Leistungsfähigkeit von Innenwandfarben und Klassifizierung nach DIN EN 13300

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1 Leistungsfähigkeit von Innenwandfarben und Klassifizierung nach DIN EN Dipl. Ing. (FH) ilf Forschungs und Entwicklungsgesellschaft Lacke und Farben mbh Fichtestraße Magdeburg

2 Gliederung 1. Dispersionsfarben Begriffe und Definitionen 2. Zusammensetzung von Dispersionsfarben 3. Wirtschaftliche Bedeutung von Dispersionsfarben 4. Qualitätsmerkmale von Dispersionsfarben im Innenbereich Prüfverfahren zur Einteilung nach DIN EN Glanz maximale Korngröße Nassabriebbeständigkeit Reinigungsfähigkeit Kontrastverhältnis (Deckvermögen) Umweltverträglichkeit und Gesundheit 5. Literaturhinweise 2

3 Dispersionsfarben Begriffe und Definitionen Dispersionsfarbe (Dispersionsbeschichtungsstoff, Latexfarbe) Beschichtungsstoff, in dem das organische Bindemittel in Wasser dispergiert ist Dispersion heterogenes flüssiges Gemisch aus mindestens zwei Stoffen, die sich nicht oder kaum ineinander lösen oder chemisch miteinander verbinden Polymerdispersion flüssiges bis halbflüssiges Produkt, üblicherweise milchigweiß, das das Polymer in einer stabilen Form, fein verteilt in einer flüssigen Phase enthält Farbe Sinneseindruck, der im menschlichen Auge durch Wahrnehmung von Strahlung einer gegebenen spektralen Zusammensetzung entsteht (durch Buntton, Buntheit und Helligkeit gekennzeichnet) 3

4 Zusammensetzung von Dispersionsfarben wässrige Dispersion = Bindemittel Pigmente und Füllstoffe bestimmen Farbton, Deckvermögen und Fülle (Schichtdicke) Additive/Zusatzstoffe/Hilfsstoffe zur Verbesserung oder Modifizierung von Verlauf Konsistenz Schaumbildung mikrobiologischem Befall u.a. Eigenschaften Dispersionsfarben sind wasserverdünnbar Arbeitsgeräte, Spritzer, Tropfen sowie die Hände können vor dem Trocknen der Dispersionsfarbe mit Wasser gereinigt werden 4

5 Wirtschaftliche Bedeutung von Dispersionsfarben Produktionsstatistik 2012 (Quelle: Verband der deutschen Lack und Druckfarbenindustrie e.v.) Produktionsmenge: Lacke und Anstrichstoffe insgesamt: t davon Dispersionsfarben (innen): t = 30 % davon Dispersionsfarben (Fassade): t = 7 % Produktionswert: Lacke und Anstrichstoffe insgesamt: Tsd. davon Dispersionsfarben (innen): Tsd. = 13 % davon Dispersionsfarben (Fassade): Tsd. = 5 % 5

6 Wirtschaftliche Bedeutung von Dispersionsfarben (Quelle: Verband der deutschen Lack und Druckfarbenindustrie e.v.) t t t Σ t 6

7 Qualitätsmerkmale von Dispersionsfarben im Innenbereich die DIN EN DIN EN Beschichtungsstoffe Wasserhaltige Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für Wände und Decken im Innenbereich Einteilung (November 2002) Vorgesehene Anwendung: a) Gestaltung b) besondere Eigenschaften Glanz maximale Korngröße Bindemitteltyp: a) gelöschter Kalk, Zement, Silicat b) Acrylharz, Vinylharz, Alkydharz, Epoxidharz, Copolymere Nassabriebbeständigkeit Kontrastverhältnis (Deckvermögen) für weiße oder helle Beschichtungssysteme Weitere Merkmale: z.b. Beständigkeit gegen Pilze und Algen, Reinigungsfähigkeit, Gehalt an organischen Lösemitteln/Cosolventien 7

8 Einteilung nach dem Glanz basierend auf Reflektometerwerten, gemessen nach DIN EN ISO 2813 unter 60 oder 85 Messgeometrie Bezeichnung Messwinkel Reflektometerwert glänzend mittlerer Glanz 60 < 60 (seidenglänzend oder seidenmatt) matt 85 < 10 stumpfmatt 85 < 5 In der Praxis hängt der erreichte Glanz vom Zustand und von der Art des Untergrundes ab. Matte Dispersionsfarben sind mechanisch empfindlicher als glänzende, die auch leichter zu reinigen sind. 8

