzkranke im Akutkrankenhaus bekannt? (N = 155)

8 (2) Barrieren auf institutioneller-arbeitsorganisatorischer Ebene Mangelndes Wissen über Good Practice Unzureichendes Wissen über Demenz Betriebliche Hürden für kommunikationsintensive Organisationsentwicklungsprozesse

9 Unzureichendes Wissen über Demenz (a) Gab es in Ihrer Klinik im Jahr 2008 Fortbildungen zum Thema Demenz? (N = 100)

10 Unzureichendes Wissen über Demenz (b) Begründungen für den Verzicht auf Demenzfortbildungen in 2008 (N=28) (MFN) Häufigkeit % Zu viele andere wichtigere Themen 21 75,0 Zu geringe Relevanz des Themas 5 17,9 Kein Interesse der Ärzte 2 7,1 Zu hohe Kosten der Fortbildungen 2 7,1 Kein Interesse der Pflegekräfte 1 3,6 Personal ist bereits ausreichend qualifiziert 1 3,6 Sonstiges 4 14,3 Gesamt ,6

11 (2) Barrieren auf institutioneller-arbeitsorganisatorischer Ebene Mangelndes Wissen über Good Practice Unzureichendes Wissen über Demenz Betriebliche Hürden für kommunikationsintensive Organisationsentwicklungsprozesse Spezialisierung und Zersplitterung betrieblicher Interessen Ablauforientierung + Funktionalisierung vs. Patientenorientierung Hierarchien (eingeschränkte Kommunikationsbereitschaft) Angespannte Personalsituation

12 (3) Barrieren auf betriebswirtschaftlicher Ebene Zunehmender Wirtschaftlichkeits- und Effizienzdruck Wenig Spielraum für wirtschaftlich riskante Aktivitäten Enormer Zeitdruck, Hektik Fehlende Gegenfinanzierung des Aufwands

13 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung Umsetzungsschritte müssen an den verschiedenen Barrieren ansetzen: Strategien zur Senkung individueller Barrieren Fragen der Haltung und Sensibilisierung thematisieren Aufklärung über Ausmaß und Relevanz von Demenz/Delir im Krankenhaus (Zahlen, Versorgungsprobleme, Belastungen, alternative Strategien) Demenz zum wichtigen Leitungsthema machen

14 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung Strategien zur Senkung institutioneller Barrieren Wissensaufbau zentraler Schlüssel berufsgruppenspezifische Angebote Pflege: unterschiedliche Intensität mit Mindestmaß 16 Stunden Ärzte: kürzere, aufeinander folgende Veranstaltungen à Min. Inhalte an der Akutversorgerlogik ausrichten! Hospitationen günstig Fallbegleitungen für die Pflege

15 Schulungen für die Pflege (

16 Schulungen für Ärztinnen und Ärzte ( Grundlage: speziell dafür entwickeltes Skript jeweils zwei 90 minütige, aufeinander aufbauende Veranstaltungen Inhalte: Diagnostische Einordnung der verschiedenen Demenzformen Testverfahren Medikamentöse Behandlung Strategien zur Delirprophylaxe (Vermeidung auslösender Faktoren) Delirdiagnostik und behandlung 16

17 Schulungen für Ärztinnen und Ärzte 17

18 Schulungen für Ärztinnen und Ärzte 18

19 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung Strategien zur Senkung institutioneller Barrieren Wissensaufbau zentraler Schlüssel berufsgruppenspezifische Angebote Pflege: unterschiedliche Intensität mit Mindestmaß 16 Stunden Ärzte: kürzere, aufeinander folgende Veranstaltungen à Min. Inhalte an der Akutversorgerlogik ausrichten! Hospitationen günstig Fallbegleitungen für die Pflege

20 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung Strategien zur Senkung institutioneller Barrieren Behutsamer, aber sukzessiver Aufbau demenzsensibler Strukturen und Prozesse Identifizierung Demenz/Delir Erstdiagnostik/-behandlung Beratung und Einbezug von Angehörigen Beschäftigungsangebote/Aktivierung unter Integration neuer Kräfte Ernährung Milieugestaltung Regionale Demenznetzwerke

21 Handlungsfelder zur Verbesserung der Versorgung Strategien zur Senkung institutioneller Barrieren Mögliche Organisationsformen Konsiliar- und Liaisondienst Spezielle (Initial-)Abteilung Freigestellte Demenzbeauftragte oder teams für die Pflege

22 Krankenhausprojekt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Fazit: (1) Der Weg zum demenzsensiblen Krankenhaus ist mühsam! Günstige Eigenschaften: Geduld, Frustrationstoleranz, Beharrlichkeit (2) Erste Erfolge häufig in Richtung Blickwechsel (vgl. Angerhausen) (3) Die Finanzierung zu verbessern, ist eine komplexe Anforderung. Aber eine solche Verbesserung könnte einen wichtigen Impuls setzen.

23 Weiterführende Hinweise Kontakt: Sabine Kirchen-Peters Trillerweg Saarbrücken Telefon Website:

24 Fehlende Gegenfinanzierung des Aufwands Entstehen Zusatzkosten durch die Behandlung Demenzkranker? (N=135, MFN) Häufigkeit Nein 4 3,0 v.h. Ja und zwar durch höheren Personalaufwand ,6 Ja und zwar durch fachärztliche Konsile 62 45,9 Ja und zwar durch längere Liegezeiten (Ø 3,7 Tage) 58 43,0 Ja und zwar durch sonstiges 20 14,8 Gesamt ,3 Geschätzter durchschnittlicher Mehraufwand pro Demenzkranker 2008: 1045 Euro 91% der Befragten halten eine Veränderung des DRG-Systems für notwendig

25 Gewichtung der unterschiedlichen Barrierearten Wenn Sie die Möglichkeiten einer demenzsensiblen Ausrichtung nicht so gut bis sehr schlecht eingeschätzt haben, was sind die Gründe dafür? (N=53, MFN) Häufigkeit v.h. Kostengründe 33 62,3 Gründe auf der internen Ebene der Strukturen und Arbeitsprozesse 32 60,4 Sonstige, insbesondere individuelle Gründe 15 28,3 Gesamt ,0