Sind Bauchentscheidungen nicht doch besser?

Transkript

1 Smart Choices Entscheidungstheorien für den Entscheidungsalltag (Modul 1) Seminaristische Vorlesung im SoSe 09 FB Angewandte Sozialwissenschaften Prof. Dr. Rupert Scheule Smart Choices Sind Bauchentscheidungen nicht doch besser?

2 Weeks ago Satisficing? nicht nach der besten, sondern nach einer Entscheidungsalternative suchen, die gut genug ist! Wald-Regel? Wähle jene Alternative, die dir im schlimmsten Fall noch das beste Ergebnis bringt. Was machen wir heute? leider nicht: Entscheidungen unter Gegnerschaftsbedingungen (fällt der Kürze des SoSe zum Opfer) Sind Bauchentscheidungen nicht die besseren Entscheidungen? Resümee, Fragen zur Hausarbeit 2

3 Lernziele Wissen: Sie bekommen einen Überblick über die aktuelle Kopf- vs. Bauch- Entscheidung -Debatte. Verstehen: Sie können abwägen, was für eine Kopf- und was für eine Bauchentscheidung spricht. Problemlösen: Sie finden Ihr Verhältnis zw. intuitiven und rationalen Entscheidungen Das Wilson-Experiment Welches Bild als Poster an Ihrer Wand? Gruppe 1 wählt spontan Gruppe 2 wählt überlegt Timothy Wilson 3

4 Suchen Sie Ihr Bild! N. Rauch Suchen Sie Ihr Bild! Miró 4

5 Suchen Sie Ihr Bild! R. Doisneau Suchen Sie Ihr Bild! M. Groenig 5

6 Das Wilson-Experiment Welches der vier Bilder hätten Sie gerne als Poster an Ihrer Wand? Gruppe 1: Wählen Sie! Jetzt! Gruppe 2: Schreiben Sie ein paar pro/contra- Argumente zu jedem Poster auf und wählen Sie das, welches Ihnen nach diesen Überlegungen als das Beste erscheint! Prüfen und Wählen Rauch Miró Doisneau Groenig 6

7 Intuitive Entscheidungen Was sind Bits? Binary Digits = Binärziffern Beim Lesen dieses Satzes verarbeiten sie 45 Bits/s. Maximalkapazität: 50 Bits/s 11 Mio Bits treffen jede Sekunde im Gehirn ein. Der Verstand gleicht dem Mann, der nachts unter einer Laterne seinen verlorenen Hausschlüssel sucht. Ein Passant kommt vorbei und fragt ihn, ob er denn sicher sei, dass er seinen Schlüssel just unter der Laterne verloren habe. Das bin ich nicht, entgegnete der Mann, aber das hier ist der einzige Ort, an dem ich was sehen kann (Kast 2007, 76). Intuitive Entscheidungen Shoppen ohne nachzudenken die Dijksterhuis-Experimente Konsumenten-Befragung vor IKEA und vor Bijenkorf (Mode-Accessoires) Was haben Sie gekauft? Wie teuer war es? Kannten Sie das Produkt schon vor dem Einkauf? Wie lange haben Sie nachgedacht zwischen Erstkontakt mit dem Produkt und dem Kauf? Telefonbefragung zur Kaufzufriedenheit nach einigen Wochen. 7

8 Intuitive Entscheidungen Der deliberation without attention -Effekt: Concious thinkers were better able to make the best choice among simple products, whereas unconscious thinkers were better able to make the best choice among complex products (Dijksterhuis u.a. 2006, 1005). Je einfacher das Produkt, desto zufriedener waren reflektierte Käufer. Je komplexer das Produkt, desto unzufriedener waren reflektierte und desto zufriedener waren Spontankäufer. Vorrang für intuitive Entscheidungen? Ap Dijksterhuis Bas Kast There is no a priori reason to assume that the deliberationwithout-attention effect does not generalize to other types of choices political, managerial, or otherwise. In such cases, it should benefit the individual to think consciously about simple matters and to delegate thinking about more complex matters to the unconscious (Dijksterhuis u.a. 2006, 1007). Setzen Sie Ihren Verstand ein, um sich zum Experten zu machen, lassen Sie die Informationen sacken und warten Sie auf das Urteil Ihres Unbewussten (Kast 2007, 87). 8

9 Und? Noch zufrieden mit Ihrer Wahl? Rauch Miró Doisneau Groenig Vorrang für intuitive Entscheidungen? George W. Bush Bericht des US- Präsidenten zur Lage der Nation: Bush zu Krieg gegen Irak entschlossen. 20. März 2003: Krieg gegen Irak beginnt. 1. Mai 2003: Mission Accomplished seriös geschätzte Zahl der Toten bis 2006: (vgl. Iraq Family Health Survey Study Group 2008) Juni 2005: With me the decision is fine. 9

10 Vorrang für intuitive Entscheidungen? Ein Staatschef, der guten Gewissens auf einen Krieg zusteuert, hat deshalb noch lange nicht richtig gehandelt (Haslam 2007, 30). Zufriedenheit mit einer Entscheidung ist nicht das einzige Kriterium für ihre Gute! Nur überlegte Entscheidungen lassen sich kommunizieren und im Dialog hinterfragen! Zwischenfazit 1: Versuche, deine intuitiven Entscheidungen rational d.h. argumentierend - einzuholen! Sei vorsichtig, wo dir dies nicht gelingt! Das 30-Sekunden-Quiz Welche Stadt ist größer: Milwaukee oder Detroit? 10

11 Das 60-Sekunden-Quiz Richtige Antwort: Detroit 40% der befragten US- Studierenden optierten für Milwaukee Über 90% der deutschen Vergleichsgruppen gaben Detroit zu Antwort (vgl. Gigerenzer 2007, 15). Das 60-Sekunden-Quiz Rekognitionsheuristik! Wenn du den Namen der einen Stadt, aber nicht den der anderen kennst, schließe daraus, dass die wiedererkannte Stadt mehr Einwohner hat (Gigerenzer 2007, 16); Zwischenfazit 2: Heuristiken (Faustregeln) ermöglichen bei niedrigem Kenntnisstand überraschend erfolgreiche Entscheidungen, ihre Leistungsstärke sinkt bei steigenden Kenntnisständen. 11

12 Fazit 1 Rationale Entscheidungen strukturiert (Ziele, Alternativen, Folgenerwartungen) zielorientiert (welche Entscheidung bringt mich mit welcher Wahrscheinlichkeit meinem Ziel am Nächsten) kommunizierbar lassen sich nicht durch Bauchentscheidungen rationale Informationsgewinnung intuitive Wahl ersetzen. Fazit 2 Was gelernt? das Merkblatt zur Veranstaltung Hinweise und Merkblatt zur Hausarbeit Sprechstunden wg. Hausarbeit: , Uhr , Uhr 12

13 Ausgewählte Literatur Dijksterhuis, A. u.a. (2006): On Making the Right Choice: The Deliberation-Without- Attention Effect. In: Science (Vol. 311, ), Gigerenzer, G. (2007): Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München (3. Aufl.). Iraq Family Health Survey Study Group (2008): Violence-Related Mortality in Iraq from 2002 to In: New England Journal of Medicine. Vol. 358, Kast, B. (2007): Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition. Frankfurt/M. Wilson T. D. u.a. (1993): Introspecting about Reasons Can Reduce Post-Choice Satisfaction. In: Personality and Social Psychology Bulletin (Vol. 19),