9 Einteilung nach der maximalen Korngröße Die maximale Korngröße hat Einfluss auf die Oberflächenstruktur der Beschichtung und liegt bei Innendispersionsfarben üblicherweise deutlich unter 100 µm. maximale Korngröße Bestimmung nach fein bis zu 100 µm DIN EN ISO 1524 (Mahlfeinheit (Körnigkeit)) mittel bis zu 300 µm DIN EN ISO oder 18 (Siebrückstand) grob bis zu 1500 µm DIN EN ISO oder 18 (Siebrückstand) sehr grob über 1500 µm DIN EN ISO oder 18 (Siebrückstand) 9

10 Einteilung nach der Nassabriebbeständigkeit Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit nach DIN EN ISO Beständigkeit der Beschichtung gegen wiederholtes Reinigen (nasses Abreiben) Die zu prüfende Dispersionsfarbe wird mit einem Filmziehgerät mit definierter Dicke (i.d.r. 400 µm) auf eine Folie aufgezogen. Nach einer Trockenzeit von 28 Tagen bei 23 C und einer relativen Luftfeuchte von 50 % wird die beschichtete Folie in einem Scheuerprüfgerät 200 bzw. 40 Scheuerzyklen unterworfen und der Schichtdickenverlust berechnet. Klasse Dickenabnahme der Schicht 1 < 5 µm bei 200 Scheuerzyklen 2 5 µm und < 20 µm bei 200 Scheuerzyklen (entspricht in etwa scheuerbeständig nach DIN 53778) 3 20 µm und < 70 µm bei 200 Scheuerzyklen (entspricht in etwa waschbeständig nach DIN 53778) 4 < 70 µm bei 40 Scheuerzyklen 5 70 µm bei 40 Scheuerzyklen 10

11 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Probenfolie PVC Folie, weichmacherfrei Nenndicke: 0,25 mm Länge: 430 mm Breite: mind. 60 mm 11

12 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Aufziehen eines gleichmäßigen Films auf die Probenfolie automatisches Filmziehgerät mit Vakuum Saugplatte Ziehgeschwindigkeit: 10 mm/s bis 15 mm/s Spaltbreite: mind. 60 mm DIN EN ISO 11998, 8.1: Eine ausreichende Spalthöhe wählen, damit sich eine Beschichtung ergibt, die so dick ist, dass nach 200 Scheuerzyklen das Substrat nicht freigelegt wird. (i.d.r. 400 µm) 12

13 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Trocknung im Normalklima Trockenzeit: 28 Tage Temperatur: (23 ±2) C relative Luftfeuchte: (50 ±5) % forcierte Trocknung: z.b. 24 h Lagerung im Wärmeschrank bei 50 C 13

14 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Wägen der beschichteten Probenfolien vor dem Scheuern Problem: Sehr spröde Beschichtungen neigen beim Aufrollen der beschichteten Probenfolien zum Abblättern (z.b. mineralische Systeme). 14

15 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Scheuerprüfgerät mit Scheuerschwamm und Halter für den Scheuerschwamm Hublänge: (300 ± 10) mm (37 ±2) Scheuerzyklen je min Masse des Halters für den Scheuerschwamm: (135 ±1) g 15

16 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Verteilen der Waschflüssigkeit auf der Beschichtung Waschflüssigkeit: wässrige Lösung von 2,5 g/l Natrium ndodecylbenzolsulfonat Einwirkdauer: 60 s 16

17 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Sättigen des Scheuerschwamms mit Waschflüssigkeit 3M Scotch Brite, Handschwämme, Nr 7448, Type S, Grad UFN, grau Zuschneiden auf die Maße (90,0 ±0,5) mm (39,0 ±0,5) mm Sättigen des Scheuerschwamms bis zu einer Masse von (4,0 ±0,5) g mit Waschflüssigkeit 17

18 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Einflussfaktoren auf die Abrasivität der Scheuerschwämme Einwirkdauer der Waschflüssigkeit in DIN EN ISO nicht festgelegt Qualitätsschwankungen zwischen verschiedenen Lieferchargen Untersuchungen am FPL Stuttgart ( ) DIN EN ISO bisher nicht überarbeitet 18

19 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Scheuerprüfgerät in Aktion 200 bzw. 40 Scheuerzyklen Problem: In Abhängigkeit vom Bindemitteltyp und von der Pigment Volumen Konzentration (PVK) weisen die Beschichtungen durchaus unterschiedliche Saugfähigkeiten auf. Gefahr des Trockenlaufens stark saugender Beschichtungen möglicherweise kommen weniger abriebbeständige Beschichtungen besser weg als sie sind 19

