Wer ernten will, muss schneiden

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1 KONSTANTIN32/ISTOCKPHOTO/RF Gesund und gut: Frisches Obst vom eigenen Baum im Garten Wer ernten will, muss schneiden Hobby-Gärtner wissen: Obst von den eigenen Bäumen schmeckt am besten. Besonders schöne Früchte erntet, wer die harte Arbeit mit Säge und Schere nicht scheut. Jetzt ist Zeit für den Winterschnitt. 70 Den Apfelbaum im Garten schneiden ist das wirklich nötig? Er grünt und blüht doch auch von selber. Das schon. Aber nicht unbedingt mit gutem Resultat. «Schnitteingriffe sind wichtige Massnahmen, damit die Obstbäume regelmässige und qualitativ hochwertige Erträge bringen», betont denn auch Obst- und Weinbauingenieur Jürg Maurer. Er leitet am Bildungs- und Beratungszentrum Inforama Oeschberg in Koppigen BE die Fachstelle Obst und Beeren. Der Obstbaumschnitt bringt zudem Licht in die Krone. Das schützt den Baum besser vor Krankheiten. Und es intensiviert die Farbe der Früchte. Bei jüngeren Bäumen wiederum nehmen Schnitt- und ergänzende Formierarbeiten wie Binden und Kerben direkt Einfluss auf das Wachstum. Sie unterstützen zugleich den natürlichen Prozess der Fruchtbarkeit. In der Schweiz stammt der grösste Teil der Tafelfrüchte von Niederstammbäumen, heute meist Spindeln genannt. Sie sind einfacher zu bewirtschaften und beanspruchen weniger Platz als Hochstämmer. Zudem liefern sie schon nach drei bis vier Jahren den Vollertrag. Bei den Hochstammbäumen dauert das 10 bis 15 Jahre. Sie werden mit einer Lebenserwartung zwischen 50 und 100 Jahren allerdings deutlich älter als Spindeln. Und sie sind für Vögel und Insekten, aber auch fürs Landschaftsbild sehr wertvoll. Bevor Obstbäume ausgewachsen sind, müssen sie durch richtiges Schneiden und Formieren optimal «erzogen» werden. Danach gilt es, Kronenform und

2 INFORAMA.CH -dichte durch regelmässigen Unterhaltsschnitt zu bewahren, damit der Baum gesund bleibt und gute Ernten ermöglicht. Man unterscheidet drei Schnittmethoden: 1. Anschneiden Dieses Verfahren kommt in der Aufbauphase zur Anwendung. Dabei wird am Mitteltrieb (der Verlängerung des Stammes) und an den Hauptästen, die direkt vom Stamm abzweigen, jeweils der in einem Jahr nachgewachsene Fortsetzungstrieb um ein bis zwei Drittel gekürzt. Der Schnitt erfolgt knapp über einer nach aussen stehenden Knospe. Schnittstelle Anschneiden: Schnitt knapp oberhalb der Knospe, andere Knospen entfernen Saftwaage Hauptäste Mitteltrieb Saftwaage: Die Hauptäste auf die gleiche Höhe schneiden das sorgt für eine gleichmässige Nährstoffversorgung An den Hauptästen werden die nachfolgenden Knospen entfernt, um ins Kroneninnere wachsende Triebe zu verhindern. Die Hauptäste sollten auf die gleiche Höhe eingekürzt werden. Dadurch entsteht die sogenannte Saftwaage. Sie erzeugt eine gleichmässige Nährstoffversorgung und bringt die Krone sowohl optisch wie physikalisch ins Gleichgewicht. 2. Schlank schneiden Diese Schnittmethode brauchts für alle Haupt- und die daraus hervorwachsenden Fruchtäste. Konkret werden an allen Ästen stets von aussen nach innen bzw. von oben nach unten zu starke Seitentriebe sowie Triebe an der Ober- und Unterseite weggeschnitten. Das reduziert die Bildung von Blütenknospen, die verbleibenden Knospen erhalten mehr Nahrung und Licht. 3. Verjüngen Diese Technik wird eingesetzt, wenn kaum mehr neue Triebe wachsen. Sie besteht darin, abgetragenes, hängendes Fruchtholz auf einen höheren flachen Trieb zurückzuschneiden. Das verbessert die Fruchtqualität und fördert regelmässige Erträge. Z. SROGA GARTEN INFORAMA.CH (2) Verschlanken: Triebe an der Ober- und Unterseite des Astes wegschneiden Verjüngen: Der herunterhängende Trieb wird abgeschnitten 71

3 DIESE WERKZEUGE BRAUCHEN SIE Baumsäge: Für Äste ab etwa 8 cm Dicke. Astsäge: Für Äste von 4 bis 10 cm Dicke. Zweihand-Baumschere: Für Äste von 2 bis 4 cm Dicke. Obstbäume sollten nicht irgendwann im Jahr geschnitten werden. In Regionen mit Feuerbrandbefall sind während der Vegetation Eingriffe am Kernobst zu unterlassen wegen der Verschleppungsgefahr. Die Arbeiten sind wie folgt zu planen: Winterschnitt: Von November bis April In dieser Zeit erfolgt bei Jungbäumen der Aufbauschnitt (Stichwort «Anschneiden»), bei ausgewachsenen Bäumen der Unterhaltsschnitt («Schlank schneiden», «Verjüngen»). Beim Unterhaltsschnitt er ist in der Regel alle zwei bis drei Jahre angezeigt werden mit Säge oder Schere möglichst ganze Äste oder Triebe entfernt, insbesondere kranke, abgestorbene Äste nach innen wachsende Äste zu starke Seitentriebe (Astgabelungen) parallel oder übers Kreuz wachsende Äste, die sich Licht wegnehmen steil nach oben wachsende Äste und Triebe. Wichtig: Dicke Äste von unten bis zur Hälfte einsägen, erst dann von oben durchschneiden. Sonst reisst die Rinde aus. Tipp: Grössere Schnitteingriffe auf zwei Jahre verteilen. Das belastet den Baum weniger. Nicht schneiden bei Temperaturen unter 5 C: Das Holz ist brüchig, Wunden verheilen nur schlecht. Einhand-Astschere: Für Triebe und Äste bis etwa 2 cm Dicke. Hippe: Zum Ausglätten der Sägeschnitte. Wichtig: Arbeiten Sie immer mit scharfem Gerät. Äste und Triebe sollten beim Schnitt nicht gequetscht werden. INFORAMA.CH Wegschneiden: Steil nach oben wachsende Triebe 72