20 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Spülen mit Leitungswasser 20

21 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Ausmessen der Scheuerspur S W A Scheuerlänge [mm] Breite des Scheuerschwamms [mm] vom Scheuerschwamm durchfahrene Fläche [m²]

22 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Wägen der beschichteten Probenfolien nach dem Scheuern Problem: Sehr spröde Beschichtungen neigen beim Aufrollen der beschichteten Probenfolien zum Abblättern (z.b. mineralische Systeme). 22

23 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Berechnung des mittleren Schichtdickenverlustes der Beschichtung ursprüngliche Masse der Probenfolie mit Beschichtung Masse der Probenfolie mit Beschichtung nach dem Scheuern vom Scheuerschwamm durchfahrene Fläche Trockenfilmdichte 23

24 Einteilung nach der Nassabriebbeständigkeit Klasse 1 Dispersionsfarben mit der höchsten Strapazierfähigkeit und der besten Reinigungsfähigkeit Klasse 2 glänzende, seidenglänzende und seidenmatte Dispersionsfarben sind gut zu reinigen; matte Dispersionsfarben sind vorsichtig zu reinigen, damit keine Spuren an der Oberfläche bleiben Klasse 3 ohne an der Oberfläche Spuren zu hinterlassen nur bedingt zu reinigen; insbesondere matte Oberflächen sind nicht sehr strapazierfähig (bei mechanischer Belastung entstehen Spuren) Klasse 4 können nicht gereinigt werden; mechanisch und bei Feuchtebelastung so labil, dass beim Überstreichen die Gefahr des Lösens vom Untergrund besteht Klasse 5 schlechter als Klasse 4 ( blickbeständig ) (nach BAGDA/REINMÜLLER 2007) 24

25 Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit Präzision des Prüfverfahrens laut DIN EN ISO Wiederholbarkeit: ±18 % (derselbe Prüfer, dasselbe Prüfgerät, dasselbe Prüfmaterial) Vergleichbarkeit: ±30 % (unterschiedliche Laboratorien, dasselbe Prüfmaterial) Daten beziehen sich auf eine vernetzende Dispersionsfarbe (Klasse 1?): bei weniger nassabriebbeständigen Beschichtungen (oberer Bereich der Klasse 3, Klassen 4 und 5) wird eine noch geringere Genauigkeit als in der Norm angegeben vermutet Probleme werden deutlich bei grenzwertig formulierten Dispersionsfarben (insbesondere Grenzbereich zwischen Klasse 3 und Klasse 4) 25

26 Reinigungsfähigkeit Bestimmung der Reinigungsfähigkeit nach DIN EN ISO Prüfverfahren analog zur Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit auf die beschichteten Probenfolien werden Verunreinigungen aufgebracht Eine reinigungsfähige Beschichtung soll nach dem Entfernen einer Verschmutzung annähernd so aussehen wie vor der Reinigung und sich nicht von Stellen unterscheiden, die nicht gereinigt wurden. Generelle Aussage zur Reinigungsfähigkeit ist auf Grund der Vielzahl der denkbaren Verunreinigungen (z.b. Kaffee, Tee, Wein, Cognac, Cola, Ketchup, Karottensaft, Blut, Filzstift, Bleistift, Tinte, ) nicht möglich (keine Klassen!). Faustregel: Wässrige Verunreinigungen dringen weniger, lösemittelhaltige (alkoholische) Verunreinigungen stärker ein. Je bindemittelreicher eine Beschichtung und je geringer die Wasseraufnahme, umso größer die Nassabriebbeständigkeit und umso besser die Reinigungsfähigkeit. Ein indirektes Maß für die Reinigungsfähigkeit ist die Nassabriebbeständigkeit. 26

27 Einteilung nach dem Deckvermögen Bestimmung des Deckvermögens nach VdL Richtlinie 09/ Bestimmung des Kontrastverhältnisses in Anlehnung an DIN EN ISO Das Deckvermögen ist eines der ausschlaggebenden Qualitätskritierien von Dispersionsfarben. Eine Dispersionsfarbe soll den Untergrund gut decken und es soll nach dem Anstrich eine gleichmäßige Oberfläche entstehen. Das Maß für das Deckvermögen weißer oder heller Beschichtungssysteme ist das Kontrastverhältnis: Klasse Kontrastverhältnis 1 99,5 % 2 98 % und < 99,5 % 3 95 % und < 98 % 4 < 95 % Zur Einteilung in die Klassen wird das Kontrastverhältnis bei der vom Hersteller angegebenen Ergiebigkeit in m²/l ermittelt (Beispiel: Klasse 2 bei 7 m²/l ). Häufige Angabe auf den Gebinden: Inhalt: 11 L für ca. 77 m² bei einmaligem Anstrich (Beispiel). 27