4 INFORAMA.CH (4) Bei Jungbäumen ist im Frühling vor dem Austrieb auch Zeit für Formierarbeiten. So sollten zu Formen: Steil wachsende Fruchtäste waagrecht nach unten binden Beim Anschneiden von Hauptästen ist es ferner ratsam, die meisten Knospen unterhalb der Endknospe zu entfernen. Damit lässt sich verhindern, dass starke Konkurrenztriebe entstehen. Zugleich wird der Austrieb der verbleibenden unteren Knospen begünstigt, die Neutriebe wachsen flacher und sind fruchtbarer. Baumes zu entfernen. Man reisst diese am besten ab einer Länge von 20 Zentimeter von Hand weg. Bei Jungbäumen wiederum gilt es in dieser Zeit, die Spitzen an den Jahrestrieben wegzuschneiden. Das sollte man tun, wenn die Triebe etwa 15 Zentimeter lang sind. Im Fachjargon nennt sich das «Pinzieren». Es fördert die Ausbildung von Blütenknospen (siehe Kasten Seite 74) an der Basis des Asts. Ebenfalls mehr Knospen gibt es, wenn man jüngere Triebe mit Gewichten behängt und sie so in die Waagrechte bringt. GARTEN steil wachsende junge Fruchtäste oder Jahrestriebe waagrecht gebunden werden, um die Bildung von Blütenknospen zu begünstigen. Man kann auch oberhalb von Knospen Wäscheklammern anbringen: Der Ast-Austrieb erfolgt dann flacher. Korrigieren: Oberhalb der Knospe eine Wäscheklammer anbringen Einkerben: Ein Schnitt oberhalb des Auges fördert den Austrieb Noch vor dem Austrieb der Knospen, aber nicht vor Mitte März, werden bei Jungbäumen oberhalb einiger Augen mit einer Eisen- oder Sackmessersäge kleine Kerben gemacht. Sie sorgen für einen gleichmässigeren Ast-Austrieb. Sommerbehandlung: Mai und Juni Bei ausgewachsenen Bäumen sind im Mai und im Juni unproduktive Jahrestriebe im Innern der Krone sowie überzählige Triebe an Ast-Fortsetzungen und im oberen Bereich des Herunterziehen: Mit einem Gewicht Äste in die Waagrechte bringen Auslichten: August und September Falls nötig, können jetzt starke Jahrestriebe im oberen Baumbereich oder am Triebende weggeschnitten werden. Effekt: intensivere Fruchtfarben und einfacheres Ernten. Wer zu extrem auslichtet, riskiert jedoch, dass der Baum Schaden nimmt oder 73

5 VOR DEM SCHNITT: DAS SOLLTEN SIE WISSEN INFORAMA.CH (3) Auslichten: Starke Jahrestriebe in der Krone entfernen An den Jahrestrieben also an jenen Trieben, die der Baum innert einem Jahr gebildet hat wachsen mehrheitlich Blattknospen (Bild unten). Triebe. Deshalb wachsen Kronenspitze, Spitzen der Hauptäste und Triebe auf den Ast- Oberseiten am stärksten. Zudem gilt: Je steiler der Ansatzwinkel eines Triebes, desto stärker sein Wachstum: negativ reagiert und das Fruchtwachstum hemmt. Übrigens: Stark wachsende und früh erntereife Obstbäume vorab Kirsche und andere Steinobstarten, aber auch zum Beispiel Gravensteiner-Apfelbäume können gleich nach der Ernte so geschnitten werden, dass im Winter höchstens noch kleine Korrekturen nötig sind. Dadurch verheilen die Schnittwunden rascher. GERY SCHWAGER WEITERE INFOS Broschüre «Sachgerechter Obstbaumschnitt», erhältlich unter: Inforama Oeschberg, 3425 Koppigen, Tel , oder Beratung Obst & Beeren Obstbau Obstgarten baumschule Die Blütenknospen (Bild oben) dagegen befinden sich zur Hauptsache am mehrjährigen Fruchtholz. Junge Bäume und Triebe wachsen stark und möglichst steil. Die Blütenknospenbildung ist schwach. Bei älteren Bäumen und ihren Trieben ist es genau umgekehrt: Sie wachsen eher schwach bzw. flächer und bilden mehr Blütenknospen aus. Den meisten Saft schickt der Baum in die hoch stehenden Je dicker der Ast-Umfang, desto stärker sein Zuwachs: Je zahlreicher die Seitentriebe eines Astes, desto stärker seine Fortentwicklung: Z. SROGA (3) 74

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