28 Bestimmung des Deckvermögens Vorbereitung des Substrates bzw. der beschichteten Karten schwarzweiße Kontrastkarten mit einer Mindestgröße von 0,04 m² (Y Farbwert über schwarz: 7; Y Farbwert über weiß: 80 bis 90) Auftragen der Dispersionsfarbe mit drei bis vier verschiedenen Schichtdicken (Spalthöhen im Bereich von 100 bis 300 µm) 28

29 Bestimmung des Deckvermögens Messung des Y Farbwertes Konditionierung: mind. 24 h bei (23 ±2) C und (50 ±5) % relativer Luftfeuchte Messung der Helligkeit über den schwarzen ( ) und weißen ( ) Flächen der beschichteten Kontrastkarten Berechnung des Kontrastverhältnisses in %:

30 Bestimmung des Deckvermögens Kontrastverhältnis in % Einteilung in Klassen 250 µm 200 µm Klasse 2 bei 7 m²/l 95 Klasse ,00 4,500 5,00 5,500 6,00 6,500 7,00 7,500 8,00 8,500 9,00 Ergiebigkeit in m 2 /L Klasse 1 Klasse µm Klasse 3 30

31 Ergiebigkeit und Verbrauch Ergiebigkeit: Fläche, die, mit einem Liter eines Beschichtungsstoffes beschichtet, eine in Farbton und Struktur gleichmäßige Oberfläche ergibt. Für Wand und Deckenfarben wird die Ergiebigkeit in ganzen oder halben Zahlen angegeben: z.b. 7 m²/l oder 8,5 m²/l. Die Ergiebigkeit bezieht sich auf einen Arbeitsgang mit unverdünntem Material. Verbrauch: Menge eines Beschichtungsstoffs, die notwendig ist, um einen Quadratmeter einer Fläche zu beschichten. Verbrauch ist abhängig vom Untergrund (Saugfähigkeit, Rauheit), der Art des Beschichtens (mit Rolle, Pinsel, Spritzgerät) und der Verdünnung der Dispersionsfarbe 31

32 Umweltverträglichkeit und Gesundheit Richtlinie 2004/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen aufgrund der Verwendung organischer Lösemittel in bestimmten Farben und Lacken und in Produkten der Fahrzeugreparaturlackierung sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/13/EG ( Decopaint-Richtlinie ) EG-Umweltzeichen für Innenfarben und -lacke ( EU Ecolabel ) RAL-UZ 102 Emissionsarme Wandfarben ( Blauer Engel ) 32

33 Umweltverträglichkeit und Gesundheit Anforderungskriterien/Grenzwerte flüchtige organische Verbindungen = VOC (aus Lösemitteln, Filmbildehilfsmitteln) flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (aus Lösemitteln) Schwermetalle (aus anorganischen Pigmenten/Füllstoffen) Isothiazolinonverbindungen (Konservierungsstoff) Formaldehyd Gehalt (Konservierungsstoff) Silber und Silberverbindungen (Konservierungsstoff) Phthalate (Weichmacher) 33

34 Literaturhinweise E. BAGDA und B. REINMÜLLER, Dispersionsfarben Zu den Qualitätsmerkmalen von Dispersionsfarben im Innenbereich (Hrsg.: DIN Deutsches Institut für Normung e.v.), Beuth, Berlin Wien Zürich, DIN EN ISO 4618, Beschichtungsstoffe Begriffe. DIN EN 13300, Beschichtungsstoffe Wasserhaltige Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für Wände und Decken im Innenbereich Einteilung. DIN EN ISO 11998, Beschichtungsstoffe Bestimmung der Nassabriebbeständigkeit und der Reinigungsfähigkeit von Beschichtungen. DIN EN ISO , Beschichtungsstoffe Bestimmung des Deckvermögens Teil 3: Bestimmung des Kontrastverhältnisses von hellen Beschichtungen bei einer festgelegten Ergiebigkeit. VdL RL 09, Richtlinie zur Bestimmung des Deckvermögens. 34

35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 35